Nur ein toter Mann ist ein guter Mann - Gaby Hauptmann - E-Book
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Nur ein toter Mann ist ein guter Mann E-Book

Gaby Hauptmann

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Beschreibung

Eine rabenschwarze Komödie von Bestsellerautorin Gaby Hauptmann über eine Frau, die auf der Suche nach sich selbst über Männerleichen geht.Endlich frei, endlich allein! Ursula Winkler ist soeben glückliche Witwe geworden. Mit Power, List und Tücke hebelt sie von nun an Mann um Mann aus angestammten Positionen – und so manchen aus dem Leben. Männer, die ihr zu nahe kommen, finden ein jähres Ende - durch ihre Hand, durch Unglücksfälle, durch Selbstmord …

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Inhalt

Cover & Impressum

ABGANG

ENTFALTUNG

DIE STIMME DES FLÜGELS

GEDANKENSPIEL

WAIDMANNSDANK

DIE CHEFIN

DER RIVALE

RENDEZ-VOUS

KONKURRENZ

VORSPIEL

WEIHNACHTEN

DIE WAFFE

IM SCHNEE

AHNUNG

VERDACHT

DER PLAN

DAS ANGEBOT

BEGEGNUNG

EINE LEICHE IM SESSEL

DIE ABSTEIGE

DER BRIEF

ORGASMUS

DIE AKTENTASCHE

DIE AKTE

DIE UNBEKANNTE

TUCHFÜHLUNG

DAS TELEFONAT

DIE BEERDIGUNG

AUFBRUCH

KLEINE KREUZE

AUSTAUSCH

BESUCH

ZUVERSICHT

SIEG

INTRIGE

ÜBERFALL

VERSCHWÖRUNG

TODESSTOSS

ÜBERNAHME

GESCHÄFTSSINN

GRAND CRU CLASSÉ

RACHE

MORD

WAIDMANNSDANK

Ursula läßt ihren dunkelblauen Golf vor der Doppelgarage stehen. Gegen 15 Uhr würde Herr Schwarzenberg eintreffen, also noch Zeit genug, um sich an den Schreibtisch zu setzen und den Rest der Kondolenzbriefe zu beantworten, die sich noch immer im Eingangskästchen stapeln. Sie hat sich 200 Danksagungskarten drucken lassen, das erleichtert die Arbeit. Am liebsten hätte sie sowieso alles Frau Lüdnitz übertragen, aber das hätten die in der Firma vielleicht falsch verstanden. Ihr lag nichts an rührseligem Geschreibsel. Walter hätte ebenso gedacht. Er hätte im umgekehrten Fall sicherlich nicht gezögert, Frau Lüdnitz mit den Begleiterscheinungen ihres Ablebens zu belasten.

Ursula setzt Wasser auf und streicht sich dazu ein Butterbrot. Dann holt sie sich fünf der dickeren Briefe und legt sie neben den Teller auf den kleinen Küchentisch. Soll sie das überhaupt alles durchlesen, oder soll sie die Post einfach so beantworten? Unterschrift unter die Vordrucke und basta? Sie nimmt ein scharfes Küchenmesser und schlitzt den ersten Brief auf.

Ausgerechnet den von Manfred Kühnen hat sie erwischt.

Muß sie sich das jetzt antun?

Der Wasserkessel pfeift, sie gießt den Tee auf und beginnt zu lesen.

Ein genialer Lügner, dieser Herr Kühnen.

Was er alles an Walter geschätzt hat. Daß ich nicht lache. Güte und Gerechtigkeit? So ein Blödsinn. Charakterstärke und Durchsetzungsvermögen. Das ja. Rücksichtslosigkeit und Selbstherrlichkeit – das hat er vergessen, der liebe Herr Kühnen. Sie steckt den Brief wieder in den Umschlag zurück.

Sie reißt den nächsten auf.

Es ist der reinste Bettelbrief.

Eine Organisation – für was? Gegen Legebatterien und Tierquälereien bei Tiertransporten – bittet um eine Spende im Andenken an ihren Mann. Was haben Schlachttiere mit Walter zu tun? Eine Unverschämtheit. Was gehen sie die Probleme anderer Leute an? Und wie kommt diese Organisation überhaupt darauf, ihr zu schreiben? Sie schaut nach der Unterschrift. Verena Müller. Ist das nicht die Kleine aus der Buchhaltung? Oder hat da nur jemand zufällig denselben Namen? Sie wird sich gleich am Montag darum kümmern. Der wird sie was erzählen. Am besten sollte sie ihr gleich kündigen.

Die Lust zum dritten Brief ist ihr vergangen.

Sie setzt sich, trinkt ihren Tee, beißt in ihr Brot und öffnet ihn dann doch.

Ihre Nachbarin hat ihr geschrieben.

Nett und unverbindlich.

Na also, geht ja doch!

Sie wird nett zurückschreiben.

Die Nummer vier ist von Bankdirektor Julius Wiedenroth. Klar, daß der sich etwas zusammensülzt, er hat Angst, die Alte könnte die Bank wechseln.

Der letzte ist von Ludwig. Dazu legt sie ihr halb aufgegessenes Brot auf die Seite. Mal gespannt, was der sich hat einfallen lassen. Er schreibt von gemeinsamen Tagen, von gemeinsamen Unternehmungen, von gemeinsam verbrachten Abenden bei auserlesenen Weinen. Seinen. Ja, stimmt, die Stunden gemeinsam mit Ludwig waren immer erfreulich. Irgendwie anders, gelöster, lustiger. Vielleicht lag es aber wirklich an seinem Wein. Er hält viel darauf, gibt ein Vermögen dafür aus. Walter hat nur den Kopf darüber geschüttelt. Und trotzdem hat er sich zu Ludwigs fünfzigstem Geburtstag eigens von Hardy Rodenstock einen Château Cheval Blanc, Premier Grand Cru Classé »A«, Saint Emilion 1947, in der Impériale schicken lassen. Nicht gerade Ludwigs Geburtsdatum, aber dafür die größte Rarität, die bei dem Münchner Weinprofi gerade lagerte. Sechs Liter zu 40 000 DM. Und bis die Kostbarkeit fachgerecht an Ort und Stelle lag, war nochmals ein Tausender weg. Ursula wollte damals angesichts des Preises in Ohnmacht fallen, aber Walter freute sich diebisch über sein gelungenes Geburtstagsgeschenk. Womit würde Ludwig zu seinem eigenen Geburtstag, sechs Tage später, noch gleichziehen können? Mit einer goldenen Pinne?

Ursula stellt Tasse und Teller in die Spüle. Das kann morgen früh Frau Paul erledigen. Zweimal in der Woche kümmert sie sich um den Haushalt, die restlichen drei Tage arbeitet sie in der Firma. Ihr Lohn kann so über den Betrieb abgerechnet werden. Das ist billiger. Nur an die Wäsche durfte Frau Paul nie ran. Das wollte Walter nicht. Irgendwie konnte er es wohl nicht haben, wenn eine Fremde seine Unterwäsche, seine Socken und seine verschwitzten Sportsachen wusch. Ursula war das egal, Waschmaschine und Trockner erledigten das schnell, und sie bügelte, wenn sich Walter um den Garten kümmerte. Aber jetzt könnte sie das eigentlich ändern. Frau Paul könnte ihre Wäsche getrost übernehmen, und Herr Paul könnte sich sinnvollerweise um den Garten kümmern.

Ursula setzt sich bis zwei Uhr an den Schreibtisch. Sie liest keine weiteren Briefe, unterschreibt nur die Formkarten, schreibt die Adressen auf die schwarzumrandeten Kuverts, klebt eine Sonderbriefmarke darauf und legt sie ins Ausgangskörbchen. Ordnung muß sein. Sie arbeitet sauber und zügig und ist Punkt zwei Uhr fertig mit ihrer Arbeit. Die Kuverts reihen sich aus dem Körbchen hinaus bis weit über den Schreibtisch. Was das alleine an Briefmarken kostet!

Sie steht auf und geht hinauf in ihr Bad. Zum ersten Mal steht sie nach ihrem Friseurbesuch nun vor einem eigenen Spiegel. Doch, ja, sie sieht anders aus. Sie dreht sich. Die Haare schwingen und fallen dann wieder von selbst in ihre Lage zurück. Frau Zieger hat gut geschnitten. Und der Farbton ist wirklich nicht schlecht. Dezent anders, aber eben anders!

Ursula zieht die Lippen sorgfältig mit einem blaßrosafarbenen Stift nach, gibt dunkelgrauen Kajal auf das untere Augenlid und klopft sich etwas Caviarextrakt unter die Augen.

Kostüm oder Pullover mit Hose? Das dunkelgrüne Tweedkostüm hatte sie manchmal an, wenn sie mit Walter in die Hütte gefahren ist. Aber das kam nicht oft vor, Walter war überhaupt kein leidenschaftlicher Jäger – das heißt, vielleicht war er ja ein leidenschaftlicher Jäger, aber kein leidenschaftlicher Heger. Und da das eine ohne das andere nicht geht, hat er Ludwig das Revier überlassen. Ludwig schleppte im Winter Futter hin und schoß im Herbst wirklich nur das Wild, das zum Abschuß freigegeben war. Bei Walter wäre sie sich da nicht so sicher gewesen. Aber Ludwig war eben Arzt. Er konnte nicht anders.

Sie entscheidet sich für einen dicken, dunkelgrünen Wollpullover und für eine dunkelbraune Stoffhose. Um die Schultern legt sie sich ein gedecktes Seidentuch, steckt es mit einer schlichten Silberbrosche am Pullover fest. So, noch dicke Stiefel, Lederhandschuhe und die wetterfeste Microfaserjacke, dann kann Herr Schwarzenberg von ihr aus kommen. Im selben Moment klingelt es an der Haustüre.

 

Es ist schwierig, mit einem Fremden über eine Stunde lang in einem kleinen Wagen zu sitzen. Worüber soll sie mit ihm reden? Sie hat gehofft, daß er ihr ein bißchen aus seinem Leben erzählt, aus der Welt der Musik, dem völlig anderen Leben. Aber er ist recht wortkarg. Ist er etwa schüchtern? Damit überhaupt etwas gesprochen wird, erklärt sie ihm, daß er sich dicker hätte anziehen müssen. Die Hütte sei lange nicht geheizt gewesen, es dürfte kalt und klamm dort sein. Bis der Kachelofen endlich Wärme abgebe, hätten sie das Haus schon wieder verlassen. In Wahrheit traut sie Uwe Schwarzenberg nicht zu, den Ofen überhaupt in Gang zu bekommen. Dazu muß man mit Feuer umgehen können. Aber das sagt sie ihm nicht.

Sie erzählt ihm die Geschichte der Hütte. Wie ihr Mann sie vor 15 Jahren entdeckt hat, wie begeistert er war, wie er sie nach seinem Geschmack einrichten ließ, mit einem Schlafzimmer im alpenländischen Stil und sogar mit einem modernen WC. Fließendes Wasser aus dem öffentlichen Netz gäbe es allerdings nicht, dazu läge das Häuschen zu einsam. Und manchmal sei auch der Fahrweg schier unpassierbar, deshalb habe Walter immer darauf bestanden, daß sie einen Wagen mit Allradantrieb fuhr. Und nachdem Walter erst einmal den Golf Synchro entdeckt hatte, stellte sich bei keinem Neukauf mehr die Frage nach dem Fabrikat. Ursula lächelt: »Allerdings ist noch keiner dieser Wagen ernsthaft zum Einsatz gekommen. Dafür haben sie sich dann im Winter bewährt, wenn es in Frankfurt mal schneite.« Dann hat Ursula keine Lust mehr, ihren Beifahrer weiterhin zu unterhalten. Und ihm scheint der Sinn auch nicht danach zu stehen. So bleibt es still.

In Aschaffenburg verläßt Ursula die Autobahn nach Würzburg, fährt zügig über die gut ausgebaute Bundesstraße.

»Wir sind jetzt ein kurzes Stück auf der Nibelungenstraße«, unterbricht sie kurz vor Amorbach die Stille und nutzt die Gelegenheit, um ihn zu mustern. Ihm scheint es nichts auszumachen, fast hautnah und schweigsam neben ihr zu sitzen. Sie hat sich getäuscht. Er wirkt nicht still und verkrampft, sondern still und entspannt, fast genießerisch. Eine seiner schwarzen Locken ist ihm in die Stirn gefallen. Er streicht sie mit einer weichen Handbewegung zurück und schaut Ursula dann mit einem leisen Lächeln an: »Ich war noch nie im Odenwald. Ich war in England, in Frankreich, in Spanien und in Griechenland, aber noch nie im Odenwald.«

Ursula nickt: »Von Niederrad aus ist der Odenwald ja leider auch nicht gerade um die Ecke. Das ist auch der Grund, weshalb wir so selten da waren. Aber jetzt ist es nicht mehr weit. Von Amorbach aus sind es noch höchstens fünfzehn Minuten.«

»Es macht mir nichts aus, ich fahre gern mit Ihnen durch die Landschaft. Sie fahren sehr sicher.«

Ursula wirft ihm einen kurzen Blick zu. Sieh mal einer an. Walter hätte es neben ihr auf dem Beifahrersitz nie ausgehalten. Wenn sie sich recht erinnert, hat er es in all den Jahren nicht einmal versucht. Selbst als er sich bei seinem Felssturz vor sieben Jahren die beiden Rippen angebrochen hatte, fuhr er selbst wieder zurück. Sie hatte auf dem Beifahrersitz abgewartet, bis er aufgeben und sie bitten würde, das Steuer zu übernehmen. Aber er gab nicht auf. Er schaffte es bis zu Ludwig.

Warum beharrte er eigentlich so darauf, am Steuer zu sitzen?

Nein, es stimmt nicht, es war nicht einmal ein Beharren.

Sie haben nie darüber gesprochen.

Es war einfach eine Selbstverständlichkeit.

Er wollte es einfach nicht.

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden. Schade, denn die Landschaft ist wirklich reizvoll.

»Schade, daß man jetzt nichts mehr sieht!« Er schaut sie mit einem bedauernden Blick an.

»Das dachte ich auch gerade.«

»Vielleicht können wir ja einmal früher herfahren und ein bißchen wandern?«

Was bildet er sich ein? Sie hat doch mit keinem Wort gesagt, daß es ihr um etwas anderes geht als um das Klavier. Oder glaubt er das etwa?

»Ich hoffe nicht, daß ich so bald nochmals herfahren muß. Ich möchte die Hütte schnellstmöglich loswerden.«

»Wie schade. Ich beneide Sie um ein solches Kleinod in der Natur.«

»Sie haben sie ja noch gar nicht gesehen.«

Er sagt nichts mehr.

»Sie können sie ja kaufen«, fügt Ursula noch hinzu.

Uwe Schwarzenberg schweigt.

 

Schweigend erreichen sie zwanzig Minuten später den Weg, der durch den Wald zu der kleinen Lichtung führt, auf der die Jagdhütte steht. Der Weg ist frisch mit Kies aufgeschüttet. Jetzt wäre Walters Allrad-Argument überholt.

Warum kann sie nicht aufhören, ständig an Walter zu denken? Es ist ja fast so, als ob er noch da wäre, sie ständig begleiten würde.

»Das ist wirklich spannend«, Uwe Schwarzenberg schaut angestrengt nach vorn. Die Lichtkegel tasten sich um jede Kurve voran, zeigen Laubbäume, dazwischen hochgewachsene Tannen, einen immer dichter werdenden Mischwald.

»Vorsicht«, ruft er plötzlich.

Ein Hase sitzt mitten auf dem Weg, schaut ihnen entgegen.

»Er wird schon weggehen«, antwortet Ursula, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen.

»Bremsen Sie doch, er ist vom Licht geblendet, er kann nicht weg!« Sie hält den Wagen an.

Der Hase sitzt unbeweglich.

Welch schönes Ziel.

Uwe öffnet die Wagentüre: »Husch, husch«, ruft er und klatscht dabei in die Hände.

So eine lächerliche Figur, denkt Ursula.

Der Hase springt auf und läuft davon. Aber mitten auf dem Weg. Ursula fährt wieder an. Im Lichtschein vor ihnen hoppelt das Langohr.

»Er ist einfach dumm«, sagt Ursula. »Er ist selber schuld, wenn er überfahren wird. Das nennt man Selektion.«

»Er kennt keine Autos, er erkennt die Gefahr nicht! Machen Sie einfach mal das Licht aus, dann wird er in den Wald flüchten.«

»Und wir fahren gegen einen Baum!«

Wie verwünscht sie ihren Ausflug mit diesem Vollidioten. Sie muß wirklich von allen guten Geistern verlassen sein. Aber sie bremst und schaltet auf Standlicht.

Tatsächlich, der Hase ändert den Kurs, flüchtet nach rechts ins Gebüsch.

»Woher kennen Sie sich in der Hasenpsyche aus?« fragt sie spöttisch und fährt mit Aufblendlicht wieder los.

»Ich bin selber einer«, antwortet er und lehnt sich wieder in den Sitz zurück.

»Ich bin lieber der Jäger.« Sie wirft ihm einen kurzen Blick zu, er zuckt mit keiner Wimper, schaut stur geradeaus durch die Windschutzscheibe.

Das Haus ist völlig in Ordnung, soweit sie es im Lichtkegel ihres Autos sehen kann. Prima. Keine Vandalen haben versucht, den Gartenzaun auseinanderzureißen, kein Obdachloser ist eingebrochen, kein Grüner hat seine Parolen an die Haustüre geschmiert. Das dunkelbraune Blockhaus steht völlig unbeschädigt da. Ursulas gute Laune kehrt zurück.

»Dann wollen wir mal schauen«, sagt sie, schaltet den Motor aus und greift nach dem Schlüsselbund.

»Ein sehr idyllisches Plätzchen«, Uwe Schwarzenberg streicht seine Locke nach hinten. »Wünschen Sie nicht auch manchmal, malen zu können? So etwas im Bild festzuhalten?«

»Malen?« Ursula ist irritiert. Dazu hat sie nun überhaupt keinen Bezug. »Wenn ich es schon besitze, wozu soll ich es dann malen wollen? Ich kann doch jederzeit herkommen und es mir anschauen!«

»Ja, ja, da haben Sie natürlich recht«, antwortet er eilfertig, »aber es ist ja doch vielleicht etwas anderes …«

Schau an, jetzt redet er mir wieder nach dem Mund. Seine renitente Hasenphase ist wohl vorbei, denkt Ursula und schließt auf. Sie stehen im Vorraum. Sie greift nach der Taschenlampe, die am Eingang an ihrem Platz hängt, und öffnet gleich rechts eine Türe, die durch einen Abstell- und Vorratsraum zur Toilette führt. Dort steht auch der Generator.

»Warten Sie einen Moment, ich schalte nur schnell den Generator ein, damit wir Strom bekommen.«

Ob er im Dunkeln wohl Angst hat?

Sie öffnet die mit einem Abluftrohr versehene schalldichte Kammer, die Walter extra hatte einbauen lassen, um das Brummen des Generators zu dämmen, und zieht mit einem schnellen, kräftigen Ruck am Seilzug. Ohne Zögern springt der Generator an. Toll. So lange unbenutzt, und trotzdem ist er auf den ersten Impuls da. Dinge und Menschen, die funktionieren und zuverlässig ihre Arbeit tun, gefallen ihr.

Ursula geht zu Uwe Schwarzenberg zurück, betätigt dann im Vorraum den Lichtschalter und öffnet die massive Holztüre in den Wohnraum.

»Kommen Sie, kommen Sie«, sagt sie über die Schulter und tritt dann auf die Seite, um ihn hereinzulassen.

Er sagt zunächst überhaupt nichts, bleibt mitten im Raum stehen.

Ursula kümmert sich nicht um ihn, sie geht zu den beiden Stehlampen, schaltet sie ein.

Dann dreht sie sich nach ihm um.

»Hier steht das Klavier«, sie weist auf das Klavier, das etwas abseits in einer Nische steht.

»Ja, danke«, Uwe Schwarzenberg bewegt sich noch immer nicht.

Ursula schaut ihn ungeduldig an.

»Es ist – es ist unsäglich«, haucht er endlich.

»Was?« fragt sie barsch.

»Das hier«, er macht eine weite Armbewegung, »alles hier.«