Odysseus, Verbrecher. - Christoph Ransmayr - E-Book

Odysseus, Verbrecher. E-Book

Christoph Ransmayr

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Beschreibung

Christoph Ransmayrs »Spielformen des Erzählens« in eleganter Leinen-Ausstattung. Christoph Ransmayr erzählt in zeitlosen Bildern die Heimkehr des Odysseus als Geschichte eines Mannes, der, vom Krieg für immer gezeichnet, am Ende auch in der Heimat nicht bleiben kann. Christoph Ransmayr hat in den Jahren der Arbeit an seinen Romanen auch mit anderen Formen des Erzählens meisterhaft gespielt: ›Odysseues, Verbrecher‹ setzt diese Reihe der »Spielformen des Erzählens« fort, in der unter anderem eine »Tirade«, ein »Verhör«, eine »Bildergeschichte«, ein »Duett« und »Ansprachen« erschienen sind. Odysseus kehrt aus dem Krieg um Troja nach jahrelangen, von Gier, Lust und Ehrgeiz bestimmten Umwegen als Schiffbrüchiger heim und erkennt sein Land nicht mehr: Ithaka scheint während herrenloser Jahre im Chaos versunken. Der Heimkehrer, der den Waffen abgeschworen hat, will als Prophet des Friedens die alte Ordnung wiederherstellen und wird am Abgrund zwischen seinen Sehnsuchtsbildern und der Wirklichkeit erneut zum Schlächter. Christoph Ransmayrs Theaterstück von der Endlosigkeit und der Allgegenwart des Krieges, der auch seine überlebenden Opfer für immer zeichnet, wurde von Schauspiel Dortmund im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas ›Ruhr 2010‹ uraufgeführt.

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Seitenzahl: 85

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Christoph Ransmayr

Odysseus, Verbrecher.

Schauspiel einer Heimkehr

 

 

Über dieses Buch

 

 

Christoph Ransmayrs Spielformen des Erzählens.

 

Christoph Ransmayr erzählt in zeitlosen Bildern die Heimkehr des Odysseus als Geschichte eines Mannes, der, vom Krieg für immer gezeichnet, am Ende auch in der Heimat nicht bleiben kann.

 

Odysseus kehrt aus dem Krieg um Troja nach jahrelangen, von Gier, Lust und Ehrgeiz bestimmten Umwegen als Schiffbrüchiger heim und erkennt sein Land nicht mehr: Ithaka scheint während herrenloser Jahre im Chaos versunken. Der Heimkehrer, der den Waffen abgeschworen hat, will als Prophet des Friedens die alte Ordnung wiederherstellen und wird am Abgrund zwischen seinen Sehnsuchtsbildern und der Wirklichkeit erneut zum Schlächter.

Christoph Ransmayrs Theaterstück von der Endlosigkeit und der Allgegenwart des Krieges, der auch seine überlebenden Opfer für immer zeichnet, wurde von Schauspiel Dortmund im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas ›Ruhr 2010‹ uraufgeführt.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Impressum

 

 

Covergestaltung: Manfred Walch

Coverabbildung: Gegurtete Munition für das MG 74 – Fotografiert in der Wiener Maria Theresien Kaserne von Christoph Ransmayr

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2010

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-403209-2

 

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Inhalt

Die Personen

Die Zeit

Die Schauplätze

Erste Szene Willkommen in Ithaka

Zweite Szene Schlachten

Dritte Szene Schläfer, Kämpfer, Untertanen

Vierte Szene Gespenster im Morgengrauen

Fünfte Szene Vater und Sohn

Sechste Szene Siehe, er kommt

Siebente Szene Allein mit ihm, allein mit ihr

Achte Szene Blut

Die Personen

Odysseus, Verbrecher

Telemach, Verlorener Sohn

Penelope, Verlassene

Eurykleia, Verrückte

Athene, Strandläuferin

Eumaios, Sauhirt

Philotios, Rinderhirt

Melanthos, Ziegenhirt

Antinoos, Erster Reformer

Eurymachos, Zweiter Reformer

Amphinomos, Dritter Reformer

Chor der Krüppel und Gefallenen

Zwei Knechte, namenlos

Die Zeit

Eine Nachkriegszeit als Allzeit, Unzeit in der Schwebe zwischen Gegenwart, Zukunft und einer unauslöschlichen Vergangenheit.

Die Schauplätze

Ein verlassener StrandEin Hirtenlager in den BergenIdyllisches HügellandEin verwahrloster PrunksaalEine von blutigen Schleifspuren schraffierte Freitreppe

Erste SzeneWillkommen in Ithaka

Rauchschwaden über einem Strand; das gleichförmige Rauschen der Brandung. Im Hintergrund Schwelbrände und in der weiteren Tiefe Höhenzüge, Berge. Dicht an der Wasserlinie eine gestrandete Rettungsinsel, schwer beladen mit Ballen und Kisten, Streitäxten, Pokalen, goldenen Schilden, Feuerwaffen, Helmen, Lanzen und Standarten, Bildschirmen, Satellitenantennen, Statuen etcetc. An die Bordwand der Rettungsinsel gelehnt ein Schläfer, der nach einer Folge von zehn, elf Brandungsschlägen erwacht, sich mühsam aufrichtet und versucht, das rauchverhüllte, umliegende Land zu erkennen: Odysseus.

ODYSSEUS

Schnee? Beschneite Berge … Auch das noch. Schnee!

Was haben wir Menschenseelen in irgendeinem schwarzen Abgrund dieses schwarzen Himmels bloß verbrochen, daß wir mit dem Leben bestraft werden.

Wie zur Vergeltung einer ungeklärten Schandtat reißt man uns aus einem gestaltlosen, schmerzlosen, namenlosen Frieden und pfercht uns in strampelnde, fressende Körper, die, von ihrem Hunger und Durst, ihrem Haß, ihrer Angst oder der nackten Blödheit getrieben, am Ende doch auf irgendeinem Schlachtfeld des Lebens verstümmelt werden.

Und selbst wenn es uns gelingt, alt und gebrechlich zu werden, ohne von unserem Körperfett, von Narben oder Geschwüren entstellt zu sein, gehen wir nach dem Ratschluß irgendeines gnadenlosen Schöpfers schließlich doch zugrunde – an unserer Lebensgier, an unserem Zerstörungswillen oder zugrunde am bloßen Lauf der Zeit. Und unsere Reste, faulend oder zu grober Asche verbrannt, fallen zurück in die Gestaltlosigkeit, in die Ursuppe irgendeiner nebelhaften Erbschuld, aus der sich dann dieses sogenannte Dasein und mit ihm alles, was endlich überwunden schien, noch einmal und immer wieder erheben darf, um auf die immergleiche Art zu enden.

Wer in dieser Affenschaukel nach dem Sinn der Pendelei fragt, gleicht dem Schiffbrüchigen weit, weit draußen, wenn er sich an der vergeblichen Ausschau nach einem rettenden Segel, einer Küste, die Augen verbrennt am gleißenden Horizont.

Blickt noch einmal ungläubig in die Ferne.

Schnee auf kahlen Bergen! Und davor schwelende Abfallgebirge. Was für eine Küste.

Klettert aus der Rettungsinsel, beschattet seine Augen mit der Hand, läßt den Blick strandauf, strandab schweifen und bemerkt eine Gestalt, die sich im Trab eines Läufers nähert.

Ein Strandläufer! So verqualmt kann ein wüster Landstrich offensichtlich gar nicht sein, daß sich nicht irgendein Kraftmensch für eine Morgenstunde an der vermeintlichen Frischluft begeistern würde. Den Pulsmesser um die Brust, im Kopf ein langes, gesundes und glückliches Leben – und über allen Hoffnungen doch bloß das schweißüberströmte Märtyrergesicht: der Blick verkniffen, das Maul sperrangelweit offen wie das eines Karpfens auf dem Trockenen.

Die Gestalt verlangsamt ihre Schritte, hält inne – eine Frau – kommt dann auf Odysseus zu.

ATHENE

Erhebt einen Arm wie zum Gruß, wischt sich dann aber doch nur mit der Ellenbeuge den Schweiß aus dem Gesicht.

Puh … schon wieder ein Neuankömmling im gelobten Land? Frisch aus dem Elend?

Atmet tief aus, dann seufzend.

Schöne Überfahrt gehabt? Wie ist das Wetter in Afrika?

ODYSSEUS

Ein hellauf schnaufendes Fräulein in aller Frühe.

Und dann auch noch witzig. Bin ich im Land des Lächelns gestrandet?

ATHENE

Wo immer – willkommen bist du jedenfalls nicht.

Das ist mein Revier.

ODYSSEUS

Revier? Was wird denn gejagt hier?

ATHENE

Nicht gejagt. Gesammelt … Treibgut wird hier gesammelt. Es wird ja viel untergegangen in diesen Tagen, Meer und Zeiten sind stürmisch. Sei bloß froh, daß du in meiner Bucht gelandet bist; in der nächsten würde man deinen Kram als herrenloses Gut verbuchen und dich …, ach, sei bloß froh, mein Freund. Gebührenfrei wird dein Landgang aber auch hier nicht sein. Hast du einen Flohmarkt geplündert, bevor du in See gestochen bist? Laß sehen.

Versucht, eine der Kisten aus dem Rettungsfloß zu ziehen.

ODYSSEUS

Fällt ihr in den Arm, stößt sie so heftig weg, daß Athene strauchelt, nach zwei, drei stolpernden Schritten aber doch wieder Fuß faßt.

Pfoten weg. Vorsicht: Ich bin weder dein noch irgendeines Fledderers Freund, und ich habe schon kleineres Gepäck und nicht bloß vor interessierten Fräuleins verteidigt. In stürmischen Zeiten regnet es Schläge schließlich nicht nur auf die Köpfe männlicher Helden.

ATHENE

Ich schlage mich nicht, Schläger.

Öffnet ihre Jacke, zeigt eine Pistole im Schulterhalfter.

Wozu hat der Mensch derlei Werkzeuge erfunden? Erleichtern das Leben, erhöhen den Gewinn und verwandeln nicht nur muskelschwache Mädchen, sondern jeden beliebigen Schwachkopf in einen Allmächtigen mit Verfügungsgewalt über Leben und Tod.

ODYSSEUS

In meiner Armee wurden Strandläufer wie du, Partisanen und Plünderer standrechtlich gehängt.

ATHENE

Aha. Ein Held. Du kommst aus dem Krieg? Dann ist dein ganzer Kram da wohl Beute? Wie viele Ehrenmänner mußten dafür samt ihren Clans, Verwandten und Kindern ins Gras beißen? Ein Maulvoll Erde und Gras ist doch allgemeine Währung, wo Helden Handel treiben. Und wo ist deine Armee?, wo sind deine Kameraden? Mit Hängearbeit an einer anderen Küste beschäftigt, oder schaukeln sie im Sog einer Schlacht selber bereits an irgendeinem Galgen im Wind?

ODYSSEUS

Schweigt. Scheint von plötzlichen Erinnerungen überfallen; fährt sich dann mit beiden Händen über Stirn und Haar, als wollte er diese Erinnerungen abstreifen, spricht dann aber in gänzlich verändertem Tonfall.

Wo bin ich hier? Wie heißt du?

ATHENE

Auf meinem Steckbrief hieß es: Athene. Aber mein Name braucht dich nicht zu kümmern. Ich bin allmächtig, wie du siehst, das genügt.

ODYSSEUS

Ein Flintenweib mit dem Namen einer Göttin. Wirklich, wir leben in finsteren Zeiten. Und wie heißt diese Brandstätte?

ATHENE

Auf den Seekarten heißt sie Schweinebucht, die Strandläufer nennen sie Eldorado. Seit der Anstieg des Meeresspiegels ein paar flache Inselchen in Riffe verwandelt hat, sind die Strände hier mit Wrackteilen gesegnet wie kaum ein anderer Küstenstrich. Ein entsprechend mit Blei beschwerter Taucher, heißt es, könnte in der Tiefe bis zu diesem Leuchtturm dort draußen über Schiffstrümmer steigen, ohne seinen Fuß ein einziges Mal auf den Meeresgrund zu setzen.

Zeigt auf die Schwelbrände im Hinterland.

Siehst du die Müllberge? Das ist bloß Abfall – unter allem angeschwemmten Überfluß findet sich so viel Abfall, daß turmhohe Leuchtfeuer davon ewig brennen könnten. Wie hell würde wohl deine Beute brennen? Oder ist deine Beute so wertvoll, daß sie nicht brennt? Hand aufs Herz –

Legt eine Hand auf die Waffe im Schulterhalfter

– du wirst die Feuerprobe wohl nicht verhindern können.

Zeigt auf die aus der Fracht ragenden Gewehre.

Waffen außer Reichweite, ein Bajonett, um dessen Griff sich keine Hand schließen, ein Abzug, um den sich kein Finger krümmen kann, sind nicht gefährlicher als die Kissen einer Polsterschlacht. Hat man euch das in den Kasernen nicht beigebracht?

ODYSSEUS

Als hätte er Athenes drohende Geste übersehen, ihre Worte nicht gehört.

Schweinebucht? Seltsam. Ich bin vor einer Ewigkeit aus einer Schweinebucht ausgelaufen und habe niemals davon gehört, daß es eine Bucht dieses Namens noch anderswo als auf Ithaka gäbe.

ATHENE

Anderswo? Du bist in Ithaka. Du bist in deiner Schweinebucht.

ODYSSEUS

Ithaka! Du ziehst den Namen meiner Heimat in den Dreck dieses Strandes. Gehört es zu den Bräuchen von Wegelagerern, sich über Schiffbrüchige auch noch lustig zu machen, bevor man sie beraubt? Woher kennst du den Namen meiner Heimat?

ATHENE

Ich kann mir mittlerweile sogar deinen Namen zusammenreimen: Städteverwüster! Den Städteverwüster hat man dich in den Abend- und Morgennachrichten genannt. Auf den Porträts, mit denen die Weitwinkelpanoramen von Schlachtfeldern und brennenden Dörfern überblendet wurden, sahst du allerdings jünger aus: Odysseus unter Rauchpilzen im Feindesland! Der Bart ist dir wohl erst unterwegs gewachsen. Manchmal hieß es ja, du seist für immer verschollen und keiner müsse sich mehr vor deiner Heimkehr fürchten. Du bist doch Odysseus?

ODYSSEUS