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Ordnungen religiöser Pluralität E-Book

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Beschreibung

Religion und Moderne Herausgegeben von Thomas Großbölting, Detlef Pollack, Barbara Stollberg-Rilinger und Ulrich Willems Die Debatten zur »religiösen Pluralität« sind meist von der Annahme getragen, dass die Vielfalt von Religionen ein spezifisch modernes Phänomen ist. Historische Forschungen fördern gleichwohl ein anderes Bild zutage: Religiöse Pluralität erscheint darin nicht als ein Novum der Religionsgeschichte. Wie aber unterscheidet sich die Wirklichkeit religiöser Pluralität in der Antike von der gegenwärtigen Lage? Wie wandeln sich die Vorstellungen von der Gestaltung, der Ordnung religiöser Pluralität? Der Band nimmt Sondierungen in verschiedene Epochen und Religionskulturen vor.

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Ulrich Willems/Astrid Reuter/Daniel Gerster (Hg.)

Ordnungen religiöser Pluralität

Wirklichkeit – Wahrnehmung – Gestaltung

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Religion und ModerneHerausgegeben von Thomas Großbölting, Detlef Pollack, Barbara Stollberg-Rilinger und Ulrich WillemsDie Debatten zur »religiösen Pluralität« sind meist von der Annahme getragen, dass die Vielfalt von Religionen ein spezifisch modernes Phänomen ist. Historische Forschungen fördern gleichwohl ein anderes Bild zutage: Religiöse Pluralität erscheint darin nicht als ein Novum der Religionsgeschichte. Wie aber unterscheidet sich die Wirklichkeit religiöser Pluralität in der Antike von der gegenwärtigen Lage? Wie wandeln sich die Vorstellungen von der Gestaltung, der Ordnung religiöser Pluralität? Der Band nimmt Sondierungen in verschiedene Epochen und Religionskulturen vor.

Vita

Ulrich Willems ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Münster. Astrid Reuter ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Centrums für Religion und Moderne (CRM) an der Universität Münster. Daniel Gerster ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Inhalt

Daniel Gerster/Astrid Reuter/Ulrich Willems: Ordnungen religiöser Pluralität. Eine Einleitung

1.Wirklichkeit und Wandel religiöser Pluralität in historischer Perspektive

2.Wahrnehmung und Reaktion unterschiedlicher Religionskulturen auf religiöse Pluralität

3.Aktuelle Debatten um die Gestaltung religiöser Pluralität

4.Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

I. Wirklichkeit und Wandel religiöser Pluralität in historischer Perspektive

Rainer Albertz: Wie viel Pluralismus kann sich eine Religion leisten? Zum Umgang mit religiöser Vielfalt im Alten Israel

1.Die Divergenz familiärer und offizieller Religion

2.Wichtige Kennzeichen der älteren Familienreligion

3.Der religionsinterne Pluralismus in der späten Königszeit und seine Bekämpfung

4.Das stützende Potenzial des religionsinternen Pluralismus in der Exilszeit

5.Chancen und Gefahren des religionsinternen Pluralismus

Literaturverzeichnis

Benedikt Eckhardt: Organisierter Pluralismus. Vereins-, Stadt- und Reichsreligion im antiken östlichen Mittelmeerraum

1.Poliskult und Kultvereine in hellenistischer Zeit

2.Kontinuität und Verbreitung des Vereinsmodells unter römischer Herrschaft

3.Verrechtlichung und Professionalisierung

4.Ausblick

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Benjamin Scheller: Prozesse religiöser Pluralisierung und Depluralisierung im normannisch-staufischen Königreich Sizilien: Das Problem der Ambiguität

1.Religiöse Pluralität und Ambiguitäts(in)toleranz

2.Christen und Muslime zur Zeit der normannischen Eroberung

3.Einwanderung aus der islamischen Welt. Der Fall der Palastsarazenen

4.Christliche Einwanderung

5.Konflikte zwischen Muslimen und Christen

6.Konversionen vom Islam zum Christentum und die Entstehung religiöser Ambiguität

7.Verfolgung von Konvertiten: Wenn religiöse Ambiguität zum Problem wird

8.Schluss

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Étienne François: »Miteinander trotz und in der Trennung«: Das Zusammenleben von Protestanten und Katholiken in Augsburg, 1648–1806

1.Symbolische und kulturelle Abgrenzung

2.Parität und strukturelle Mitverantwortung

3.Fazit

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Michael Hochgeschwender: Religion und amerikanischer Pluralismus

1.Pluralismus und Freiheit im nationalen Identitätsnarrativ der USA

2.Das Werden des amerikanischen Pluralismus

3.Evangelikalismus und Pluralismus

4.Der Katholizismus: Ein Sonderfall im amerikanischen Pluralismus

Literaturverzeichnis

Olaf Blaschke: ›Religiöser Pluralismus‹ im Kaiserreich? Konfessionelle Koexistenz und Konflikt in der Kulturkampfzeit in begriffs- und sozialgeschichtlicher Perspektive

1.Kartografischer Konfessionalismus

2.Begriffsgeschichtliche Sondierungen: Toleranz und religiöser Pluralismus

3.Das Toleranzideal in der Heimatforschung und in der Geschichtsschreibung

4.Toleranzverständnis und -begriff bei Zeitgenossen

5.Mentalitäts- und sozialgeschichtliche Beobachtungen

6.Konfliktvermeidungsstrategien

7.Fazit

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Hugh McLeod: The Pluralism of Everyday Life: Religion in England from the Victorian Era to the 21st Century

1.The Later Victorian and Edwardian Period

2.From World War I to the 1950s

3.The 1960s and After

4.Where are we now?

5.Conclusion

Bibliography

Thomas Großbölting: Warum sich die deutsche Gesellschaft mit religiöser Vielfalt so schwer tut – eine (zeit-)historische Erkundung

1.Von der christlichen Dominanz zu einer asymmetrischen Pluralisierung: Dynamiken des religiösen Feldes von 1950 bis heute

2.Die Institutionalisierung der ›hinkenden Trennung von Staat und Kirche‹: Chance und Belastung

3.Islamische Gemeinschaften in Deutschland

4.Schluss: Pluralisierungsperspektiven und -blockaden

Literaturverzeichnis

II. Wahrnehmung und Reaktion unterschiedlicher Religionskulturen auf religiöse Pluralität

Karl Gabriel: Moderner Katholizismus und religiöser Pluralismus: Von der Abwehr zur Versöhnung – und wieder zurück?

1.Der moderne Katholizismus als offensives und defensives religiöses Monopol

2.Die vorkonziliare katholische Toleranzdoktrin: Religiöse Pluralität als Hypothese

3.Der Durchbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Anerkennung von Religionsfreiheit und religiösem Pluralismus

4.Wie kam der Katholizismus zur Wende in der Religionspolitik?

5.Der Katholizismus nach dem Konzil: Auf dem Weg zurück zum Anti-Pluralismus?

Literaturverzeichnis

Christian Polke: Pluralismus als protestantisches Prinzip

1.Protestantismus im Plural: Historische Verortungen

2.Pluralismus als protestantisches Prinzip: systematisch-theologische Klärungen

3.Pluralismus als Protestantisches Prinzip: kirchentheoretische Konsequenzen

Literaturverzeichnis

Menno Preuschaft: Religiöse Pluralität in zeitgenössischen islamischen Diskursen. Konkurrierende Ansätze und ihre Konsequenzen in der Praxis

1.Tradition und Formen der Pluralität des Islams

2.Drei Wege des Umgangs mit Pluralität

2.1Die Ablehnung von Pluralität durch den Salafismus

2.2Die Spannung von Pluralitätstoleranz und Einheitsstreben im ›Mainstream-Diskurs‹

2.3Die Relativität menschlicher Wahrheiterkenntnis

3.Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Regina Grundmann: Pluralität zwischen Inklusion und Grenzziehung: Responsa zu jüdisch-nichtjüdischen Ehen als Spiegel religiöser Vielfalt im gegenwärtigen amerikanischen Judentum

1.Positionierungen des Reformjudentums und des Konservativen Judentums zur nicht-endogamen Ehe

1.1Reformjudentum

1.2Konservatives Judentum

2.Responsa des Reformjudentums und des Konservativen Judentums zu Fragen im Zusammenhang mit jüdisch-nichtjüdischen Ehen

2.1Das Amtieren von Rabbinern bei Trauzeremonien für eine jüdisch-nichtjüdische Ehe

2.2Die Gemeindemitgliedschaft des nichtjüdischen Ehepartners

2.3Die Beerdigung des nichtjüdischen Ehepartners und nichtjüdischer Kinder einer jüdisch-nichtjüdischen Ehe auf einem jüdischen Friedhof

2.4Der Status von Kindern aus jüdisch-nichtjüdischen Ehen

2.5Die Rolle des nichtjüdischen Elternteils bei den Lebenszyklus-Riten des Kindes

3.Pluralität zwischen Inklusion und Grenzziehung

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Perry Schmidt-Leukel: Der Hinduismus – eine pluralistische Religion?

1.Vivekananda und die These vom Hinduismus als pluralistischer Religion

2.Historischer Rückblick

2.1Pluralitätsfreundliche Aspekte

2.2Beispiele pluralitätsfeindlicher Polemik und interreligiöser Gewalt

2.3Die Haltung gegenüber Islam und Christentum

3.Hinduismus und Pluralismus in der Gegenwart

3.1Zum Rechtsstreit zwischen der Ramakrishna Mission und dem Staat von Westbengalen

3.2Zum Standpunkt der Hindutva-Bewegung

3.3Alternative Konzeptionen

4.Schluss

Literaturverzeichnis

Joachim Gentz: Das Harmoniemodell religiöser Pluralität in China

1.Der europäische Harmoniebegriff und das ›Morgenland‹

2.Harmoniemodelle im vormodernen China

2.1Chinesische emische Harmoniemodelle

2.2Harmoniemodelle im Diskurs um das Verhältnis der Religionen Chinas

3.Pluralismus und Toleranz

4.Schluss

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

III. Aktuelle Debatten um die Gestaltung religiöser Pluralität

Fabian Wittreck: Religiöse Paralleljustiz im Rechtsstaat?

1.Religiöse Gerichtsbarkeit als Wiedergänger der Rechtsgeschichte

2.Typen und Eskalationsstufen religiöser Gerichtsbarkeit

3.Rechtsprobleme religiöser Gerichtsbarkeit

4.Rechtsregime religiöser Gerichtsbarkeit

5.Schluss: Religiöse Gerichtsbarkeit als bleibende Irritation im System des Verfassungsstaates

Literaturverzeichnis

Judith Könemann: Religiöse Akteure in der Öffentlichkeit. Kirchliche Positionierungen und Interessenvertretung unter Bedingungen von Pluralität

1.Die Debatte um religiöse Überzeugungen in der Öffentlichkeit

2.Ziel und Anlage der Untersuchung

3.Voraussetzungen und Kontextfaktoren

4.Bestimmung des religiösen Arguments

5.Mediale Sichtbarkeit und Repräsentanz

6.Religiöse Bezüge und Argumentationen

7.Schlussinterpretation

Literaturverzeichnis

Tim Karis: Religiöse Pluralität als Herausforderung: Öffentlicher Rundfunk zwischen Krise und Neudefinition

1.Pluralität als medienpolitischer Leitbegriff und multidimensionales Konzept

2.Religiöse Pluralität in den Redaktionen: Mehr Muslime in die Newsrooms?

3.Religiöse Pluralität in den Rundfunkräten: Christlich-jüdische Privilegien I

4.Religiöse Pluralität im Rundfunk-Programm: Wenn der Kirchturm ins Bild kommt

5.Drittsenderechte: Christlich-jüdische Privilegien II

6.Drittsenderechte im Ländervergleich: Seitenblicke auf Frankreich und die Niederlande

7.Pluralität auf Rezipienten-Ebene: Wer guckt was?

8.Schluss: Öffentlicher Rundfunk in der (religiös) pluralen Gesellschaft

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Christel Gärtner: Zur Pluralisierung religiöser Identität(en)

1.Soziologische Annäherung an den Identitätsbegriff

2.Religiöse Dimension von Identität

3.Zur Pluralisierung des religiösen Feldes in Europa und Deutschland

4.Zur Pluralisierung ›religiöser Identität(en)‹ – ein Versuch der Systematisierung

5.Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Arnulf von Scheliha: Religionspolitische Konstellationen und wissenschaftsethische Folgerungen im Zusammenhang mit der Etablierung von Zentren für Islamische Theologie

1.Religionspolitik in Bewegung

2.Die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften

3.Die Mitwirkung der islamischen Verbände und aktuelle Konflikte

4.Wissenschaftsethische Konsequenzen

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Ulrike Spohn: Interkulturelle Perspektiven auf den Umgang mit religiöser Vielfalt: Grundlinien der aktuellen politiktheoretischen Debatte zum Säkularismus in Indien

1.›Passt‹ der Säkularismus zu Indien? Drei Positionen

2.Säkularismus im Kontext sozialtheoretischer Debatten um die ›Moderne‹

3.Der indische Säkularismus nach Rajeev Bhargava

4.Von Indien lernen? Das indische Säkularismusmodell im Dialog mit aktuellen westlichen Perspektiven

Literaturverzeichnis

Thomas Banchoff: American Civil Religion in a Multipolar World

1.A Secular International System

2.Civil Religion and US Foreign Policy

3.The Challenge of Multipolarity

4.Conclusion

Bibliography

Danksagung

Abkürzungen

Autorinnen und Autoren

Ordnungen religiöser Pluralität. Eine Einleitung

Daniel Gerster/Astrid Reuter/Ulrich Willems

Das Stichwort ›religiöse Pluralität‹ ist in aller Munde. Die aktuellen öffentlichen Debatten sind vielfach von der Annahme getragen, dass die Vielfalt von Religionen ein spezifisch modernes Phänomen sei. Historische Forschungen fördern gleichwohl ein anderes Bild zutage. Religiöse Pluralität erscheint darin nicht als Novum der Religionsgeschichte. Sie findet sich in antiken Kulturen ebenso wie im häufig als monolithisch-christlich gezeichneten europäischen Mittelalter. Wie aber unterscheidet sich die Wirklichkeit religiöser Pluralität in der Antike von der Gegenwartslage? Wie nahmen und nehmen unterschiedliche Religionskulturen religiöse Pluralität wahr? Wie verhalten sich die verschiedenen religiösen Weltvorstellungen und Lebensführungen zu nicht-religiösen, säkularen Welt- und Lebensmodellen? Und wie wirkt sich schließlich der historische Wandel von Wirklichkeit und Wahrnehmung auf die Gestaltung(smöglichkeiten) von Ordnungen religiöser Pluralität aus? Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes gehen diesen Fragen nach. Sie nehmen exemplarisch Sondierungen in verschiedenen Epochen, Regionen und Religionskulturen vor und ordnen die Entwicklung von Wirklichkeit, Wahrnehmung und Gestaltung religiöser Pluralität in die jeweiligen sozialkulturellen, rechtlichen, politischen und ökonomischen Kontextbedingungen ein. Die Beiträge sind überwiegend hervorgegangen aus zwei Ringvorlesungen, die der Exzellenzcluster ›Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne‹ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in den Wintersemestern 2010/11 und 2012/13 zu den Themen ›Integration religiöser Vielfalt‹ sowie ›Religiöse Vielfalt. Eine Herausforderung für Politik, Religion und Gesellschaft‹, letztere in Kooperation mit dem Centrum für Religion und Moderne, durchgeführt hat; einige Autorinnen und Autoren konnten zusätzlich gewonnen werden.

Der vorliegende Band fächert das Thema ›Ordnungen religiöser Pluralität‹ in drei Teile auf. Im ersten Teil wird eine – bis in die Antike zurückreichende – historische Perspektive auf die Wirklichkeit religiöser Pluralität, ihre Wahrnehmung und Gestaltung eröffnet. Anhand von historischen Tiefenbohrungen wird gefragt, wie viel Pluralität sich Gesellschaften und Religionen von der Antike über das Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ›leisten‹ wollten – und geleistet haben – und welche Pfadabhängigkeiten sich daraus für den gegenwärtigen Umgang mit religiöser Pluralität ergeben. Darüber hinaus unternehmen einige der Beiträge in diesem Abschnitt Suchbewegungen, um Spuren verschütteter religiöser Vielfalt in der (europäischen) Religionsgeschichte aufzufinden. Im zweiten Teil richtet sich der Blick auf den Umgang mit religiöser Vielfalt im Horizont verschiedener Religionskulturen. Angesichts der Bandbreite religiöser Phänomene in globalgeschichtlicher Perspektive bleiben die hier vorgenommenen Sondierungen notwendigerweise Einzelbeispiele. Einblicke geben die Beiträge unter anderem in den Umgang mit religiöser Pluralität in der Geschichte Chinas sowie in die Herausforderungen, denen sich Hinduisten angesichts der Vielfalt des religiösen Lebens ausgesetzt sehen. Darüber hinaus geben sie Auskunft über zeitgenössische islamische Diskurse zum Thema und nehmen die sich wandelnden Antworten auf religiöse Pluralität im Judentum und in verschiedenen christlichen Konfessionen in den Blick. Der dritte Teil schließlich ist der Frage gewidmet, wie die religionskulturelle Gegenwartslage in ihrer historischen Prägung gestaltet werden kann und sollte. Die Beiträge fokussieren in ihrer Mehrheit die aktuelle Situation in Deutschland, werfen vereinzelt aber auch einen Blick darüber hinaus. Sie untersuchen unter anderem, wie die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionsbereiche – das Recht, die Politik, die Medien, die Wissenschaft – die religiöse Vielfalt verarbeiten, und fragen, wie religiöse Pluralität gesellschaftlich akzeptiert wird und welche Konsequenzen die Pluralisierung für die Herausbildung religiöser Identitäten hat.

1.Wirklichkeit und Wandel religiöser Pluralität in historischer Perspektive

Keine historische Epoche wird im Allgemeinen weniger mit religiöser Pluralität assoziiert als das europäische Mittelalter. Stattdessen ist das Bild, das sich viele von der Zeit zwischen der Mitte des ersten Jahrtausends und den Jahren um 1500 machen, noch immer von der Vorstellung einer einheitlichen christlichen Kulturlandschaft geprägt. Sie wird beherrscht von einer allmächtigen katholischen Kirche, die sämtliche Bereiche des Religiösen durchdringt und deren Päpste, Bischöfe und Priester bisweilen in die Machtbereiche der weltlichen Herrscher ausgreifen. Obwohl weitverbreitet, ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass ein solches monolithisches Mittelalterbild keineswegs der historischen Realität entspricht. Vielmehr spiegeln sich darin unterschiedliche Vorstellungen, die sich die Menschen seit jeher, insbesondere aber im 19. und frühen 20. Jahrhundert, von der Epoche gemacht haben und die meist in einem engen Verhältnis zum Verständnis der eigenen Gegenwart standen und stehen.1