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Ainsley akzeptiert jeden Job, um die Kosten für den Klinikaufenthalt ihres Bruders zu tragen. Er ist alles, was sie hat. Dafür nimmt sie in Kauf, dass ihr Leben auf der Strecke bleibt. Bis ihr Chef übergriffig wird und Beast sie rettet. Der erste Mann, der sie an sich selbst denken lässt. Beast lehrt die Frauen in seinem Sportstudio hart und unnachgiebig, sich gegen Männer zu verteidigen. Sein eigenes Verlangen nach Kontrolle kann er nur mit Ainsley ausleben. Dank ihr könnte er lernen, sich zu verzeihen – bis er ausgerechnet sie in Gefahr bringt. Zwei Menschen, die sich nicht selbst vergeben können, finden Erlösung in leidenschaftlicher Liebe. One Feeling Only: Guilt – eine spicy Romance um Rache und Schuld
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Veröffentlichungsjahr: 2025
One Feeling Only - Guilt
Margaux Navara
Impressum:
Margaux Navara
c/o K.Mothes, Impressumservice
Geschwister-Scholl-Str. 31
06869 Coswig (Anhalt)
©2024Margaux Navara
Alle Rechte vorbehalten.
Kontakt: [email protected]
Webseite: MargauxNavara.de
Korrektorat: J. Buhl
Manuskriptgutachten: Franziska Schenker
Coverdesign: M. Navara unter Verwendung eines Fotos von © naveki_maria – Depositphotos.com, Standardlizenz
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Piper
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Piper
Ainsley
Beast
Ainsley
Beast
Ainsley
Ainsley
Beast
Ainsley
Piper
Beast
Beast
Ainsley
Epilog
Danke und bitte
Darnell schließt die Vordertür ab. Gott sei Dank! Die letzten fünf Tage waren anstrengend, aber das ist es nicht, was mich an der Arbeit in dieser Bar stört. Auch nicht die Lautstärke, wenn die Spiele der NFL im Fernsehen übertragen werden oder das Bier, das die Männer in ihre vom Diskutieren trockenen Kehlen schütten.
Ich greife ungeduldig nach meiner Handtasche, weil ich weiß, dass ich bestimmt schon mehrere Anrufe von Aaron verpasst habe.
„Ainsley, du musst mir noch was helfen.“
„Was denn, Chef?“
„Das Eis muss noch umgefüllt werden. Sonst läuft die Eismaschine über Nacht über.“
Mist! In meinem Bauch bildet sich ein Knoten.
Ich deponiere meine Handtasche schon mal am Hinterausgang. Dann mache ich mich daran, das Eis mit der großen Metallschaufel in einen Eimer zu füllen. Hinter mir höre ich Schritte. Meine Schultern spannen sich an, meine Hand krampft sich um den Griff.
Darnell ist ... nun ja.
Er kam mir schon mehrmals nahe. Zu nahe. Und jetzt sind wir alleine in den Räumen. Die Bar ist umgeben von Geschäften, die schon längst geschlossen sind, der Parkplatz vor dem Laden ist leer.
Zu einsam, zu abgeschieden für meinen Geschmack.
Was soll ich tun, wenn er übergriffig wird?
Nein sagen. Was sonst?
Er ist absolut nicht mein Typ, um die fünfzig und mit schütteren Haaren, braun gebrannt. Er wirkt ein bisschen, als wäre er in den Achtzigern hängen geblieben. Am Hemd immer vier Knöpfe offen, sodass man seine Brusthaare sieht, ein paar Goldketten darauf. Sogar einen Goldzahn lässt er aufblitzen. Abgesehen vom Alter also das genaue Gegenteil zu mir.
Aber gerade sein Alter gibt mir Hoffnung. Er muss ja wissen, dass ich ihn anzeigen werde, wenn er was versucht. Die Bar gibt es schon lange, da wird er schon seine Erfahrungen mit Angestellten gemacht haben.
Als sich an der Eismaschine ein harter Körper an meinen drückt, sich zusätzlich ein harter, langer Gegenstand in meine Poritze legt und sich auf und ab bewegt, weiß ich, dass ich mich bei diesem Chef verschätzt habe.
Ganz massiv sogar.
Ich lasse die Schaufel fallen. „Bitte lassen Sie mich los.“ Für eine Millisekunde bin ich stolz darauf, dass ich das so ruhig gesagt habe und nicht schreie und um mich schlage. Muss der Schock sein.
Als ich sein gemeines Lachen höre und ich begreife, dass ich gerade meine einzige Waffe losgelassen habe, ist es schon zu spät. Er hat meine Handgelenke gepackt, zieht mir die Arme nach hinten und biegt sie so, dass sie übereinander liegen und er sie mit einer Hand halten kann.
Seine andere Hand umfasst mich, greift zielgerichtet nach einer Brust, knetet sie. Viel zu fest.
Mein Bauch ist nur noch ein harter Knoten, dafür schlägt mein Herz rasend schnell.
Ich will weg, will mich aus dem Griff drehen, doch ich komme nicht weit. Er pumpt jetzt mit seinem Becken, hält mich damit effektiv an die Maschine gedrückt, sein Arm presst mich fest an seinen Körper, sodass ich meine Arme nicht befreien kann. Mein Schambein wird an der Kante gequetscht.
Der Schmerz löst endlich meine Blockade. „Hör auf! Ich will das nicht. Lass mich los!“ Mit jedem Wort werde ich lauter.
Doch das interessiert ihn kein bisschen, was mir einen Schauer über den Rücken jagt.
Jetzt fasst er mir an den Hintern. Immerhin dreht er sich dafür seitlich weg, der Druck auf meinen Venushügel lässt nach. „Du bist genau die richtige Handvoll für mich.“
Das Kneten genügt wohl nicht, denn er dreht mich mit Schwung um, dabei hebt er mich an. Ich lande auf der Kante des Vorratsbehälters, den Arsch halb in der großen Öffnung. „Au!“ Die Kante ist echt scharf, meine jetzt freien Hände fliegen nach außen, umklammern die Ecken der Maschine.
Paff! Habe ich seine Hand im Gesicht.
Ich starre ihn völlig fassungslos an. Er hat mir eine Ohrfeige verpasst!
Paff!
Ich fange noch eine ein.
Vor dem dritten Mal kann ich einen Arm hochreißen, doch er packt ihn, zerrt ihn nach unten, weg von mir, schmeißt sich volle Kanne an mich, landet irgendwie zwischen meinen Beinen. Ich muss mich erneut festhalten, um nicht in die Öffnung zu stürzen, was er sofort ausnutzt. Er macht seine Hose auf, holt seinen Schwanz raus.
Ich starre erst das Teil an, dann ihn. Kann es nicht fassen.
Er wird mich vergewaltigen, wenn ich mich nicht wehre.
Jetzt ist mir alles egal.
Ich fahre ihm mit der Hand ins Gesicht, will ihm die Augen auskratzen. Paff, kassiere ich eine neue Ohrfeige. Spüre durch den Schmerz und das Klingeln in meinen Ohren, wie sein Schwanz zuckt. Ich habe mir automatisch die Wange gehalten, doch jetzt reicht es mir endgültig. Ich schlage zu, will ihn boxen.
Er weicht aus. Viel zu leicht. Packt meinen Hals, würgt mich.
Ich bin zu schwach. Himmel, ich bin zu schwach, gegen ihn anzukommen. Wie sollte ich auch? Er wiegt wahrscheinlich das Doppelte, außerdem ist er entschlossener.
Das bringt mich irgendwie zur Vernunft. Du darfst nicht aufgeben. Du musst genauso entschlossen sein!
Mir fällt ein Trick ein, den ich mal aufgeschnappt habe. Ich lasse mich weich werden und nach vorn fallen, ihm entgegen, kann endlich von der Maschine rutschen.
Sein Griff um meine Kehle lockert sich.
Ich huste ihm ins Gesicht, was nur halb gespielt ist, woraufhin er ausweicht. Das genügt mir, ich lasse mich weiter nach unten gleiten.
Vielleicht glaubt er, er hätte mich weichgeklopft und ich würde ihm jetzt freiwillig den Schwanz lutschen, jedenfalls lässt er mich los. Kaum bin ich frei, werfe ich mich zur Seite, rolle über meine Schulter – au, das tut verflucht weh – greife mir meine Tasche und stürze durch die Tür nach draußen.
Ich renne vorbei an Mülltonnen, leeren Getränkekisten, leeren Fässern zum Tor im Zaun, das von der automatischen Beleuchtung angestrahlt wird. Maschendrahtzaun, runde Metallstangen. Der Griff.
Abgeschlossen.
Fuck!
Ich rüttle am Griff, stemme die Hacken in den Boden, zerre daran.
Ein hämisches Lachen lässt mich erstarren. Als es näherkommt, drehe ich mich um. Muss sehen, was er tut.
Mit übertrieben lässigen Schritten, breitbeinig wie ein Cowboy, kommt er auf mich zu. Dabei wichst er seinen Schwanz, der obszön aus seinem Hosenschlitz herausschaut.
„Tun Sie das nicht. Ich werde Sie anzeigen!“ Meine Stimme hört sich kehlig an, leider nicht so bestimmt, wie ich es sagen wollte.
„Das wirst du garantiert nicht tun.“
Noch einmal drehe ich mich zu dem Tor. Ist da draußen jemand? Kann mir jemand helfen? Aber es ist still hier. Dunkel und einsam. Trotzdem ist in dem Schatten eine Bewegung.
„Hilfe! Bitte helfen Sie mir!“ Ich schreie, so laut ich kann.
Darnell lacht hinter mir, viel zu nah. Ich kann mich gerade noch umdrehen, schon ist er bei mir. „Du kannst schreien, so viel du willst. Hier hört dich niemand. Übrigens mag ich es, wenn du schreist. Sehr sogar.“
Das Rütteln von Metall auf Metall verrät mir, dass er gleich kommen wird. Doch es hört nicht auf, ist viel zu laut, zu lange.
Durch die Maske sehe ich eine Figur durch den Maschendrahtzaun, die am Tor rüttelt, eine zweite dahinter. Sofort bin ich im Kampfmodus. Mein Herzschlag verlangsamt sich, alle Muskeln sind auf niedrigem Spannungslevel, bereit für Action.
Die hintere Figur ist ein Mann.
Doch die am Tor ist eine Frau. Eine weibliche Stimme, aus der Angst klingt.
Dann ein Schrei nach Hilfe.
Eine Männerstimme, überheblich, siegessicher.
Ich renne los. Verfluche jeden Meter Abstand, den ich vorhin noch für genau richtig hielt.
Der Mann wirft sich an die Frau heran, betatscht ihre Brüste, fasst einen Arm und hebt ihn an. Es klickt metallisch.
Noch etwa fünf Schritte bis zum Zaun. Dort ist es vorbei mit der Tarnung, mit meinen lautlosen Schritten.
Dann trennt uns nur noch ein vier Meter hoher Zaun.
Schläge, eindeutig Haut auf Haut. Ihr Kopf bewegt sich.
Meine Kälte schlägt um in Wut.
Rasende Wut. Blind machende Wut.
Mein erster Griff geht daneben, ich rutsche ab.
Verflucht!
Ruhig jetzt, Halt suchen. Tritt suchen. Nächster Schritt. Das Licht ist täuschend, die Maske stört. Mehrfach greife ich nicht richtig zu, rutsche ab. Endlich bin ich oben. Zu tief zum Springen, also Beine rüber und wieder Halt suchen. Für einen winzigen Moment hänge ich an einer Hand, bis die Zehen sich einhaken.
Mein Atem ist leise, das Klatschen hört nicht auf. Nicht einmal das Rütteln am Zaun stört diesen Hundesohn.
Ich lasse mich fallen, lande, springe mit der gleichen Bewegung den Kerl von hinten an und boxe sofort in seine Niere. Er schafft es, sich umzudrehen, doch ich fixiere ihn mit schnellen Schlägen am Zaun. Direkt neben seinem Opfer.
Er hebt die Arme, versucht, mich abzuwehren, kann nur mit Not sein Gesicht schützen. Also packe ich ihn, drehe ihn wieder um, werfe mich mit vollem Gewicht an ihn. Packe beide Hände und presse sie an den Zaun, meine Finger durch den Draht gehakt.
„Welche? Ist er Rechtshänder?“
Die Frau starrt mich mit großen Augen an, nickt zittrig.
Ich greife mir seine Rechte und knalle sie fest an den Zaun. Nicht an den Draht, sondern an eine der Querstangen. Es knirscht in seiner Hand.
Darnell schreit, ein hohes, schrilles Quietschen.
Gut, aber noch nicht gut genug.
Ich reiße ihn zurück, er stolpert, fällt. Ich bin auf ihm, über ihm, schlage zu. Ins Gesicht, auf seinen Oberkörper und ja, verdammt, auch zwischen seine Beine, wo sein Schwanz schlaff aus dem Schlitz hängt. Was mich noch wütender macht. Mehr Schläge, jeder Treffer ein Genuss, eine Art von Befriedigung. Er soll so schnell nicht aufstehen können. Ein Schlag auf die Milz, hoffentlich schmerzhaft. Noch einmal auf den Kiefer, mindestens ein Zahn lockert sich.
Als ich zu der Frau schaue, sehe ich das Entsetzen in ihrem Blick. Sie macht einen Schritt, will weglaufen, wird zurückgeschleudert. Shit! Das Arschloch hat sie mit einer Handschelle an den Zaun gefesselt. Nur mit Mühe kann ich sie festhalten, ehe sie mit vollem Gewicht an der Fessel hängt. Ich richte sie auf.
Sie ist ganz bleich und mit den offenen Augen und dem schlaffen Mund wirkt sie panisch.
„Ruhig! Bleib stehen!“
Sie schlägt nach mir, viel zu soft, als dass es wehtun würde. Aber ich verstehe. Jetzt bin ich ihr Feind, jetzt hat sie Angst vor mir. Vor dem, was ich ihr antun könnte.
„Es ist vorbei. Aber wir müssen weg. Bleib stehen, ich suche den Schlüssel.“
Keine Ahnung, ob sie wirklich verstanden hat, was ich sage, aber sie verlagert ihr Gewicht auf ihre Beine, lehnt sich an den Zaun. Ich kann sie loslassen.
Der Schlüssel ist in der linken Hosentasche. Dafür erntet der Kerl noch einen Tritt, unter dem er sich zusammenkrümmt.
Endlich kann ich sie befreien.
Für mich steht eines fest: Ich muss sie mitnehmen. Ich kann sie unmöglich hierlassen. Sie braucht Hilfe. Aber laufen ist für sie keine Option, über den Zaun kommt sie nie.
Noch einmal muss ich zurück zu dem Arschloch, noch ein Schlüsselbund, den ich aus seiner hinteren Tasche ziehe. Er liegt inzwischen zusammengekrümmt und mit über den Kopf geschlagenen Armen da. Ein Würmchen, nicht mehr das toughe Arschloch, das sich an den Schmerzen einer Frau aufgeilt.
Der zweite Schlüssel passt in das Schloss, die Tür geht auf.
Der Frau hängt die Hose um die Knöchel. Die zerre ich nach oben, dann packe ich sie unter Knien und Schultern und laufe mit ihr zu meinem Bike. Sie ist nicht leicht, aber mit so viel Adrenalin schaffe ich das locker.
Zuerst muss ich die Fußstützen für den Sozius ausklappen, dann ihre Füße dort absetzen. Sie keucht, als ich dafür ihre Knöchel berühre. Kein Wunder. Was sie mitmachen musste! Ich will sie nur noch in Sicherheit bringen. Beschützen. Alles gut machen.
Endlich kann ich mich vor sie setzen, ziehe ihre Arme um meinen Oberkörper, dann starte ich. Die Reifen drehen durch. Stopp! Wo ist meine Ruhe, wo ist die Kälte, die ich sonst in dieser Situation spüre?
Noch einmal gebe ich Gas, aber sanfter, mir mehr der Frau hinter mir bewusst, fahre ich los.
Zu mir.
Ist es Instinkt, weil ich danach immer nach Hause fahre? Aber sonst bin ich alleine. Ohne eiskalte Hände auf meiner Brust. Ohne dieses Herzklopfen, ohne dieses überwältigende Verlangen, sie zu beschützen.
Du bist verrückt, Beast! Warum nimmst du sie mit?
Weil gerade mein Beschützerinstinkt auf Hochtouren läuft. Ich muss sie mitnehmen. Es gibt keine andere Lösung.
Ich beschleunige, das Vibrieren des Motors unter mir und die vorbeifliegenden Häuser bringen ein weiteres High. Die Wut oder das Adrenalin putschen mich auf, sorgen dafür, dass mein Blick verschwimmt.
Oh shit! Meine Wut ist nicht der einzige Grund, warum ich so schlecht sehe.
Ich gehe etwas vom Gas, dann kann ich mit einer Hand den Reißverschluss am Hinterkopf öffnen und mir endlich das Kopfteil nach vorne runterziehen. Ich klemme es unter den Bund am Hals, mehr geht gerade nicht.
Doch die Wut lässt nicht nach. Ich kann die Frau hinter mir spüren, ihr Zittern, die Art, wie sie sich an mir festklammert. Sie ist kleiner als ich, ihre Rundungen schmiegen sich an meinen harten Rücken. Ich habe sie nicht klar gesehen, aber sie war jung, jünger als ich.
Der Drang, umzukehren, und dem Kerl noch mehr Schmerzen zuzufügen, verblasst etwas. Die Frau hinter mir braucht Sicherheit und Schutz, nicht weitere Gefahr, schon gar nicht die, verhaftet zu werden. Es gibt keine Garantie, dass man den Fucker nicht schon gefunden hat.
Ich atme tief ein und aus. Ihre Hände bewegen sich dabei auf mir mit. Jetzt sind sie warm, zumindest dort, wo sie mich berühren.
Noch ein Grund, sie mitzunehmen. Ich will sie wärmen, will sie halten, will dafür sorgen, dass das Zittern nachlässt.
Ganz kurz lege ich eine Hand auf ihre, drücke sie an mich. Und etwas flammt in mir auf, das ganz unverhofft kommt.
Meine Beute.
Ich muss sie einfach mitnehmen. Weil sie mir gehört. Wie ein Drachenkämpfer, der die Jungfrau aus den Fängen des Ungeheuers befreit hat und sie prompt in seine Höhle schleppt.
Ich schnaube. So steinzeitlich, dieser Gedanke. Aber genau richtig.
Ich hasse diese Ungeheuer von ganzem Herzen. Männer, die Frauen schlagen, sie vergewaltigen, sie wie Dreck behandeln.
Wie kann ein Mann so etwas tun?
Er kann es auf andere Weise tun. Wenn sie es will.
Der Gedanke lässt Bilder entstehen, die mir erneut den Blutdruck in die Höhe treiben. Bilder von einer Frau unter mir, von einem weichen, weiblichen Körper, in den ich mich treibe, während sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und Lust stöhnt.
Fuck! Wie kann ich so denken, wenn ich diese Frau gerade vor einem Arsch von Mann gerettet habe, der sie sich mit roher Gewalt gefügig machen wollte? Ich bin so krank!
Wenn ich diese Gelüste nur loswerden könnte! Aber sie verschwinden nicht, sind nur manchmal schwächer. Und jetzt gerade so stark wie nie. Am liebsten würde ich anhalten, in eines der Waldstücke neben der Straße abtauchen, möchte sie vom Bike zerren, auf den Boden werfen. Es muss an dem Gefühl ihrer Rundungen liegen, das sich in meine Handflächen eingebrannt hat, an der Erinnerung an das, was ich sah, als ihr die Hose um die Knöchel hing.
Oder daran, dass ich nach einem Kampf immer geil bin und ich mich abreagieren muss.
Mit meiner Faust, zum Teufel.
Genau so wie ich es heute auch wieder tun werde.
Mag sein, dass sie mich Beast nennen, aber deshalb muss ich mich nicht so verhalten. Ich habe mich im Griff, auf keinen Fall werde ich irgendwelchen Trieben nachgeben, die ich über Jahre unterdrückt habe.
Was tue ich hier?
Ich habe noch nie auf einem Motorrad gesessen.
Hinter einem Fremden, der meinen Chef verprügelt hat?
Verrückt. Mein Hirn schafft es nicht mehr, das alles zu verarbeiten.
In dieser Welt, in der alles an mir vorbeirast, taste ich automatisch nach Halt, mit mehr als meinem Arm. Schmiege mich von hinten an seinen Rücken, lege eine Hand auf seinen Bauch, die andere auf seine harte Brust.
Hier ist Licht, wir sind auf einer Straße mit Straßenlaternen und anderen Fahrzeugen.
Hilfe, ist das schnell. Ich kann nicht hinschauen, sonst wird mir schlecht.
Also schließe ich die Augen, halte mich einfach nur fest.
Mit geschlossenen Augen ertaste ich den dünnen Stoff unter meinen Fingern, es fühlt sich sehr nach Plastik an, billig. Darunter könnte noch mehr Stoff sein, aber vor allem sind da Muskeln. Hart, angespannt.
Langsam, ganz langsam, entspanne ich mich. Zumindest krampfen meine Muskeln nicht mehr so. Ich lasse eine Hand nach unten rutschen, streife seinen Schenkel. Einen harten, angespannten Schenkel. Einer mit Kraft. Das bedeutet Schutz.
Doch nach ein paar Minuten ändert sich meine Empfindung. Das Wohlbefinden wird abgelöst von einem anderen Gefühl. Gott, mir ist kalt. Wer hätte gedacht, dass es im August in Jax so kalt werden kann? Zugluft. Oder Schock? Ich weiß es nicht. Mir ist einfach nur scheißkalt.
Die Kälte macht mich wach, der Fahrtwind bläst die letzten Krümel Unwirklichkeit aus meinem Hirn.
Darnell wollte mich vergewaltigen. Er wollte mich nicht überreden oder mir nicht einfach drohen, bis ich nachgegeben hätte, sondern Gewalt anwenden. Darauf fährt er ab.
Ich will nicht weiter darüber nachdenken. Ich klammere mich noch fester an den Mann vor mir. Habe Angst, ihn loszulassen. Angst, vom Motorrad zu fallen.
Lasse mich einlullen von dem Brummen des Motorrads, von dem Vibrieren unter mir, von der Härte vor mir und der Wärme unter meinen Fingern. Genug Aufregung für heute. Ich kann nicht mehr. Will nicht mehr. Ich habe mein Schicksal nicht mehr in meiner Hand, das akzeptiere ich jetzt mal. Ist ja nicht so, als wäre es sonst besser.
Das scheiß Schicksal hatte mich schon immer in seiner scheiß Hand.
Immerhin fahre ich auf einem Motorrad mit. Also werden Träume doch wahr. Wenn auch auf sehr, sehr verquere, verkackte Weise.
Reifen knirschen auf Kies.
„Hey. Steig mal ab.“
Ich kann mich nicht rühren. Er löst zuerst meine Hände von seinem Körper, wo sie sich verdammt wohlgefühlt haben, zieht mich seitwärts, bis ein Bein auf dem Boden aufkommt. Endlich helfe ich mit, hebe das andere über den Bock. Er lässt nicht gleich los, wartet, bis ich sicher stehe.
Okay, jetzt geht es.
Vor der Maschine ist ein schwarzes Loch. Ah, eine geöffnete Garage. Dahinein lässt er jetzt das Motorrad rollen, bis es ganz darin verschwunden ist.
Ich stehe noch genauso da, wie er mich zurückgelassen hat, als er zu mir kommt und sich das Tor hinter ihm ganz langsam und automatisch schließt.
„Komm mit. Ich mache dir einen Kaffee.“
„Tee“, korrigiere ich automatisch. „Ich mag keinen Kaffee.“
Er geht vor mir her, öffnet eine Tür, eine weitere, schaltet Licht an, dimmt es, bis es weich wirkt und nicht so in den Augen schmerzt.
Dann dreht er sich nach links, geht in einen kleinen Raum. Eine Teeküche.
„Was für einen Tee? Ich habe Pfefferminz, Schwarzen oder Grünen Tee.“
Ich bleibe in der Tür stehen. „Pfefferminz bitte.“
Er füllt den Wasserkocher, schaltet ihn ein, holt eine Tasse aus dem Schrank. Betont langsam, ohne schnelle Bewegungen.
Ich betrachte ihn. Er trägt einen seltsamen schwarzen Anzug, der ihn bis zum Hals einhüllt. Vorhin hatte er noch eine Kapuze auf, die ist jetzt weg. Wann ist das passiert? Ich weiß es nicht.
Als er mir die Tasse mit dem heißen Tee hinhält, sackt sein Anblick so langsam in mich. Ein Mann, der sich verkleidet. Ein Motorradfahrer, der nicht mal einen Helm trägt, keine Lederjacke, nicht mal Schuhe. Einer, der einen anderen Mann einfach so niederschlagen kann. Der so stark ist, dass er mich tragen kann, ohne danach zu schnaufen wie eine Dampflok, der nicht mal außer Atem war nach dem Stunt. Mir fällt noch mehr ein. Er kam über den Zaun. Über einen irre hohen Zaun, der genau dafür gemacht ist, dass niemand ihn überwinden kann. Das hat Darnell mir selbst so erklärt am ersten Tag.
Darnell.
Ich trete automatisch mehrere Schritte zurück.
„Komm mit.“ Er trägt die Tasse nach nebenan, in einen großen Raum.
Nur zögernd folge ich ihm.
Ein Sportstudio, wie es aussieht. An einer Stelle liegt ein Sitzball, an einer anderen steht ein Turnbock.
„Setz dich dahin. Nein, stopp, nicht auf den Ball.“ Er weist auf den Bock.
Da meine Knie immer noch weich wie Gummi sind, setze ich mich, auch wenn ich nicht weiß, ob das eine gute Idee ist.
Er beugt sich vor und ich zucke zurück.
Mist. Er wollte mir nur die Tasse geben.
Ich nehme sie ihm ab.
„Sorry. Ich ziehe den Anzug aus. Keine Sorge, ich habe was drunter.“
Oh. Darüber habe ich mir gerade keine Gedanken gemacht. Mich beschäftigt viel mehr, ob ich jetzt vom Regen in die Traufe geraten bin. Wir sind alleine hier, zumindest ist niemand anders zu hören oder zu sehen. Und er ist ein Mann.
Er greift in seinen Rücken und ich höre ganz leise das Surren eines Reißverschlusses. „Kanntest du den Kerl?“
Er meint Darnell.
Ich ducke mich. Mein Magen krampft. Ich spüre ein Würgen im Hals und versuche krampfhaft, all das zurückzuhalten, was sich einen Weg nach oben bahnen will.
Sie zuckt zusammen. Beast, du Arsch! Das geht auch sanfter!
Um nicht bedrohlich zu erscheinen, bewege ich mich langsam beim Ausziehen. Öffne den Reißverschluss im Nacken, ziehe einen Arm nach dem anderen heraus. „Du musst nicht ...“, beginne ich, doch sie hat zeitgleich begonnen. Ich lasse ihr den Vortritt.
„Mein Chef. Der Besitzer dieser Bar. Eine Sportsbar.“
Sie spricht ganz leise und verzögert, als müsse sie erst die Worte in ihrem Kopf formen.
„Dein Chef. Okay.“
Ich habe den Anzug zur Hälfte aus, jetzt streife ich ihn über die Beine. Vielleicht gar nicht so schlecht, wenn ich sie nicht direkt anschaue. Sie wird langsam lockerer, ihr Rückgrat wirkt weniger steif, ihr Kiefer wird weicher. „Schon lange?“
„Seit fünf Tagen.“
„Was hast du davor getan?“ Vielleicht sollte ich sie ablenken?
Ein seltsames Geräusch lässt mich aufsehen. Kein Schluchzen, eher ein Heulen aus Wut und Verzweiflung. Bricht sie doch noch zusammen?
„Es war alles mein Fehler!“
Ich halte inne. „Was war dein Fehler?“
Die Tasse hängt bedenklich schräg und wird gleich den Boden des Studios fluten, weshalb ich sie ihr abnehme und auf den Boden stelle.
Jetzt beeile ich mich, ziehe den Rest des Anzugs von den Füßen und setze mich im Schneidersitz vor sie hin. Nah genug, dass ich sie anfassen kann, nicht zu nah, sodass ich sie nicht berühre.
„Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen. Er war mir unsympathisch. Ich wollte einfach nur gehen und möglichst nicht mit ihm alleine bleiben.“
„Hat er schon früher etwas versucht? Das war nicht das erste Mal?“ Meine Nackenmuskeln spannen sich an.
„Ich …“ Sie schaut auf ihre Hände, die sich ineinander verkrampft haben.
Ich kenne die Geste nur zu gut. Sie hält sich an sich selbst fest, weil sonst die ganze Welt auseinanderfällt. Sie antwortet nicht wirklich, sie ist anscheinend noch zu sehr mit dem beschäftigt, was eben geschehen ist.
„Er … er war hart. Aber er wurde erst richtig hart, als er mich geschlagen hat.“
Ich springe auf. Scheiße! Nur durch festes Zusammenbeißen meiner Zähne kann ich mich davon abhalten, das laut herauszuschreien. Ich brauche eine Weile, bis ich den Kiefer genug gelockert habe. „Er hat dich geschlagen.“ Keine Frage, ich habe es selbst gehört.
„Ohrfeigen. Er hat mich geohrfeigt.“
Ganz vorsichtig berühre ich sie, hebe mit einem Finger ihr Kinn an. Ihre linke Wange ist geschwollen und rot, außerdem hat sie verkrustetes Blut um die Nase. „Darf ich dir das abwaschen?“
Sie nickt, rührt sich ansonsten nicht.
Ich hole ein Tuch aus der Küche, das ich mit dem restlichen warmen Wasser befeuchte, wische ihr das Blut weg, was sie geschehen lässt. Dafür legt sie den Kopf in den Nacken.
Ich nehme mir die Zeit, sie richtig anzuschauen. Ein rundliches Gesicht, passend zu ihren restlichen Formen. Volle Wangen, von denen eine dicker ist als die andere. Eine kleine, hübsche Nase, pralle, sinnliche Lippen. Die Augen hält sie geschlossen, ich sehe nur die langen Wimpern und den perfekten Bogen ihrer Brauen. Hübsch. Keine Schönheit mit hervortretenden Wangenknochen, eher weich und anschmiegsam. Etwas, das ich sehr anziehend finde.
Du Arsch, halt dich zurück. Sie wurde eben fast vergewaltigt.
Als das Blut weg ist – zum Glück hat sich die geplatzte Ader in der Nase verschlossen – ziehe ich die Hand zurück. Sollte ich Lettie anrufen? Die hat ein Händchen für die Frauen. Manche haben Flashbacks und brauchen Trost und Zuspruch.
Aber ich will das nicht Lettie überlassen. Ich will mich selbst um sie kümmern.
Ich habe sie gerettet. Das ist meine Aufgabe!
Sie streift unwillig mit den Handrücken über ihre Augen, als wollte sie verhindern, dass Tränen fließen, dabei hätte sie jedes Recht zu weinen. Ihre Hand sieht so viel zarter aus als meine. Und kleiner. Die blassen Fingernägel ohne Nagellack.
„Hat er noch was getan?“
Sie nickt. „Mich gewürgt.“
Das meinte ich zwar nicht, aber dafür ist noch Zeit. Erneut hebe ich ihr Kinn an, schaue genau hin. Nur schwache Male heben sich von der hellen Haut ab. Himmel sei Dank. „Hat er sich die ganze Zeit so zu dir verhalten? Oder war er vorher ganz normal?“
„Er hat ein paar Mal versucht, mich anzutatschen. Aber hat immer aufgehört, wenn ich Nein gesagt habe.“
Ich höre, was sie nicht sagt. „Trotzdem bist du mit ihm allein geblieben.“ Fuck! Das Letzte, was ich will, ist, ihr Vorwürfe zu machen.
Überhaupt benehme ich mich, als wüsste ich nichts über Frauen in diesem Zustand. Auch wenn Lettie das besser kann, heißt das nicht, dass ich keine Ahnung habe. Man fragt nicht, bohrt nicht nach. Entweder formuliert man die Fragen neutral oder stellt am besten gar keine Frage. Und macht schon gar keine Vorwürfe.
„Ich wollte gehen. Er hat verlangt, dass ich vorher noch das Eis umfülle. Ich dachte noch, dass das doch gar keinen Sinn macht. Ich hätte es wissen müssen. Hätte einfach gehen sollen.“
„Aber er ist dein Chef.“
Sie schnaubt. „Ein Arsch von Chef. Aber was mache ich denn jetzt? Ich brauche doch den Job!“
Ah, der erste Schock ist vorbei. „Du könntest dich krankmelden.“ Soll ich ihr sagen, dass die Bar so schnell nicht öffnen wird? Nein, da sollte sie von selbst drauf kommen.
„Dann bekomme ich aber keinen Lohn. Steht so im Arbeitsvertrag“, fügt sie an, als sie meinen Blick sieht.
Ich weiß. Es gibt keine Pflicht, den Lohn fortzuzahlen. Viele Firmen bieten das inzwischen freiwillig an, aber so ein Arschloch natürlich nicht. „Vielleicht könntest du einen besseren Job finden. Einen mit Fortzahlung und Bezahlung von Überstunden.“ Ich brauche nicht zu fragen, ob sie das bekommt. Garantiert nicht.
Sie lässt den Kopf hängen und es versetzt mir einen Stich mitten in die Brust. Dabei dachte ich, ich wäre inzwischen gegen all diese Geschichten abgehärtet. „Sag nichts. Schon gut. Du brauchst Geld und du hast keine Ausbildung. Direkt nach der Schule hast du dir einen Job gesucht.“
Sie schüttelt den Kopf.
Oh. Ich verstehe. Ein High-School-Drop-Out. „Wann bist du raus?“
„Nach der Junior.“
Also hat sie die letzte Klassenstufe, Senior, nicht gemacht und demnach keinen Abschluss erworben. Klar gibt es manche, die einen vorzeitigen Abschluss machen, aber wenn es so wäre, wäre sie stolz darauf.
„Wie alt bist du?“
„Zweiundzwanzig.“
So jung … Ich werde demnächst fünfunddreißig. Mehr als zehn Jahre Unterschied. Nein, ich kann so nicht rechnen. Ich fühle mich manchmal, als hätte ich schon drei Leben gelebt, aber auch sie hat sicher schon einiges erlebt. Sie wirkt nicht wie eine sorglose Zweiundzwanzigjährige, die ihr Leben genießt.
Ich habe Mitleid mit ihr.
Dann hebt sie den Kopf und schaut mich von unten an mit großen Augen, die ein wenig glänzen, als ob sie gleich weinen wollte. Und als ob das nicht schon genug wäre, hat sie auch noch ganz besondere Augen. Ein äußerer dunkelgrüner Ring umschließt ein helles, strahlendes Grün, in der Mitte um die Pupille laufen goldbraune Strahlen nach außen.
Wow.
Ich kann meinen Blick nicht von ihrem lösen. Nicht nur wegen dieser Augen. Oder doch? Diese Frau macht etwas mit mir. Klar, sie löst meinen üblichen Beschützerinstinkt aus. Aber es ist mehr.
Ich habe auf einmal Bilder vor Augen, wie sie mich so ansieht, die Lippen geschwollen, ein Tropfen weißer Flüssigkeit auf der Unterlippe, den Mund geöffnet, keuchend, die Augen so groß wie jetzt, noch mehr Tränen darin, zugleich ein glückliches Lächeln und ein zufriedener Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht.
Und dann trifft es mich wie ein Vorschlaghammer mitten auf die Stirn. Das, was ich mir immer gewünscht habe, was diesen Augenblick ganz besonders macht, was sie einzigartig macht.
Sie zeigt keine Abscheu.
Endlich betrachte ich in Ruhe sein Gesicht. Ich will wissen, wer mich gerettet hat. Wobei mich irgendetwas an diesem Gedanken stört, ich weiß nur noch nicht, was. Er ist älter als ich, irgendwo in den Dreißigern. Er hat eine hohe Stirn, die durch die Geheimratsecken ganz eckig aussieht. Darunter schwarze Brauen, fast gerade, über tief liegenden Augen. Dunklen Augen. Ich kann die Farbe nicht erkennen. Unter einer schmalen Nase wird sein Gesicht geprägt von Bartstoppeln.
Er wirkt finster. Kein Mann, dem ich nachts auf der Straße begegnen möchte. Kein Mann, dem ich auf Anhieb vertrauen würde.
Dieser Gedanke lässt mich innehalten. Das ist es, was mich stört. Ich vertraue ihm nicht. Oder? Nun, er hat mich gerettet. Aber sonst?
Wo bin ich, was tue ich hier? Warum hat er mich mitgenommen? Er hat mich nicht gefragt, sondern mich einfach auf sein Motorrad gezerrt. Hätte ich nicht dortbleiben sollen, die Polizei rufen und erzählen, was passiert ist? Wie stehe ich jetzt da? Oh Gott, ich habe das Gefühl, dass mein Leben gerade wie ein reißender Fluss ist, der mich geradewegs auf einen Wasserfall zutreibt, nachdem ich gerade schon auf die Felsen geknallt bin. So fühle ich mich zumindest, benommen. Als hätte ich nichts mehr im Griff.
Meine Augen gleiten nach unten, zu seinen Händen. Die hatten mich im Griff, die haben mich sogar getragen. Große Hände, kurze, aber dicke Finger, die gut zupacken können.
Mich anfassen können. Oh Gott, ich bin so am Arsch. Klar, er wirkt freundlicher als Darnell, aber ich bin allein mit ihm und niemand weiß, dass ich hier bin.
Mir wird wieder kalt, fast so kalt wie vorhin auf der Maschine. Doch die Kälte steht in scharfem Kontrast zu dem kleinen warmen Glimmen in meiner Mitte. Was zur Hölle?
Als ich wieder nach oben schaue, mustert er mich so intensiv, dass mir schlagartig sehr heiß wird. Nicht vor Angst, sondern weil er mich an jemanden erinnert. Aber an wen?
Ich starre ihn an und es dauert ein bisschen, bis es klickt, aber dann wird mir verdammt warm. Er ist der Inbegriff des Book Boyfriends, von dem ich träume. Er ist groß, etwas grob, hat ein Tattoo auf dem Arm und vielleicht noch mehr unter dem schwarzen T-Shirt, das er trägt. Er fährt ein Motorrad, er hat mich mitgenommen, ohne mich zu fragen. Himmel, er verkörpert alles, was eine Frau wie mich, die sich quasi von Romance ernährt, anmacht. Alles, was ich mir erträumt habe.
Ist das gut?
Verflixt, nein.
Es ist das Zeichen, dass ich abhauen sollte, und zwar so schnell mich meine Füße tragen. Meine Füße ... Nicht die sind entscheidend. Meine Beine fühlen sich an, als wären sie aus Wackelpudding. Die tragen mich so schnell nirgendwo hin. Was mich auf verquere Art erleichtert.
Ich kann gar nicht weg.
Solltest du aber!
Ja, sollte ich. Ich sollte Angst haben vor einem Kerl, der mit solcher Leichtigkeit einen Mann verprügeln kann. Ich sollte mich abschrecken lassen von seiner Visage, deren eine Seite von Narben entstellt ist. Ich sollte ihn nicht mögen, weil er mir so viele Fragen stellt. Ich sollte … und tue es doch nicht.
Keine Ahnung, warum ich ihn sogar anziehend finde. Weil er mich gerettet hat? Na ja, ich würde ja deshalb keinen Oger als hübsch bezeichnen. Was ich auch bei ihm nie tun würde. Er ist nicht hübsch. Nein, ist er nicht. Und doch … zieht er mich an. Ich finde ihn zumindest interessant.
Ich schnaube. Nur leise, weil ich ihn nicht ärgern will. Er ist weitaus mehr als interessant. Und es stört mich gar nicht, dass er so viel fragt. Ist doch verständlich, dass er wissen will, was da passiert ist.
Wie heißt er eigentlich? Darf ich ihn das fragen?
„Ich heiße Ainsley. Und du?“
Oh, damit habe ich ihn überrascht. Als hätte er mit dieser Frage nicht gerechnet. Er tritt sogar ein kleines Stück zurück. Dann fasst er sich in den Nacken.
Will er etwa Zeit schinden? Muss er sich erst einen falschen Namen aussuchen?
„Beast.“
„Du heißt Beast?“ Wer heißt denn so? Wer würde sich freiwillig so rufen lassen?
„Ja. Weil ich aussehe wie eine Bestie.“ In seinen Augen geht irgendwas zu. Als hätte sich gerade eine Tür geschlossen.
„Verstehe ich nicht.“
Die Bemerkung ist mir so rausgeflutscht. Aber sie trifft zu. Ich verstehe es nicht. Geht es um die Narben? Aber er ist doch nicht völlig verunstaltet. „Woher stammen die Narben?“
Ups, jetzt geht er richtig weg von mir. Bringt Abstand zwischen uns. Das ist wohl ein sehr schwieriges Thema für ihn.
„Brandnarben.“
Eindeutig schwierig. „Aber die sind doch kein Grund, dich Beast zu nennen!“ Das geht mir gegen den Strich. Ich würde nie jemanden wegen einer körperlichen Unzulänglichkeit mit einem Spottnamen belegen. Das finde ich ultra fies! Ich hasse es, weil ich es so oft bei Aaron erlebt habe, dass sie ihn Irrer oder Idiot genannt haben oder noch Schlimmeres. So was macht man doch nicht!
Er schaut mich groß an, dann dreht er sich weg. „Ich nenne mich selbst so. Mein Studio heißt Beast Within. Passt also.“
Das Biest in dir? Was für ein Studio?
Ich schaue mich um. Oh Mann, klar. Ich habe doch eben schon gedacht, dass es hier aussieht wie in einem Sportstudio. Eine große Fensterfront, hinter der nur Dunkelheit zu sehen ist. Zwei Wände mit Bänken davor. Eher ungewöhnlich ist die Wand hinter mir mit einer Art Theke. Es ist ein Sportstudio und sieht doch anders aus. „Machst du so esoterische Kurse, in denen man lernt, das innere Tier rauszulassen?“ Das passt doch überhaupt nicht zu ihm. Rauslassen muss der nichts. Er wirkt so massiv, als wäre er mit der Erde verwachsen. Kraftvoll, dynamisch.
Ich finde seinen Körper gut. Na ja, mehr als gut. Heiß.
Okay, ich mag den Beweis von Stärke. Kein Wunder, er hat mich ja auch gerettet mit diesem Körper. Mit seiner Kraft.
Er schüttelt den Kopf und seine Oberlippe zuckt. Ist das sein Lachen? Könnte sein, oder?
„Bei mir kannst und sollst du das Biest in dir wecken, aber esoterisch ist nichts daran. Im Gegenteil.“
Was soll das denn heißen?
„Ich sehe dir an, dass du mich nicht verstehst. Pass mal auf!“
Er geht zur Wand und drückt eine Reihe von Schaltern. Das Licht flammt auf und ich schaue mich in dem großen Raum richtig um. Lag es an der Beleuchtung oder warum habe ich an Yoga gedacht oder Massagen?
„Das ist mein Sportstudio.“
Ich drehe mich halb zu ihm um und hebe die Brauen. „Was für ein Sport?“
Er lacht leise. Ein weicher, dunkler Laut, der mir eine Gänsehaut beschert.
„Ich lehre Selbstverteidigung. Eine Mischung aus Krav Maga und Tricks, die ich aus allen möglichen Sportarten ausgeliehen habe.“
„Cool. Und die Theke? Trinkt ihr danach einen? So als Kampfbuddys, unter Männern?“
Erneut ein Lachen.
Verdammt, ich mag das! Es klingt sinnlich, auf gar keinen Fall abfällig.
„Außer mir gibt es hier keine Männer.“
„Du unterrichtest Selbstverteidigung nur für Frauen?“ Kann man mit so etwas genug verdienen, hätte ich beinahe angefügt, aber das ist ja wohl nicht meine Sache.
„Nur Frauen. Wie wäre es, wenn ich dir ein paar Moves zeige? Welche, mit denen du dir den nächsten Chef vom Hals halten kannst?“
Sofort ist die lockere Stimmung weg, mir geht der Hals zu. „Ich glaube nicht, dass ich das kann.“
„Doch, das kannst du. Jeder kann das lernen. Du könntest an einem Kurs teilnehmen, am Dienstag ist der Anfängerkurs.“
Ich starre ihn an. Glaubt er wirklich, ich könnte in einem Kurs lernen, mich von einem Kerl wie Darnell zu befreien? Was soll ich denn mit ihm machen? Ihm in die Eier treten? Wenn es doch so einfach wäre. Aber ich habe nicht die Muskeln von Beast. Habe nicht so breite Schultern, so eine Brust, solche Arme.
Arme, die mich tragen konnten.
Arme, die stark genug sind, mich zu zerquetschen.
Ich bin gerade wieder an dem Zaun, an dem verschlossenen Tor. Fühle, wie er mich eingequetscht hat, wie er mir die Hose aufgerissen hat. Oh Gott, meine Hose! Ich starre auf meine Beine. Ich trage meine Hose, aber ich habe Angst vor dem, was darunter ist.
Wie weit ist Darnell gegangen? Ich weiß es nicht mehr. Mir wird schlecht „Ich … kann ich mich irgendwo waschen?“ Ich will endlich wissen, was Darnell genau getan hat.
„Schau mal, willst du das hiermit machen? Da vorn sind die Toiletten.“ Er hält mir ein Tuch hin. Das, mit dem er vorhin das Blut aus meinem Gesicht gewischt hat. Ich nehme es ihm ab. Schaue es an. Da sind rote Spuren drauf. Mein Blut. Darnell hat mich geschlagen, hat meine Nase erwischt.
Ich schaue zu Beast, weiß nicht mehr, was ich mit dem Tuch machen soll oder überhaupt mit mir anfangen soll. Weiß er es?
„Pass auf. Ich helfe dir. Du gehst in den Waschraum. Wenn du willst, kannst du auch duschen. Da draußen sind Handtücher und Seife steht auch immer bereit, weil immer mal jemand was hier vergisst. Wenn du willst, kannst du sogar deine Haare waschen. Willst du diese Hose wieder anziehen? Oder soll ich dir was Frisches holen? Eine Jogginghose von mir? Die ist bequem und sie ist sauber. Weißt du was? Ich gehe sie holen, während du im Bad bist und lege sie vor die Tür, dann kannst du selbst entscheiden. Komm, hier geht es lang.“
Ich lasse es zu. Dabei schaue ich auf seine Finger, als stünde ich neben mir, neben uns. Seine Berührungen sind sachlich, nicht sinnlich, und schon gar nicht übergriffig. Er hilft mir auf, zieht mich durch einen Flur vor eine Tür, an der ein Zeichen für eine Dusche angebracht ist, schiebt mich hindurch. Als die Tür hinter mir zufällt, lehne ich mich dagegen.
Was passiert hier? Sollte ich nicht schreiend davonrennen, weil ich mit einem Mann allein bin? An einem Ort, an dem niemand mich hört?
„Hier hört dich niemand.“ Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Das sagte Darnell. Ganz beiläufig. Ganz selbstverständlich. Und dass er es mag, wenn ich schreie.
Wut brandet in mir auf, aber sie hält nur Sekunden an, dann sacke ich in mich zusammen wie ein nasser Lappen. Ich habe keine Energie mehr für Wut.
Ich schaue an mir herab. Ziehe die Hose aus. Den Slip. Lasse beides fallen. Ich muss mich waschen. Ja, das könnte helfen. Den Dreck abwaschen, seine Fingerabdrücke abwaschen.
Ich lasse das Wasser so heiß über mich laufen, wie ich es gerade noch vertrage.
Für einen Moment schaffe ich es, nicht an das Geschehene zu denken, sondern an den Mann, der da draußen wartet. Seltsam, dass ich ihm so vertraue. Aber klar, er hat mich gerettet.
Himmel, er hat mich gerettet. Bevor Darnell richtig zum Zug kam. Ich wasche mich zwischen den Beinen, taste vorsichtig über meine Labien. Nichts ist verletzt, es fühlt sich auch nicht schleimig oder feucht an. Himmel sei Dank.
Nein. Das ist nicht richtig. Nicht der Himmel hat mir geholfen.
Das habe ich einzig und allein Beast zu verdanken.
Mein Herz rast, und es hat nichts mit dem zu tun, was Darnell getan hat.
Ainsley. Hübscher Name.
Ich suche für sie eine Leggins heraus, die ich sonst unter den Morphsuits trage, weil das die engsten Hosen sind, die ich besitze. Während ich eine meiner schwarzen Retroshorts schnappe, denke ich daran, dass dieses Dreckstück ihre Hose schon runtergelassen hatte und wie sein Schwanz aus dem Hosenschlitz hing. Nach allem, was ich gesehen habe, war er nicht in ihr, aber ich weiß auch, dass es trotzdem eine Vergewaltigung bleibt, auch ohne Eindringen.
Ich hasse ihn aus tiefster Seele. Männer, die so etwas mit Frauen machen, sind der letzte Dreck.
Verdammt, ich hätte zu gern mit ihr geduscht, wäre gerne bei ihr, damit die Erinnerung sie nicht in einen Flashback zwingt. Dabei weiß ich, dass es bestimmt keine gute Idee wäre. Sie will jetzt keinen Mann so nah, schon gar nicht, wenn sie nackt ist.
Als ob ich ihr zu nahe käme!
Das ist nur mein Helfersyndrom. Ich will allen Frauen helfen, die zu mir kommen.
Du willst nicht irgendwelchen Frauen helfen, sondern ihr.
