Ökobilanz -  - E-Book

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Beschreibung

Eisbecher oder Waffel? Dinge des Alltags auf dem Prüfstand: Was der Umwelt wirklich nützt – Ein informativer Entscheidungshelfer

Täglich stehen wir vor kleinen oder großen Entscheidungen, für die wir uns Informationen wünschen: Welches Produkt ist nachhaltiger, sparsamer, umweltfreundlicher, gesünder, günstiger? Welche Wärmequelle verursacht höhere Energiekosten, ein Heizlüfter oder eine Heizung? Wie umweltschädlich sind Jeans? Kann man noch Garnelen essen? Putzen wir die Nase besser mit einem Papier- oder mit einem Stofftaschentuch? Soll man mit einer Wärmepumpe oder mit Pellets heizen?

Die Autorinnen und Autoren der »Stern«-Kolumne »Ökobilanz« stellen Dinge des Alltags auf den Prüfstand. Sie untersuchen mithilfe von Fachleuten etwa den Schadstoffgehalt von Lebensmitteln und die Auswirkungen auf die Umwelt bei deren Herstellung, vergleichen die Klimabilanz von zwei zur Auswahl stehenden Produkten oder stellen Fragen, die Sie sich vielleicht auch schon einmal gestellt haben: Wie grün sind Windräder wirklich? Oder: Ist ein E-Auto tatsächlich klimafreundlich? Das Buch versammelt die populärsten, gefragtesten Kolumnen der letzten Zeit, jeweils auf den neuesten Stand gebracht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 222

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Rolf-Herbert Peters, Jahrgang 1961, ist Autor beim »Stern«. Dort kümmert er sich vor allem um Politik und Wirtschaft, besonders um Energie- und Nachhaltigkeitsthemen. Die Kolumne »Ökobilanz« betreut er seit dem Beginn 2020. Peters studierte Geschichte und Philosophie und arbeitete danach unter anderem bei der »Wirtschaftswoche« und »BIZZ Capital«. 2003 wechselte er zum »Stern«. Er lebt mit seiner Familie bei Köln, die seit Jahren nur E-Autos nutzt und sich energetisch nahezu selbst versorgt. Vegan oder vegetarisch ernährt sie sich allerdings nicht.

www.penguin-verlag.de

Rolf-Herbert Peters (Hg.)

Mit Beiträgen von Alexandra Kraft, Andreas Hoffmann, Rolf-Herbert Peters, Marc Winkelmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2024 by Penguin Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

und ® Lizenz der Marke STERN

durch Gruner + Jahr Deutschland GmbH & Co KG

Grafik: Peter Palm, Berlin

Umschlaggestaltung: Hafen Werbeagentur gsk GmbH

Umschlagabbildungen: © Shutterstock

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-31988-5V001

www.penguin-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1  Duschen oder baden?

2  Laubbläser oder Rechen?

3  Putzlappen oder Küchenrolle?

4  Fichte oder Plastik?

5  Hund oder Katze?

6  Feuer- oder Erdbestattung?

7  O-Saft oder A-Saft?

8  Batterie oder Akku?

9  Imkerhonig oder Industrieware?

10  Herd oder Mikrowelle?

11  E-Bike oder Muskelkraft?

12  Gasgrill oder Holzkohle?

13  Kaffeekapseln oder Pulver?

14  Eisbecher oder Waffel?

15  Mineralwasserflasche oder Wasserhahn?

16  Blumenladen oder Tanke?

17  Reis oder Nudeln?

18  Spülmaschine oder Handspülen?

19  Tetrapak oder Mehrwegflasche

20  Metzgertheke oder Laborfleisch?

21  Butter oder Margarine?

22  Heizung oder Kaminofen?

23  Rübe oder Zuckerrohr?

24  Tütenpüree oder selbstgemacht?

25  Weihnachtsschmuck kaufen oder basteln?

26  Latexmatratze oder Federkern?

27  Streichholz oder Feuerzeug?

28  Whatsapp oder Postweg?

29  Fast Food oder Frisches?

30  Smoothies oder Frischobst?

31  Parfum?

32  Heizlüfter oder Heizung?

33  Salatkopf oder aus der Tüte?

34  Automatik oder Schaltgetriebe?

35  Pommes frisch oder tiefgekühlt?

36  Outdoorjacken oder Regenschirm?

37  Pelletheizung oder Gas?

38  Pool oder Freibad?

39  Windräder oder Atomkraft?

40  Waschanlage oder Handwäsche?

41  E-Fuels oder Akkuantrieb?

42  Wein oder Bier?

43  Jeans oder keine Jeans?

44  Skifahren oder Daheimbleiben?

45  Kugelschreiber oder Füller?

46  E-Zigaretten oder gar nicht rauchen?

47  Bahn oder Bus?

48  Echte Wurst oder Veggie?

49  Plastikzahnbürste oder Bio?

50  Brot vom Bäcker oder Supermarkt?

51  Satellitenschüssel oder streamen?

52  Bioplastik oder klassischer Kunststoff?

53  Karte oder Bargeld?

54  Camping oder Hotel?

55  Gummibärchen oder Schokolade?

56  Alu- oder Plastikfolie?

57  Urlaub im All oder auf Erden?

58  Parkett oder Laminat?

59  Papiertaschentücher oder Stoff?

60  Diesel- oder E-Panzer?

61  Bäume pflanzen oder spenden?

62  Stein- oder Naturgarten?

63  Staubsauger mit oder ohne Kabel?

64  Atmen?

65  Holzdildo oder Silikon?

66  Backpapier oder Matte?

67  Wasser- oder Windkraft?

68  Nagellack drauf oder Lack ab?

69  Behalten oder zurückschicken?

70  Avocados genießen oder meiden?

71  E-Autos oder Verbrenner?

72  Blumenerde oder Torf?

73  Superfood oder Hausmannskost?

74  Waschpulver oder Tabs?

75  Fiere oder lamentiere?

76  Heimsauna oder öffentlich?

77  Goldschmuck oder Imitat?

Verzeichnis der Verfasserinnen und Verfasser der jeweiligen Kapitel

Vorwort

Als ich noch ein Kind war, servierte mir meine Oma gern »gute Butter«, wie sie es nannte. Ob geschmiert auf einer Stulle oder zerlassen in Nudeln. »Gute Butter« war für die Frau, die zwei entbehrungsreiche Weltkriege durchstanden hatte, ein Kennzeichen für die Überwindung der mageren Jahre. Und ein Ideal für eine natürliche, gesunde Ernährung im Wirtschaftswunder.

Ähnlich dachten in den siebziger Jahren offenbar auch die Politiker: Butter wurde derart mit Subventionen gepuscht, dass sich bald in den Kühlhäusern gewaltige Butterberge auftürmten. Um die glitschigen Vorräte abzutragen, wies das Bonner Ernährungsministerium den Handel an, stark verbilligte »Weihnachtsbutter« zu verkaufen. »Molkereibutter aus Interventionsbeständen« stand auf den Packungen.

Heute hat Europa andere Probleme. Vor allem gilt es, den grassierenden Klimawandel aufzuhalten. Und da ist Butter im Überfluss alles andere als »gut« einzustufen. Im Gegenteil, sie hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge zur Erderwärmung beigetragen. Denn sie ist so ziemlich das klimaschädlichste Lebensmittel in unserem Kulturkreis. Knapp 5,3 Kilogramm konsumieren wir Deutsche pro Kopf und Jahr davon – in allen Varianten. Jedes Kilo sorgt laut dem Thünen-Institut für 25 Kilogramm CO2-Emissionen. Das ist 35-mal mehr als bei Margarine. Die schlechte Bilanz liegt vor allem an der benötigten Milch, für deren Produktion doppelt so viel Landfläche in Anspruch genommen wird wie für Margarine. Und Butter verschlingt sehr viel Milch: rund 18 Liter pro Kilogramm.

Erinnerungen wie über die Butterberge haben 2020 den Impuls geliefert, im »Stern« eine neue wöchentliche Kolumne zu starten: die »Ökobilanz«. Wir wollten darin die Dinge des Alltags daraufhin untersuchen, ob sie den modernen Anforderungen eines umwelt- und klimagerechten Lebens entsprechen. Den Anfang machten wir – zur Frankfurter Buchmesse – mit der Frage: »Bücher oder E-Reader?« Damals kam das Freiburger Öko-Institut zu dem überraschenden Ergebnis, dass E-Reader – trotz ihrer wertvollen Rohstoffe und energieintensiven Herstellung – ab 22 ersetzten Büchern beginnen, die Umwelt zu entlasten.

Die »Ökobilanz« muss stets rein wissenschaftlich begründet sein, das ist unser Prinzip. Vor allem: ohne Ideologie. Wenn Forscher also aus nachvollziehbaren Gründen Atomkraftwerke für die klimafreundlichere Stromquelle halten als Windräder, dann sollte das im »Stern« auch so stehen. Und wenn das E-Auto die Eisenbahn schlägt, ebenfalls. Deshalb suchen wir stets nach unabhängigen Studien zum Thema und befragen anerkannte Experten, die kein finanzielles Interesse verfolgen. Und wir versuchen, den gesamten Lebenszyklus des untersuchten Gegenstands abzubilden. Das ist nicht immer einfach, und wenn wir zu keinem eindeutigen Resultat kommen, dann schreiben wir es auch so. Spannend sind die Recherchen immer. Nicht selten stellen wir fest, dass unser Anfangsverdacht nicht zutrifft. Manchmal kommt bei der Recherche sogar das Gegenteil dessen heraus, was wir angenommen hatten.

So war es zum Beispiel 2007 – der »Stern« kann auf eine lange Tradition mit Klimafragen zurückschauen. Damals begleitete eine Kollegin einen Bioapfel aus Südamerika über 13 000 Kilometer in einen Kölner Supermarkt. Sie wollte herausfinden, ob er für deutsche Kunden, wie es offensichtlich zu sein schien, wirklich umweltfeindlicher ist als eine Frucht aus dem Rheinland. Das Ergebnis überraschte selbst die Fachwelt und produzierte weitere Schlagzeilen: Spätestens ab April, also ein halbes Jahr nach der hiesigen Erntezeit, liegt der Import-Apfel ökologisch vorn, weil der heimische über Monate energieintensiv gekühlt werden muss.

Mit dem Klimawandel drängen sich solche Fragen immer stärker auf. Für dieses Buch haben wir 77 Kolumnen ausgewählt und auf den neuesten Stand gebracht. Außer mir, der ich die Reihe in der Redaktion verantworte, haben meine Kollegen Alexandra Kraft und Andreas Hoffmann die Texte verfasst, zwei erfahrene Fachkräfte aus dem »Stern«-Ressort »Wissen«. Als Vierter im Bunde schreibt Autor Marc Winkelmann, unter anderem Redaktionsleiter des recherche- und analysekräftigen Fachportals »ESG.Table für zukunftsfähiges Wirtschaften«. Es gilt als Vorbild für tiefschürfenden Journalismus und Sachkompetenz.

Immer wieder erstaunt uns die außergewöhnlich große Resonanz der »Stern«-Leserinnen und Leser auf jede »Ökobilanz«. Nach Erscheinen erreichen uns viele Mails mit Lob und Kritik, vor allem aber auch mit Wünschen, um welche Produkte wir uns als Nächstes kümmern sollten. Die Absender geben uns mit großer Mehrheit das gute Gefühl, uns verstanden zu haben: Wir wollen nicht missionieren und drängen auch niemanden zu einem asketischen Leben. Wir wollen vielmehr fundierte Erkenntnisse weitergeben, damit die Menschen gerüstet sind, eigenständig zu entscheiden, wie viel sie persönlich in den Klimaschutz investieren möchten. Ohnehin belegen die »Ökobilanzen« sehr oft, dass man ohne großen Komfort- und Genussverlust mit reinem Gewissen weiterkonsumieren kann, wenn man nur an ein paar Stellschrauben dreht.

Ein großer Dank gilt der gesamten »Stern«-Redaktion. Bei vielen Video- oder Präsenzkonferenzen, in denen wir über aktuelle und zeitlose Themen nachdenken und streiten, poppen Fragen und Anregungen auf, die uns zu einer neuen »Ökobilanz« führen. Ein großer Dank gebührt aber auch unseren Familien. Denn nicht selten liefert der ganz normale Alltag die allerbesten Geschichten, auch für unsere Kolumnen.

Rolf-Herbert Peters

1  Duschen oder baden?

Unser Einfamilienhaus am Rande Kölns war mal das Gästehaus der berühmten Dierks Studios, die unter anderem den Scorpions zu Weltruhm verholfen haben. Früher nächtigten in den Gästezimmern Tina Turner, Jon Lord (Deep Purple) oder der »King of Blues«, Alexis Korner. Als wir das Haus übernahmen, hatte es fünf Bäder. In jedem Bad gab es eine Dusche und eine Wanne. Wir stellen uns manchmal vor, wie die Rockstars wilde Schaumbadorgien feierten – splish-splash! Und wie dabei die Wasseruhr glühte.

Baden und Duschen sind ein bedeutender Posten in der Ökobilanz. In Privathaushalten geht gut ein Drittel des verbrauchten Wassers dafür drauf. Die verbleibende Menge wird beim Wäschewaschen, Geschirrspülen, Toilettengang, Kochen, Putzen und Blumengießen eingesetzt. Viele glauben: Das Kurz-unter-die-Dusche-Stellen nach dem Aufstehen könne den hohen Wasserverbrauch nicht erklären. Schuld seien die ausgedehnten Schaumbäder, die sich gewisse Familienmitglieder mit Kopfhörer, Buch oder Sektflöte gönnen.

Doch die Lage ist nicht so eindeutig. Klar, Duschen ist die umweltfreundlichere Variante – wenn man sich an die strengen Regeln der »Öko-Weisen« hält, etwa die aus dem Umweltbundesamt. Danach darf man nur alle zwei, drei Tage unter die Brause (was auch Dermatologen raten) und nicht mindestens einmal pro Tag, wie es fast zwei Drittel der Deutschen tun. Marathonduschen ist tabu, nach spätestens fünf Minuten muss der Griff zum Handtuch folgen. Beim Einschäumen soll man das Wasser abdrehen. Und bloß keine Spaßdusche verwenden, die aus allen Rohren schießt und sonst unerreichbare Körperregionen kärchert. Erlaubt ist ein Sparduschkopf, der etwa sechs Liter pro Minute durchlässt – wie Nieselregen.

Knausern also, wo es geht. Die Realität ist aber eine andere. Die Deutschen, so zeigen Umfragen, stehen im Durchschnitt zwischen sechs und elf Minuten unter der Brause. Oft stecken noch betagte Duschköpfe an den Zulaufschläuchen, die 15 Liter und mehr pro Minute durchlassen und sogar einen Wohnungsbrand löschen könnten. Was bedeutet: Im schlimmsten Fall versickern pro Duschgang 165 Liter im Abfluss. Das ist mehr, als üblicherweise für eine Standardwanne benötigt wird, die man ein- oder zweimal pro Woche füllt.

Ist die Dusche wenigstens beim Energiebedarf für das Erwärmen des Wassers klarer Sieger? Nicht grundsätzlich. Laut dem Bund der Energieverbraucher werden für elf Minuten Duschen mit herkömmlichem Brausekopf und 40-Grad-Temperatur gut sechs Kilowattstunden Energie benötigt. Ein 39-Grad-Vollbad in einer Durchschnittswanne kommt auf einen ähnlichen Wert. Das bedeutet auch hier: Nur wenn sich der Warmduscher bei Dauer und Wassermenge diszipliniert, reinigt er seinen Körper nachhaltiger.

Es gibt nur einen Weg, um Schuldgefühle abperlen zu lassen: Man muss grüne Energie einsetzen. Leider verbrennen noch etwa drei Viertel der deutschen Haushalte Gas und Heizöl, also fossile Stoffe mit hohem CO2-Ausstoss, um Warmwasser zu produzieren. 4,8 Prozent nutzen Strom – wobei inzwischen etwa die Hälfte davon Ökostrom ist. Der Anteil muss sich erhöhen, sonst kann die Energiewende nicht gelingen – da sind sich die Öko-Weisen und die Regierung mal ziemlich einig. Auch Berlin drängt, mehr Photovoltaik, Solarthermie, grüne Fernwärme, Pellet-Heizungen oder mit Ökostrom betriebene Wärmepumpen einzusetzen, um die Klimaziele zu schaffen.

Wassermangel gibt es hierzulande – trotz zunehmender Trockenheit – dagegen noch nicht. Die Deutschen sind mit rund 125 Litern pro Kopf und Tag recht genügsam (EU-Durchschnitt: 144 Liter). Manche Kommunen müssen schon Tausende Liter Frischwasser zusätzlich ins Abwassernetz kippen, um Keime zu verhindern.

Wir haben übrigens abgerüstet: In unserem Haus gibt es nur noch zwei Duschen und eine Wanne, die – völlig ideologiefrei – so gut wie nie genutzt wird.

2  Laubbläser oder Rechen?

Sie sind wieder da. Ich kann sie hinter den Hecken hören. Einer nach dem anderen heult in den Nachbargärten auf: Laubbläser und -sauger. In diesem Moment ist klar: Die Kaffeetafel auf der Terrasse in der Oktobersonne ist beendet. Ich denke an meine Kindheit, als bei den Herbstmanövern Starfighter aus dem Nichts über unseren Garten donnerten. Ihr Lärm jagte uns eine Höllenangst ein.

Der Vergleich ist gar nicht so weit hergeholt. Laut Umweltbundesamt (UBA) können Laubbläser bis zu 120 Dezibel erzeugen – wie ein Presslufthammer. Selbst die leisen Modelle tosen wie starker Verkehr. 60 Prozent der Deutschen fühlen sich laut einer UBA-Umfrage durch lärmende Nachbarn gestört. Warum tun Menschen das nur? Ein Freund sagte neulich, als er einen Mann mit Laubsauger in Hüfthöhe wüten sah: »Schwanzverlängerung. Es saugt und bläst der Heinzelmann …«

Laubsauger oder Rechen? Die Frage stellte sich früher nicht. Seit Menschengedenken haben die Leute die bunte Biomasse mit Muskelkraft zusammengeharkt. Freunde von uns mit einem Garten wie ein Fußballfeld veranstalten noch heute jedes Jahr eine Laubrechen-Party. Aber nun locken die Baumärkte wieder mit den Höllengeräten. Rund 400 000 Stück werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Der Obi präsentiert Laubsauger direkt am Eingang, während die Rechen hinten in der Gartenabteilung versteckt werden. Einmal hochheben zeigt: Schon beim Materialverbrauch punktet der Rechen in der Ökobilanz. Der Akkubläser BGA 57 von Stihl (ca. 240 Euro mit Akku) wiegt 3,5 Kilogramm, der Laubbesen von Fiskars (ca. 25 Euro) 910 Gramm.

Auch beim Produktionsprozess sind die Maschinen, na klar, chancenlos gegen Harken: Motoren und Akkus, aber auch die Kunststoffteile werden mit hohem Energieaufwand hergestellt. Stihl fertigt sie unter anderem in Brasilien, China und den USA. Harken dagegen gibt es made in Germany aus heimischem Holz und Stahl. Beim Energievergleich siegt ebenfalls der Rechen: Ein Erwachsener verbraucht beim Harken knapp 300 Kilokalorien pro Stunde. Das hat er mit einem Käsebrot wieder drin. Ein Akku-Bläser leistet bis zu 3000 Watt – was rund 1000 LED-Birnen leuchten ließe. Ein Gerät mit Verbrennungsmotor frisst Schmierstoff und Sprit – allein Herstellung und Transport eines Liters Benzin verschlingt so viel Energie wie ein Singlehaushalt an einem Tag.

Gesünder ist das Harken allemal. 30 Minuten Gartenarbeit, zeigen Studien, wirken wie ein Kurzurlaub. Cholesterin- und der Stresspegel sinken, der Bewegungsapparat wird mobilisiert, das Atemvolumen nimmt zu, die Konzentrationsfähigkeit steigt. Wirft man den Laubsauger an, wendet sich das Blatt. Blutdruck und Stresshormone schießen hoch. Schon 80 bis 85 Dezibel können das Gehör dauerhaft schädigen. Spätestens bei 120 Dezibel drohen Tinnitus und Hörsturz. Am besten hält man sich in der Nähe von Laubbläsern gleich alle Körperöffnungen zu. Denn die Apparate wirbeln Mikroben, Pilze, Unrat, Tierkot und Feinstaub etwa aus Reifenabrieb auf und verteilen sie fein in der Atemluft. Bah! Modelle mit Verbrennungsmotor emittieren zudem krebserregende Kohlenwasserstoffe und Feinstaub.

Bezieht man noch die Tierwelt in die Ökobilanz ein, sind die Nervensägen völlig diskreditiert. Wenn sich der Schatten des laubblasenden Homo sapiens über den Ziergarten legt, ist »Independence Day« bei Asseln, Springschwänzen, Spinnen, Käfern, Fröschen. Sie werden im Luftstrom des Bläsers – mehr als 400 Stundenkilometer schnell – durch die Luft gewirbelt und zerrissen. Oder im Häcksler des Laubsaugers geschreddert. Kein Will Smith rettet sie.

Das Umweltbundesamt kommt zu dem Schluss: Laubsauger und -bläser sind aus Kostengründen ineffizient, verbrauchen Energie und Ressourcen und bieten bei kleinen bis mittelgroßen Grundstücken keinerlei Vorteil: »Das Gewicht der Geräte erfordert unnötigen Kraftaufwand, und viel schneller ist man bei der Laubbeseitigung auch nicht.« Hallo, Nachbarn! Dem ist nichts hinzuzufügen.

3  Putzlappen oder Küchenrolle?

Die Deutschen hamsterten in der Corona-Zeit nicht nur Klopapier, sondern auch Küchenrollen. Anfang November 2020 hing im Aldi ein Warnschild am Regal: »Nur eine Packung pro Haushalt!« Offenbar grassierte die Überzeugung, dem Virus sei nur mit Desinfektionsspray und blütenweißem Küchenpapier beizukommen. Der Absatz boomte, die deutsche Tissue-Industrie jubelte. Sie witterte die Chance, Putzlappen und Baumwollhandtuch aus den Haushalten zu verdrängen. Nachhaltig.

Jeder Deutsche verbraucht etwa zehn Kilogramm Hygienepapier pro Jahr – ohne Toilettenpapier. Das entspricht rund 53 Haushaltsrollen (allerdings beinhaltet diese Statistik auch Kosmetik-, Taschen- und ähnliche Tücher). Ist das eine schlechte Nachricht für die Umwelt? Die Antwort scheint klar: Ja, totale Verschwendung! Denn Haushaltspapier wird aus Zellstoff gemacht und der wiederum aus Baumfasern. Das Holz dafür wird zu rund 80 Prozent importiert, viel aus Skandinavien, aber auch zunehmend aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Damit das Küchenpapier flauschig wird, müssen sehr kurze Fasern beigemischt werden. Gern von Eukalyptusbäumen, die auf brasilianischen Plantagen wachsen. Es müssen also nicht nur Bäume fallen, die Rohstoffe haben auch eine sehr lange Reise hinter sich.

Bei der Herstellung der Rollen werden die Fasern erhitzt und mit Wasser verdünnt – etwa 50 Liter für ein Kilo Papier. So entsteht ein hauchdünner Film, der zu einer Papierlage getrocknet wird. Dann werden die Rollen in Folie abgepackt. Beim Kunden landet das Produkt schnell im Müll – nach einmaliger Benutzung. Oder gar im Klo, was in der Pandemie zu oft passierte, wie die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft warnte: Die Abwasserleitungen drohten zu verstopfen.

Und Lappen? Auch hier scheint klar: Super! Weil man sie waschen und mehrfach nutzen kann. Eine Auftragsstudie des Deutschen Textilreinigungs-Verbands scheint das für Baumwollhandtücher zu bestätigen: Die Baumwolle erzeuge im Vergleich zu Frischfaserpapier 95 Prozent weniger Abfall, brauche 48 Prozent weniger Energie und trage 29 Prozent weniger zum Klimawandel bei. Gegenüber Recyclingpapier schneidet Baumwolle fast ähnlich gut ab.

Das Problem solcher Studien ist: Sie bilden nicht den gesamten Lebenszyklus des Produkts ab – also vom Rohstoff bis zur Vernichtung. Dadurch fallen manche ökologische Kollateralschäden aus der Bilanz. Auch Baumwolle hat in der Regel eine lange Reise hinter sich, und bezieht man den ungeheuren Wasserbedarf von Baumwollplantagen mit ein und die Pestizide, die dort zum Einsatz kommen, liegen Papierhandtücher deutlich vorn. Umweltschützer monieren auch: Oft sind Putzlappen, etwa Mikrofaser- oder Schwammtücher, aus Kunststoff hergestellt, deren Produktion Erdöl und Strom verschlingt. Im Alltag setzen sie in Spüle und Waschmaschine Mikroplastik frei. Man findet die Partikel inzwischen nicht nur in den Weltmeeren, sondern auch im Rhein oder im Chiemsee. Die Folgen für Mensch und Tier sind kaum absehbar.

Die Universität von Arizona fand auf einem Spülschwamm mehr als sieben Milliarden Erreger (in der Mundflora leben übrigens natürlicherweise kaum weniger Bakterien). Solche Nachrichten schrecken Verbraucher auf, die wiederverwendbare Lappen oft sehr heiß waschen oder minutenlang in ihrer Mikrowelle grillen. Wird die A-Waschmaschine auf 90 statt auf 30 Grad gedreht, schießt der Stromverbrauch auf das Fünffache.

Kurzum: Weder Lappen noch Haushaltsrolle kann man zum eindeutigen Sieger erklären. Aber man kann Folgeschäden minimieren. Lappen sollten frei sein von Mikroplastik. Es gibt inzwischen umweltschonende, aber auch teurere Produkte aus Bambus oder aus anderen kompostierbaren Zutaten. Für Küchenrollen gilt: auf den »Blauen Engel« achten. Echte Recycling-Küchenrollen sparen bis zu zwei Drittel Energie und Wasser ein.

4  Fichte oder Plastik?

Als unser Weihnachtsbaum vor 22 Jahren bei uns einzog, wurde er per Post in einem schmalen grünen Karton mit chinesischer Aufschrift geliefert. Ich hatte ihn im Internet bestellt, für zehn Euro. Damals war ich im achten Monat schwanger, wir wohnten zur Miete in Hamburg, ganz oben unterm Dach. In den Jahren zuvor waren wir über Weihnachten immer zu unseren Eltern gereist. Nun wollten wir zum ersten Mal zu Hause feiern. Da durfte ein Baum natürlich nicht fehlen. Ich war aber zu schwanger, um eine echte Tanne nach Hause zu schleppen, mein Mann musste arbeiten. Also bestellten wir einen Kunstbaum. »Im nächsten Jahr besorgen wir dann einen richtigen«, sagten wir.

So weit unser Plan. Womit wir nicht gerechnet hatten: Wir schlossen unser kleines Plastikbäumchen ins Herz. Es ist nur knapp einen Meter groß. Die Äste lassen sich in alle Richtungen biegen. Der Baum nadelt nicht. Noch nicht mal einen Ständer braucht er, der ist am Stamm eingebaut. Jedes Jahr am 24. Dezember wird er von unserem Sohn aus dem Keller geholt, wir schmücken ihn, und wir freuen uns, wie entspannt Weihnachten ist. Sind die Feiertage vorbei, klappen wir alles zusammen. Manchmal bleibt er auch einfach stehen und kommt erst Ende Januar in seine Kiste. Bis zum nächsten Weihnachten.

Knapp 30 Millionen Bäume werden in Deutschland pro Jahr für Weihnachten gefällt. Für hiesige Verhältnisse ist eine Plastiktanne die Ausnahme. In den USA ist bereits jeder dritte Christbaum aus Kunststoff. Als wir einige Jahre in New York lebten, zog unserer natürlich im Container mit. So haben wir bislang 22 Bäumen das Leben gerettet.

Und wir haben der Umwelt noch etwas Gutes getan. Laut einer Untersuchung des britischen Carbon Trust, der sich für die Reduzierung von Treibhausgasen einsetzt, schneidet ein Plastikbaum nach etwa zehn Jahren Nutzung in Sachen CO2-Ausstoß besser ab als ein natürlich gewachsener.

Aber nicht nur beim CO2 ist unser Bäumchen die bessere Lösung. Damit Tannen gerade wachsen, viele Äste haben, ihre Nadeln sattgrün sind, müssen sie stark gedüngt und mit Mitteln gegen Schädlinge behandelt werden. Das gilt auch für die in Deutschland beliebte Nordmanntanne. Sie wächst besonders gerade, hat weiche Nadeln, die selten abfallen, sondern an den Ästen vertrocknen. Nur noch wenige werden aus Skandinavien importiert, weil sie bei uns auf großen Flächen wachsen. Bei einer Stichprobe der Umweltorganisation BUND waren drei Viertel der Tannen mit Pestiziden belastet. Umweltschützer kritisieren außerdem, dass den Weihnachtsbaumplantagen die Vielfalt echter Wälder fehlt und sie oft viel Platz in Anspruch nehmen, den eigentlich die Landwirtschaft braucht. Bäume mit Ballen sind übrigens keine gute Alternative, sie vertragen den Wechsel von draußen nach drinnen und wieder zurück meist schlecht.

Am Ende macht es auch noch einen riesigen Unterschied, ob ein Baum auf einer Mülldeponie endet oder verbrannt wird. Verrottet er, setzt er Methan frei. Das Gas gilt als bis zu 25-mal umweltschädlicher als CO2. Ein Baum, der im Feuer endet, setzt dagegen nur so viel Kohlendioxid frei, wie er beim Wachsen gebunden hat. Laut der Berechnung des Carbon Trust entsteht durch einen etwa zwei Meter großen Nadelbaum, der auf einer Deponie entsorgt wird, rund 16 Kilogramm CO2. Wird er verbrannt, reduziert sich das auf etwa 3,5 Kilogramm. Vier von fünf Plastikbäumen kommen derzeit aus China. Vor allem wegen der Plastikherstellung und Verarbeitung werden für sie etwa 40 Kilogramm des schädlichen Stoffes freigesetzt. Nicht berücksichtigt wurde bei der Berechnung die Entsorgung des Plastikbaumes.

Aber über den Abschied von unserem Christbäumchen wollen wir gar nicht nachdenken. Man sieht ihm sein Alter nicht an, er ist noch frisch wie am ersten Tag und wird uns sicher noch viele Jahre begleiten. Gut möglich, dass ihn unser Sohn eines Tages erben wird.

5  Hund oder Katze?

Wir haben einen Hofkater. Er heißt Momo und gehört einer Nachbarin. Im Grunde ist er Selbstversorger. Die Beete dienen ihm als Katzenklo, und zwischen Petunien und Efeu jagt er Mäuse. Manchmal erwischt er leider auch eine Meise. Außerdem war er kürzlich für eine Woche verschwunden. Vermutlich bedient er sich auch ein paar Gärten weiter. Auf jeden Fall tauchte er satt wieder auf – das Futter, das ihm seine besorgte Besitzerin hinstellte, ignorierte er.

Momos Streifzüge sind gut für seinen persönlichen CO2-Tatzenabdruck. Denn Katzen sind nicht nur süß und kuschelig, ihre Haltung verursacht im Durchschnitt pro Jahr und Tier 390 Kilo des schädlichen Treibhausgases. So rechnete es das Schweizer Consulting-Unternehmen ESU aus. Das entspricht etwa der Menge, die ein Verbrennerauto auf einer Strecke von 1400 Kilometern in die Luft bläst. Einbezogen in die Rechnung wurden Faktoren wie Futter, Behausung, Fäkalien und Tierarztbesuche. Ganze 51 Prozent des CO2 entstehen durch die Nahrung. Weil Katzen frisches Fleisch und Innereien lieben – und Viehzucht ein großer Verursacher von Kohlendioxid ist.

Allein 13 Prozent des CO2 entstehen durch undichte Katzenklappen. Über die Ritzen kühlt die Wohnung aus, es muss mehr geheizt werden. Mit einer besseren Isolierung, so die Experten, ließen sich pro Tier und Jahr 50 Kilo CO2 verhindern.

Durch unseren Hof läuft auch manchmal Fritzi, ein kleiner Pudelmischling. Momo faucht ihn immer an. Verdient hat er es allemal, denn er ist im Vergleich zur Katze ein echter Umweltsünder. 950 Kilogramm CO2 verursacht ein Hund pro Jahr. Das entspricht etwa 3700 Kilometern mit dem Auto. So viel würde bei Hin- und Rückfahrt mit dem Auto von Berlin nach Moskau entstehen.

Generell steigt die Umweltbelastung mit der Größe des Haustieres. Ein großer Hund frisst und trinkt natürlich mehr als eine kleine Katze. Dazu kommt, dass in billigem Hundefutter oft Soja verarbeitet wird, das ohne Umweltauflagen im Ausland produziert wird. Auch Fleisch für die Hunde kommt nur in den allerwenigsten Fällen aus der Biolandwirtschaft, sondern aus der Massentierhaltung.

Aber es ist nicht nur CO2, auf das man schauen sollte. Denn was oben reinkommt, geht natürlich hinten wieder raus. Über seine etwa 13 Lebensjahre scheidet ein Durchschnittshund rund eine Tonne Kot und knapp 2000 Liter Urin aus. In Deutschland leben etwa zehn Millionen Hunde. Mit dem Nebeneffekt, dass pro Jahr Millionen kleine, schwarze Kottüten anfallen. Die müssen von der Stadtreinigung entsorgt werden. Viele enden aber auch einfach im Gebüsch – und belasten so die Natur zusätzlich. Durch den Urin gelangen große Mengen Stickstoff, Phosphor und oft sogar Schwermetalle in den Boden, die mit dem Regen in Gewässer gespült werden.

Aber nicht alles CO2 wird vom Tier allein verursacht. Frauchen und Herrchen haben mit ihrem Verhalten einen gehörigen Anteil daran. Denn Tierfreunde sind nicht zwingend Umweltschützer. Allzu oft chauffieren sie ihre Vierbeiner zum Gassigehen mit dem Auto in den Park oder Wald, haben die Schweizer Forscher nachgewiesen. Allein durch diesen Fahrdienst entstehen pro Jahr und Tier etwa 160 Kilo CO2.

Wenn es also unbedingt ein Haustier sein muss, dann sind Fische die beste Wahl. Laut Berechnung sind sie die naturfreundlichsten. Hält man zum Beispiel 50 Goldfische in einem Aquarium, entstehen dadurch lediglich 90 Kilo CO2 pro Jahr. Wer darauf achtet, dass der Sand im Aquarium aus heimischen Regionen kommt, kann den CO2-Ausstoß sogar auf 78 Kilo reduzieren. Oder Sie machen es wie wir mit unserer Hofkatze Momo: Die streunt umher und legt sich, sobald sie jemanden erblickt, demonstrativ vor die Füße. »Kraul mich«, soll das heißen. Manchmal schleppt sie auch eine tote Maus an. So fühlen sich 30 Bewohnerinnen und Bewohner als Katzenbesitzer. Pro Person fallen dann nur noch 13 Kilo CO2 an. Cat-Sharing, der Umwelt zuliebe.

6  Feuer- oder Erdbestattung?

Sarg oder Urne? Darf man diesen Vergleich überhaupt ziehen? Verlangt es nicht die Pietät, wenigstens hier den grünen Zeigefinger einmal unten zu lassen? Ehrfurcht vor den Toten ist ein hohes Gut. Niemand sollte am Grab die Ökobilanz aufmachen. Aber es gibt trotzdem gute Gründe, die Zusammenhänge zu kennen. Um die Bibel zu bemühen: Der Mensch mag zwar aus Staub gemacht sein. Aber er kehrt nach dem Tod nicht mehr nur zu Staub zurück wie zu Moses Zeiten. Vielmehr trägt er manch ernste Gefahr für die Umwelt in sich.

Ich bleibe in dieser Kolumne sachlich, auch wenn es sich arg taktlos anfühlt. In Deutschland starben im Jahr 2023 1,02 Million Menschen. Ihr Durchschnittsgewicht lag laut Statistischem Bundesamt bei 77 Kilogramm. Gevatter Tod hat also 78 540 Tonnen Biomasse hinterlassen. Die besteht von Natur aus vor allem aus Kohlenstoff und Wasser, aber auch aus Phosphor, Magnesium, Kalium, Eisen und diversen Spurenelementen.

Im Leichnam der Moderne steckt aber leider noch viel mehr: Zahnfüllungen aus Amalgam (viel Quecksilber). Implantate aus Metall und Kunststoff. Herzschrittmacher. Antibiotika und weitere Medikamente, angereichert in den Organen. Radioaktivität durch therapeutische Bestrahlungen. Hinzu kommen Chemikalien aus der Einbalsamierung, der Totenkleidung, dem Sargschmuck und -lack. All die Stoffe können bei Erdbestattungen in die Atmosphäre, ins Grundwasser oder in die Böden gelangen – und dort lange verbleiben. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Pflanzen auf 1500 Jahre alten Begräbnisstätten noch immer besser wachsen – weil der Phosphor der längst vergessenen Leichen sie düngt.

In Krematorien werden Verstorbene nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz behandelt – wie Sondermüll. Filteranlagen geben ihr Bestes, damit nur Wasserdampf aus den Schornsteinen tritt. Sie filtern das Quecksilber heraus und andere Giftstoffe, etwa weil die Spanplatten des Sargs mit Formaldehydharz verbunden waren. Am Ende ist das gesamte Verfahren eine saubere Sache. Der erste grüne Punkt für die geringste Menge unkontrollierter Umweltgifte geht an die Kremation.