Oxymoron - Ralf König - E-Book

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Ralf König

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Beschreibung

Im April 1912 brach sie zu Ihrer Jungfernfahrt nach New York auf: Die Titanic, das größte und luxuriöseste Schiff, das auf der Welt je gebaut wurde. Unsinkbar sollte es sein und schnell die Strecke für die 1300 Passagiere und 900 Besatzungsmitglieder zurücklegen. Wir wissen nicht, ob viele der 2200 Menschen an Bord Uniformen, Kleider oder Anzüge aus Stoffen trugen, die in Greiz gewebt wurden, aber es ist anzunehmen. Stellte man doch in der kleinen Hauptstadt des Fürstentums Reuß Ältere Linie die für damalige Zeiten besten Stoffe und feinste Wollstoffe her, die man bekommen konnte. Bereits 1892 sorgten ca. 11.200 mechanische Webstühle in der Stadt nicht nur für Qualität sondern auch für einen rasanten quantitativen Absatz der Waren in aller Welt. Besonders seit dem Jahr 1865, der Eröffnung der Bahnstrecke Greiz-Neumark, die für den Anschluss der Greizer Industrie an das Sächsisch-Bayerische Eisenbahnnetz sorgte fand eine immer schnellere Entwicklung derselben statt. Gab es 1811 die erste mechanische Spinnerei und 1824 die erste Webereifirma sollten sich nach der Reichsgründung 1871 und die danach fließenden französischen Reparationsgelder vor allem in den 1870 und 80 iger Jahren zahllose Industriebetriebe ansiedeln. Das politische Umfeld war geprägt durch das kleinste deutsche Fürstentum, das mit Heinrich XXII., der von 1859 bis 1902 als Landesfürst regierte, einen umsichtig agierenden Landesvater an der Spitze hatte. Reuß ä.L. War 1871 ein deutsches Bundesland, das fast keine Schulden hatte. Allein 3 größere Kirchen ließ Heinrich XII. bauen: Pohlitz, Herrmannsgrün und Aubachthal. Infrastruktur und Schulen entstanden. Die außergewöhnlich erfolgreiche Entwicklung zwischen 1865 und 1900 sorgte dafür das Greiz zu diesem Zeitpunkt mit Hamburg um den Titel "reichste Stadt Deutschlands" konkurrierte. Im Jahr 1902 gab es 11 Millionäre, was gemessen an der Einwohnerzahl wohl die höchste Dichte im Deutschen Reich ausmachte. Sicher kann man den Glanz dieser Zeit durchaus mit dem Glanz der Titanic vergleichen. Alle Gebäude und Straßen waren meist neu, selbst das Wasser im Gräßlitzkanal auf der Ida-Prachtstraße brachte noch zusätzlich Farbe ins Stadtbild. Und qualmende Schornsteine gab es auf einem Passagierdampfer auch. Die Greizer Prinzessinnen befanden sich in der Blüte ihrer Jugend. Alles war scheinbar gut. Natürlich gab es eine Klassentrennung, aber selbst die Fabrikbesitzer waren bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit tätig. Und der einfache Arbeiter konnte zumindest in einer der zahlreichen Gaststätten und Ausflugslokale oder in der Natur Ausgleich vom harten Arbeitsalltag finden. Begeben Sie sich in das Abenteuer des Architekten Herrmann auf der Suche nach dem geraubten "Stein der Meere", dem blauen Smaragd. Erleben sie die glanzvollste und zugleich traurigste Jahrhunderthochzeit des beginnenden 20. Milleniums 

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Ralf König, Sven Klein

Oxymoron

Der blaue Smaragd

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Prolog

Im April 1912 brach sie zu Ihrer Jungfernfahrt nach New York auf: Die Titanic, das größte und luxuriöseste Schiff, das auf der Welt je gebaut wurde. Unsinkbar sollte es sein und schnell die Strecke für die 1300 Passagiere und 900 Besatzungsmitglieder zurücklegen. Wir wissen nicht, ob viele der 2200 Menschen an Bord Uniformen, Kleider oder Anzüge aus Stoffen trugen, die in Greiz gewebt wurden, aber es ist anzunehmen. Stellte man doch in der kleinen Hauptstadt des Fürstentums Reuß Ältere Linie die für damalige Zeiten besten Stoffe und feinste Wollstoffe her, die man bekommen konnte. Bereits 1892 sorgten ca. 11.200 mechanische Webstühle in der Stadt nicht nur für Qualität sondern auch für einen rasanten quantitativen Absatz der Waren in aller Welt. Besonders seit dem Jahr 1865, der Eröffnung der Bahnstrecke Greiz-Neumark, die für den Anschluss der Greizer Industrie an das Sächsisch-Bayerische Eisenbahnnetz sorgte fand eine immer schnellere Entwicklung derselben statt. Gab es 1811 die erste mechanische Spinnerei und 1824 die erste Webereifirma sollten sich nach der Reichsgründung 1871 und die danach fließenden französischen Reparationsgelder vor allem in den 1870 und 80 iger Jahren zahllose Industriebetriebe ansiedeln. Das politische Umfeld war geprägt durch das kleinste deutsche Fürstentum, das mit Heinrich XXII., der von 1859 bis 1902 als Landesfürst regierte, einen umsichtig agierenden Landesvater an der Spitze hatte. Reuß ä.L. War 1871 ein deutsches Bundesland, das fast keine Schulden hatte. Allein 3 größere Kirchen ließ Heinrich XII. bauen: Pohlitz, Herrmannsgrün und Aubachthal. Infrastruktur und Schulen entstanden. Die außergewöhnlich erfolgreiche Entwicklung zwischen 1865 und 1900 sorgte dafür das Greiz zu diesem Zeitpunkt mit Hamburg um den Titel „reichste Stadt Deutschlands“ konkurrierte. Im Jahr 1902 gab es 11 Millionäre, was gemessen an der Einwohnerzahl wohl die höchste Dichte im Deutschen Reich ausmachte. Sicher kann man den Glanz dieser Zeit durchaus mit dem Glanz der Titanic vergleichen. Alle Gebäude und Straßen waren meist neu, selbst das Wasser im Gräßlitzkanal auf der Ida-Prachtstraße brachte noch zusätzlich Farbe ins Stadtbild. Und qualmende Schornsteine gab es auf einem Passagierdampfer auch. Die Greizer Prinzessinnen befanden sich in der Blüte ihrer Jugend. Alles war scheinbar gut. Natürlich gab es eine Klassentrennung, aber selbst die Fabrikbesitzer waren bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit tätig. Und der einfache Arbeiter konnte zumindest in einer der zahlreichen Gaststätten und Ausflugslokale oder in der Natur Ausgleich vom harten Arbeitsalltag finden.

Ein Kaffeekränzchen

Caroline ging in den Wintergarten. Von hier aus hat man einen schönen Blick auf die Gartenanlagen am Unteren Schloss und kann bis zur Elster sehen. Morgen würde sie nach Bückeburg aufbrechen, zu einer für sie ungewissen Hochzeitsfeier, in deren Mittelpunkt sie stehen wird.

 

In einer Stunde wird sie sich mit Herrmann, dem Architekten treffen um Abschied zu nehmen. Herrmann hat es nicht weit. Sein Büro und seine Wohnung befinden sich in der Idastraße 3. Die Idastraße ist neben der Carolinenstraße eine der schnurgeraden Prachtalleen, die im 18. und 19. Jahrhundert bebaut wurden.

 

Viele Gedanken kreiseln ihr durch den Kopf. Sie wird es verlassen, das kleinste Fürstentum des deutschen Kaiserreiches. Ihre Kindheit und Jugend im Umfeld der 4 Schwestern und des kranken Bruders ist nun vorbei. Viele schöne Erlebnisse binden sie an diese Stadt. Die Kontakte zu den einfachen Leuten wie zu den bürgerlichen Fabrikanten, Offizieren und Beamten haben sie vorangebracht. Während ihres bisher kurzen Lebens hat die Stadt einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Bereits 1450 gab es erste Tuchmacherzünfte. Doch erst im 19. Jahrhundert mit Beginn der Mechanisierung sollte eine bisher nie dagewesene Entwicklung einsetzen.1811 errichtet Kaufmann Serno am Quirlbach, Gommlaer Berg, eine mechanische Spinnerei die durch Kaufmann Beck erweitert und als Kammgarnspinnerei betrieben wird. Nachdem 1824 die Weberei Eduard Brösel gegründet wird entstehen ab 1837 zahlreiche andere Handelshäuser und Fabriken. 1837 Friedrich Arnold in Greiz, 1840 Müller & Kramer (zeitweilig auch Müller & Schütz), 1843 Gebrüder Oehler, 1847 Weber & Feustel und Georg Schleber (Färberei/Veredlung), 1860 Gebrüder Albert, 1872 Hermann Dietel, 1876 Schwarz & Sohn (zeitweilig auch Otto Ohlwein), 1882 C. G. Jahn (Färberei/Veredlung), 1886 Friedrich Arnold in Langenwetzendorf, 1888 Zirnite & Kolbig. Seit 1865 gibt es einen Eisenbahnanschluss. Die Linie Greiz-Neumark bietet die Verbindung an die Sächsisch-Bayerische Staatseisenbahn. Doch auch schlimme Gedanken kommen. Den großen Stadtbrand von 1802, der 40% des Textilhandwerks vernichtete, kannte sie nur aus Gesprächen. Den von 1902 hatte sie erst vor kurzem selbst miterlebt. Die immer wiederkehrenden Hochwasser, die die Stadt überfluteten kannte sie ebenfalls. Oft reichte das Wasser bis zum Unteren Schloss, waren der fürstliche Park, große Teile der Neustadt oder die Brückenstraße vom Wasser eingenommen. Und nicht zuletzt gab es immer politische Schwierigkeiten mit Preußen. Das Fürstentum Reuß Ältere Linie stand 1866 auf der Seite Österreichs in der Schlacht bei Königgrätz. Als einziger Fürst stimmte ihr Vater Heinrich XXII. im Reichstag gegen das Sozialistengesetz. Seine kritische Haltung gegenüber Preußen auch in anderen Fragen brachten ihm den Spitznamen Heinrich der Unartige ein.

 

Herrmann hatte sich verspätet. Dafür hatte er ein Päckchen brasilianischen Kaffee mitgebracht. Er wusste, dass Caroline das mochte. Sie setzten sich im Wintergarten an einen der runden Tische. Die Hausdame servierte den Kaffee und etwas Gebäck in einem leicht verschnörkelten Jugendstilporzellan aus Fraureuth, der reußischen Porzellanmanufaktur. Herrmann war traurig darüber, dass Caroline nun Greiz verlassen würde. Sie kannten sich nun seit 1898, also 4 Jahre. Als junger Architekt war er nach Greiz gekommen, nachdem er das Bürgerhaus in der Idastraße über eine Auktion für sich und seine Familie erworben hatte. Vorher war er in Leipzig, Hannover und Zeulenroda ansässig gewesen. Da er in Zeulenroda das Pohlandsche Lokal projektiert hatte bewarb er sich in Greiz für den Neubau des Theaters und bekam den Zuschlag. 1899 wurde das Theater seiner Bestimmung übergeben. Es war ein turbulentes Projekt, aber bei der Fertigstellung waren alle zufrieden.

Sie sprachen über Carolines zukünftigen Ehemann Wilhelm Ernst, den Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ich kenne ihn doch kaum meinte sie. Bereits nach einer Woche gegenseitigem Kennenlernens in Bückeburg hatte sich das Paar verlobt und die Hochzeit wurde beschlossen. Man sagt er habe nur ein Faible: das Militär und die Jagd. Herrmann versuchte tröstende Worte zu finden, doch es fiel ihm schwer. Er versuchte, sie abzulenken indem er über zukünftige Projekte von ihm sprach. Eine Villa am Gartenweg oder das neue Postgebäude am Bahnhof fielen ihm ein. Aber Caroline schien abwesend zu sein. Schon immer hatte sie einen Hang zur Melancholie, jetzt war es besonders ausgeprägt. Die Vorahnung eines düsteren neuen Lebensabschnitts warf seine Schatten voraus. Lass uns etwas spazieren gehen meinte Herrmann nachdem sie ihren Kaffee getrunken hatten. Ja Herrmann, tun wir das.