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Ein prominentes Berliner Ehepaar gibt eine Party. Zu Gast: Zwei erfolgreiche Privatdetektive, die einander hassen. Es kommt, wie es kommen muss - am Ende des Abends gibt es eine Leiche. Werden Henri Pardon und Philip Spät es schaffen, den Mörder zu entlarven?
„Eine Art Krimi“ voller verschrobener Charaktere, massenhaft Anspielungen auf klassische Krimis, Busenfetischismus und tonnenweise Witze, von denen ungefähr die Hälfte gut ist. Der Rest – naja. Geht so.
„Ist das jetzt eine ziemlich gute Parodie oder einfach ein sauschlechter Krimi? Also, ich weiß es selber nicht.“
Olli Wischmeyer
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Olli Wischmeyer
Party für eine Leiche
Eine Art Krimi
© 2014 Olli Wischmeyer, Berlin
Personen und Ereignisse in diesem Roman sind frei erfunden.
Oder ziemlich offensichtlich geklaut.
Übereinstimmungen mit lebenden oder toten Personen oder Ereignissen wären rein zufällig.
Und außerdem ziemlich erstaunlich.
Bisher erschienen von Olli Wischmeyer
Party für eine Leiche. Eine Art Krimi
Männer. Das endgültige Satirelexikon
Ein gutes Wort, Hommage, und für diejenigen, die seine Bedeutung nicht kennen und sich nicht die Mühe machen wollen nachzusehen, es bedeutet Raubkopieren. Klauen.
Robert Rankin, Web Site Story
Inhalt
Klientin in blau
Todessehnsucht
Ein unerwarteter Gast
Wenn Detektive zu sehr hassen
Irgendwie sinnloses Kapitel, das wohl Zeit schinden soll bis zum Mord
Ein total erwarteter Mord
Ring frei
Aggressive Schwingungen
Zwei Seelen, kein Gedanke
Alt und versaut
Ach, ein reizendes Pärchen
Die Schlüsselfrage
Die Türantwort
Ein Verhör entgleitet
Sherlock Holmes für ganz Arme
Ein Mann für keine Jahreszeit
Spät macht sich zum Affen
Noch ein Schlüssel?
Bier für die Blumen
Ein originelles Alibi
Gipfeltreffen
Die Birne in der Blase
Die unausweichliche Zusammenkunft
Der Nebel lichtet sich
Das explodierte Ei aus einer fernen Galaxis
Epilog
„Dein nächster Termin ist da, Philip.“
Es war schwierig, das Alter von Privatdetektiv Philip Spät richtig einzuschätzen. Einige hielten ihn für Mitte zwanzig und löcherten ihn damit, wann er sich endlich einen vernünftigen Job suchen wollte, andere musterten ihn skeptisch und ließen ihn dann nicht ins Sex-Kino.
Tatsächlich wirkte er nicht wie ein Detektiv, obwohl er sich alle Mühe gab. Er trug einen Mantel, einen passenden Hut (wenn’s regnete) und einen mürrischen Gesichtsausdruck. Jedoch trübten zwei Dinge sein Erscheinungsbild: Seine Brille und die Tatsache, dass er Nichtraucher war. Er trank nicht einmal. Das einzige, was ihn tröstete, war, dass er deutlich besser aussah als Humphrey Bogart. Er war schlank, vielleicht zu schlank, und obwohl sein Körper nicht gerade vor Muskelbergen strotzte, war er recht kräftig, was er vor allem mit seinem Verzehr von bis zu fünf Steaks pro Woche begründete. Spät war zwar auch kein zweiter David Giuntoli, aber er hatte klare blaue Augen, ein energisches Kinn und in der Mitte gescheitelte, kräftige Haare, deren Farbe er als dunkelblond bezeichnete. Damit war er allerdings der einzige. Seine Nase driftete etwas nach rechts ab (er war mal zweiter Sieger in einem Zweikampf), aber das verlieh seinem Gesicht durchaus Charisma. Mit zwei Worten: Er war einigermaßen Durchschnitt.
Sein Büro war stilecht. Es befand sich in der Bergmannstraße in Kreuzberg 61, dem netten Teil des Bezirks. Am Hauseingang befand sich lediglich ein kleines Messingschild - Philip Spät, Private Ermittlungen. Ein neuer Klient stieg dann die Treppen in den zweiten Stock hinauf und sah sich dort einer Holztür mit einer Milchglasscheibe darin konfrontiert, auf der dasselbe stand wie auf dem Schild. Das Büro selbst maß ungefähr 15 qm, hatte ein großes Fenster mit Blick auf die andere Straßenseite und war durch eine zweite Milchglastür vom Vorzimmer getrennt, in dem Späts Sekretärin Effie Balconi wirtschaftete.
Als der Detektiv das Büro vor zwei Jahren bezogen hatte, hatte es den allgemeinen Hygienevorschriften entsprochen, der Geruch war wertneutral und die Möblierung geschmackvoll gewesen. Scheußlich, wahrhaftig. Es hatte einige Arbeit gekostet, aber Spät wusste, was er seinen Kunden schuldig war: Von den wurmstichigen Möbeln über die kahle Glühbirne an der Decke bis hin zu den Spinnweben (einige waren aus Zuckerwatte) stimmte nun alles. Den Schreibtisch hatte er vom Sperrmüll recycelt, ebenso wie den Besucherstuhl. Seinen eigenen Stuhl, einen wunderbaren Chefsessel aus schwarzem Leder, mit fünf Rollen und stufenverstellbarer Wippe, hatte er allerdings extra aus München importiert. Er war der Meinung, er müsse Autorität ausstrahlen. Ansonsten hatte Spät die Wände mit Zeitungsausschnitten über seine Fälle geschmückt, das war seine Antwort auf die Diplome an den Wänden der Ärzte. Und es zahlte sich aus. Spät hatte sich mit der Zeit einen durchaus respektablen Kundenkreis sowie ein gewisses Ansehen erarbeitet, war ein paarmal in den Schlagzeilen gewesen und galt in Berlin inzwischen als erste Adresse bei privaten Ermittlungen.
Es war Donnerstag, 16 Uhr 15.
Die Bürotür hatte sich gerade geöffnet, und Effie Balconis Busen hatte den Raum betreten. Als er drin war, kam sie nach. Seine Sekretärin war für Spät ein Beweis: nicht nur für die Existenz Gottes, sondern ebenfalls für die natürliche Überlegenheit der Frau gegenüber dem Mann. Spät hatte sie eingestellt, als das Geschäft angefangen hatte, sich zu entwickeln. Er hatte erst damals realisiert, dass die Aussicht, einmal eine solche Frau beschäftigen zu können, ihm bei seiner Entscheidung, Detektiv zu werden, sehr geholfen hatte. Und als sie vor ihm gestanden hatte, so mollig und üppig, mit dem schwarzen, lockigen Haar um dem runden Gesicht mit den grünen Kulleraugen, hatte sein Leben endlich ein Ziel, und es hatte mit ihr, zwei Wochen Sonderurlaub und einer Menge Kondomen zu tun. Inzwischen war ein Jahr vergangen, und er wusste noch nicht einmal, welche Farbe ihr Lieblings-BH hatte. Wie gesagt, er war kein Humphrey Bogart. Und kein David Giuntoli. Er war trotzdem zufrieden, kaum zu glauben.
„Dein nächster Termin ist da, Philip“, meldete Effie gelangweilt. „Frau Ostkamp. Wann krieg ich endlich ‘ne Sprechanlage?“
„Später. Zuerst kümmer ich mich um die Klientin. Dann um deine oralen Bedürfnisse.“
Wenn Spät gut aufgelegt war, machte er immer schlechte Witze. Extrem schlechte. Manche Witze waren als solche gar nicht mehr erkennbar. Er hatte als Kind viel deutsche TV-Comedy gesehen, das prägte.
Effie belächelte geringschätzig Späts letzten Satz.
„Fein, aber benimm dich. Ich will nicht schon wieder die Sittenpolizei hier haben.“
Ein einziges Mal! Und das ist ewig her! grummelte Spät in Gedanken. Er war zwei Sekunden lang eingeschnappt, aber dann brachte Effie ihn beim Rausgehen mit dem Anblick ihrer wackelnden Rückseite zum Schweigen. Er rückte seine Krawatte und Brille zurecht, entschloss sich dann, die Brille abzusetzen und versuchte, wie ein professioneller Ermittler auszusehen. Das führte dazu, dass die eintretende Person vor Schreck fast der Schlag traf. Der Detektiv hörte eine etwas unsichere, aber sehr aparte Stimme:
„Herr Spät? Guten Tag.“
Spät entschied sich, die Brille wieder aufzusetzen, weil er das Gefühl hatte, es könnte sich lohnen. Er hatte recht. Sie war groß und von schlanker, anmutiger Erscheinung, die nirgendwo harte Kanten aufwies. Sie hielt sich sehr gerade, hatte lange Beine und feingliedrige Hände und Füße. Ihre Kleidung, die zweifellos nicht von Woolworth war, zeigte zwei verschiedene blaue Farbtöne, passend zu ihrer Augenfarbe ausgesucht, die war nämlich grün. Die unter ihrem blauen Hut hervorquellenden Haarlocken waren weder blond noch rot, was Spät enttäuschte, wenn er sich auch nicht erklären konnte, warum. Er schätzte sie auf etwa dreißig.
Ihr 'Guten Tag' war kein Gruß, sondern eine Feststellung. Der Detektiv erhob sich und reichte artig sein Patschhändchen rüber.
„Schönen guten Tag, Frau... ähm...“
„Ostkamp. Birgit Ostkamp. Darf ich mich setzen?“
Zuerst musste Spät den Birgit-Schlag verdauen - er hasste diesen Namen - und sich dann daran erinnern, was Höflichkeit war. Und so sagte er schließlich nicht Nein, hängen Sie sich mit dem Kopf nach unten an der Glühbirne auf, sondern: „Aber natürlich, fläzen Sie sich ins Fauteuil!“
Diesen Satz nun musste Birgit Ostkamp erstmal verdauen. Dann nahm sie in dem kleinen Sessel vor dem Schreibtisch Platz, hinter dem Spät saß.
Spät zeigte sein liebreizendstes Lächeln.
„Also, was wackelt?“
„Wie bitte?“
Auch die schönsten Augen können einen unangenehm anblicken. Der Detektiv beschloss, sich etwas zu benehmen. Die wenigsten seiner Klienten kamen aus der Oberschicht. Das lag möglicherweise daran, dass die Oberschicht in Berlin vergleichsweise zahlarm war.
„Was kann ich für Sie tun, Frau Ostkamp?“
Unter seinem nunmehr gutmütigen Gesichtsausdruck fing sich die Dame schnell, dennoch blieb eine gewisse Konsterniertheit.
„Es ist... ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll. Ich war noch nie bei einem Detektiv.“
„Am besten fangen Sie damit an, mir zu erzählen, wer Sie sind.“
„Gut. In Ordnung. Nun, ich bin eine von zwei Töchtern des verstorbenen Otto Wunderlich. Sie wissen, wer das war?“
Spät kramte kurz in seinem Gedächtnis rum.
„Natürlich. Der Besitzer von Wunder-Stahl, dem drittgrößten deutschen Stahlunternehmen. Stahlreich, könnte man sagen.“ Spät fand, dass er heute sehr geistreich war.
„Ja. Jedenfalls haben wir, also ich und meine Schwester, die Firma vor drei Jahren geerbt und sie verkauft. Ich habe dann geheiratet, meinen Mann Hans-Peter Ostkamp. Auch meine Schwester war verheiratet, aber sie ist leider an den Falschen geraten. Ihr Mann hat das Geld verspekuliert und sich mit dem Rest aus dem Staub gemacht. Seitdem unterstütze ich sie.“
„Und was macht Ihr Mann?“
Entweder sie lässt ihn gar nicht aus dem Haus oder er schreibt Gedichte.
„Er schreibt Gedichte. Er ist wirklich ein Poet.“
Gleich wird sie verlangen, ich soll ihn umlegen.
„Ist er der Grund, weswegen Sie hier sind?“
Birgit Ostkamp sah ihn erstaunt an.
„Aber nein, wie kommen Sie darauf?“
„Entschuldigung. Sprechen Sie weiter.“
Mist. Das wär‘ echt geil gewesen.
„Also - der Grund, warum ich hier bin, ist der, dass ich... wie soll ich sagen... mir Sorgen mache.“
Das würde ich auch.
„Naja, vielleicht lernt er ja noch irgendeinen Beruf. Lassen Sie ihm Zeit.“
„Wovon reden Sie eigentlich?“
Ich sollte vielleicht doch mal meine Klappe halten.
„Weswegen machen Sie sich Sorgen, Frau Ostkamp?“
„Es geht dabei nicht um meinen Mann. Es geht um eine... Freundin von mir. Es könnte sein, dass jemand in zwei Tagen versucht, sie umzubringen.“
Späts Sesselwippe tat ihren Dienst.
Spät wippte wieder nach vorne und ließ seine Gesichtszüge einrasten. Er richtete einen Blick, den er für stählern hielt, auf die Frau gegenüber, die nervös und unsicher ihre Beine umschlug. Dieser Anblick stimmte ihn ruhig.
„Ähem. Wie meinten Sie gerade?“
Birgit Ostkamp lächelte scheu.
„Ich kann es Ihnen nicht erklären, Herr Spät. Das, was ich gehört habe, lässt alle möglichen Schlussfolgerungen zu. Es ist viel wahrscheinlicher, dass es sich dabei nur um einen Scherz handelt oder irgendwas anderes. Ich bin noch nicht einmal sicher, dass es um meine Freundin geht. Deshalb kann ich auch nicht zur Polizei damit, verstehen Sie?“
Nein, aber was soll’s. Ich hab ja auch die Spielregeln von Grand Theft Auto nicht verstanden, und hatte trotzdem meinen Spaß.
„Was davon können Sie mir noch sagen?“
„Nur ganz wenig. Am Wochenende geben mein Mann und ich einen kleinen Gesellschaftsabend in unserem Penthouse. An diesem Abend wird auch meine Freundin da sein. Und außer ihr...“
Moment. Ich glaube, das kapier ich.
„Außer ihr der- oder diejenige, die Sie verdächtigen?“
„Ja, genau. Und nach dem, was ich gehört habe, wäre der Mord, wenn überhaupt, an diesem Abend geplant.“
„Warum sagen Sie Ihrer Freundin nicht einfach Bescheid?“
„Oh, das habe ich. Wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit, sie sollte mich nicht schon wieder für verrückt halten. Es hat nichts genützt.“
Stop.
Spät rückte vorsichtshalber etwas zurück. Seit einem Vorfall mit einem Klienten, der sein Arbeitsgerät mitgebracht - er war Metzger - und dann einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, wahrte er immer gerne etwas Distanz.
„Was meinen Sie mit 'schon wieder'?“
Die Ostkamp senkte den Blick auf das alte Linoleum.
„Ich hatte nach dem Tod meines Vaters gewisse schizophrene Schübe. Paranoia. Verfolgungswahn. Ich kann jetzt ganz offen darüber sprechen. Aber ich weiß, dass alle denken würden, ich wäre wieder rückfällig, wenn ich solche Geschichten erzählen würde.“
Ach Gott, was für ein absurder Gedanke. Aber was soll’s. Wenigstens hat sie niemanden mit einem Beil verhackstückt. Oder?
„Übrigens, Frau Ostkamp, kamen Sie während Ihrer Krankheit jemals in engeren Kontakt mit... der Mordkommission?“
Birgit Ostkamp sah erschrocken hoch. Aber ihre Antwort kam dann sehr ruhig.
„Ich habe niemanden mit einem Beil verhackstückt, falls Sie das wissen wollen.“
„Aber wo denken Sie hin?“ Puhh. „Ich wollte nur wissen, ob Sie schon mal etwas ähnliches erlebt haben und es sich als Missverständnis herausgestellt hat.“
Geniale Ablenke, Philip. Mein Gott, bist Du gut.
„Nein.“
„Nein?“
„Nein.“
„Nein?“
„Nein.“
„Nein?“
„Na gut, dreimal“, seufzte sie. „Aber damals war ich ja auch krank.“
„Okay. Aber bitte sagen Sie mir so etwas demnächst gleich.“
„Entschuldigen Sie.“
„Schon gut. Können Sie den Täterkreis für mich etwas einengen? Nach Ihrer Ansicht müsste es ja jemand von den Gästen ihrer Party sein.“
Die ungewöhnlich affektierte Art, in der die Frau ihre braunen Haare zurückwarf, machte Spät leicht wütend.
„Es ist keine Party, sondern ein Gesellschaftsabend.“
„Wo ist der Unterschied?“
„Kein Massenbesäufnis und kein Partnertausch.“
„Oh.“
„Es ist jemand von dem Gesellschaftsabend. Ich weiß nur einen Namen sicher, aber bitte fragen Sie mich nicht nach ihm. Wenn es sich als Irrtum herausstellt, könnte ich nicht mehr in den Spiegel sehen.“
„In Ordnung. Die meisten meiner Klienten sind noch weniger gesprächig. Aber was genau soll ich nun tun?“
„Ich möchte, dass Sie an dem Gesellschaftsabend teilnehmen und auf alles ein Auge haben.“
„Sie meinen, ich soll alle Gäste am Eingang durchsuchen und die Speisen vorprobieren?“
Zum ersten Mal lachte Birgit Ostkamp. Spät achtete dabei genau auf etwaige hysterische Krächzlaute zwischen den Intervallen, aber ihr Lachen klang absolut munter und natürlich und dauerte exakt sechs Sekunden.
„Herr Spät, natürlich nicht. Aber ich möchte einfach wissen, dass jemand im Falle eines Falles da ist und seine Augen aufhält. Jemand, der sich mit solchen Dingen auskennt und der schnell reagiert. Und was das angeht, habe ich von Ihnen nur Gutes gehört.“
Fllluuuuutsch - glitt dieser Satz Späts Rücken runter. Er fühlte sich auf einmal sehr wohl.
„Okay, Sie haben mich.“
Nette Frau. So frisch und offen, überhaupt nicht affektiert.
Die Ostkamp strahlte wie Tschernobyl im übertragenen Sinne. Sie vereinbarten, dass Spät am Samstagabend mit einer Begleiterin erscheinen würde. Er bekam von ihr eine Gästeliste und einen Scheck über ein generöses Honorar. Spät strahlte wie der Castor von Gorleben. Im übertragenen Sinne.
Als die neue Klientin gegangen war, setzte Spät einen möglichst geschäftsmäßigen Ausdruck auf sein sehr nervöses Antlitz und ging ins Vorzimmer. Hier befand sich das Refugium von Effie Balconi. Sie saß an ihrem kleinen Schreibtisch mit dem Telefon, dem Computer und ihrem kleinen Karteikasten, dessen Zweck Spät selbst nicht ganz klar war. Er hatte einmal gewagt, hineinzuschauen, aber er war daraus nicht schlau geworden. Außerdem war er sofort von ihr erwischt worden, und sie hatte gleich angefangen, ihn zum Ferkel zu machen mit Sprüchen wie 'Hätte ich dir doch nie ‘nen eigenen Schlüssel gegeben!'. Eigentlich waren doch alle Akten im Schrank an der Wand gegenüber, und als Telefonverzeichnis diente die Computerkartei. Spät hatte den Verdacht, dass die Karten gar nichts mit Effies Job zu tun hatten. Noch wahrscheinlicher war aber, dass sie ihn damit nur ärgern wollte.
Jetzt saß die üppige Sekretärin am Schreibtisch und legte eine neue Akte für Birgit Ostkamp an. Spät baute sich vor ihr auf.
„Effie, am Samstag gehen wir beide zusammen auf eine Party.“
Effie Balconi blickte Spät ruhig ins Gesicht, das sich langsam aufzulösen schien. Sie wartete, bis es jede Art von Selbstbewusstsein verloren hatte. Spät machte es wütend, dass er Frauen gegenüber so unbeholfen war. Das passte nicht in sein Bild eines coolen, abgeklärten Privatdetektivs. Wenn er wenigstens rauchen und saufen würde, wäre das ja nicht so schlimm gewesen. Aber seine Bronchien vertrugen den Qualm nicht, und von Bier hasste er schon den Geruch.
„Es ist ein Auftrag. Ich soll eine Party überwachen und brauche eine Begleitung. Bist du einverstanden?“
Warum frage ich sie eigentlich? Habe ich solche Sehnsucht nach ‘ner Abfuhr?
Effie lächelte Spät an, wie sie das bisher selten getan hatte. Und jedes Mal hatte er daraufhin ihr Gehalt erhöht.
„Ich komme gerne mit.“
Was? „Was?“
„Natürlich. Das betrachte ich als Teil meines Jobs.“
„Oh. Na, wundervoll, ich...“
„Natürlich bekomme ich es als Überstunden bezahlt. Und Geld für ein passendes Kleid kriege ich ebenfalls.“
Ichbringsieumichbringsieumichbringsieum.
„Okay. Schreib mir ‘ne Rechnung. Aber vorher versuch bitte, Peter Tollhaus an die Strippe zu kriegen.“
„Alles klar“, antwortete Effie zuckersüß.
Peter Tollhaus war Kriminalkommissar. Er war korrekt, kooperativ und unglaublich doof. Von Späts Standpunkt als Privatdetektiv aus war Tollhaus der ideale Polizist. Schwankend zwischen Wut und verhaltener Freude schwankte Spät zurück in sein Büro, und nach drei Minuten stellte Effie das Gespräch durch. Tollhaus meldete sich gleich.
„Hallo, Philip. Was gibt’s denn?“
Spät konnte deutlich Kaugeräusche hören. Tollhaus stopfte sich ständig mit Donuts voll, es war ein ziemlich ekliger Anblick.
„Hallo, Peter. Ich habe da eine neue Klientin und wollte dich fragen, ob Du was über sie hast. Sie heißt Birgit Ostkamp.“
Eine Minute lang konnte Spät nichts verstehen außer der Tatsache, dass offenhörbar ein Stück Krapfen in Peter Tollhaus’ Luftröhre gerutscht war. Als er sich wieder beruhigt hatte, lachte der Polizist.
„Da brauche ich gar nicht nachzusehen. Die Frau heißt bei uns nur die verfolgte Irre.“
„Was ist denn mit ihr?“
„Sie war insgesamt dreimal bei uns, und jedes Mal hat sie geglaubt, dass irgendeiner irgendwen schrägmachen wollte. Das hat immer in unsagbar peinlichen Situationen und einem Verleumdungsprozess geendet. Die hat nicht alle Kerzen im Christbaum, Philip! Lass dich nicht mit der ein, das bringt gar nichts.“
Oh doch. Es bringt eine Menge Geld.
„Okay. Danke, Peter. Grüß deine Frau.“
„Ich bin nicht verheiratet.“
„Keine Einzelheiten. Grüß sie einfach.“
Auf einmal hatte Spät Angst.
Was, wenn diese Frau wahnsinnig war und nur auf die richtige Gelegenheit wartete, ein Kettensägenmassaker anzurichten? Was, wenn tatsächlich ein Mord geschah und er selbst das Opfer war? Was, wenn Effie an dem Abend einen tiefen Ausschnitt trug?