Patricia Peacock und das Phantom in der Oper - Tiffany Crockham - E-Book

Patricia Peacock und das Phantom in der Oper E-Book

Tiffany Crockham

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Ein geheimnisvolles Phantom stellt einer exzentrischen Operndiva nach. Patricia und John finden sich in ihrem vierten Abenteuer unfreiwillig zwischen Pauken und Trompeten wieder. Unverhoffte Berühmheit kann anstrengend sein. Das müssen auch John und Patricia erfahren, als die Fangemeinde von Miss Crockhams jüngst erschienenem Roman ihr Heim belagert. Um eine Weile unterzutauchen, lassen die beiden sich von Freundin Walli in die Oper von Kairo einschleusen. Dort finden sie sich mit der unmöglichen Aufgabe betraut, die berühmte Operndiva Brunella Carvalotti zu beschützen. Diese tyrannisiert das gesamte Ensemble und bemerkt dabei nicht, dass irgendjemand ihr nach dem Leben trachtet.

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Tiffany Crockham

Patricia Peacock und das Phantom in der Oper

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Über dieses Ebook

 

Unverhoffte Berühmheit kann anstrengend sein. Das müssen auch John und Patricia erfahren, als die Fangemeinde von Miss Crockhams jüngst erschienenem Roman ihr Heim belagert. Um eine Weile unterzutauchen, lassen die beiden sich von Freundin Walli in die Oper von Kairo einschleusen. Dort finden sie sich mit der unmöglichen Aufgabe betraut, die berühmte Operndiva Brunella Carvalotti zu beschützen. Diese tyrannisiert das gesamte Ensemble und bemerkt dabei nicht, dass irgendjemand ihr nach dem Leben trachtet.

Impressum

 

Erstausgabe Mai 2022

Copyright © 2021 Tiffany Crockham

[email protected]

Birgit Schneider

Zanderstraße 2a

47058 Duisburg

 

Covergestaltung: A&K Buchcover

unter Verwendung von Motiven von

shutterstock.com: © Zbigniew Guzowski © Butterfly Hunter

depositphotos.com: © SergeyNivens © lifeonwhite © mcgphoto

© PNGTree

Lektorat: „Taltexte“ Manuela Sanne

www.taltexte.de

 

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegen werden.

 

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden.

Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

 

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T I F F A N Y

C R O C K H A M

 

 

 

 

 

1. Alles schöne endet

Der Tag war wunderbar sonnig und dabei doch angenehm kühl für Kairoer Verhältnisse. Es ging ein lauer Wind, der ausnahmsweise keinen Wüstensand mit sich trug. Dieser setzte sich an gewöhnlichen Tagen wahlweise in die Falten der Kleidung oder noch schlimmer – es knirschte bei jedem Biss in ein Kuchenstück oder ein Teegebäck zwischen den Zähnen. Doch nicht heute – der Tag war in jeglicher Hinsicht ereignislos, was sich anbahnende Katastrophen oder Unannehmlichkeiten betraf, und damit ganz nach Patricias Geschmack.

Gut gelaunt hatte sich Patricia bei Walli untergehakt, während John und Huddi ein paar Schritte hinter ihnen gingen und sich unterhielten – worüber, wollte Patricia lieber nicht wissen. Es hätte vielleicht dazu beigetragen, diesen Tag zu trüben, und das galt es unbedingt zu verhindern. Sir Tiny war mit Abdul in Kairo unterwegs, sodass auch von dieser Seite keine Katastrophen zu befürchten waren. Zwar führte Huddi Rupert an der Leine, aber zum Glück hatte dieser das tollpatschige Geschick seines Vaters nicht geerbt. Rupert stürzte Walli und Huddi in weitaus weniger peinliche Situationen, als Sir Tiny es mit Patricia und John tat. Denn eigentlich, musste Patricia zugeben, war es schon eine ganze Weile ruhig geblieben. John ging seiner Arbeit in der Detektei nach und spürte mit Sir Tinys Hilfe verschwundene Haustiere auf. Die Branche war fast so krisensicher wie Beerdigungen, und Johns Murren darüber, dass er lieber ein richtiger Detektiv gewesen wäre, anstatt entlaufene Haustiere zu suchen, war nahezu verstummt. Letztendlich hatte er sich in sein Schicksal ergeben – zumal es sich als lukrativ herausstellte. Sogar mit Miss Kitty hatte John Frieden geschlossen, was wiederum dazu geführt hatte, dass auch John und Fatima sich besser verstanden. Natürlich gab es hier und da gegenseitige Sticheleien, aber insgesamt herrschte bereits seit mehreren Monaten ein angenehmer Frieden im Haus. Hatte Patricia anfangs noch an ihrer Ehe gezweifelt, war sie mittlerweile davon überzeugt, dass sie und John trotz ihrer charakterlichen Unterschiede füreinander bestimmt waren.

„Oh, Liebes … sehen Sie nur. Der Gewürzhändler hat frische Kräuter. Ich habe Trudi versprochen, dass ich ihr Baldrian mitbringe. Sie sagt, dass Gracie ein wenig unruhig ist – jetzt da die Geburt näher rückt.“

Gemeinsam mit Walli steuerte Patricia den Stand des Gewürzhändlers an, wobei sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Ihr Plan, die Baronetess Ermintrude Blooming-Broomfield und Alexine Pattes du Monde freundschaftlich zu verkuppeln, war erfolgreicher gewesen, als Patricia vermutet hatte. Nach dem Tod von Ermintrudes Gatten Sir Charles und ihres geliebten Hündchens Filou hatte es nur wenige Wochen gebraucht, bis die Baronetess in Alexines palastartiges Anwesen gezogen und von einer überzeugten Hundemutter zur Katzennärrin mutiert war. Mittlerweile kümmerten sich Alexine und Ermintrude gemeinsam um Gracie und ihren angetrauten Kater Khufu. Patricia nahm an, dass der Baldrian wohl eher für Alexine und die Baronetess bestimmt war. Die beiden waren so aufgeregt, als erwarteten sie selbst Nachwuchs und nicht die Katzen. Aber insgeheim freute sich Patricia für die vormals einsamen Frauen. Wer konnte behaupten, dass Familie nur nach konventionellen Maßstäben funktionierte? Sie selbst war eines Besseren belehrt worden.

„Ist das dort drüben neben dem Tuchhändler nicht Artus Culpepper?“, meldete sich Huddi hinter ihnen zu Wort.

Patricia, Walli und John folgten Huddis Fingerzeig. Patricia erinnerte sich an den altgedienten Militär a. D., der Walli in weinseliger Laune ausgerechnet auf ihrer Goldenen Hochzeit den Hof gemacht hatte. Anscheinend war Huddis Groll darüber verflogen, denn er winkte Artus Culpepper zu, der Huddi ebenfalls entdeckte und mit zackigem Gang auf sie zukam.

„Er sieht verändert aus … fast schnittig und aufgeblüht wie eine Blume“, raunte Walli Patricia ins Ohr.

Obwohl Patricia Artus Culpepper nur in Schlangenlinien laufend erlebt hatte, musste sie zugeben, dass Walli recht hatte. General Marshal Artus Culpepper wich gekonnt einem Eimer Wasser aus, den ein Mann vor seinen Füßen ausleerte und sprang danach über einen dampfenden Haufen Kameldung. Vielleicht, so sinnierte Patricia, während sie General Marshal Culpepper bei seinem Hindernisparcours über den Basar beobachtete, wäre die Bezeichnung wie ein junger Hirsch passender gewesen. An eine Blume erinnerte sie der rüstige Pensionär nun nicht gerade.

„Huddi, alter Freund“, rief Arthur Culpepper überschwänglich. „Ich habe gehört, dass ihr jetzt fast das gesamte Jahr in Kairo lebt.“

„Und was ist mit dir? Warum hast du uns nicht geschrieben, dass du wieder in Kairo bist, Artus?“, wollte Huddi wissen.

„Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, alter Freund.“ Er hob seine Hand und zeigte stolz einen goldenen Ehering. „Meine frisch Angetraute und ich waren auf Hochzeitsreise in Amerika. Ein unfassbares Land. Wir sind erst vor zwei Tagen nach Kairo zurückgekehrt.“

„Dann darf man dir also gratulieren.“ Huddi schlug nach Militärmanier die Hacken zusammen, während Walli, Patricia und John sich damit begnügten, dem General förmlich zu gratulieren.

„Wenn das so ist, müssen wir dich und deine Gattin zu einem Dinner in unser neues Haus einladen“, schlug Huddi vor und Walli stimmte zu. „Unbedingt!“

„Meine Angetraute und ich kommen natürlich sehr gerne.“ Artus Culpepper deutete eine Verbeugung alter Schule an.

Walli sah sich um. „Aber wo ist Lady Culpepper? Ich würde sie zu gerne kennenlernen.“

Artus strahlte über das ganze Gesicht. „Ihr kennt sie bereits. Wartet einen Augenblick. Meine liebe Frau wollte sich Federn für einen neuen Hut kaufen. Ich gehe sie suchen.“

Artus verschwand im Gedränge des Basars.

„Wer hätte gedacht, dass der gute alte Artus noch mal heiratet?“ Huddi zwirbelte gedankenverloren seinen Schnurrbart.

„Wer mag wohl die neue Lady Culpepper sein? Artus sagte, dass wir sie kennen“, sinnierte Walli. „Ich hoffe, seine Wahl ist dieses Mal durchdachter als in seinen vorherigen Ehen. Der arme Artus hatte, was das anging, nie ein glückliches Händchen.“

John zuckte die Schultern – ein Zeichen dafür, dass die Spekulationen über die neue Lady Culpepper ihn wenig interessierten und er lieber weitergegangen wäre.

Patricia wollte ihm gerade einen ermahnenden Blick zuwerfen, weil man ihm seine Gedanken wie immer im Gesicht ablesen konnte, da fiel ihr Blick auf ein frisch getrimmtes Hundefell. Zunächst glaubte sie, sie müsse sich irren – wenn sie es nicht besser gewusst hätte. Der Pudel, der auf sie zustolziert kam, hatte pastellfarbenes rosa Fell. Soweit Patricia wusste, war dies keine natürliche Fellfarbe für Hunde. Sie wollte sich einreden, dass es nicht sein konnte, doch dem rosafarbenen Albtraum folgte auf der Pfote ihre ehemalige Arbeitgeberin Lady Blanford. Aufgetakelt und ausstaffiert mit viel zu viel Schmuck … und wenn Patricia sich nicht täuschte, mit einem Stich von Rosa in der akkurat gelegten Wasserwelle. „Princess! Nicht so schnell … Contenance, meine Liebe. Du bist keine Promenadenmischung von der Straße!“

„Oh, bitte … sagt mir, dass ihr nicht seht, was ich sehe“, platzte John als Erster heraus.

„Ich fürchte doch, mein Lieber“, antwortete Huddi weitaus gefasster und behielt dabei seine Gesichtszüge besser unter Kontrolle als John. An Rupert gewandt flüsterte er jedoch: „Du musst jetzt sehr stark sein, Rupert. Ich fürchte, die Dame in Rosa ist deine Mutter.“

Rupert warf Huddi einen verständnislosen Blick zu, wedelte aber sicherheitshalber erfreut mit der Rute. Immerhin das sonnige Gemüt hatte er von Sir Tiny geerbt. Nicht auszudenken, er wäre nach seiner Mutter geraten. Auch wenn Patricia in diesem Augenblick Mitleid mit der rosafarbenen Königspudeldame empfand, waren ihr Sir Tiny und Rupert hundertmal lieber als die blasierte Princess.

„Du meine Güte ...“, flüsterte Walli beim Anblick des rosa Pudel-Damengespanns. „Er hat den alten Drachen geheiratet? Der arme Artus … ich sagte ja, dass er in Liebesangelegenheiten kein glückliches Händchen hat.“

„Lady Blanford ...“, zwang sich Patricia zu einem Lächeln, als diese vor ihr stand und habichtartig auf sie herabsah.

„Lady Blandford-Culpepper“, wurde sie sogleich belehrt, und das war auch schon die einzige Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde. Lady Blanford-Culpepper übersah John gänzlich und wendete sich umgehend Walli und Huddi zu. Ein missmutiger Blick fiel auf Rupert, dann ignorierte sie auch ihn und hielt Princess an ihrem Halsband fest, obwohl Rupert und Princess sich zu gerne begrüßt hätten.

Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. John sah Patricia an, Walli begann in ihrem Handbeutel zu kramen, und Huddi zwirbelte seinen Schnauzer um den Finger – was er immer dann tat, wenn er in Verlegenheit geriet oder nicht genau wusste, was er nun tun oder sagen sollte. Einzig Artus Culpepper schien von der allgemeinen Verlegenheit nichts zu bemerken, denn er sprach gut gelaunt weiter. „Bennetta und ich nehmen gerne die Einladung zum Dinner an. Nicht wahr, Netti, Liebes?“

„Du sollst mich nicht so nennen, Artus. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?“, giftete Lady Blanford-Culpepper zurück, nur um dann ein huldvolles Lächeln in Wallis und Huddis Richtung zu senden. „Ich nehme an, Ihr Domizil in Kairo ist nicht so geräumig wie die Anwesen unserer neuen Freude aus Amerika … aber, nun ja. Heutzutage muss man genügsam sein. Wir besuchen Sie natürlich trotzdem gerne.“

Huddi räusperte sich. „Wie schön. Wie wäre es morgen Abend? Unser Butler wird die Einladung persönlich vorbeibringen.“ An Artus gewandt fügte er hinzu: „Ich nehme an, ihr logiert im Mena Hotel?“

„Natürlich … in der Kings Suite“, antwortete Lady Blanford-Culpepper anstelle ihres Gatten. Sie hakte sich bei Artus unter – ein Anblick, der auf Patricia wirkte, als nehme sie ihn an die Leine wie ihren armen Pudel. „Wir müssen uns leider verabschieden, weil wir heute noch unsere Karten für die Premiere der Oper Aida gebracht bekommen.“ Lady Blanford-Culpepper geriet ins Schwärmen. „Es ist das Ereignis der Saison. Jeder will Karten für die Premiere. La Diva Signora Brunella Carvalotti ist eine Berühmtheit und hat bereits auf allen Bühnen der Welt gesungen.“ Ihr Lächeln hatte etwas Herablassendes. „Haben Sie auch Karten für die Premierenvorstellung morgen Abend, liebe Walburga?“ Sie schüttelte entschuldigend den Kopf. „Ach, ich vergaß … die Premiere ist nur für ausgewählte Gäste. Aber wir werden Ihnen beim Dinner dann gerne erzählen, wie schön es war. Haben Sie noch einen angenehmen Tag, meine Liebe.“

Patricia konnte sehen, wie in Wallis Augen das alte Feuer der Feindschaft aufblitzte, als Artus Culpepper samt Gattin und Pudel ihrer Wege gingen. Sobald sie außer Hörweite waren, schnaubte Walli wie ein Bulle, dem man ein rotes Tuch vor das Gesicht gehalten hatte. „Dieser aufgestachelte Kaktus!“ Sie kniff die Augen zusammen, und Patricia ahnte nichts Gutes. „Patricia, John … Sie beide werden doch ebenfalls morgen zum Dinner kommen?“

„Oh, also eigentlich hatten wir schon etwas geplant ...“, versuchte John sich herauszureden, und ausnahmsweise war Patricia ihm dankbar für seinen Einsatz. Ein Abend mit Lady Blanford stand ganz eindeutig nicht auf der Liste der Dinge, nach denen es sie verlangte.

„Papperlapapp“, stellte Walli klar. „Natürlich kommen Sie beide. Sie möchten uns doch nicht mit dieser schrecklichen Frau allein lassen. Außerdem werden wir vorher gemeinsam die Aufführung der Aida besuchen.“

„Aber es gibt doch keine verkäuflichen Karten“, wandte John hoffnungsvoll ein. Etwas, das er noch mehr hasste als Nachmittagstee oder Dinners, war der Besuch der Oper. Auch Huddi schien nicht sonderlich erpicht darauf, denn er stimmte John zu. „Da hat er recht, Walli. Wir können uns doch eine spätere Vorstellung ansehen. In ein oder in zwei Monaten. Die Oper läuft uns doch nicht weg.“

Walli funkelte Huddi so entschlossen an, dass er sogleich verstummte. „Das hätte der alte Gänsegeier gerne. Aber was Ihre Hochgestochenheit nicht weiß: Brunella Carvalotti ist eine alte Freundin von mir. Wir haben einige Jahre zusammen an einem Schweizer Mädcheninternat verbracht.“

„Ach, tatsächlich?“, fragte Huddi wenig begeistert, jedoch angemessen überrascht.

„Oh, ja … wir waren seinerzeit sogar recht eng befreundet, haben uns jedoch aus den Augen verloren, als wir das Internat verließen. Ich habe geheiratet, aber für Brunella war die Ehe nichts. Sie hatte schon immer einen eigenen Kopf und eine starke Persönlichkeit. Natürlich habe ich Brunellas Karriere an den Opernbühnen der Welt verfolgt. Ihre Familie war strikt dagegen. Man stelle sich vor: Eine Tochter aus gutem Hause verdient ihren Lebensunterhalt als Opernsängerin! Sie hätten es viel lieber gesehen, dass Brunella standesgemäß heiratet. Doch Brunella setzte sich durch und ihre Stimme öffnete ihr schnell jede Tür in die Welt der Musik. Schon im Internat stach sie im Gesangsunterricht unter uns allen hervor.“ Walli schwelgte in Erinnerungen, während John immer unglücklicher wirkte.

„Ich werde Brunella besuchen und sie bitten, uns vier Karten zu reservieren – Logenplätze natürlich. Ich bin sicher, sie wird nicht ablehnen.“ Walli rieb sich die Hände. „Ich freue mich schon auf das Gesicht von Lady Blanford-Culpepper, wenn ich ihr beim Dinner eröffne, dass wir die Premierenvorstellung von den besten Plätzen aus verfolgt haben.“

Walli wirkte mit ihrem Plan äußerst zufrieden. „Es gibt viel vorzubereiten, und es tut mir leid, dass wir in Anbetracht der neuen Umstände unseren Nachmittag in Kairo früher beenden müssen. Aber ich muss Brunella sofort einen Besuch abstatten.“ Sie bedachte Patricia mit einem entschuldigenden Lächeln. „Ich schicke Ihnen unseren Hausdiener heute Abend vorbei. Er wird die Einladung zum Dinner und die Karten für die Oper bringen.“

Mit diesen Worten hakte sich Walli bei Huddi unter, der entschuldigend mit den Schultern zuckte. Dann marschieren beide mit strammen Schritten davon.

Patricia und John seufzten einvernehmlich, als sie allein waren.

„Womit haben wir das nur verdient?“, beklagte sich John, während Patricia die Aussicht auf den Besuch der Oper ein wenig mit dem Dinner danach versöhnte. Im Gegensatz zu John mochte sie die Oper, und besonders die Aida war eine ihrer Favoriten.

Allerdings bereitete ihr etwas anderes am Auftauchen von Lady Blanford Unbehagen. Patricia konnte nur nicht fassen, was es war. Natürlich war allein die Tatsache, dass Lady Blanford nach einer angenehm ruhigen Saison wieder in Kairo weilte, ein Grund zur Beunruhigung. Doch es war etwas anderes, das sie irritierte. Patricia kam es so vor, als fehle irgendetwas. Erst, als John und sie ein paar Schritte gegangen waren, überkam sie die Erkenntnis und sie blieb stehen.

„John … wenn Lady Blanford wieder geheiratet hat, wo ist dann Salima? Eine verheiratete Frau bedarf der Dienste einer Gesellschafterin nicht länger; und ich bezweifle, dass Salima die beiden auf ihrer Hochzeitsreise begleitet hat.“

John zuckte die Schultern. „Nun, ich nehme an, Salima ist mit den beiden nach Kairo zurückgekehrt, und wir werden schon bald von ihr hören.“

Patricia war nicht so zuversichtlich wie John, was das anging. Was Salima unter keinen Umständen anstrebte, war ein Leben als Hausangestellte. Fatimas Tochter besaß höhere Ambitionen. „Ich werde Lady Blanford morgen beim Dinner nach Salima fragen müssen. Fatima wird erfahren, dass Lady Blanford in Kairo ist und wieder geheiratet hat. Sie wird uns fragen, wo ihre Tochter ist.“

„Hm ...“, stimmte John ihr zu. „Ich bin trotzdem sicher, bis morgen hat Salima sich längst bei Fatima gemeldet.“

„Deine Zuversicht würde ich gerne teilen“, antwortete Patricia. Eines stand fest: Fatima wäre in hellem Aufruhr, wenn Salima nicht mit Lady Blanford nach Kairo zurückgekehrt war; und eine missgelaunte Fatima war unerträglicher als ein Wüstensturm und ein Monsun, die aufeinandertrafen.

„Wir sollten auch nach Hause gehen, Darling“, schlug John vor. „Ich fürchte, der Nachmittag hat mit dem Auftauchen von Artus Culpepper und seiner frisch Angetrauten ein jähes Ende gefunden.“

Patricia stimmte John zu. An einen entspannten Nachmittag war nicht mehr zu denken. Sie machten sich zurück auf den Weg zum Maybach und zu Abdul, die am Rand des Basars auf sie warteten. Es war ohnehin fast vier Uhr und damit Zeit für den Nachmittagstee.

Sir Tiny sprang aus dem Automobil und begrüßte sie schwanzwedelnd, als er sie entdeckte. Wie immer tat die Dogge so, als wären sie nicht zwei Stunden, sondern zwei Wochen getrennt gewesen. Abdul strahlte über das ganze Gesicht und rückte seinen Turban zurecht, während Patricia sich auf der Rückbank des Automobils einrichtete. Wenn Abdul am Steuer des Maybach saß, empfahl es sich, einen leeren Magen zu haben. Patricia war froh, auf einen Lunch verzichtet zu haben. Abduls Fahrkünste hatten sich seit ihrer ersten katastrophalen Fahrt nach dem Tod ihres Vaters kaum verbessert. Unaufgefordert drückte er ihr ein in Papier gewickeltes Päckchen in die Hand. „Das lag für Sie beim Postamt, Memsahib.“

„Für mich?“ Patricia erwartete keine Post, zumal sie auch niemanden außerhalb von Kairo kannte, der ihr etwas hätte zusenden wollen. Ratlos betrachtete sie das Päckchen, drehte es herum und schüttelte es. Es gab keinen Adressaten, nur einen Poststempel aus England.

„Was ist das, Darling? Das obszöne Geschenk eines heimlichen Verehrers?“

„John!“, wies sie ihn zurecht, woraufhin er grinste. Er liebte es nach wie vor, sie in Verlegenheit zu bringen.

Da Johns Neugierde der einer Bergziege gleichkam und damit ihre eigene um ein Vielfaches übertraf, wartete Patricia nicht, bis sie zu Hause waren, und befreite das Päckchen vom Papier. Kurze Zeit später hielt sie ein Buch in der Hand.

In großen goldenen Prägebuchstaben stand der Name Tiffany Crockham auf dem Einband, darunter las sie überraschend ihren eigenen Namen – Patricia Peacock. Als sie das Buch öffnete, fiel Patricia eine Karte in die Hände.

 

Werteste Miss Peacock,

 

ich hoffe, das Belegexemplar meines neuen Buches erreicht Sie und Mr. Maddock bei bester Gesundheit. Ich hoffe ebenfalls, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Sie zur Hauptperson meines neuen Romans erkoren habe. Die Zeit in Kairo hat mir so interessante und bleibende Einblicke ermöglicht. Dafür möchte ich Ihnen allen noch einmal herzlichst danken.

 

Mit vorzüglichster Hochachtung verbleibend

Ihre Tiffany Crockham

 

„Miss Crockham hat uns tatsächlich zu Personen in ihrem neuen Buch gemacht.“ Patricia überreichte John das in Leder gebundene Buch, der es eingehend inspizierte. „Und wie es scheint, hat sie dich gleich zur Hauptperson erkoren, Darling.“ Er grinste. „Was wohl Lady Blanford-Culpepper dazu sagt, wenn sie davon erfährt?“

„Also ich werde es ihr ganz bestimmt nicht sagen“, wehrte Patricia ab. „Wir werden kein Wort darüber beim Dinner verlieren.“ Schlimm genug, dass sie den Abend mit ihrer alten Arbeitgeberin irgendwie überstehen musste und zudem Lady Blanford nach Salima fragen. Ein Streit über ein Buch war dabei unter allen Umständen zu vermeiden.

Patricia drückte das Buch an ihre Brust und konnte sich dabei eines unguten Gefühls nicht erwehren. Sie erinnerte sich an eine Binsenweisheit, die ihre Mutter ihr immer wieder vorgehalten gehalten hatte, wenn Patricia als Kind zu übermütig geworden war. Alles Schöne endet! Patricia hatte sich öfter in ihrem Leben an die Worte der Mutter erinnert – und just in diesem Augenblick fielen sie ihr erneut ein.