ODYSSEE - Homer - E-Book

ODYSSEE E-Book

Homer

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Beschreibung

Die ODYSSEE, neben der Ilias das zweite dem griechischen Dichter Homer zugeschriebene Epos, gehört zu den ältesten und einflussreichsten Dichtungen der abendländischen Literatur. In Schriftform wurde das Werk erstmals im 8. Jahrhundert v. Chr. festgehalten. Es schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka und seiner Gefährten auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg. In vielen Sprachen ist der Begriff "ODYSSEE" zum Synonym für eine lange Irrfahrt geworden. In 24 Gesängen, die aus 12.110 solcher Hexameterverse bestehen, erzählt die ODYSSEE, wie der König der kleinen Insel Ithaka nach dem zehn Jahre währenden Trojanischen Krieg weitere zehn Jahre umherirrt und nach vielen Abenteuern schließlich als Bettler unerkannt heimkehrt. Er findet sein Haus voller Fremder vor, die sein Eigentum aufzehren, seiner Frau Penelope einreden, er sei tot, und sie zwingen wollen, einen der ihren zu heiraten. In einem letzten Abenteuer muss Odysseus den Kampf mit diesen Freiern aufnehmen. Eine Parallelhandlung, die "Telemachie", erzählt, wie Odysseus' und Penelopes Sohn Telemachos sich auf die Suche nach dem vermissten Vater begibt... Homer gilt als Autor der Ilias und ODYSSEE und damit als erster Dichter des Abendlandes. Weder sein Geburtsort noch das Datum seiner Geburt oder seines Todes sind zweifelsfrei bekannt. Es ist nicht einmal sicher, dass es Homer überhaupt gegeben hat.

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Homer

ODYSSEE

Klassiker der Weltliteratur und das früheste Zeugnis der abendländischen Dichtung

Books

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0356-7

Inhaltsverzeichnis

Erster Gesang
Zweiter Gesang
Dritter Gesang
Vierter Gesang
Fünfter Gesang
Sechster Gesang
Siebenter Gesang
Achter Gesang
Neunter Gesang
Zehnter Gesang
Elfter Gesang
Zwölfter Gesang
Dreizehnter Gesang
Vierzehnter Gesang
Fünfzehnter Gesang
Sechzehnter Gesang
Siebzehnter Gesang
Achtzehnter Gesang
Neunzehnter Gesang
Zwanzigster Gesang
Einundzwanzigster Gesang
Zweiundzwanzigster Gesang
Dreiundzwanzigster Gesang
Vierundzwanzigster Gesang

Erster Gesang

Inhalt

Ratschluß der Götter, daß Odysseus, welchen Poseidon verfolgt, von Kalypsos Insel Ogygia heimkehre. Athene, in Mentes Gestalt, den Telemachos besuchend, rät ihm in Pylos und Sparta nach dem Vater sich zu erkundigen, und die schwelgenden Freier aus dem Hause zu schaffen. Er redet das erste Mal mit Entschlossenheit zur Mutter und zu den Freier. Nacht.

Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung, Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat, Und auf dem Meere so viel’ unnennbare Leiden erduldet,

5

Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft. Aber die Freunde rettet’ er nicht, wie eifrig er strebte, Denn sie bereiteten selbst durch Missetat ihr Verderben: Toren! welche die Rinder des hohen Sonnenbeherrschers Schlachteten; siehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zurückkunft,

10

Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions.

Alle die andern, so viel dem verderbenden Schicksal entflohen,

Waren jetzo daheim, dem Krieg’ entflohn und dem Meere: Ihn allein, der so herzlich zur Heimat und Gattin sich sehnte, Hielt die unsterbliche Nymphe, die hehre Göttin Kalypso,

15

In der gewölbeten Grotte, und wünschte sich ihn zum Gemahle. Selbst da das Jahr nun kam im kreisenden Laufe der Zeiten, Da ihm die Götter bestimmt, gen Ithaka wiederzukehren; Hatte der Held noch nicht vollendet die müdende Laufbahn, Auch bei den Seinigen nicht. Es jammerte seiner die Götter;

20

Nur Poseidon zürnte dem göttergleichen Odysseus Unablässig, bevor er sein Vaterland wieder erreichte.

Dieser war jetzo fern zu den Äthiopen gegangen;

Äthiopen, die zwiefach geteilt sind, die äußersten Menschen, Gegen den Untergang der Sonnen, und gegen den Aufgang:

25

Welche die Hekatombe der Stier’ und Widder ihm brachten. Allda saß er, des Mahls sich freuend. Die übrigen Götter Waren alle in Zeus’ des Olympiers Hause versammelt.

Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter;

Denn er gedachte bei sich des tadellosen Ägisthos,

30

Den Agamemnons Sohn, der berühmte Orestes, getötet; Dessen gedacht’ er jetzo, und sprach zu der Götter Versammlung:

Welche Klagen erheben die Sterblichen wider die Götter!

Nur von uns, wie sie schrein, kommt alles Übel; und dennoch Schaffen die Toren sich selbst, dem Schicksal entgegen, ihr Elend.

35

So nahm jetzo Ägisthos, dem Schicksal entgegen, die Gattin Agamemnons zum Weib’, und erschlug den kehrenden Sieger, Kundig des schweren Gerichts! Wir hatten ihn lange gewarnet, Da wir ihm Hermes sandten, den wachsamen Argosbesieger, Weder jenen zu töten, noch um die Gattin zu werben.

40

Denn von Orestes wird einst das Blut Agamemnons gerochen, Wann er, ein Jüngling nun, des Vaters Erbe verlanget. So weissagte Hermeias; doch folgte dem heilsamen Rate Nicht Ägisthos, und jetzt hat er alles auf einmal gebüßet.

Drauf antwortete Zeus’ blauäugige Tochter Athene:

45

Unser Vater Kronion, der herrschenden Könige Herrscher, Seiner verschuldeten Strafe ist jener Verräter gefallen. Möchte doch jeder so fallen, wer solche Taten beginnet! Aber mich kränkt in der Seele des weisen Helden Odysseus Elend, welcher so lang’, entfernt von den Seinen, sich abhärmt,

50

Auf der umflossenen Insel, der Mitte des wogenden Meeres. Eine Göttin bewohnt das waldumschattete Eiland, Atlas’ Tochter, des Allerforschenden, welcher des Meeres Dunkle Tiefen kennt, und selbst die ragenden Säulen Aufhebt, welche die Erde vom hohen Himmel sondern.

55

Dessen Tochter hält den ängstlich harrenden Dulder, Immer schmeichelt sie ihm mit sanft liebkosenden Worten, Daß er des Vaterlandes vergesse. Aber Odysseus Sehnt sich, auch nur den Rauch von Ithakas heimischen Hügeln Steigen zu sehn, und dann zu sterben! Ist denn bei dir auch

60

Kein Erbarmen für ihn, Olympier? Brachte Odysseus Nicht bei den Schiffen der Griechen in Trojas weitem Gefilde Sühnender Opfer genug? Warum denn zürnest du so, Zeus?

Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:

Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?

65

O wie könnte doch ich des edlen Odysseus vergessen? Sein, des weisesten Mannes, und der die reichlichsten Opfer Uns Unsterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern? Poseidaon verfolgt ihn, der Erdumgürter, mit heißer Unaufhörlicher Rache; weil er den Kyklopen geblendet,

70

Polyphemos, den Riesen, der unter allen Kyklopen, Stark wie ein Gott, sich erhebt. Ihn gebar die Nymphe Thoosa, Phorkyns Tochter, des Herrschers im wüsten Reiche der Wasser, Welche Poseidon einst in dämmernder Grotte bezwungen. Darum trachtet den Helden der Erderschüttrer Poseidon,

75

Nicht zu töten, allein von der Heimat irre zu treiben. Aber wir wollen uns alle zum Rat vereinen, die Heimkehr Dieses Verfolgten zu fördern; und Poseidaon entsage Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle, Uns unsterblichen Göttern allein entgegen zu kämpfen!

80

Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:

Unser Vater Kronion, der herrschenden Könige Herrscher, Ist denn dieses im Rate der seligen Götter beschlossen, Daß in sein Vaterland heimkehre der weise Odysseus; Auf! so laßt uns Hermeias, den rüstigen Argosbesieger,

85

Senden hinab zu der Insel Ogygia: daß er der Nymphe Mit schönwallenden Locken verkünde den heiligen Ratschluß, Von der Wiederkehr des leidengeübten Odysseus. Aber ich will gern Ithaka gehn, den Sohn des Verfolgten Mehr zu entflammen, und Mut in des Jünglings Seele zu gießen;

90

Daß er zu Rat berufe die hauptumlockten Achaier, Und den Freiern verbiete, die stets mit üppiger Frechheit Seine Schafe schlachten, und sein schwerwandelndes Hornvieh; Will ihn dann senden gen Sparta, und zu der sandigen Pylos: Daß er nach Kundschaft forsche von seines Vaters Zurückkunft,

95

Und ein edler Ruf ihn unter den Sterblichen preise.

Also sprach sie, und band sich unter die Füße die schönen

Goldnen ambrosischen Sohlen, womit sie über die Wasser Und das unendliche Land im Hauche des Windes einherschwebt; Faßte die mächtige Lanze mit scharfer eherner Spitze,

100

Schwer und groß und stark, womit sie die Scharen der Helden Stürzt, wenn im Zorn sich erhebt die Tochter des schrecklichen Vaters. Eilend fuhr sie hinab von den Gipfeln des hohen Olympos, Stand nun in Ithakas Stadt, am Tore des Helden Odysseus, Vor der Schwelle des Hofs, und hielt die eherne Lanze,

105

Gleich dem Freunde des Hauses, dem Fürsten der Taphier Mentes.

Aber die mutigen Freier erblickte sie an des Palastes

Pforte, wo sie ihr Herz mit Steineschieben ergötzten, Hin auf Häuten der Rinder gestreckt, die sie selber geschlachtet. Herold’ eilten umher und fleißige Diener im Hause:

110

Jene mischten für sie den Wein in den Kelchen mit Wasser; Diese säuberten wieder mit lockern Schwämmen die Tische, Stellten in Reihen sie hin, und teilten die Menge des Fleisches.

Pallas erblickte zuerst Telemachos, ähnlich den Göttern.

Unter den Freiern saß er mit traurigem Herzen; denn immer

115

Schwebte vor seinem Geiste das Bild des trefflichen Vaters: Ob er nicht endlich käme, die Freier im Hause zerstreute, Und, mit Ehre gekrönt, sein Eigentum wieder beherrschte. Dem nachdenkend, saß er bei jenen, erblickte die Göttin, Und ging schnell nach der Pforte des Hofs, unwillig im Herzen,

120

Daß ein Fremder so lang’ an der Türe harrte; empfing sie, Drückt’ ihr die rechte Hand, und nahm die eherne Lanze, Redete freundlich sie an, und sprach die geflügelten Worte:

Freue dich, fremder Mann! Sei uns willkommen; und hast du

Dich mit Speise gestärkt, dann sage, was du begehrest.

125

Also sprach er, und ging; ihm folgete Pallas Athene.

Als sie jetzt in den Saal des hohen Palastes gekommen; Trug er die Lanz’ in das schöngetäfelte Speerbehältnis, An die hohe Säule sie lehnend, an welcher noch viele Andere Lanzen stunden des leidengeübten Odysseus.

130

Pallas führt’ er zum Thron, und breitet’ ein Polster ihr unter, Schön und künstlich gewirkt; ein Schemel stützte die Füße, Neben ihr setzt’ er sich selbst auf einen prächtigen Sessel, Von den Freiern entfernt: daß nicht dem Gaste die Mahlzeit Durch das wüste Getümmel der Trotzigen würde verleidet;

135

Und er um Kundschaft ihn von seinem Vater befragte.

Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne,

Über dem silbernen Becken, das Wasser, beströmte zum Waschen Ihnen die Händ’, und stellte vor sie die geglättete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,

140

Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat. Hierauf kam der Zerleger, und bracht’ in erhobenen Schüsseln Allerlei Fleisch, und setzte vor sie die goldenen Becher. Und ein geschäftiger Herold versorgte sie reichlich mit Weine.

Jetzo kamen auch die mutigen Freier, und saßen

145

All’ in langen Reihen auf prächtigen Thronen und Sesseln. Herolde gossen ihnen das Wasser über die Hände. Aber die Mägde setzten gehäufte Körbe mit Brot auf Jünglinge füllten die Kelche bis oben mit dem Getränke, Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

150

Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war, Dachten die üppigen Freier auf neue Reize der Seelen, Auf Gesang und Tanz, des Mahles liebliche Zierden. Und ein Herold reichte die schöngebildete Harfe Phemios hin, der an Kunst des Gesangs vor allen berühmt war,

155

Phemios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu singen. Prüfend durchrauscht’ er die Saiten, und hub den schönen Gesang an.

Aber Telemachos neigte das Haupt zu Pallas Athene,

Und sprach leise zu ihr, damit es die andern nicht hörten:

Lieher Gastfreund, wirst du mir auch die Rede verargen?

160

Diese können sich wohl bei Saitenspiel’ und Gesange Freun, da sie ungestraft des Mannes Habe verschwelgen, Dessen weißes Gebein vielleicht schon an fernem Gestade Modert im Regen, vielleicht von den Meereswogen gewälzt wird. Sähen sie jenen einmal zurück in Ithaka kommen;

165

Alle wünschten gewiß sich lieber noch schnellere Füße, Als noch größere Last an Gold’ und prächtigen Kleidern. Aber es war sein Verhängnis, so hinzusterben; und keine Hoffnung erfreuet uns mehr, wenn auch zuweilen ein Fremdling Sagt, er komme zurück. Der Tag ist auf immer verloren!

170

Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit. Wer, wes Volkes bist du? und wo ist deine Geburtstadt? Und in welcherlei Schiff kamst du? wie brachten die Schiffer Dich nach Ithaka her? was rühmen sich jene vor Leute? Denn unmöglich bist du doch hier zu Fuße gekommen!

175

Dann erzähle mir auch aufrichtig, damit ich es wisse: Bist du in Ithaka noch ein Neuling, oder ein Gastfreund Meines Vaters? Denn unser Haus besuchten von jeher Viele Männer, und er mocht’ auch mit Leuten wohl umgehn.

Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:

180

Dieses will ich dir alles, und nach der Wahrheit, erzählen. Mentes, Anchialos Sohn, des kriegserfahrenen Helden, Rühm’ ich mich, und beherrsche die ruderliebenden Taphos. Jetzo schifft’ ich hier an; denn ich steure mit meinen Genossen Über das dunkle Meer zu unverständlichen Völkern,

185

Mir in Temesa Kupfer für blinkendes Eisen zu tauschen. Und mein Schiff liegt außer der Stadt am freien Gestade, In der reithrischen Bucht, all des waldichten Neïon Fuße. Lange preisen wir, schon von dein Zeiten unserer Väter, Uns Gastfreunde. Du darfst nur zum alten Helden Laertes

190

Gehn und fragen; der jetzt, wie man sagt, nicht mehr in die Stadt kommt, Sondern in Einsamkeit auf dem Lande sein Leben vertrauret, Bloß von der Alten bedient, die ihm sein Essen und Trinken Vorsetzt, wann er einmal vom fruchtbaren Rebengefilde, Wo er den Tag hinschleicht, mit müden Gliedern zurückwankt.

195

Aber ich kam, weil es hieß, dein Vater wäre nun endlich Heimgekehrt; doch ihm wehren vielleicht die Götter die Heimkehr. Denn noch starb er nicht auf Erden der edle Odysseus; Sondern er lebt noch wo in einem umflossenen Eiland Auf dem Meere der Welt; ihn halten grausame Männer,

200

Wilde Barbaren, die dort mit Gewalt zu bleiben ihn zwingen. Aber ich will dir anitzt weissagen, wie es die Götter Mir in die Seele gelegt, und wie’s wahrscheinlich geschehn wird; Denn kein Seher bin ich, noch Flüge zu deuten erleuchtet. Nicht mehr lange bleibt er von seiner heimischen Insel

205

Ferne, nicht lange mehr, und hielten ihn eiserne Bande; Sinnen wird er auf Flucht, und reich ist sein Geist an Erfindung. Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit. Bist du mit dieser Gestalt ein leiblicher Sohn von Odysseus? Wundergleich bist du ihm, an Haupt und Glanze der Augen!

210

Denn oft haben wir so uns zu einander gesellet, Eh’ er gen Troja fuhr mit den übrigen Helden Achaias. Seitdem hab’ ich Odysseus, und jener mich nicht gesehen.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Dieses will ich dir, Freund, und nach der Wahrheit, erzählen.

215

Meine Mutter die sagt es, er sei mein Vater; ich selber Weiß es nicht: denn von selbst weiß niemand, wer ihn gezeuget. Wär ich doch lieber der Sohn von einem glücklichen Manne,

Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene: Nun so werden die Götter doch nicht den Namen des Hauses Tilgen, da solchen Sohn ihm Penelopeia geboren. Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit. 225 Was für ein Schmaus ist hier, und Gesellschaft? Gibst du ein Gastmahl, Oder ein Hochzeitfest? Denn keinem Gelag’ ist es ähnlich! Dafür scheinen die Gäste mit zu unbändiger Frechheit Mir in dem Saale zu schwärmen. Ereifern müßte die Seele Jedes vernünftigen Manns, der solche Greuel mit ansäh!

230

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Fremdling, weil du mich fragst, und so genau dich erkundest; Ehmals konnte dies Haus vielleicht begütert und glänzend Heißen, da jener noch im Vaterlande verweilte: Aber nun haben es anders die grausamen Götter entschieden, 235 Welche den herrlichen Mann vor allen Menschen verdunkelt! Ach! ich trauerte selbst um den Tod des Vaters nicht so sehr, Wär’ er mit seinen Genossen im Lande der Troer gefallen, Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg vollendet. Denn ein Denkmal hätt’ ihm das Volk der Achaier errichtet, 240 Und so wäre zugleich sein Sohn bei den Enkeln verherrlicht. Aber er ward unrühmlich ein Raub der wilden Harpyen; Weder gesehn, noch gehört, verschwand er, und ließ mir zum Erbteil Jammer und Weh! Doch jetzo bewein’ ich nicht jenen allein mehr; Ach! es bereiteten mir die Götter noch andere Leiden. 245 Alle Fürsten, so viel in diesen Inseln gebieten, In Dulichion, Same, der waldbewachsnen Zakynthos, Und so viele hier in der felsichten Ithaka herrschen: Alle werben um meine Mutter, und zehren das Gut auf. Aber die Mutter kann die aufgedrungne Vermählung 250 Nicht ausschlagen, und nicht vollziehn. Nun verprassen die Schwelger All mein Gut, und werden in kurzem mich selber zerreißen!

Und mit zürnendem Schmerz antwortete Pallas Athene:

Götter, wie sehr bedarfst du des langabwesenden Vaters, Daß sein furchtbarer Arm die schamlosen Freier bestrafe! 255 Wenn er doch jetzo käm’, und vorn in der Pforte des Saales Stünde, mit Helm und Schild und zween Lanzen bewaffnet; So an Gestalt, wie ich ihn zum erstenmale gesehen, Da er aus Ephyra kehrend von Ilos, Mermeros’ Sohne, Sich in unserer Burg beim gastlichen Becher erquickte! 260 Denn dorthin war Odysseus im schnellen Schiffe gesegelt, Menschentötende Säfte zu holen, damit er die Spitze Seiner gefiederten Pfeile vergiftete. Aber sie gab ihm Ilos nicht, denn er scheute den Zorn der unsterblichen Götter; Aber mein Vater gab ihm das Gift, weil er herzlich ihn liebte: 265 Wenn doch in jener Gestalt Odysseus den Freiern erschiene! Bald wär’ ihr Leben gekürzt, und ihnen die Heirat verbittert! Aber dieses ruhet im Schoße der seligen Götter, Ob er zur Heimat kehrt, und einst in diesem Palaste Rache vergilt, oder nicht. Dir aber gebiet’ ich, zu trachten, 270 Daß du der Freier Schar aus deinem Hause vertreibest. Lieber, wohlan! merk’ auf, und nimm die Rede zu Herzen. Fodere morgen zu Rat die Edelsten aller Achaier, Rede vor der Versammlung, und rufe die Götter zu Zeugen. Allen Freiern gebeut, zu dem Ihrigen sich zu zerstreuen; 275 Und der Mutter: verlangt ihr Herz die zwote Vermählung, Kehre sie heim in das Haus des wohlbegüterten Vaters. Dort bereite man ihr die Hochzeit, und statte sie reichlich Ihrem Bräutigam aus, wie lieben Töchtern gebühret. Für dich selbst ist dieses mein Rat, wofern du gehorchest. 280 Rüste das trefflichste Schiff mit zwanzig Gefährten, und eile, Kundschaft dir zu erforschen vom langabwesenden Vater; Ob dir’s einer verkünde der Sterblichen, oder du Ossa, Zeus’ Gesandte, vernehmest, die viele Gerüchte verbreitet. Erstlich fahre gen Pylos, und frage den göttlichen Nestor, 285 Dann gen Sparta, zur Burg Menelaos’ des Bräunlichgelockten, Welcher zuletzt heim kam von dein erzgepanzerten Griechen. Hörst du, er lebe noch, dein Vater, und kehre zur Heimat; Dann, wie bedrängt du auch seist, erduld’ es noch ein Jahr lang. Hörst du, er sei gestorben, und nicht mehr unter den Menschen; 290 Siehe dann kehre wieder zur lieben heimischen Insel, Häufe dem Vater ein Mal, und opfere Totengeschenke Reichlich, wie sich’s gebührt, und gib einem Manne die Mutter. Aber hast du dieses getan und alles vollendet, Siehe dann denk’ umher, und überlege mit Klugheit, 295 Wie du die üppige Schar der Freier in deinem Palaste Tötest, mit heimlicher List, oder öffentlich! Fürder geziemen Kinderwerke dir nicht, du bist dem Getändel entwachsen. Hast du nimmer gehört, welch ein Ruhm den edlen Orestes Unter den Sterblichen preist, seitdem er den Meuchler Ägisthos 300 Umgebracht, der ihm den herrlichen Vater ermordet? Auch du, Lieber, denn groß und stattlich bist du von Ansehn, Halte dich wohl, daß einst die spätesten Enkel dich loben! Ich will jetzo wieder zum schnellen Schiffe hinabgehn, Und den Gefährten, die mich, vielleicht unwillig, erwarten. 305 Sorge nun selber für dich, und nimm die Rede zu Herzen.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Freund, du redest gewiß mit voller herzlicher Liebe, Wie ein Vater zum Sohn, und nimmer werd’ ich’s vergessen. Aber verweile bei uns noch ein wenig, wie sehr du auch eilest; 310 Lieber, bade zuvor, und gib dem Herzen Erfrischung: Daß du mit froherem Mut heimkehrest, und zu dem Schiffe Bringest ein Ehrengeschenk, ein schönes köstliches Kleinod Zum Andenken von mir, wie Freunde Freunden verehren.

Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:

315 Halte nicht länger mich auf; denn dringend sind meine Geschäfte. Dein Geschenk, das du mir im Herzen bestimmest, das gib mir, Wann ich wiederkomme, damit ich zur Heimat es bringe; Und empfange dagegen von mir ein würdiges Kleinod.

Also redete Zeus’ blauäugichte Tochter, und eilend

320 Flog wie ein Vogel sie durch den Kamin. Dem Jünglinge goß sie Kraft und Mut in die Brust, und fachte des Vaters Gedächtnis Heller noch an, wie zuvor. Er empfand es im innersten Herzen, Und erstaunte darob; ihm ahnete, daß es ein Gott war.

Jetzo ging er zurück zu den Freiern, der göttliche Jüngling.

325 Vor den Freiern sang der berühmte Sänger; und schweigend Saßen sie all’, und horchten. Er sang die traurige Heimfahrt, Welche Pallas Athene den Griechen von Troja beschieden.

Und im oberen Stock vernahm die himmlischen Töne

Auch Ikarios Tochter, die kluge Penelopeia. 330 Eilend stieg sie hinab die hohen Stufen der Wohnung, Nicht allein; sie wurde von zwo Jungfrauen begleitet. Als das göttliche Weib die Freier jetzo erreichte, Stand sie still an der Schwelle des schönen gewölbeten Saales; Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes, 335 Und an jeglichem Arm stand eine der stattlichen Jungfraun. Tränend wandte sie sich zum göttlichen Sänger, und sagte:

Phemios, du weißt ja noch sonst viel reizende Lieder,

Taten der Menschen und Götter, die unter den Sängern berühmt sind; Singe denn davon eins vor diesen Männern, und schweigend 340 Trinke jeder den Wein. Allein mit jenem Gesange Quäle mich nicht, der stets mein armes Herz mir durchbohret. Denn mich traf ja vor allen der unaussprechlichste Jammer! Ach den besten Gemahl bewein’ ich, und denke beständig Jenes Mannes, der weit durch Hellas und Argos berühmt ist!

345

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Meine Mutter, warum verargst du dem lieblichen Sänger, Daß er mit Liedern uns reizt, wie sie dem Herzen entströmen? Nicht die Sänger sind des zu beschuldigen, sondern allein Zeus, Welcher die Meister der Kunst nach seinem Gefallen begeistert. 350 Zürne denn nicht, weil dieser die Leiden der Danaer singet; Denn der neuste Gesang erhält vor allen Gesängen Immer das lauteste Lob der aufmerksamen Versammlung: Sondern stärke vielmehr auch deine Seele, zu hören. Nicht Odysseus allein verlor den Tag der Zurückkunft 355 Unter den Troern; es sanken mit ihm viel andere Männer. Aber gehe nun heim, besorge deine Geschäfte, Spindel und Webestuhl, und treib an beschiedener Arbeit Deine Mägde zum Fleiß! Die Rede gebühret den Männern, Und vor allen mir; denn mein ist die Herrschaft im Hause!

360

Staunend kehrte die Mutter zurück in ihre Gemächer,

Und erwog im Herzen die kluge Rede des Sohnes. Als sie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte sie wieder Ihren trauten Gemahl Odysseus; bis ihr Athene Sanft mit süßem Schlummer die Augenlider betaute.

365

Aber nun lärmten die Freier umher in dem schattichten Saale,

Denn sie wünschten sich alle, mit ihr das Bette zu teilen. Und der verständige Jüngling Telemachos sprach zur Versammlung:

Freier meiner Mutter, voll übermütiges Trotzes,

Freut euch jetzo des Mahls, und erhebt kein wüstes Getümmel! 370 Denn es füllt ja mit Wonne das Herz, dem Gesange zu horchen, Wann ein Sänger, wie dieser, die Töne der Himmlischen nachahmt! Morgen wollen wir uns zu den Sitzen des Marktes versammeln; Daß ich euch allen dort freimütig und öffentlich rate, Mir aus dem Hause zu gehn! Sucht künftig andere Mähler; 375 Zehret von euren Gütern, und laßt die Bewirtungen umgehn. Aber wenn ihr es so bequemer und lieblicher findet, Eines Mannes Hab’, ohn’ alle Vergeltung zu fressen; Schlingt sie hinab! Ich werde die ewigen Götter anflehn, Ob euch nicht endlich einmal Zeus eure Taten bezahle, 380 Daß ihr in unserm Haus’ auch ohne Vergeltung dahinstürzt!

Also sprach er; da bissen sie ringsumher sich die Lippen,

Über den Jüngling erstaunt, der so entschlossen geredet. Aber Eupeithes’ Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

Ei! dich lehren gewiß, Telemachos, selber die Götter,

385 Vor der Versammlung so hoch und so entschlossen zu reden! Daß Kronion dir ja die Herrschaft unseres Eilands Nicht vertraue, die dir von deinem Vater gebühret!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

O Antinoos, wirst du mir auch die Rede verargen? 390 Gerne nähm’ ich sie an, wenn Zeus sie schenkte, die Herrschaft! Oder meinst du, es sei das Schlechteste unter den Menschen? Wahrlich, es ist nichts Schlechtes, zu herrschen; des Königes Haus wird Schnell mit Schätzen erfüllt, er selber höher geachtet! Aber es wohnen ja sonst genug achaiische Fürsten 395 In dem umfluteten Reiche von Ithaka, Jüngling’ und Greise; Nehm’ es einer von diesen, wofern Odysseus gestorben! Doch behalt’ ich für mich die Herrschaft unseres Hauses, Und der Knechte, die mir der edle Odysseus erbeutet!

Aber Polybos’ Sohn Eurymachos sagte dagegen:

400 Dies, Telemachos, ruht im Schoße der seligen Götter, Wer das umflutete Reich von Ithaka künftig beherrschet; Aber die Herrschaft im Haus und dein Eigentum bleiben dir sicher! Komme nur keiner, und raube dir je mit gewaltsamen Händen Deine Habe, so lange noch Männer in Ithaka wohnen! 405 Aber ich möchte dich wohl um den Gast befragen, mein Bester. Sage, woher ist der Mann? und welches Landes Bewohner Rühmt er sich? Wo ist sein Geschlecht und väterlich Erbe? Bracht’ er dir etwa Botschaft von deines Vaters Zurückkunft? Oder kam er hieher in seinen eignen Geschäften? 410 Warum eilt’ er so plötzlich hinweg, und scheute so sichtbar Unsre Bekanntschaft? Gewiß, unedel war seine Gestalt nicht!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Hin, Eurymachos, ist auf immer des Vaters Zurückkunft! Darum trau’ ich nicht mehr Botschaften, woher sie auch kommen, 415 Kümmre mich nie um Deutungen mehr, wen auch immer die Mutter Zu sich ins Haus berufe, um unser Verhängnis zu forschen! Dies war ein taphischer Mann, mein angeborener Gastfreund. Mentes, Anchialos’ Sohn, des kriegserfahrenen Helden, Rühmt er sich, und beherrscht die ruderliebende Taphos.

420

Also sprach er; im Herzen erkannt’ er die heilige Göttin.

Und sie wandten sich wieder zum Tanz und frohen Gesange, Und belustigten sich, bis ihnen der Abend herabsank. Als den Lustigen nun der dunkle Abend herabsank; Gingen sie alle heim, der süßen Ruhe zu pflegen.

425

Aber Telemachos ging zu seinem hohen Gemache.

Auf dem prächtigen Hof’, in weitumschauender Gegend; Dorthin ging er zur Ruh mit tiefbekümmerter Seele. Vor ihm ging mit brennenden Fackeln die tüchtige alte Eurykleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peisenors, 430 Welche vordem Laertes mit seinem Gute gekaufet, In jungfräulicher Blüte, für zwanzig Rinder: er ehrte Sie im hohen Palast, gleich seiner edlen Gemahlin, Aber berührte sie nie, aus Furcht vor dem Zorne der Gattin. Diese begleitete ihn mit brennenden Fackeln; sie hatt’ ihn 435 Unter den Mägden am liebsten, und pflegt’ ihn, als er ein Kind war.

Und er öffnete jetzt die Türe des schönen Gemaches,

Setzte sich auf sein Lager, und zog das weiche Gewand aus, Warf es dann in die Hände der wohlbedächtigen Alten. Diese fügte den Rock geschickt in Falten, und hängt’ ihn 440 An den hölzernen Nagel zur Seite des zierlichen Bettes, Ging aus der Kammer, und zog mit dem silbernen Ringe die Türe

Zweiter Gesang

Inhalt

Am Morgen beruft Telemachos das Volk, und verlangt, daß die Freier sein Haus verlassen. Antinoos verweigert’s. Ein Vogelzeichen von Eurymachos verhöhnt. Telemachos bittet um ein Schiff, nach dem Vater zu forschen; Mentor rügt den Kaltsinn des Volks; aber ein Freier trennt spottend die Versammlung. Athene in Mentors Gestalt verspricht dem Einsamen Schiff und Begleitung. Die Schaffnerin Eurykleia gibt Reisekost. Athene erhält von Noemon ein Schiff, und bemannt es. Am Abend wird die Reisekost eingebracht; und Telemachos, ohne Wissen der Mutter, fährt mit dem scheinbaren Mentor nach Pylos.

Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Sprang er vom Lager empor der geliebte Sohn von Odysseus, Legte die Kleider an, und hängte das Schwert um die Schulter, Band die schönen Sohlen sich unter die zierlichen Füße, 5 Trat aus der Kammer hervor, geschmückt mit göttlicher Hoheit, Und gebot den Herolden, schnell mit tönender Stimme Zur Versammlung zu rufen die hauptumlockten Achaier. Tönend riefen sie aus, und flugs war alles versammelt. Als die Versammelten jetzt in geschlossener Reihe sich drängten, 10 Ging er unter das Volk, in der Hand die eherne Lanze, Nicht allein, ihn begleiteten zween schnellfüßige Hunde. Siehe mit himmlischer Anmut umstrahlt’ ihn Pallas Athene, Daß die Völker alle dem kommenden Jünglinge staunten. Und er saß auf des Vaters Stuhl, ihm wichen die Greise.

15

Jetzo begann der Held Ägyptios vor der Versammlung,

Dieser gebückte Greis voll tausendfacher Erfahrung. Dessen geliebter Sohn war samt dem edlen Odysseus Gegen die Reisigen Trojas im hohlen Schiffe gesegelt, Antiphos, tapfer und kühn; den hatte der arge Kyklope 20 In der Höhle zerfleischt, und zum letzten Schmause bereitet. Noch drei andere hatt’ er: der eine, Eurynomos, lebte Unter den Freiern, und zween besorgten des Vaters Geschäfte; Dennoch bejammert’ er stets des verlorenen Sohnes Gedächtnis. Tränend begann der Greis, und redete vor der Versammlung:

25

Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!

Keine Versammlung ward und keine Sitzung gehalten, Seit der edle Odysseus die Schiffe gen Troja geführt hat. Wer hat uns denn heute versammelt? Welcher der Alten Oder der Jünglinge hier? Und welche Sache bewog ihn? 30 Höret’ er etwa Botschaft von einem nahenden Kriegsheer, Daß er uns allen verkünde, was er am ersten vernommen? Oder weiß er ein andres zum Wohl des Landes zu raten? Bieder scheinet er mir und segenswürdig! Ihm lasse Zeus das Gute gedeihn, so er im Herzen gedenket!

35

Sprach’s; und Telemachos, froh der heilweissagenden Worte,

Saß nicht länger; er trat, mit heißer Begierde zu reden, In die Mitte des Volks. Den Scepter reichte Peisenor Ihm in die Hand, der Herold, mit weisem Rate begabet. Und er wandte zuerst sich gegen den Alten, und sagte:

40

Edler Greis, nicht fern ist der Mann, gleich sollst du ihn kennen:

Ich versammelte euch; mich drückt am meisten der Kummer! Keine Botschaft hört’ ich von einem nahenden Kriegsheer, Daß ich euch allen verkünde, was ich am ersten vernommen; Auch nichts anderes weiß ich zum Wohl des Landes zu raten: 45 Sondern ich rede von mir, von meines eigenen Hauses Zwiefacher Not. Zuerst verlor ich den guten Vater, Euren König, der euch mit Vaterliebe beherrschte. Und nun leid’ ich noch mehr: mein ganzes Haus ist vielleicht bald Tief ins Verderben gestürzt, und all mein Vermögen zertrümmert! 50 Meine Mutter umdrängen mit ungestümer Bewerbung Freier, geliebte Söhne der Edelsten unseres Volkes. Diese scheuen sich nun, zu Ikarios’ Hause zu wandeln, Ihres Vaters, daß er mit reichem Schatze die Tochter Gäbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele; 55 Sondern sie schalten von Tag zu Tag’ in unserm Palaste, Schlachten unsere Rinder und Schaf’ und gemästeten Ziegen Für den üppigen Schmaus, und schwelgen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein solcher Mann, wie Odysseus war, die Plage vom Hause zu wenden! 60 Wir vermögen sie nicht zu wenden, und ach auf immer Werden wir hilflos sein, und niemals Tapferkeit üben! Wahrlich ich wendete sie, wenn ich nur Stärke besäße! Ganz unerträglich begegnet man mir, ganz wider die Ordnung Wird mir mein Haus zerrüttet! Erkennt doch selber das Unrecht, 65 Oder scheuet euch doch vor andern benachbarten Völkern, Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der Götter, Daß sie euch nicht im Zorne die Übeltaten vergelten! Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Olympos und Themis, Welche die Menschen zum Rat versammelt, und wieder zerstreuet: 70 Haltet ein, und begnügt euch, daß mich der traurigste Kummer Quält! Hat etwa je mein guter Vater Odysseus Euch vorsätzlich beleidigt, ihr schöngeharnischten Griechen, Daß ihr mich zum Vergelt vorsätzlich wieder beleidigt; Warum reizet ihr diese? Mir wäre besser geraten, 75 Wenn ihr selber mein Gut und meine Herden hinabschlängt! Täter ihr’s, so wäre noch einst Erstattung zu hoffen! Denn wir würden so lange die Stadt durchwandern, so flehend Wiederfodern das Unsre, bis alles wäre vergütet! Aber nun häuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!

80

Also sprach er im Zorn, und warf den Scepter zur Erde,

Tränen vergießend, und rührte die ganze Versammlung zum Mitleid. Schweigend saßen sie all’ umher, und keiner im Volke Wagte Telemachos Rede mit Drohn entgegen zu wüten. Aber Eupeithes’ Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

85

Jüngling von trotziger Red’ und verwegenem Mute, was sprachst du

Da für Lästerung aus? Du machtest uns gerne zum Abscheu! Aber es haben die Freier an dir des keines verschuldet; Deine Mutter ist schuld, die Listigste unter den Weibern! Denn drei Jahre sind schon verflossen, und bald auch das vierte, 90 Seit sie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verspottet! Allen verheißt sie Gunst, und sendet jedem besonders Schmeichelnde Botschaft; allein im Herzen denket sie anders! Unter anderen Listen ersann sie endlich auch diese: Trüglich zettelte sie in ihrer Kammer ein feines 95 Übergroßes Geweb’, und sprach zu unsrer Versammlung: Jünglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Odysseus, Dringt auf meine Vermählung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt (damit nicht umsonst das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertes zum Leichengewande bestimmt ist, 100 Wann ihn die finstre Stunde mit Todesschlummer umschattet: Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle, Läg’ er uneingekleidet, der einst so vieles beherrschte! Also sprach sie mit List, und bewegte die Herzen der Edlen. Und nun webete sie des Tages am großen Gewebe: 105 Aber des Nachts, dann trennte sie’s auf, beim Scheine der Fackeln. Also täuschte sie uns drei Jahr, und betrog die Achaier. Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankam Und mit dem wechselnden Mond viel Tage waren verschwunden; Da verkündet’ uns eine der Weiber das schlaue Geheimnis, 110 Und wir fanden sie selbst bei der Trennung des schönen Gewebes. Also mußte sie’s nun, auch wider Willen, vollenden. Siehe nun deuten die Freier dir an, damit du es selber Wissest in deinem Herzen, und alle Achaier es wissen! Sende die Mutter hinweg, und gebeut ihr, daß sie zum Manne 115 Nehme, wer ihr gefällt, und wen der Vater ihr wählet. Aber denkt sie noch lange zu höhnen die edlen Achaier, Und sich der Gaben zu freun, die ihr Athene verliehn hat, Wundervolle Gewande mit klugem Geiste zu wirken, Und der erfindsamen List, die selbst in Jahren der Vorwelt 120 Keine von Griechenlands schönlockigen Töchtern gekannt hat, Tyro nicht, noch Alkmene, und nicht die schöne Mykene; (Keine von allen war der erfindsamen Penelopeia Gleich an Verstand!) so soll ihr doch diese Erfindung nicht glücken! Denn wir schmausen so lange von deinen Herden und Gütern, 125 Als sie in diesem Sinne beharrt, den jetzo die Götter Ihr in die Seele gegeben! Sich selber bringet sie freilich Großen Ruhm, dir aber Verlust an großem Vermögen! Eher weichen wir nicht zu den Unsrigen oder zu andern, Ehe sie aus den Achaiern sich einen Bräutigam wählet!

130

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Ganz unmöglich ist mir’s, Antinoos, die zu verstoßen, Die mich gebar und erzog; mein Vater leb’ in der Fremde, Oder sei tot! Schwer würde mir auch des Gutes Erstattung An Ikarios sein, verstieß’ ich selber die Mutter. 135 Denn hart würde gewiß ihr Vater mich drücken, und härter Noch die göttliche Rache, wenn von uns scheidend die Mutter Mich den grausen Erinnen verfluchte! dann wär’ ich ein Abscheu Aller Menschen! - O nein! ich kann ihr das nicht gebieten! Haltet ihr euch dadurch in eurem Herzen beleidigt, 140 Nun so geht aus dem Haus, und sucht euch andere Mähler! Zehret von eurem Gut, und laßt die Bewirtungen umgehn! Aber wenn ihr es so bequemer und lieblicher findet, Eines Mannes Hab’ ohn alle Vergeltung zu fressen; Schlingt sie hinab! Ich werde die ewigen Götter anflehn, 145 Ob euch nicht endlich einmal Zeus eure Taten bezahle, Daß ihr in unserem Haus auch ohne Vergeltung dahinstürzt!

Also sprach er, da sandte der Gott weithallender Donner

Ihm zween Adler herab vom hohen Gipfel des Berges. Anfangs schwebten sie sanft einher im Hauche des Windes, 150 Einer nahe dem andern, mit ausgebreiteten Schwingen; Jetzo über der Mitte der stimmenvollen Versammlung, Flogen sie wirbelnd herum, und schlugen stark mit den Schwingen, Schauten auf aller Scheitel herab, und drohten Verderben, Und zerkratzten sich selbst mit den Klauen die Wangen und Hälse, 155 Und sie wandten sich rechts, und stürmten über die Stadt hin. Alle staunten dem Zeichen, das ihre Augen gesehen, Und erwogen im Herzen das vorbedeutete Schicksal.

Unter ihnen begann der graue Held Halitherses,

Mastors Sohn, berühmt vor allen Genossen des Alters, 160 Vögelflüge zu deuten, und künftige Dinge zu reden; Dieser erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und sagte:

Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!

Aber vor allen gilt die Freier meine Verkündung! Ihre Häupter umschwebt ein schreckenvolles Verhängnis! 165 Denn nicht lange mehr weilet Odysseus fern von den Seinen; Sondern er nahet sich schon, und bereitet Tod und Verderben Diesen allen; auch droht noch vielen andern das Unglück, Uns Bewohnern der Hügel von Ithaka! Laßt uns denn jetzo Überlegen, wie wir sie mäßigen; oder sie selber 170 Mäßigen sich, und gleich! zu ihrer eigenen Wohlfahrt! Euch weissaget kein Neuling, ich red’ aus alter Erfahrung! Wahrlich das alles geht in Erfüllung, was ich ihm damals Deutete, als die Argeier in hohlen Schiffen gen Troja Fuhren, mit ihnen zugleich der erfindungsreiche Odysseus: 175 Nach unendlicher Trübsal, entblößt von allen Gefährten, Allen Seinigen fremd, würd’ er im zwanzigsten Jahre Wieder zur Heimat kehren. Das wird nun alles erfüllet!

Aber Polybos’ Sohn Eurymachos sagte dagegen:

Hurtig zu Hause mit dir, o Greis, und deute das Schicksal 180 Deinen Söhnen daheim, daß ihnen kein Übel begegne! Dieses versteh ich selber, und besser als du, zu deuten! Freilich schweben der Vögel genug in den Strahlen der Sonne, Aber nicht alle verkünden ein Schicksal! Wahrlich Odysseus Starb in der Fern’! O wärest auch du mit ihm ins Verderben 185 Hingefahren! Dann schwatztest du hier nicht so viel von der Zukunft, Suchtest nicht Telemachos Groll noch mehr zu erbittern, Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geschenken bereichre! Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet! Wo du den Jüngling dort, kraft deiner alten Erfahrung, 190 Durch dein schlaues Geschwätz aufwiegelst, sich wild zu gebärden; Dann wird er selber zuerst noch tiefer sinken in Drangsal, Und im geringsten nichts vor diesen Männern vermögen. Und du sollst es, o Greis, mit schwerer kränkender Buße Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereuest! 195 Aber Telemachos höre statt aller nun meinen Rat an: Zwing’ er die Mutter zum Hause des Vaters wiederzukehren! Dort bereite man ihr die Hochzeit, und statte sie reichlich Ihrem Bräutigam aus, wie lieben Töchtern gebühret! Eher werden gewiß der Achaier Söhne nicht abstehn, 200 Penelopeia zu drängen; denn siehe! wir zittern vor niemand, Selbst vor Telemachos nicht, und wär’ er auch noch so gesprächig! Achten auch der Deutungen nicht, die du eben, o Alter, So in den Wind hinschwatzest! Du wirst uns nur immer verhaßter Unser schwelgender Schmaus soll wieder beginnen, und niemals 205 Ordnung im Hause bestehn, bis jene sich den Achaiern Wegen der Hochzeit erklärt; wir wollen in steter Erwartung, Künftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu andern Weibern gehn, um die jedwedem zu werben erlaubt ist!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

210 Hör, Eurymachos, hört ihr andern glänzenden Freier! Hierum werd ich vor euch nicht weiter flehen noch reden; Denn das wissen ja schon die Götter und alle Achaier. Aber gebt mir ein rüstiges Schiff und zwanzig Gefährten, Welche mit mir die Pfade des weiten Meeres durchsegeln. 215 Denn ich gehe gen Sparta und zu der sandigen Pylos, Um nach Kunde zu forschen vom langabwesenden Vater; Ob mir’s einer verkünde der Sterblichen, oder ich Ossa, Zeus’ Gesandte, vernehme, die viele Gerüchte verbreitet. Hör’ ich, er lebe noch, mein Vater, und kehre zur Heimat; 220 Dann, wie bedrängt ich auch sei, erduld’ ich’s noch ein Jahr lang. Hör’ ich, er sei gestorben, und nicht mehr unter den Menschen;
225 Also sprach der Jüngling, und setzte sich. Jetzo erhub sich Mentor, ein alter Freund des tadellosen Odysseus, Dem er, von Ithaka schiffend, des Hauses Sorge vertrauet, Daß er dem Greise gehorcht’, und alles in Ordnung erhielte. Dieser erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und sagte:

230

Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!

Künftig befleiße sich keiner der scepterführenden Herrscher, Huldreich, mild und gnädig zu sein, und die Rechte zu schützen; Sondern er wüte nur stets, und frevle mit grausamer Seele! Niemand erinnert sich ja des göttergleichen Odysseus 235 Von den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte! Aber ich eifre jetzt nicht gegen die trotzigen Freier, Die so gewaltsame Taten mit tückischer Seele beginnen; Denn sie weihen ihr Haupt dem Verderben, da sie Odysseus Habe wie Räuber verprassen, und wähnen, er kehre nicht wieder. 240 Jetzo schelt’ ich das übrige Volk, daß ihr alle so gänzlich Stumm dasitzt, und auch nicht mit einem strafenden Worte Diese Freier, die wenigen, zähmt, da euer so viel sind!

Aber Euenors Sohn Leiokritos sagte dagegen:

Mentor, du Schadenstifter von törichtem Herzen, was sprachst du 245 Da vor Lästerung aus, und befahlst, uns Freier zu zähmen? Schwer, auch mehreren, ist der Kampf mit schmausenden Männern! Wenn auch selbst Odysseus, der Held von Ithaka, käme, Und die glänzenden Freier, die seine Güter verschmausen, Aus dem Palaste zu treiben gedächte; so würde sich dennoch 250 Seine Gemahlin nicht, wie sehr sie auch schmachtet, der Ankunft Freun! Ihn träfe gewiß auf der Stelle das Schreckenverhängnis, Wenn er mit mehreren kämpfte! Du hast nicht klüglich geredet! Aber wohlan! ihr Männer, zerstreut euch zu euren Geschäften! Diesem beschleunigen wohl Halitherses und Mentor die Reise, 255 Welche von alters her Odysseus Freunde gewesen! Aber ich hoffe, er sitzt noch lang’, und spähet sich Botschaft Hier in Ithaka aus; die Reise vollendet er niemals!

Also sprach der Freier, und trennte schnell die Versammlung.

Alle zerstreueten sich, ein jeder zu seinen Geschäften; 260 Aber die Freier gingen zum Hause des edlen Odysseus.

Und Telemachos ging beiseit ans Ufer des Meeres,

Wusch in der grauen Flut die Händ’, und flehte Athenen:

Höre mich, Gott, der du gestern in unserm Hause erschienest,

Und mir befahlst, im Schiffe das dunkle Meer zu durchfahren, 265 Und nach Kunde zu forschen vom langabwesenden Vater: Himmlischer, siehe! das alles verhindern nun die Achaier, Aber am meisten die Freier voll übermütiger Bosheit!

Also sprach er flehend. Ihm nahte sich Pallas Athene,

Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme. 270 Und sie redet’ ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Jüngling, du mußt dich hinfort nicht feige betragen noch töricht!

Hast du von deinem Vater die hohe Seele geerbet, Bist du, wie jener einst, gewaltig in Taten und Worten; Dann wird keiner die Reise dir hindern oder vereiteln. 275 Aber bist du nicht sein Samen und Penelopeiens; Dann verzweifl’ ich, du wirst niemals dein Beginnen vollenden. Wenige Kinder nur sind gleich den Vätern an Tugend, Schlechter als sie die meisten, und nur sehr wenige besser. Wirst du dich aber hinfort nicht feige betragen noch töricht, 280 Und verließ dich nicht völlig der Geist des großen Odysseus; Dann ist Hoffnung genug, du wirst das Werk noch vollenden. Darum kümmre dich nicht das Sinnen und Trachten der Freier: Toren sind sie, und kennen Gerechtigkeit weder noch Weisheit, Ahnen auch nicht einmal den Tod und das schwarze Verhängnis, 285 Welches schon naht, um sie alle an einem Tage zu würgen. Aber dich soll nichts mehr an deiner Reise verhindern. Ich, der älteste Freund von deinem Vater Odysseus, Will dir rüsten ein hurtiges Schiff, und dich selber begleiten, Gehe nun wieder zu Haus, und bleib in der Freier Gesellschaft; 290 Dann bereite dir Zehrung, und hebe sie auf in Gefäßen: Wein in irdenen Krügen, und Mehl, das Mark der Männer, In dichtnähtigen Schläuchen. Ich will jetzt unter dem Volke Dir Freiwillige sammeln zu Ruderern. Viel sind der Schiffe An der umfluteten Küste von Ithaka, neue bei alten; 295 Hiervon will ich für dich der trefflichsten eines erlesen. Hurtig rüsten wir dieses, und steuren ins offene Weltmeer.

Also sprach Athenaia, Kronions Tochter: und länger

Säumte Telemachos nicht; er gehorchte der Stimme der Göttin, Und ging wieder zu Hause mit tiefbekümmertem Herzen. 300 Allda fand er die Schar der stolzen Freier: im Hofe Streiften sie Ziegen ab, und sengten gemästete Schweine. Und Antinoos kam ihm lachend entgegen gewandelt, Faßte Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher Stimme:

Jüngling von trotziger Red’ und verwegenem Mute, sei ruhig,

305 Und bekümmre dich nicht um böse Taten und Worte! Laß uns, künftig wie vor, in Wollust essen und trinken: Dieses alles besorgen dir schon die Achaier, ein schnelles Schiff und erlesne Gefährten; damit du die göttliche Pylos Bald erreichst, und Kunde vom trefflichen Vater erforschest!

310

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

O wie ziemte mir das, Antinoos, unter euch Stolzen Schweigend am Mahle zu sitzen, und ruhig im Taumel der Freude? Ist es euch nicht genug, ihr Freier, daß ihr so lange Meine köstlichen Güter verschwelgt habt, da ich ein Kind war? 315 Jetzt da ich größer bin, und tüchtig, anderer Reden Nachzuforschen, und höher der Mut im Busen mir steiget, Werd’ ich streben, auf euch des Todes Rache zu bringen. Ob ich gen Pylos geh, oder hier in Ithaka bleibe! Reisen will ich, und nichts soll meinen Entschluß mir vereiteln, 320 Im gedungenen Schiffe! Denn weder Schiffe noch Rudrer Hab’ ich in meiner Gewalt: so schien es euch freilich am besten!

Also sprach er, und zog die Hand aus der Hand des Verräters

Leicht. Die Freier im Saale bereiteten emsig die Mahlzeit. Und sie spotteten seiner, und redeten höhnende Worte. 325 Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling:

Wahrlich, Telemachos sinnt recht ernstlich auf unsre Ermordung!

Gebt nur acht: er holet sich Hilf’ aus der sandigen Pylos, Oder sogar aus Sparta! Er treibt’s mit gewaltigem Eifer! Oder er lenkt auch jetzo nach Ephyras fruchtbarem Lande 330 Seine Fahrt, und kauft sich tötende Gifte; die mischt er Heimlich in unseren Wein, dann sind wir alle verloren.

Und von neuem begann ein übermütiger Jüngling:

Aber wer weiß, ob dieser nicht auch mit dem Leben die Schiffahrt, Fern von den Seinen, bezahlt, umhergestürmt wie Odysseus? 335 Denkt, darin macht er uns hier noch sorgenvollere Arbeit! Teilen müßten wir ja das ganze Vermögen, und räumen Seiner Mutter das Haus, und ihrem jungen Gemahle!

Aber Telemachos stieg ins hohe weite Gewölbe

Seines Vaters hinab, wo Gold und Kupfer gehäuft lag, 340 Prächtige Kleider in Kasten, und Fässer voll duftendes Öles. Allda stunden auch Tonnen mit altem balsamischen Weine, Welche das lautre Getränk, das süße, das göttliche, faßten, Nach der Reihe gelehnt an die Mauer, wenn jemals Odysseus Wieder zur Heimat kehrte, nach seiner unendlichen Trübsal. 345 Fest verschloß das Gewölbe die wohleinfugende Türe, Mit zween Riegeln verwahrt. Die Schaffnerin schaltete drinnen Tag und Nacht, und bewachte die Güter mit sorgsamer Klugheit, Eurykleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peisenors. Und Telemachos rief sie hinein ins Gewölb’, und sagte:

350

Mütterchen, eil’ und schöpfe mir Wein in irdene Krüge,

Mild und edel, den besten nach jenem, welchen du schonest Für den duldenden König, den göttergleichen Odysseus, Wenn er einmal heimkehret, dem Todesschicksal entronnen. Hiermit fülle mir zwölf, und spünde sie alle mit Deckeln. 355 Ferner schütte mir Mehl in dichtgenähete Schläuche; Zwanzig Maße gib mir des feingemahlenen Mehles. Aber tu’ es geheim, und lege mir alles zusammen. Denn am Abende komm’ ich und hol’ es, wenn sich die Mutter In ihr oberes Zimmer entfernt, und der Ruhe gedenket. 360 Denn ich gehe gen Sparta und zu der sandigen Pylos, Um nach Kunde zu forschen von meines Vaters Zurückkunft.

Also sprach er. Da schluchzte die Pflegerin Eurykleia;

Laut wehklagend begann sie, und sprach die geflügelten Worte:

Liebes Söhnchen, wie kann in dein Herz ein solcher Gedanke

365 Kommen? Wo denkst du denn hin in die weite Welt zu gehen, Einziger liebster Sohn? Ach ferne vom Vaterlande Starb der edle Odysseus bei unbekannten Barbaren! Und sie werden dir gleich, wenn du gehst, nachstellen, die Meuchler! Daß sie dich töten mit List, und alles unter sich teilen! 370 Bleibe denn hier, und sitz’ auf dem Deinigen! Lieber, was zwingt dich, Auf der wütenden See in Not und Kummer zu irren?

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Mütterchen, sei getrost! Ich handle nicht ohne die Götter. Aber schwöre mir jetzo, es nicht der Mutter zu sagen, 375 Ehe der elfte Tag vorbei ist oder der zwölfte, Oder mich jene vermißt, und hört von meiner Entfernung: Daß sie nicht durch Tränen ihr schönes Antlitz entstelle.

Also sprach er; da schwur sie bei allen unsterblichen Göttern.

Als sie es jetzo gelobt, und vollendet den heiligen Eidschwur; 380 Schöpfte sie ihm alsbald des Weines in irdene Krüge, Schüttete ferner das Mehl in dichtgenähete Schläuche. Und Telemachos ging in den Saal zu der Freier Gesellschaft.

Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:

In Telemachos’ Bildung erscheinend, eilte sie ringsum 385 Durch die Stadt, und sprach mit jedem begegnenden Manne, Und befahl, sich am Abend beim rüstigen Schiffe zu sammeln. Hierauf bat sie Phronios’ Sohn, den edlen Noemon, Um ein rüstiges Schiff; und dieser versprach es ihr willig.

Und die Sonne sank, und Dunkel umhüllte die Pfade.

390 Siehe nun zog die Göttin das Schiff in die Wellen, und brachte Alle Geräte hinein, die Rüstung segelnder Schiffe; Stellt’ es darauf am Ende der Bucht. Die tapfern Gefährten Standen versammelt umher, und jeden ermahnte die Göttin.

Und ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:

395 Eilend ging sie zum Hause des göttergleichen Odysseus, Übertauete sanft mit süßem Schlafe die Freier, Machte die Säufer berauscht, und den Händen entsanken die Becher. Müde wankten sie heim durch die Stadt, und konnten nicht länger Sitzen, da ihnen der Schlaf die Augenlider bedeckte.

400

Aber Telemachos rief die heilige Pallas Athene

Aus dem Saale hervor des schöngebauten Palastes, Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme:

Jetzo, Telemachos, sitzen die schöngeharnischten Freunde

Alle am Ruder bereit, und harren nur deiner zur Abfahrt. 405 Laß uns zu Schiffe gehn, und die Reise nicht länger verschieben!

Als sie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athene

Eilend voran; und er folgte den Schritten der wandelnden Göttin. Und da sie jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Fanden sie an dem Gestade die hauptumlockten Genossen. 410 Unter ihnen begann Telemachos’ heilige Stärke:

Kommt, Geliebte, mit mir, die Zehrung zu holen. Sie liegt schon

Alle beisammen im Haus; und nichts argwöhnet die Mutter, Noch die übrigen Mägde; nur eine weiß das Geheimnis.

Also sprach er, und eilte voran; sie folgten dem Führer,

415 Brachten alles, und legten’s im schöngebordeten Schiffe Nieder, wie ihnen befahl der geliebte Sohn von Odysseus. Und Telemachos trat in das Schiff, geführt von Athenen. Diese setzte sich hinten am Steuer, nahe der Göttin Setzte Telemachos sich. Die andern lösten die Seile; 420 Traten dann selber ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke. Einen günstigen Wind’ sandt’ ihnen Pallas Athene, Leise streifte der West das rauschende dunkle Gewässer. Aber Telemachos trieb und ermahnte die lieben Gefährten, Schnell die Geräte zu ordnen. Sie folgeten seinem Befehle: 425 Stellten den fichtenen Mast in die mittlere Höhle des Bodens, Richteten hoch ihn empor, und banden ihn fest mit den Seilen; Spannten die weißen Segel mit starkgeflochtenen Riemen, Hochauf wölbte der Wind das volle Segel, und donnernd Wogte die purpurne Flut um den Kiel des gleitenden Schiffes; 430 Schnell durchlief es die Wogen in unaufhaltsamer Eile. Als sie nun die Geräte des schwarzen Schiffes befestigt, Stellten sie Kelche hin, bis oben mit Weine gefüllet. Und sie gossen des Weins für alle unsterblichen Götter,

Dritter Gesang

Inhalt

Telemachos von Nestor, der am Gestade opfert, gastfrei empfangen, fragt nach des Vaters Rückkehr, Nestor erzählt, wie er selbst, und wer sonst, von Troja gekehrt sei, ermahnt den Telemachos zur Tapferkeit gegen die Freier, und rät ihm, bei Menelaos sich zu erkundigen. Der Athene, die als Adler verschwand, gelobt Nestor eine Kuh. Telemachos von Nestor geherbergt. Am Morgen, nach vollbrachtem Opfer, fährt er mit Nestors Sohne Peisistratos nach Sparta, wo sie den anderen Abend ankommen.

Jetzo erhub sich die Sonn’ aus ihrem strahlenden Teiche Auf zum ehernen Himmel, zu leuchten den ewigen Göttern Und den sterblichen Menschen auf lebenschenkender Erde. Und die Schiffenden kamen zur wohlgebaueten Pylos, 5 Neleus’ Stadt. Dort brachten am Meergestade die Männer Schwarze Stiere zum Opfer dem bläulichgelockten Poseidon Neun war der Bänke Zahl, fünfhundert saßen auf jeder; Jede von diesen gab neun Stiere. Sie kosteten jetzo Alle der Eingeweide, und brannten dem Gotte die Lenden. 10 Jene steurten ans Land, und zogen die Segel herunter, Banden das gleichgezimmerte Schiff, und stiegen ans Ufer. Auch Telemachos stieg aus dem Schiffe, geführt von der Göttin. Ihn erinnerte Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:

Jetzo, Telemachos, brauchst du dich keinesweges zu scheuen!

15 Darum bist du die Wogen durchschifft, nach dem Vater zu forschen, Wo ihn die Erde verbirgt, und welches Schicksal ihn hinnahm. Auf denn! und gehe gerade zum Rossebändiger Nestor; Daß wir sehen, was etwa sein Herz für Rat dir bewahre. Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkünde. 20 Lügen wird er nicht reden: denn er ist viel zu verständig!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Mentor, wie geh ich doch, und wie begrüß’ ich den König? Unerfahren bin ich in wohlgeordneten Worten; Und ich scheue mich auch, als Jüngling den Greis zu befragen!

25

Drauf antwortete Zeus’ blauäugichte Tochter Athene:

Einiges wird dein Herz dir selber sagen, o Jüngling; Anderes wird dir ein Gott eingeben. Ich denke, du bist nicht Ohne waltende Götter geboren oder erzogen.

Als sie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athene

30 Eilend voran, und er folgte den Schritten der wandelnder Göttin. Und sie erreichten die Sitze der pylischen Männer, wo Nestor Saß mit seinen Söhnen, und rings die Freunde zur Mahlzeit Eilten das Fleisch zu braten, und andres an Spieße zu stecken. Als sie die Fremdlinge sahn, da kamen sie alle bei Haufen, 35 Reichten grüßend die Händ’, und nötigten beide zum Sitze. Nestors Sohn vor allen, Peisistratos, nahte sich ihnen, Nahm sie beid’ an der Hand, und hieß sie sitzen am Mahle, Auf dickwollichten Fellen, im Kieselsande des Meeres, Seinem Vater zur Seit’ und Thrasymedes dem Bruder; 40 Legte vor jeden ein Teil der Eingeweide, und schenkte Wein in den goldenen Becher, und reicht’ ihn mit herzlichem Handschlag Pallas Athenen, der Tochter des wetterleuchtenden Gottes:

Bete jetzt, o Fremdling, zum Meerbeherrscher Poseidon,

Denn ihr findet uns hier an seinem heiligen Mahle. 45 Hast du, der Sitte gemäß, dein Opfer gebracht und gebetet, Dann gib diesem den Becher mit herzerfreuendem Weine Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unsterblichen gerne Anflehn; denn es bedürfen ja alle Menschen der Götter. Aber er ist der Jüngste, mit mir von einerlei Alter; 50 Darum bring’ ich dir zuerst den goldenen Becher.

Also sprach er, und reicht’ ihr den Becher voll duftendes Weines.

Und Athene ward froh des gerechten verständigen Mannes, Weil er ihr zuerst den goldenen Becher gereichet; Und sie betete viel zum Meerbeherrscher Poseidon:

55

Höre mich, Poseidaon, du Erdumgürter! Verwirf nicht

Unser frommes Gebet; erfülle, was wir begehren! Nestorn kröne vor allen und Nestors Söhne mit Ehre; Und erfreue dann auch die andern Männer von Pylos Für ihr herrliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung! 60 Mich und Telemachos laß heimkehren als frohe Vollender Dessen, warum wir hieher im schnellen Schiffe gekommen!

Also betete sie, und erfüllte selber die Bitte,

Reichte Telemachos drauf den schönen doppelten Becher. Eben so betete jetzt der geliebte Sohn von Odysseus. 65 Als sie das Fleisch nun gebraten, und von den Spießen gezogen, Teilten sie’s allen umher, und feirten das prächtige Gastmahl. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war; Sprach der gerenische Greis, der Rossebändiger Nestor:

Jetzo ziemt es sich besser, die fremden Gäste zu fragen,

70 Wer sie sei’n, nachdem sie ihr Herz mit Speise gesättigt. Fremdlinge, sagt, wer seid ihr? Von wannen trägt euch die Woge? Habt ihr wo ein Gewerb’, oder schweift ihr ohne Bestimmung Hin und her auf der See: wie küstenumirrende Räuber, Die ihr Leben verachten, um fremden Völkern zu schaden?

75

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen,

Ohne Furcht; denn ihm goß Athene Mut in die Seele, Daß er nach Kundschaft forschte vom langabwesenden Vater, Und sich selber ein gutes Gerücht bei den Menschen erwürbe:

Nestor, Neleus’ Sohn, du großer Ruhm der Achaier

80 Fragst, von wannen wir sei’n; ich will dir alles erzählen. Siehe von Ithaka her am Neïon sind wir gekommen, Nicht in Geschäften des Volks, im eigenen; dieses vernimm jetzt: Meines edlen Vaters verbreiteten Ruhm zu erforschen, Reis’ ich umher, Odysseus des Leidengeübten, der ehmals, 85 Sagt man, streitend mit dir, die Stadt der Troer zerstört hat. Von den übrigen allen, die einst vor Ilion kämpften, Hörten wir doch, wie jeder dem grausamen Tode dahinsank; Aber von jenem verbarg sogar das Ende Kronion. Niemand weiß uns den Ort zu nennen, wo er gestorben: 90 Ob er auf festem Lande von feindlichen Männern vertilgt sei, Oder im stürmenden Meere von Amphitritens Gewässern.