Perfect Gentlemen - Ein Bodyguard für gewisse Stunden - Lexi Blake - E-Book
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Perfect Gentlemen - Ein Bodyguard für gewisse Stunden E-Book

Lexi Blake

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Beschreibung

ATTRAKTIV, MÄCHTIG UND ERFOLGREICH - DIE PERFECT GENTLEMEN

Auf der Suche nach dem Mörder ihres Freundes kommen die Perfect Gentlemen einer ungeheuerlichen Verschwörung auf die Spur. Mittendrin steckt Senatorentochter Lara Armstrong, die in Kontakt zu den Drahtziehern zu stehen scheint und Morddrohungen erhält. Kurzentschlossen nimmt der geheimnisvollste der Perfect Gentlemen, CIA-Agent Connor Sparks, die Sache selbst in die Hand und heuert bei der eigenwilligen Lara als Bodyguard an. Obwohl sie für ihn nur Mittel zum Zweck sein sollte, kann Connor die leidenschaftlichen Gefühle, die die elfenhafte Lara in ihm auslöst, nicht lange leugnen ...

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Seitenzahl: 670

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungProlog1234567891011121314151617DanksagungDie AutorinnenLeseprobeImpressum

SHAYLA BLACKLEXI BLAKE

Perfect Gentlemen

Ein Bodyguard für gewisse Stunden

Roman

Ins Deutsche übertragen von Nele Quegwer und Sophie Wölbling

Zu diesem Buch

Als CIA-Agent hat Connor Sparks die dunkelsten Abgründe gesehen und glaubt nicht mehr an das Gute in der Welt. Nur den Perfect Gentlemen, den Männern, die für ihn wie Brüder sind, vertraut er blind. Als einer von ihnen ermordet wird, kommen die restlichen Freunde bei der Suche nach dem Täter einer Verschwörung ungeahnten Ausmaßes auf die Spur. Mittendrin steckt die eigenwillige Senatorentochter Lara Armstrong. Wegen ihrer Webseite »Capitol Scandals«, die mit kompromittierenden Geschichten aus der Politik Schlagzeilen macht, erhält sie Morddrohungen. Gleichzeitig scheint sie es darauf angelegt zu haben, den Präsidenten der Vereinigten Staaten – und Mitglied der Perfect Gentlemen – zu Fall zu bringen. Um die Gefahr für den mächtigsten Mann der Welt abzuwenden und herauszufinden, wer Lara bedroht und ob das mit dem Tod ihres Kameraden zusammenhängt, heuert Connor als ihr Bodyguard an. Obwohl die Politikertochter für ihn eigentlich nur ein Mittel zum Zweck ist, kann er die leidenschaftlichen Gefühle, die die elfenhafte Frau in ihm auslöst, nicht lange leugnen. Doch was wird geschehen, wenn Lara die Wahrheit über ihn herausfindet?

Für Kim und die vielen Stunden, in denen sie diese fiktionale Welt unermüdlich verfolgt und dafür gesorgt hat, dass die beiden sich darin bewegenden Autorinnen sachlich korrekt geblieben sind. Einen Sack Flöhe zu hüten, wäre einfacher gewesen.

Prolog

Martha’s Vineyard

Einundzwanzig Jahre zuvor

Vom Fuß des Landungsstegs aus beobachtete Connor Sparks das wüste Gelage seiner Freunde ein Stück weiter am Strand. Würde er sich nach heute Abend je wieder wie einer von ihnen fühlen? In ein paar Tagen würde sich alles ändern, und das machte ihn fertig. Seit seinem ersten Jahr an der Creighton Academy, damals in der siebten Klasse, hatte er gewusst, dass seine Freunde von nun an tagtäglich ein Teil seines Lebens sein würden – und meistens ein ziemlich großer Teil. Seit sie auf der Privatschule Freundschaft geschlossen hatten, waren die »Perfect Gentlemen«, wie ein sarkastischer Beratungslehrer sie genannt hatte, unzertrennlich gewesen. Damals hatte Dax ihn vor ihren ersten Weihnachtsferien gefragt, was er vorhabe, was damit endete, dass er eine Einladung annahm, zwei Wochen bei den Spencers zu verbringen. Tatsächlich hatte er es geschafft, sich jahrelang in jeden Ferien bei der Familie von einem von ihnen einzuladen. Leider würde es ihm nicht vergönnt sein, dieses enge Freundschaftsding auf dem College fortzusetzen.

Was sollte er jetzt bloß tun?

Connor blickte über den Strand zu dem gewaltigen Lagerfeuer, das sein Kumpel Gabe Bond entzündet hatte. Es knackte und knisterte, und die Glut verhieß Wärme. Der Mond stand tief, und Connor konnte ihr Gelächter hören und die Würstchen, die sie grillten, förmlich riechen. Sie waren sicher nicht das Einzige, das da drüben rauchte, aber er rührte selten etwas Härteres als Bier an. Das konnte er sich nicht leisten. Er war Stipendiat, was bedeutete, dass er zu jeder Sekunde des Tages beweisen musste, dass er es wert war, ansonsten würde er im Handumdrehen wieder im Trailer Park landen.

Jetzt, da sie ihren Abschluss in der Tasche hatten und die weiterführende Schule hinter ihnen lag, weigerte Connor sich, in das kleine, erbärmliche Mobile Home mit dem rissigen Linoleumboden und der kaputten Treppe zurückzukehren. Aber er würde auch nicht mit seinen Kumpels nach Yale gehen. Davon ahnten sie natürlich nichts. Sie wussten nur, dass er seine Zusage gleichzeitig mit allen anderen bekommen hatte.

Aber er war der Einzige gewesen, der noch hatte abwarten müssen, ob er tatsächlich angenommen wurde. Der Brief bezüglich seines Stipendiums war noch viel weniger erfreulich gewesen, denn darin wurde ihm unmissverständlich unter die Nase gerieben, dass er, egal, wer seine Freunde waren, in einer anderen Welt lebte. Ihm blieb lediglich eine vierjährige Galgenfrist, um sich mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen.

»Hey.« Dax Spencer klopfte ihm auf die Schulter. Mit der anderen Hand schwenkte er ein Sixpack. »Warum hängst du denn hier allein rum? Die Party findet am Strand statt, Alter. Na ja, es sei denn, du heißt Roman, dann findet sie im Schlafzimmer von Gabes Eltern statt. Also, ich mach das nicht sauber. Was zum Teufel denkt er sich dabei, Zwillinge da mit reinzunehmen?«

»Doppelter Spaß?«, spottete Connor.

Tatsächlich hatte Roman ihm eine von den beiden angeboten. Eine hübsche Blondine von ihrer Partnerschule, die wahrscheinlich auf direktem Weg nach Yale gehen und dort einer Sorority, einer Studentenverbindung für Mädchen, beitreten würde, die eng mit Skull & Bones verbunden war. Oder genauer gesagt: Sie würde den Männern von Skull & Bones zu Diensten sein, weil die eines Tages die Welt beherrschen würden.

Niemand vom Community College beherrschte die Welt, und auch nicht von dort, wo er hingehen würde.

Connor würde niemals in die Studentenverbindung Skull & Bones eingeladen werden, selbst wenn er sich die Studiengebühren in Yale hätte leisten können. Bones-Leute entstammten der Elite. Egal, wie eng er auch mit diesen Männern befreundet war, niemals könnte Connor vergessen, woher er kam. Und alle anderen ebenso wenig.

Dax zuckte zusammen. »Also, ich bin Realist. Ich glaube, es ist nur doppelter Stress – selbst für eine Nacht. Ich sehe das wie Scooter. Irgendwie wünschte ich, Gabe hätte nicht die ganzen Leute eingeladen. Das ist unsere erste Nacht in Freiheit. Es wäre toll gewesen, sie gemeinsam zu verbringen. Na ja, aber dafür haben wir ja noch den ganzen Sommer. Noch einmal so richtig einen drauf machen, bevor der richtige Spaß anfängt.«

Wie der Rest der Clique ging Dax nach Yale, allerdings hatte er nach seinen vier Jahren vor, der Navy beizutreten, wie sein Vater, und davor sein Großvater, und so weiter bis hin zur Gründung der U. S. Navy. Gabes Familie war schon seit jeher die erste Adresse für Luftfahrt. Der Rest der Perfect Gentlemen hatte ähnlich beeindruckende Stammbäume vorzuweisen. Der Familie von Maddox Crawford gehörte praktisch die ganze Upper East Side Manhattans. Roman Calder stammte aus einer langen Reihe mächtiger Anwälte in D. C. Zack, kurz für Zachary, alias Scooter … nun, der wurde bereits für die Position des US-Präsidenten vorbereitet.

»Ich kann es kaum erwarten.« Connor war einfach noch nicht so weit, zuzugeben, dass er den Sommer schon nicht mehr hier verbringen würde.

»Mad hat ein Stadthaus in der Nähe des Campus gekauft.«

»Ich dachte, wir müssen in Verbindungshäuser ziehen.« Das war Tradition in diesen Kreisen. Ihre Väter hatten sich allesamt einflussreichen Studentenverbindungen verpflichtet.

»Und diese erniedrigenden Aufnahmerituale über uns ergehen lassen? Die können uns mal«, sagte Dax kopfschüttelnd. »Was das angeht, bin ich auf Mads Seite. Wir bilden unsere eigene Verbindung, Bruder, und wir passen aufeinander auf. Im letzten Jahr in Yale wird Skull & Bones auf Zack zukommen. Das weißt du so gut wie ich. Und Roman übernimmt die Mitgliedschaft seines Dads. Mad möchte ihnen einfach nur einen Platz bieten, wo man sie nicht als die nächsten verdammten Retter der freien Welt ansieht. Er hält es für unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die beiden nicht abheben. Der ganze Rest der Welt wird ein Stück von Zack abhaben wollen, und weil Roman ihm niemals von der Seite weicht, auch von ihm. Deshalb will Mad sie daran erinnern, wer ihre wahren Freunde sind.«

Connor sah auf das Wasser hinaus, das dunkel im Mondlicht schimmerte, und dann zum Strand, wo Mad völlig ausgelassen um das Feuer herum tanzte.

Puck. Seit Connor zum ersten Mal Shakespeare gelesen hatte, hatte er sich Mad als Puck vorgestellt – spitzbübisch und chaotisch, und doch ehrlich, wenn man es am wenigsten von ihm erwartete. Jenes Stadthaus war Mads Versuch, ihre kleine Familie zusammenzuhalten. Ihnen blieben vier Jahre, bevor die Welt sie trennen und auf die Probe stellen würde, jeden auf seine Weise. Vier letzte Jahre, um zusammenzuleben und Einfluss aufeinander zu nehmen. Es war ein guter Plan. Mad kannte einfach nur nicht alle Fakten, und Connor hatte nicht vor, daran etwas zu ändern, denn das würde ihm sein Stolz nicht erlauben.

»Dein Dad war in der Verbindung«, argumentierte Connor. »Du kannst die Mitgliedschaft übernehmen, genauso wie Roman. Du solltest auch ein Bonesman werden. Es würde dir bei deiner Karriere bei der Navy helfen. Du willst doch mal Admiral werden, oder?«

Dax zuckte die Achseln. »Ja, aber wer weiß?«

»Das sind Vollpfosten, wenn sie dich nicht reinlassen«, beharrte Connor.

Dax war der beste Kerl, dem er je begegnet war. Scheiße, Dax würde er von allen am meisten vermissen. Wie Dorothy die verdammte Vogelscheuche.

Connors Miene verfinsterte sich. Vielleicht sollte er sich heute Nacht doch ein bisschen betrinken. Er klang wahnsinnig sentimental.

»Um ehrlich zu sein, ich will da nicht rein. Ich will nicht die Welt regieren. Ich will einfach nur irgendwann mein eigenes Kommando. Und eine richtig heiße Frau, mit der ich sesshaft werde. Roman übertreibt es ja. Sehen wir uns dann da unten?« Dax war schon halb die Treppe hinunter und entfernte sich von Connor.

»Klar. Ich komm gleich nach.«

Regungslos sah Connor zu, wie Dax sich zu den anderen gesellte.

Die Jahre an der Creighton Academy waren die besten seines beschissenen Lebens gewesen. Wahrscheinlich würden sie es für immer bleiben. Aber nach der heutigen Nacht würde er seinen eigenen Weg gehen müssen. Er würde sich aus der Armut kämpfen und gleichzeitig zusehen, wie den anderen Reichtum und Macht geradewegs in den Schoß fielen.

»Sie sehen einsam aus, Junge«, sagte eine tiefe Stimme links von ihm.

Connor drehte sich um und entdeckte einen Mann, der im Schatten stand. Ein großer Mann, dessen Haar auf dem Kopf bereits schütter und an den Schläfen grau wurde. Er war schlank und ohne den üblichen Bauchansatz bei Männern mittleren Alters und trug einen Dreiteiler und teure Slipper, was Connor merkwürdig vorkam, da sie sich ja am Strand befanden. Selbst die Geschäftsleute, die aus der Stadt hierherkamen, zogen sich vorher um.

»Was kann ich für Sie tun, Officer? Oder sollte ich Special Agent sagen? Die Bonds sind nicht da. Wenn Sie die suchen, müssen Sie zurück nach Manhattan. Nur der Sohn und seine Freunde sind im Moment hier.«

Er überlegte rasch, wie die Chancen standen, das Haus zu betreten, ohne Roman in einer Situation vorzufinden, bei der Connor am liebsten auf der Stelle im Boden versunken wäre, und kam zu dem Ergebnis: verdammt schlecht. Er war schon gut zwanzig Minuten da drin, also war er wahrscheinlich gerade voll in seinem Element, aber er galt in ihren Kreisen auch als das unumstrittene Jura-Ass. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte er skrupellos den Kodex der Schule gegen deren Vertreter verwendet. Wenn das FBI aus einem bestimmten Grund hier war, dann war es Roman, der mit ihnen fertig wurde.

Der Mann lachte leise und trat aus dem Schatten des Vordachs. »Ich bin nicht vom FBI, aber interessant, dass Ihre Gedanken in die Richtung gingen. Wollen Sie weiterraten?«

Wenn der Mann eine Waffe trug, war sein Anzug perfekt geschnitten, denn Connor konnte keinen Abdruck eines Halfters darunter entdecken.

»FTC?« Richtig reiche Leute mussten immer mit einer Überprüfung durch die Federal Trade Commission rechnen. Sie überwachte Börsengeschäfte und hatte sicher die Eltern von jedem seiner Freunde auf dem Kieker. »Ich würde ja sagen, die Steuerbehörde, aber dafür sind Ihre Schuhe zu elegant.«

Er erkannte die Ferragamos. Solche trug Dax, wenn er sich mit seinen Eltern zum Brunch traf. Die wenigsten Steuerbeamten konnten sich Tausend-Dollar-Schuhe leisten. Mrs Spencer hatte Connor auch ein Paar gekauft, außerdem ordentliche Kleidung, als sie gemerkt hatte, dass Connor außer seiner Schuluniform, abgetragenen Jeans und ein paar T-Shirts nichts hatte. Nach jenem ersten Jahr hatte sie ihn immer eingeladen, mit Dax zusammen Klamotten kaufen zu gehen. Er hatte sich unwohl gefühlt, dass sie so viel für ihn ausgab, bis ihm klar wurde, dass es sie richtig glücklich machte, für sein Wohlergehen zu sorgen. Sie würde er auch vermissen.

»Interessante Beobachtung für einen Jungen, dessen Mom die Hure eines Trailer Parks war.«

Connor lief es eiskalt den Rücken hinunter. »Vielleicht sind Sie ja auch nur ein mieser, kleiner Reporter. Am besten rufe ich die Bullen, sollen die es doch rausfinden.«

Der Mann hob eine Hand. »Tut mir leid. Das war nicht nett. Und Sie rufen besser nicht die Bullen. Was ich da rieche, sind wohl keine Räucherstäbchen. Ich fürchte, ich habe so viel Zeit im praktischen Einsatz verbracht, dass ich jedes zwischenmenschliche Feingefühl verloren habe. Ich bin kein Reporter. Ich werde Ihnen gleich sagen, wen ich repräsentiere.«

»Sie sind meinetwegen hier.« Rasch ordnete er die Situation neu ein. Ein College-Anwerber? Für Lacrosse? Wenn irgendeine Universität ihn für ihre Mannschaft haben wollte, hätte sie schon längst Kontakt zu ihm aufgenommen. Nach Creighton war er mit einem Lacrosse-Stipendium gekommen, aber für das Team von Yale war er nicht gut genug gewesen. »Fürs Protokoll: Sie war keine Hure. Meine Mutter hat nie Geld genommen, um die Beine breit zu machen. Nur damit Sie’s wissen. Sie war die Schlampe des Trailer Parks und Vollzeit-Kellnerin in einem schmierigen Truckstop. Für welches College arbeiten Sie?«

»Jedenfalls nicht für Yale, und ich vermute, damit hätten Sie ein Problem.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich halte mir die Optionen offen.«

Der Mann im Anzug lachte in sich hinein und lehnte sich an das Geländer. »Dieses Spiel wollen Sie also spielen, hm? Ich kenne Ihre Probleme. Ich weiß, dass das Stipendium, das Yale Ihnen anbietet, nicht ausreicht. Wie viel würden Sie sich leihen müssen?«

»Achtzig Riesen.« Oder mehr, wenn er noch ein Aufbaustudium draufsetzen wollte. Und Tatsache war, dass er noch nicht einmal wusste, was er eigentlich studieren wollte.

»Bitten Sie Crawford da drüben darum. Ihm wird das Geld nicht fehlen. Ihm wurde dieses Jahr sein Treuhandfonds ausgezahlt, oder? Fünfhundert Millionen, wenn ich mich nicht irre. Er würde Ihnen einen Scheck ausstellen und nie auch nur einen Penny davon vermissen.« Der Mann begann sich ein bisschen wie Mephisto anzuhören, der ihm seine teuflischen Ränke einflüsterte.

Connor hatte diese Idee immer verworfen. Er wusste, er würde tun, was er tun musste. »Warum interessiert Sie das so? Ich glaube nämlich, Sie kommen von gar keiner Universität. Also, was wollen Sie?«

»Universitäten sind nicht die einzigen Institutionen, die junge Leute wie Sie anwerben. Ich repräsentiere eine Gruppe, die ein außerordentliches Interesse daran hat, die klügsten jungen Männer und Frauen zu finden, Menschen, die nicht nur einen brillanten Verstand, sondern auch eine gewisse Flexibilität ihres moralischen Charakters besitzen. Ich brauche einen jungen Mann wie Sie, der sein Land genug liebt, um dafür Opfer zu bringen.«

Seit wann schickte das Militär Anwerber los? »Sie kommen zu spät. Ich habe am Montag schon einen Termin mit einem Musterungsoffizier der Navy. Und eine Woche später fange ich im RTC in Great Lakes mit der Ausbildung an.«

Er hatte sich für die Navy entschieden, weil Dax in ein paar Jahren auch dort sein würde. Klar, er würde Soldat sein und Dax die Offizierslaufbahn beschreiten, aber er würde sich besser fühlen mit dem Wissen, dass sie gewissermaßen gemeinsam dort waren.

Der Mann seufzte. »Über Ihr Gespräch bin ich im Bilde. Darf ich sagen, dass das eine Vergeudung Ihrer Talente wäre, Connor? Außerdem glaube ich, dass Sie so oder so letztendlich auf demselben Posten landen würden, nur eben Jahre später.«

»Und was für ein Posten soll das sein?«

»Oh, mir wäre es lieber, wenn Sie Ihren Verstand benutzen und selbst auf die Antwort kommen.«

Wovon redete der Mann bloß? So gut wie keine der großen Bundesbehörden rekrutierte direkt von der Highschool. Beim College war das etwas anderes.

Er war noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, hatte sich bei nichts Verbotenem erwischen lassen. Das Einzige, was er je gemacht hatte, um vielleicht die Aufmerksamkeit der Gesetzeshüter zu erregen, war die Einsendung seiner Einschätzung, dass die terroristischen Vereinigungen Jamaat Ul-Fuqra, Gamaa Islamija, Hamas, Islamischer Dschihad und die Islamische Front ihre Differenzen beigelegt hatten und nun zusammenarbeiteten, um ein leichtes Ziel in den USA zu finden. Er war auf eine Gruppe gestoßen, die Verschwörungstheorien verfolgte. Als er ihr beigetreten war, redeten sie ständig nur über den Mord an Kennedy und die Vertuschung der Existenz von außerirdischem Leben, aber er hatte sie zurechtgestutzt. Sie waren intelligent und brauchten nur ein vernünftiges Ventil. Sie hatten Dokumente durchforstet und mit Personen geredet und schließlich eine eigene Verschwörungstheorie entwickelt.

Er hatte seine Vorhersagen an die CIA geschickt, aber nie wieder etwas davon gehört. Drei Wochen später hatte es einen Anschlag auf das World Trade Center gegeben, bei dem sechs Menschen getötet und mehr als tausend verletzt worden waren, nachdem unter dem Nordturm eine Bombe in einem Lkw hochgegangen war.

»Also hat Langley endlich mein Gutachten gelesen und ist zu dem Schluss gekommen, dass ich richtig lag?«

Ein Lächeln zog sich über das Gesicht des Mannes. »Oh, ich habe Ihr Gutachten gelesen – natürlich nach dem Anschlag. Sie hatten recht. Welcher Jugendliche von der Highschool interessiert sich für terroristische Gruppierungen?«

Ein perverser. Er kannte eine Menge junger Leute, die von Serienmördern fasziniert waren. Er selbst hatte schon immer wissen wollen, was einen Mann dazu brachte, etwas so Verrücktes zu machen, wie sich eine Bombe umzubinden und auf einen belebten Platz zu spazieren. »Es ist ein Hobby.«

»Leider hatte jemand Ihren Bericht auf den ›Spinnerstapel‹ geworfen. Als wir ihn rauszogen und analysierten, erwiesen sich Ihre Schlussfolgerungen als derart akkurat, dass einige in meiner Gruppe annahmen, dass Sie an dem Anschlag beteiligt waren, obwohl bereits vier der Täter vor Gericht standen und wir zwei weiteren auf den Fersen waren. Sie wollten Sie verhören, aber ich verspürte mal wieder dieses Kribbeln.«

»Klingt, als bräuchten Sie eine Penicillinspritze, Kumpel.« Connor gefiel nicht, was ihm allmählich dämmerte. Warum sollte die CIA extra hierherkommen? Warum hatten sie ihn nicht einfach angerufen? Warum hatten sie mit ihrem Verhör über ein Jahr gewartet?

Wieder lachte der Mann in sich hinein. »Ich spreche von Intuition, nicht von Geschlechtskrankheiten, aber Ihr Sarkasmus gefällt mir. Die Navy wird das anders sehen. Ich habe mich eingehend mit Ihnen beschäftigt und entschieden, dass Sie das Zeug zum Spion haben.«

»Dann sind Sie also nicht hier, um mich der Zusammenarbeit mit terroristischen Vereinigungen zu beschuldigen? Denn das mache ich nicht. Ich verfolge sie. Ich glaube, dass sie immer raffinierter werden. Da gibt es diese neue Sache. Das Internet. Ich weiß, dass die Verteidigungsbehörde DARPA es schon seit Jahren nutzt.«

»Ja, das wissen Sie, weil Sie es geschafft haben, sich ins System zu hacken. Sie sind der Grund, weshalb sie Sicherheitssysteme entwickeln, um sich zu schützen. Bis nächstes Jahr wird das Internet komplett kommerzialisiert sein, und wir brauchen eine neue Generation von Spionen. Sie haben begriffen, dass sich die Kommunikation verändert. Wir hören anders zu, und die Auswertung wird gerade so richtig interessant. Sie können sich also freiwillig melden und für ein paar Jahre zur Navy gehen, oder Sie können sich von mir Ihren Weg nach Yale bezahlen lassen. Dort werden Sie einen Abschluss in Kommunikationswissenschaft mit dem Nebenfach Politikwissenschaft machen.«

»Die Professoren in ihren Elfenbeintürmen wissen doch gar nichts über die wahre Weltpolitik«, schnaubte Connor verächtlich, doch sein Kopf arbeitete auf Hochtouren.

»Nein, da haben Sie recht. Aber ein Abschluss von einer dieser angesehenen Einrichtungen macht sich gut auf dem Papier und wird Ihnen bei Ihrem Aufstieg helfen.« Er lächelte. »Sie werden ein spektakulärer Fund sein. Was sagen Sie dazu? Während Sie besagten Abschluss machen, werden Sie gleichzeitig mit einem Trainingsprogramm beginnen, bei dem Sie alles lernen, was Sie brauchen, um im praktischen Einsatz zu überleben. Dafür erhalten Sie die Studiengebühren und Bücher, ebenso wie Unterkunft und Verpflegung. Wenn Sie Ihren Teil der Abmachung einhalten und für die CIA arbeiten, bekommen Sie Informationen, die Ihre Mutter Ihnen vorenthalten hat und die eine Wendung Ihrer finanziellen Situation bedeuten könnten.«

»Was meinen Sie damit?«

»Geheimnisse, mein Junge. Wissen ist Macht. Macht lässt sich in Geld umwandeln. Wenn Sie Ja sagen, kann ich Ihnen versprechen, dass Sie sich nie wieder Gedanken über Geld machen müssen. Und es wird mir ein Vergnügen sein, dabei zuzusehen, wie Sie es in die Finger bekommen. Sie werden feststellen, dass ich niemals nur einen Job mache, wenn ich zwei erledigen kann.«

Die Haustür ging auf, und Roman kam heraus, bekleidet mit seiner Badehose und einem Anzugshemd, das zuzuknöpfen er sich nicht die Mühe gemacht hatte. In jedem Arm hatte er ein Mädchen, und in der linken Hand eine Flasche Tequila. »Hast du Scooter gesehen? Ich muss dafür sorgen, dass er nicht die ganze Nacht büffelt. Wir haben gerade unseren Abschluss gemacht, verdammt noch mal. Warum muss er unbedingt diese bescheuerte Summer School machen?« Als er den Mann erblickte, nahm er Haltung an. »Hallo, Sir. Ich habe gerade diese Flasche aus dem Haus entfernt, damit keiner unserer minderjährigen Gäste sie findet und daraus trinkt.«

»Aber sicher doch, Calder. Passen Sie einfach auf, dass niemand Fotos macht, und sprechen Sie nicht, wo jemand es aufzeichnen kann. Und sorgen Sie bloß dafür, dass Zack Hayes nicht auf Lunge raucht.« Er wandte sich wieder an Connor. »Sind Sie dabei?«

Er bekam nicht einmal Zeit, um darüber nachzudenken? Ach was. Er brauchte gar nicht nachzudenken. Er liebte Dax, aber Scheiß auf die Navy. Er konnte CIA-Agent werden. Er konnte alles bekommen, was er wollte. »Ich bin dabei.«

»Ich melde mich bei Ihnen.« Der mysteriöse Mann im Anzug wandte sich zum Gehen, dann drehte er sich noch einmal um und schüttelte den Kopf. »Und erzählen Sie bloß niemandem die Geschichte, weshalb Sie angefangen haben, Hayes Scooter zu nennen. Es könnte die Chancen des Jungen bei den Präsidentschaftswahlen erheblich beeinträchtigen. Übrigens war ein Streifenwagen hierher unterwegs, um diese Party unter die Lupe zu nehmen, aber Sie werden feststellen, dass die örtliche Polizei Sie für den Rest des Sommers in Ruhe lassen wird. Betrachten Sie das als mein Geschenk zu Ihrem Abschluss, Connor.«

Der Agent verschwand wieder im Schatten, als gehöre er dorthin. Connor fiel auf, dass er gar nicht erfahren hatte, wie der Mann hieß.

»Wer in aller Welt war das?«, fragte Roman. »Der Typ war irgendwie unheimlich.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er meine Version einer guten Fee war.«

Roman schüttelte den Kopf. »Du lebst echt in einer Scheiß-Märchenwelt, Bruder.« Er grinste. »Aber wir gehen nach Yale. Wir erobern die Welt, nicht wahr?«

Zum ersten Mal, seit er das Angebot seiner finanziellen Unterstützung bekommen hatte, lächelte Connor. »Ja, das machen wir.«

Er folgte Roman zum Strand hinunter und stürzte sich ins Partygetümmel.

1

Washington D. C.

Einundzwanzig Jahre später

»Ich brauche eigentlich keinen Bodyguard.« Lara Armstrong nahm einen Schluck von ihrem Chai, lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster des Cafés. Wo sie auch hinsah, hasteten Leute mit Aktentaschen in der Hand vorbei, die sich Handys ans Ohr hielten. Anwälte, Politiker mit ihren persönlichen Beratern und alle anderen, die sich in der politischen Welt für wichtig hielten. Und schon bald würde sich unter den Leuten, die sich auf dieser Straße bewegten, ein Mann befinden, der geschworen hatte, sich vor sie zu werfen und eine Kugel für sie abzufangen.

Connor. Kein Nachname. Oder vielleicht war das ja auch sein Nachname und er hatte ihr seinen Vornamen nicht verraten. Sie war sich nicht sicher. Sie wusste nur, dass dieser rätselhafte Connor verlangt hatte, dass sie sich um halb vier hier mit ihm traf. War ihm klar, wie viel Verkehr um diese Uhrzeit herrschte?

»Begreifst du denn nicht? Jemand weiß, was du tust, L., und deshalb brauchst du einen Bodyguard.« Ihre beste Freundin Kiki wechselte einen Blick mit dem einzigen männlichen Wesen am Tisch.

Tom lehnte sich vor, die Hände um seinen fettfreien Milchkaffee gelegt, als sei er auf die Wärme angewiesen. »Ich weiß nicht. Irgendwie muss ich Lara recht geben.«

Kiki verdrehte ihre dunklen Augen. »Du gibst Lara immer recht. Du hast ihr sogar recht gegeben, als sie eure Verlobung gelöst hat. Du bist echt ein Waschlappen.«

»Ich will nur helfen und denke praktisch.« Er runzelte die Stirn. »Sieh mal, sie hat bloß ein paar E-Mails bekommen, und es ist ja nicht so, dass der Absender eine Bombe im Anhang geschickt hätte oder so. Es stand lediglich darin, dass er ›es weiß‹. Was weiß? Das könnte alles und nichts bedeuten.«

Lara seufzte und senkte ihre Stimme. Nur eine Handvoll Menschen auf der Welt wusste, womit sie ihr Geld verdiente, und sie hatte auch nicht vor, daran etwas zu ändern. »Er weiß, dass ich CS leite.«

Capitol Scandals, die unterhaltsamste und informativste Nachrichtenseite von D. C. Na gut, die meisten nannten es eine grauenvolle Klatschseite, die es sich zum Ziel gemacht hatte, das Leben und den Ruf von Politikern und einflussreichen Persönlichkeiten zu ruinieren, aber Lara gefiel ihre Beschreibung besser. Und sie brachte nie etwas über einen verdienstvollen Staatsdiener, was sie nicht auch verifizieren konnte. Na ja, zumindest nichts Ernstes. Sie wusste persönlich nicht, wie groß der Penis des derzeitigen Präsidenten war, allerdings hatten diverse vertrauliche Informantinnen die Bezeichnung XXLverwendet.

»Mist.« Toms Lippen wurden noch schmaler, und sie wusste, dass sie jetzt eine Standpauke erwartete. Anders als Kiki, die öfter Artikel für CS schrieb, hielt Tom die Website für eine Schnapsidee. »Ich hab dir gleich gesagt, dabei kann nichts Gutes rauskommen. Du kannst nicht die Mächtigen derart bloßstellen und glauben, ungeschoren davonzukommen. Ich dachte, es wäre doch jemand dahintergekommen, dass du die Vorkämpferin bei dem Versuch warst, die Verkaufsautomaten aus den öffentlichen Schulen zu verbannen oder so was.«

»Diese Automaten verkaufen nichts als industriell verarbeitete Lebensmittel. Den Schülern sollten gesündere Alternativen angeboten werden«, legte sie los.

Tom schüttelte den Kopf, wobei jede Strähne seines hellbraunen Haars da blieb, wo sie hingehörte. »Die Leute mögen es nicht, wenn man ihnen ihre Limo wegnehmen will, L. Dann kriegen sie schlechte Laune. Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass dich deswegen niemand umbringen will. Aber das Betreiben einer Klatschseite, die große Karrieren zerstört? Das ist vielleicht etwas anderes.«

Kiki nickte. »Genau. Hast du es deinem Vater erzählt?«

Lara zuckte zusammen. Ihr Vater wusste von Capitol Scandals. Er hatte sie sehr unterstützt, als es noch eine kleine Seite gewesen war, die über Themen wie Umweltgesetze berichtet und Aufsätze über den Lilly Ledbetter Fair Pay Act veröffentlicht hatte. Sie wusste, dass sie ihn ganz schön auf die Probe gestellt hatte, als sie zu den jetzigen Inhalten übergegangen war. Er hatte sie angerufen und in den Hörer geschrien, als sie eine nicht sehr positive Story über einen seiner engsten Verbündeten im Kongress herausgebracht hatte. Darin hatte sie aufgeführt, wie viel Geld der Kongressabgeordnete für Nutten außerhalb seines Wahlkreises ausgegeben hatte, während diejenigen, die in seinem Bezirk arbeiteten, über drastische Einkommenseinbrüche klagten.

Es war absolut richtig gewesen, diesen Bericht zu veröffentlichen, zumal der Abgeordnete eine Plattform betrieben hatte, um in seinem Wahlkreis neue Jobs und berufliche Chancen zu schaffen. Gleichzeitig hatte er mit Geschäftsleuten verhandelt, Stellen nach Korea auszulagern. Der Typ war also wirklich eine lebende Metapher für alles, was in der Politik im Argen lag.

Kurz nachdem sie die Story gebracht hatte, hatten die Late-Night-Talk-Shows sie aufgegriffen. Während sich Comedians und Talkmaster über die Nutten kaputtgelacht hatten, erfuhren die Zuschauer auch die Wahrheit über die Hintertürgeschäfte. Lara hatte früh begriffen, dass sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewinnen musste, wenn sie in der Welt etwas bewegen wollte. Und das würde sie nicht durch Proteste oder eine noch so gelungene Kolumne erreichen.

»Davon erzähle ich meinem Dad besser nichts. Der erpresst mich sowieso schon. Wenn er herausfände, dass jemand anders davon weiß und mir Quasi-Droh-Mails schickt, würde er mich wahrscheinlich dazu zwingen, zu ihm zu ziehen oder so. Das wäre grauenvoll.«

Es war nicht so, dass sie ihren Vater nicht liebte. Ihre Eltern waren erstaunliche Menschen. Sie kannte keinen anderen Mann auf der Welt, der sie derart unterstützen würde, wie ihr Dad das tat. Er war sauer gewesen, als er das mit CS erfahren hatte, aber er hatte sie nicht geoutet. Und wenn man bedachte, dass er Senator des Staates Virginia war, hätte er das vermutlich tun sollen. Stattdessen hatte er ihr eine Eigentumswohnung in einem protzigen Stadtteil aufgezwungen. Ihre Bude am Dupont Circle hätte sie sich niemals alleine leisten können. Sie hatte sich ein kleines Loft in einem bodenständigeren Teil der Stadt gewünscht, aber ihre Eltern hatten nicht nachgegeben.

Glücklicherweise hatte sie nie vor der Entscheidung gestanden, eine Story über ihren Vater zu bringen oder nicht. Er liebte ihre Mom abgöttisch und führte ein solides Leben. Nie hatte sie Hinweise darauf bekommen, dass er Bestechungsgelder annahm oder seine Wähler hinterging. Als sie mit Capitol Scandals angefangen hatte, war ihr klar geworden, dass eine überraschende Mehrheit der Politiker fand, dass sie im Interesse der Öffentlichkeit handeln sollten. Es waren nur diese widerwärtigen zehn Prozent, die die Karre für alle anderen in den Dreck fuhren.

Um diese anzuschwärzen, hatte sie Capitol Scandals ins Leben gerufen.

»Vielleicht solltest du vorübergehend bei deiner Familie bleiben. Dein Dad hat ein vernünftiges Sicherheitssystem.« Kiki stellte ihren Mokka ab. »Nicht nur einen Portier namens Moe, der bei der Arbeit schläft.«

»Moe hat eine schwere Form von Narkolepsie. Du solltest ihn nicht dafür verurteilen.« Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem kann ich aus zwei Gründen nicht riskieren, von Dads Haus aus zu arbeiten: Erstens weiß ich nicht, wer ihn im Visier hat. Ich hege schon lange den Verdacht, dass die CIA, die NSA oder die DARPA alle Abgeordneten abhören.«

Tom hustete, aber es klang verdächtig nach paranoid.

Sie ignorierte ihn, denn sie wusste, dass Paranoia Leben retten konnte. »Und zweitens, wenn irgendjemand von meinem Geheimnis erfährt und mich outet, will ich, dass meine Eltern ihre Mitwisserschaft glaubhaft abstreiten können.«

»Ich glaube, das wäre ihnen egal. Sie würden hinter dir stehen«, sagte Kiki.

Ihnen Ärger einzuhandeln, war das Einzige, wovor Lara wirklich Angst hatte. Na ja, davor und vor dem globalen Klimawandel. Sie kämpfte für das, woran sie glaubte, aber sie liebte auch ihre Eltern. Sie wollte ihrem Dad keine Probleme bereiten.

»Ich habe einen Plan«, sagte Tom und wurde wieder ernst. »Und lass mich bitte ausreden. Du legst die Seite für eine Weile still und ziehst zu mir. Ich habe ein zweites Schlafzimmer. Ich kann auf dich aufpassen. Ich bin Meister im Krav Maga. Wir warten ab, bis sich die Aufregung gelegt hat, und dann kannst du weiter für das Gute kämpfen.«

Sie liebte Tom, aber damit würde sie nicht wieder anfangen. Sie hatte ihre Gründe gehabt, ihre Verlobung aufzulösen. Außerdem war da noch die Tatsache, dass Niall glaubte, dass sie jemanden brauchte, der auf sie aufpasste.

Niall Smith. Ihr Herz erbebte leicht, als sie an ihn dachte. Er betrieb eine kleine Internetseite, die für mehr Transparenz in der kalifornischen Politik eintrat, und war als vertraulicher Informant auf sie zugekommen. Aus keiner der Sachen, die er ihr geschickt hatte, war letztendlich etwas geworden, aber das war nicht allzu überraschend. Neunzig Prozent ihrer Spuren erwiesen sich als Sackgassen. Aber mittlerweile war Niall für sie mehr als nur eine Informationsquelle. Nach nur wenigen Monaten betrachtete sie ihn als so etwas wie einen Seelenverwandten.

»Nein«, sagte sie seufzend. »Ich muss mich mit diesem Bodyguard treffen. Ich werde mich mit ihm unterhalten und mir seine Meinung anhören. Er soll angeblich ein Profi sein. Er kann mir Ratschläge geben.«

»Er kann dir Schutz geben«, argumentierte Kiki. Sie trug ihr typisches Bohème-Outfit, eine Carmen-Bluse und einen fließend fallenden Rock. Irgendwie schaffte sie es, dass es sexy aussah. »Du solltest das ernst nehmen. Wer auch immer dir diese Droh-Mail geschickt hat, kennt deine private E-Mail-Adresse.«

»Aber diese Drohung enthielt nichts Konkretes«, warf Tom ein und wandte sich dann an Kiki. »Ich bin mir nicht mal sicher, ob es sich überhaupt um eine Drohung handelt. Vielleicht flippen wir auch aus wegen nichts und wieder nichts. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass jemand wirklich alle Puzzleteile zusammengesetzt hat? Es gibt so viele Gerüchte darüber, wer CS leitet, und keins davon erwähnt dich, Lara.«

Sie war sich nicht sicher, ob das stimmte. Was könnte jemand anderes über sie wissen? Sie war die vegane Hippie-Tochter von Senator Armstrong und jedes Mitglied der Republikaner hütete sich, sie vor eine Kamera zu lassen, weil sie die Gelegenheit sofort beim Schopfe packen und über Politik reden würde.

Ansonsten gab es wirklich nichts an ihr, was auch nur ansatzweise klatschspaltentauglich war. Gute Noten an den richtigen Schulen. Ein Abschluss in Politikwissenschaft, der wahrscheinlich zum Jurastudium führen würde, wenn sie mal die Zeit dazu fand. Ihre Verlobung hatte sie eine angemessene Zeit vor der Hochzeit gelöst. In den zwei Jahren, seit sie und Tom sich getrennt hatten, hatte sie noch nicht mal ein Date gehabt. Capitol Scandals stellte ihre ganze »ruchlose« Existenz dar. Sie hatte alles hineingesteckt, was ging, und witterte endlich etwas ganz Großes.

Könnte diese neue Drohung vielleicht irgendetwas mit dem anonymen Fremden zu tun haben, der behauptete zu wissen, was Maddox Crawford wirklich zugestoßen war? Er hatte Andeutungen gemacht, dass die Spur zu etwas noch viel Größerem führen würde, wenn sie die Wahrheit ans Licht brachte.

Sie brauchte lediglich eine Frau namens Natalia Kuilikow zu finden. Einfach nur eine russische Immigrantin ausfindig machen, und der gelbe Ziegelsteinweg würde erscheinen und sie geradewegs nach Oz führen.

Lara fand es interessant, dass ihr erster großer Fall und ihre erste potenzielle Morddrohung so dicht zusammenfielen.

»Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es sich nicht doch um eine Drohung handelt, aber bloß weil jemand dahintergekommen ist, wer ich bin, heißt das ja nicht, dass er mich gleich umbringen will. Vielleicht habe ich das überbewertet«, räumte sie ein.

»Gegenüber deinem Typen aus dem Internet?« Kiki war nicht gerade ein großer Fan von Niall. Sie hatte bei mehr als einer Gelegenheit angemerkt, dass er wahrscheinlich ein widerlicher, mittelalter Typ war, der versuchte, im Internet Frauen aufzureißen. »Ihm hast du es noch vor mir erzählt. Noch vor Tom. Ich sage es nur ungern, aber du scheinst irgendwie eine Schwäche für den Kerl zu haben, und deshalb hörst du auf ihn.«

»Vielleicht solltest du auf die Leute hören, die dich schon seit Jahren kennen. Was wissen wir denn schon über diesen Niall? So gut wie nichts. Du kannst dir doch nicht von irgendeinem Dahergelaufenen sagen lassen, was du zu tun hast.« Tom sprang von seinem Barhocker und zog sein T-Shirt mit V-Ausschnitt glatt. »Ich muss weg. Wir haben morgen eine mündliche Verhandlung im McNally-Fall. Lara, ruf mich an, wenn du mich brauchst. Du weißt, dass ich immer für dich da bin.« Und damit machte er sich davon.

Tom war bei einem Berufungsrichter angestellt, weshalb er ständig von mündlichen Verhandlungen und dem Aufsetzen von Gutachten sprach. Was sie von Tom mitbekam, war zugegebenermaßen einer der Gründe, weshalb sie dem Drängen ihrer Eltern, Jura zu studieren, nicht nachgegeben hatte. Ständig schrieb er die Meinungen anderer Leute nieder. Sie wollte sich selbst eine bilden.

»Mein lieber Herr Gesangsverein. Mir ist gerade das Wasser im Mund zusammengelaufen.« Kiki machte große Augen, als sie zu der Tür hinausstarrte, durch die Tom vor wenigen Augenblicken verschwunden war. »Zum ersten Mal verstehe ich, was damit gemeint ist.«

»Was?« Lara drehte sich um und erblickte einen Mann mit Jeans und einem schwarzen T-Shirt. Er stand mit dem Handy am Ohr direkt vor dem Café.

Seine Schultern waren so breit, dass sie beinahe das ganze Fenster ausfüllten. Er musste fast zwei Meter groß sein, und unter seinem T-Shirt zeichnete sich jeder Muskel und jede Sehne seines schlanken Körpers ab.

Er drehte sich leicht, und sein Profil wurde sichtbar. Und da wurde Lara klar, dass der Ausdruck, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft, in der Tat ziemlich beschönigend war. Sabbern traf es viel besser. Der Mann war eine Wucht. Sein Kiefer war perfekt rechtwinklig, obwohl sein Gesicht viel zu kantig war, um als schön zu gelten. Sein dunkelblondes Haar war fast schon militärisch kurz geschoren, was seine Gesichtszüge noch betonte. Männlich. Attraktiv. Sexy.

Plötzlich verzogen sich seine Lippen zu dem heißesten Grinsen, das sie je gesehen hatte.

Höhlenmensch. Alphamännchen. Und wahrscheinlich geradewegs von irgendeinem Militärstützpunkt gekommen. Zwar gefiel er ihr unter rein ästhetischen Aspekten, aber Lara bevorzugte etwas kultiviertere Männer. »Der Junge sieht ganz nett aus, Kiki.«

Kiki stöhnte. »Ganz nett? Er hat doch nichts ›Nettes‹ an sich. Der ist schmutzig. Verdorben. Und als Jungen kannst du ihn ja wohl kaum bezeichnen, der ist ja wohl ein ganzer Mann.«

Lara rückte ihre Brille zurecht. »Niall gefällt mir besser.«

Niall hatte die perfekte Surfer-Frisur und ein total schnuckeliges Gesicht.

»Du bist Niall doch noch nie begegnet.«

Sie zuckte die Achseln. »Aber ich kenne Nialls Seele. Er ist eher mein Typ.«

»Wenn du damit den Sicherheitsabstand von Tausenden von Meilen meinst …« Kiki schlug mit der Hand auf den Tisch. »Verflucht, wird Zeit, dass du mal wieder flachgelegt wirst. Wie lange ist es jetzt her?«

»Nicht so lange.« Sie senkte den Kopf und murmelte: »Zwei Jahre.«

Kiki bekam Schnappatmung. »Du hast seit Tom mit keinem Typen mehr geschlafen? Oh mein Gott. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist. Ich dachte, du wolltest nur nicht darüber sprechen.«

»Ich erzähle dir doch alles, und du dachtest, ein paar One-Night-Stands würde ich für mich behalten?«

Ihr Blick schweifte wieder zu dem heißen Höhlenmensch. Er war wirklich eine Augenweide. Die Andeutung eines Barts breitete sich auf seinem Kiefer aus. Obwohl er sich wahrscheinlich am Morgen rasiert hatte, war seine Männlichkeit nicht zu zähmen oder zu verleugnen.

»Das ist ein Muskel, weißt du? Du musst ihn benutzen, um ihn fit zu halten. Ich glaube, deine Mumu ist schon am Verkümmern. Deswegen kannst du auch keinen klaren Gedanken fassen, was diese Morddrohungen angeht.«

»Es ist kein Muskel«, widersprach Lara. Aber wahrscheinlich verkümmerte sie wirklich … und vielleicht hatten sich auch ein paar Spinnweben dort gebildet, denn sie hatte auch schon länger nicht mehr selbst an sich herumgespielt. Dazu hatte sie gar keine Zeit. Sie fand selbst, dass sie sich prüde anhörte, als könne sie ebenso gut schon mal anfangen, Katzen und Zeitungen für ihr Dasein als alte Jungfer zu horten.

Plötzlich hatte sie eine Vision, dass dieser Höhlenmensch sie mit seinen riesigen Händen berührte. Zart würden sie gewiss nicht sein. Sie würde jede Schwiele und raue Stelle seiner Haut spüren. Er hatte sicher Arbeitshände, Hände, die Sachen gebaut und Menschen beschützt hatten. Er würde sie nicht fragen, was sie sich wünschte … aber er würde auch nicht zögern, ihr genau das zu geben, was sie brauchte.

»Ähm, soll ich dir vielleicht meinen Pulli leihen?« Kikis Frage riss sie aus ihren Tagträumen.

»Nein. Wieso?« Lara drehte rasch den Kopf, damit ihre Freundin nicht merkte, dass sie den Kerl anstarrte.

»Deiner ist ziemlich dünn, und deine Nippel ziehen hier ’ne ganz schöne Show ab«, bemerkte sie.

Schnell verschränkte Lara die Arme vor ihren Brustwarzen, die peinlich hervorstanden. »Mir ist wohl ein bisschen kalt.«

Kiki warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Wie wär’s, wenn wir zu dem heißen Typ gehen und ihn fragen, ob wir ihm einen Kaffee ausgeben können. Oder, noch besser, wir könnten ihn in die Kneipe nebenan abschleppen, betrunken machen und dann vernaschen.«

»Wir beide?«

»Man nennt mich nicht umsonst ›Ficki-Kiki‹, Süße.« Sie grinste und sah wieder zu dem Höhlenmenschen hinüber. »Ich spreche ihn an, und du kannst dann nach deinem Gespräch mit dem Bodyguard zu uns stoßen.« Sie sah auf ihre Uhr. »Er kommt zu spät.«

Lara warf einen Blick auf ihr Handy. Allerdings, ihr Treffen mit diesem mysteriösen Connor hätte schon vor fünf Minuten beginnen sollen. Sie war etwas früher gekommen, um einen Tee zu trinken, und davon ausgegangen, dass er sich dazugesellen würde. Aber als sie jetzt darüber nachdachte, hatte er eigentlich gesagt, dass sie sich draußen trafen.

Sie fiel fast von ihrem Hocker. Draußen stand nur eine einzige Person.

Dieser unglaubliche Hüne von einem Mann.

»Kiki?«, sagte sie mit kippender Stimme.

Ihre Freundin hängte sich ihre Designer-Tasche über die Schulter. Lara hatte versucht, sie zu überreden, sich eine Handtasche einer nepalesischen Organisation von Frauen zu kaufen, die Kinder aus indigenen Völkern unterstützten, aber Kiki hatte entgegnet, wenn Luis Vuitton diese unterstützen würde, würde sie dessen Taschen auch kaufen. »Ja?«

»Möglicherweise ist er der Bodyguard.«

Kiki fiel die Kinnlade herunter. »Mach mich nicht schwach. Dieses Mannsbild soll dein Leibwächter für die nächsten Wochen sein? Warum kann mir nicht jemand drohen, mich umzubringen?«

Lara schüttelte den Kopf. Nein. Sie brauchte keinen Leibwächter. Zumindest keinen so umwerfenden wie den da. »Ich ruf dich später an.«

»Das will ich auch hoffen, und ich will schlüpfrige Details hören.« Kikis Blick klebte immer noch an dem Mann draußen vor der Tür.

Lara holte tief Luft und schritt auf die Tür zu, um ihr Problem zu lösen.

Connor stand vor dem Café und blickte auf den Weg zurück, den er gerade von der Union Station hierher gelaufen war. Er hatte diesen Treffpunkt gewählt, weil er ihn zu Fuß erreichen konnte. Die dreistündige Zugfahrt von der Penn Station nach D. C. hatte seine Laune nicht gerade verbessert. Er hätte sich lieber von Gabe herfliegen lassen, aber dann hätte er auf Lara nicht den Eindruck eines jämmerlichen Exsoldaten gemacht, der nach einem Job suchte und alles, was er besaß, in seiner schäbigen Reisetasche bei sich trug.

Er hatte vor, an das große Herz dieser Frau zu appellieren. Falls sie es besaß …

Eine Tafel neben ihm kündigte stolz die heutige Vorstellung einer gewissen Goldie Starshine an, und dass der gesamte Erlös an die Initiative für fairen Welthandel ging.

Ja, das passte zu diesem Café.

Eine zwielichtige Kneipe wäre ihm wirklich lieber gewesen. Er hatte die düsteren Orte auf der Welt schätzen gelernt. Dort fühlte er sich viel eher zu Hause.

Lara Armstrong ging wahrscheinlich nie in Kneipen. Oder höchstens in Szenekneipen, wo das Craft-Bier und der Rotwein nur so flossen und niemand einen Scotch bestellte, weil der sich nicht mit der tiefgründigen politischen Diskussion vertrug.

Natürlich könnte er sich auch in ihr täuschen. Sie betrieb ja schließlich eine der berüchtigsten Klatschseiten von D. C. Sie rechtfertigte sie damit, dass sie die hässlichen Sachen nur schrieb, um die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kolumnen über die Rettung von Delfinen zu lenken, aber er hatte da so seine Zweifel. Er würde ein bisschen an ihrer sorgfältig errichteten Fassade kratzen und wusste, was er vorfinden würde. Sie würde genau das sein, was er erwartete – ein naives, eingebildetes, reiches Mädchen, das keinen blassen Dunst von der realen Welt hatte.

Herrje, sie war auf einen Niemand hereingefallen. Niall Smith, der tapfere Kämpfer für die Umwelt Kaliforniens. Connor hatte die Online-Figur geschaffen, als er herausgefunden hatte, dass Lara Armstrong für Capitol Scandals verantwortlich war. Sie und ihre ganze Seite waren in das Spiel verwickelt, bei dem er nun schon seit Wochen mitmischte und das bereits einen seiner besten Freunde überhaupt das Leben gekostet hatte. Maddox Crawford war gestorben, um Geheimnisse zu wahren. Auch Gabriel Bond und seine Verlobte Everly wären um ein Haar draufgegangen. Irgendjemand spann verworrene Fäden aus Täuschung und Halbwahrheiten und versuchte ihn auf diese Weise auszubooten, aber Connor Sparks war wie ein Bluthund. Wenn er erst mal eine Fährte aufgenommen hatte, ließ er nicht mehr locker. Wenn jemand Lara Armstrong in dieses Schachspiel gebracht hatte, hatte Connor keine Hemmungen, sie als die Schachfigur einzusetzen, die sie war, denn er hatte keine Lust, noch mehr seiner Freunde zu verlieren.

Und er würde dieses Spiel nicht verlieren.

Sein Handy klingelte in seiner Hosentasche. Da seine Recherchen über diese Frau ergeben hatten, dass sie häufig zu spät kam, ging Connor davon aus, dass er noch ein paar Minuten hatte. Er holte das Gerät heraus und sah auf das Display.

Dax.

»Hey.« Dax’ Anrufe nahm er immer entgegen. Wahrscheinlich könnte er sich in einem Kampf um Leben und Tod mit einem feindlichen Spion befinden und würde mittendrin aufhören, um mit Dax zu quatschen. Manchmal war er überzeugt, dass Dax das Einzige auf der Welt war, was ihm Halt gab. Er liebte seine Freunde – Dax, Gabe, Mad, Roman und Zack waren die einzigen Menschen, die ihm etwas bedeuteten.

Obwohl, Everly mochte er auch irgendwie. Sie war ein gutes Mädchen.

»Hey Kumpel, hast du es nach D. C. geschafft?« Dax’ heiterer Ton täuschte über den Grund hinweg, weshalb Connor hier war, aber das war typisch für Dax.

Er achtete auf seine Wortwahl, für den Fall, dass sie unerwartet auftauchte und etwas von diesem Gespräch mitbekam. »Ja. In wenigen Minuten fange ich den neuen Job an.«

»Bist du sicher, dass du keine Verstärkung brauchst? Ich habe noch ein paar Wochen frei. Ich könnte in Nullkommanichts dort sein. Wenn wirklich jemand das Mädchen umbringen will, kannst du ein zusätzliches Paar Augen gebrauchen.«

»Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.« Er war sich sicher, dass die Drohung nicht echt war. Er hatte sich in ihr System gehackt, die Sicherheit überprüft und keine Spur von irgendetwas gefunden, das da nicht hingehörte. Der »Drohbrief« war sehr vage gehalten. Wahrscheinlich war das eher ein Trick, um die Aufmerksamkeit ihres Daddys zu wecken und Geld aus ihm herauszupressen.

Armes reiches Mädchen.

»Na gut, aber ich stehe bereit, um dich zu unterstützen. Hier mit Gabe und Everly herumzuhängen, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Vielleicht gehe ich heute Abend mal in eine Kneipe und probiere aus, ob ich die Frauen immer noch so verzaubern kann wie früher.«

Connor schüttelte den Kopf, obwohl Dax ihn nicht sehen konnte. »Auf gar keinen Fall. Ich ruf dir ein paar Nutten. Mit denen wachst du wenigstens nicht verheiratet in Vegas auf. Hoffe ich zumindest.«

»Ha, ha. So was passiert mir nicht noch mal«, beharrte Dax.

Aber Connor wusste, was dieses eine Mal ihn gekostet hatte. »Ja, ich versuche nur, einen zweiten Scheidungshorror zu vermeiden. Denkst du manchmal noch an sie?«

Warum wurde er bloß so sentimental? Vielleicht hatte er so viel Zeit damit verbracht, sich für den sanften Niall auszugeben, dass ihm langsam eine Vagina wuchs. Oder es lag daran, dass er auf dem Weg von New York hierher neben einer dreiköpfigen Familie gesessen hatte. Ein junges Elternpaar mit ihrem Säugling. Sie waren so behutsam mit dem kleinen Mädchen und miteinander umgegangen. Er hatte zugesehen, wie sie einander das Baby gereicht hatten.

Er fragte sich, ob er selbst je etwas so Zerbrechliches haben würde. Eher unwahrscheinlich. Arbeit, bei der man sich die Finger schmutzig machte, lag ihm viel mehr.

»Ich versuche nicht daran zu denken, aber wenn ich dann auf mein Bankkonto schaue …«, antwortete Dax in seiner typischen, trockenen Art.

»Ich hab nicht von deiner Exfrau gesprochen. Ich meinte Holland.« Die Frau, die Dax wirklich geliebt – und verloren – hatte.

Dax schwieg einen Moment. »Ununterbrochen, Mann. Kein Tag, an dem ich nicht bereue, was passiert ist. Und genau deswegen solltest du mit der kleinen Armstrong vorsichtig sein. Ich glaube, sie ist nicht, wofür du sie hältst.«

»Weil du schon Zeit mit ihr verbracht hast?« Er kannte die Antwort darauf.

»Nein, offensichtlich nicht, aber ich kann Menschen wesentlich besser einschätzen als du.«

»Das bezweifle ich stark.«

»Junge, du knallst so ziemlich jeden einfach ab.«

»So ziemlich jeder verdient es.« Er drehte sich leicht und erblickte eine Brünette mit einer trendigen Brille und etwas, das wie ein Vintage-Pullover aussah, die mit leicht geöffnetem Mund zu ihm hinausstarrte. Unwillkürlich bogen sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln. Die kleine Veganerin starrte ihn an, als wäre er ein saftiges Steak, in das sie nur zu gern hineinbeißen wollte. So viel zu ihrer unerwiderten Liebe zu dem sanften Niall. Dieser erfundene Trottel würde bis in alle Ewigkeit im Internet auf seiner Klampfe spielen müssen, denn Lara Armstrong behauptete vielleicht, sie würde auf nette Jungs stehen, aber wie es aussah, ließ sie sich durchaus von einem bösen verführen. »Und da ist sie auch schon. Die Show geht los. Arbeitet Everly immer noch an der Sache?«

Vor Kurzem hatten sie einen Menschenhandelsring entlarvt, der unter dem Deckmantel einer Wohltätigkeitsorganisation für Frauen agiert hatte. Die International Women and Girls Education Foundation hatte die Fassade für die russische Mafia gebildet. Einer ihrer größten Sponsoren war Crawford Industries unter der Leitung ihres verstorbenen Freundes Maddox Crawford gewesen. Soweit Connor das beurteilen konnte, hatte man ihn umgebracht, sobald er die Verbindung entdeckt hatte.

Sie hatten außerdem herausgefunden, dass eine der Frauen, die verkauft worden waren, einst als Zachary Hayes’ Kindermädchen gearbeitet hatte. Der Präsident der Vereinigten Staaten war sehr wahrscheinlich von einer Sexsklavin großgezogen worden, und laut ihrer einzigen Spur konnte allein Lara Armstrong helfen, sie zu finden.

Er warf noch einen Blick in das Café, und sie schien mit ihrer Freundin zu diskutieren. Die Freundin war viel eher sein Typ. Groß und mit einer üppigen Oberweite sah sie aus, als wüsste sie, was man mit einem Mann anstellte. Aber warum konnte er dann seine Augen nicht von der kleinen intellektuellen Fee losreißen? An ein solches Wesen erinnerte Lara ihn. An eine hübsche, kleine Fee mit übergroßen blauen Augen, einem hellen Köpfchen und einer solchen Masse dunkler Haare, dass er keine Ahnung hatte, wie sie sie bändigte.

»Ja, Everly versucht, Deep Throat aufzuspüren.«

Bei diesem Ausdruck zuckte er. Obwohl er dessen historische Herkunft kannte, klang er wirklich wie ein Pornofilm. »Hat sie schon irgendwas herausgefunden?«

»Ja, aber es wird dir nicht gefallen.«

Er drehte sich wieder um, denn es sah aus, als würde er gleich Gesellschaft bekommen. Lara hatte sich ihre Handtasche über die Schulter geworfen und schien gerade ihren Mut zusammenzunehmen. Er wusste genau, was Dax jetzt sagen würde. »Er hat Kontakt zu Lara Armstrong aufgenommen.«

»Ja. Wir glauben, dass er ihr in der letzten Woche drei E-Mails geschickt hat. In der letzten hat er ihr mitgeteilt, dass sie wieder zu ihrem sicheren Kommunikationsweg wechseln. Keine Ahnung, was das heißen soll.«

Deep Throat wusste also, dass sie ihm auf der Spur waren. Er würde auf Briefe oder Faxe zurückgreifen oder vielleicht ein Einweghandy. Er musste in ihre Wohnung gelangen, sich in ihrem Leben einnisten. »Ich werde es herauskriegen. Ich muss auflegen. Ich ruf dich an, wenn ich dich brauche, Bruder.«

»Ja, tu das.« Das Gespräch brach ab, und im selben Augenblick flog die Tür auf, und sein Opfer trat in Erscheinung.

Vintage-Pulli – check. Gelbes Kleid – check. Handtasche, die aussah, als trage sie darin die Sorgen der ganzen Welt mit sich herum – check. Er hatte eigentlich so was wie die Ökoversion von Schneewittchen erwartet. Und nicht ganz so volle Brüste. Auf ihren Fotos sahen die nicht dermaßen heiß aus. Sie trug immer so einen verdammten Pulli, in dem sich ihr Körper versteckte. Jetzt hätte er gern einen Blick auf ihr Hinterteil geworfen, um zu sehen, ob es zu ihrem Busen passte.

Stattdessen hob er eine Augenbraue, musterte sie und sagte mit seiner tiefsten Stimme: »Miss Armstrong? Sie sind fünf Minuten zu spät.«

Ihr Mund öffnete und schloss sich dann wieder. Sie musste ihren Hals recken, um ihm in die Augen zu blicken, wenn sie so dicht voreinander standen. Ein Gentleman wäre zurückgewichen, um ihr etwas Raum zu verschaffen.

Connor Sparks war aber kein Gentleman.

»Mr Connor?« Sie straffte die Schultern, als bereitete sie sich auf eine Schlacht vor.

»Einfach nur Connor.« Er war nicht bereit, ihr auch nur einen Zentimeter zuzugestehen.

»Ist das Ihr Vor- oder Nachname?« Sie schüttelte den Kopf. »Ist ja auch egal. Ich bin eigentlich nicht zu spät. Ich habe drinnen gewartet, um eben nicht zu spät zu kommen.«

»Unser Treffpunkt war hier draußen.«

»Ich nahm an, dass wir in das Café gehen.«

»Da haben Sie falsch angenommen.« Er hatte zwar vorgehabt, sich mit ihr in das Café zu setzen, aber jetzt erschien es ihm eine bessere Idee, sie ein bisschen aus dem Konzept zu bringen. Im Café würde sie sich wohlfühlen. Das war ein Ort, der zu ihr passte. In einer düsteren Kneipe würde sie sich unwohl fühlen, und auf der anderen Straßenseite sah er genau das, was er suchte. »Ich habe drei Stunden lang mit plärrenden Kindern im Zug gesessen. Ich brauche ein Bier. Gehen wir.«

Er ging über die Straße auf eine fensterlose Kneipe zu. Feuchtkalt und schmuddelig. Perfekt. Er sah sich nicht um, konnte aber an dem Klackern ihrer Kitten-Heel-Absätze auf dem Asphalt hören, dass sie ihm so schnell folgte, wie es ihre zierlichen Beine erlaubten.

»Connor, wir sollten reden«, sagte sie, während sie tapfer versuchte, Schritt zu halten.

Er umfasste seine Tasche und war immerhin Gentleman genug, um ihr die Tür aufzuhalten. Aus dem Laden dröhnte Hardrock-Musik. Er wirkte düster, wie ein Ort, an dem geheime Treffen stattfanden oder die Bürger von D. C. einen trinken gingen, wenn sie niemandem begegnen wollten, auf dessen Bekanntschaft sie auch nur einen Pfifferling gaben. Es war eindeutig ein Ort, wo eine kleine Fee einen Begleiter brauchte.

Seine Welt.

»Wir können reden, während ich ein Bier trinke.«

Sie starrte auf die Tür, als halte sie sie für den Eingang zur Hölle. »Ich glaube, wir können uns kurz hier draußen unterhalten.«

Sie hatte also vor, sich aus ihrer Abmachung zu stehlen. Das durfte Connor nicht zulassen. Er ließ die Tür zufallen und sah auf sie herab. Welchen Kurs sollte er einschlagen? Im Kopf spielte er ein paar Strategien durch, entschied sich aber rasch für die Variante, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Jemand, der sich so sehr wie Lara um Delfine kümmerte, musste ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein besitzen. Das konnte er sich definitiv zunutze machen.

»Tut mir leid«, murmelte er. »Ich denke nur an mich. Ich bin einfach echt müde nach der langen Fahrt. Ich hätte den Flug direkt von L. A. nach D. C. nehmen sollen, aber ich wollte meine Mutter sehen. Sie lebt in einem Pflegeheim in der Bronx, und ich kann mir kaum leisten, sie dort zu besuchen, verstehen Sie? Ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten.«

Und schon weiteten sich ihre blauen Augen vor Mitgefühl. »Oh, das haben Sie nicht. Ganz und gar nicht.«

Seine Mutter schlief sich wahrscheinlich gerade durch einen Trailer Park in Südflorida. Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, hatte sie die Unverfrorenheit besessen, ihn um Geld zu bitten. Er hatte ihr zweihundert in bar gegeben und ihr gesagt, sie solle ihn nie wieder anrufen. Ach ja, es ging doch nichts über die Familie.

»Niall sagte, dass Sie eine sehr beschäftigte Lady sind.« Er verzog schuldbewusst das Gesicht.

Sobald er Nialls Namen ausgesprochen hatte, lief sie rot an. »Nein. Ich meine, schon, aber ganz bestimmt nicht zu beschäftigt, um Zeit für einen seiner Freunde zu haben.«

»Er hält wirklich große Stücke auf Sie.«

Wieder errötete sie, und er sah ihr an, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihn anstarrte. Was sie wohl gerade gedacht hatte, dass sie so rot wurde? Das konnte er auch für sich ausnutzen.

»Ich halte auch eine Menge von ihm. Er ist wirklich der klügste Mann, den ich seit Langem kennengelernt habe. Von solcher emotionaler Intelligenz. Ähm, vielleicht sollten wir doch was trinken gehen.« Wieder straffte sie die Schultern. Im Geiste speicherte Connor dies als eine ihrer verräterischen Gesten ab.

Das Leben hatte viel mit einem Pokerspiel gemeinsam. Ein kluger Mann spielte seine Karten nicht aus. Stattdessen spielte er die anderen gegeneinander aus. Lara Armstrong würde eine miserable Kartenspielerin abgeben. Sie trug all ihre Gefühle nach außen, hielt nichts zurück. Oh, wahrscheinlich war sie der Meinung, sie behielte ihre Gefühle für sich. Das dachten die meisten. Und die meisten irrten sich. Dieser leichte Ruck in den Schultern sagte ihm, dass sie um einer guten Sache willen etwas machte, was ihr unangenehm war.

Wenn sie auch nur für eine Sekunde glaubte, dass er sie aus seiner sorgfältig aufgestellten Falle entkommen lassen würde, war sie auf dem Holzweg. Er war nahe dran, dahinterzukommen, welche Rolle sie in diesem geheimnisvollen Fall spielte. Durch sie würde er Deep Throat und die mysteriöse Natalia ausfindig machen. Sie musste er finden, mit ihr sprechen, sie überzeugen, nicht zur Presse zu gehen.

So oder so würde er Zack schützen.

»Sie haben nichts dagegen?« Er öffnete die Tür wieder.

Sie hob ihr Kinn an. »Keineswegs. Sieht doch nett aus.«

Er musste lächeln, als sie durch die Tür schritt, denn es sah schäbig aus, aber er sah ihr ihre Entschlossenheit an, so zu tun, als sei diese düstere Kneipe absolut akzeptabel. Sie hielt den Kopf hoch erhoben, als sie an ihm vorbeiging.

Und endlich konnte er den ersten Blick auf ihr Hinterteil werfen.

Prachtvoll. Wohl gerundet. Perfekt. Vielleicht würde dieser Job doch nicht so übel werden. In seinen Handflächen juckte es, diesen süßen Arsch zu packen und sie an seinen Körper zu pressen. Er wettete, dass sie bisher nur braven und todlangweiligen Sex gehabt hatte. Intellektuell eben. So, mein Lieber, ich hatte meinen ersehnten Höhepunkt. Nun bist du an der Reihe, und dann trinken wir Tee.

Connor musste ein Lachen unterdrücken. Er ging jede Wette ein, dass sie noch nie von einem Mann festgehalten wurde, während er sie leckte, bis sie schrie, bettelte und ihn anflehte, sie zu nehmen.

Verdammt. Er bekam eine Erektion. In der Hoffnung, dass sie es nicht merkte, führte er sie in die dunkelste Ecke.

Dort war es überraschend ruhig, und die einzige Beleuchtung kam von Neonschildern und einem Fernseher, auf dem vermutlich jede bekannte Sportart lief. Lara sah sich um und schien anhand seiner Sauberkeit einen Tisch auszuwählen. Trotzdem öffnete sie ihre riesige Tasche, holte so etwas wie Feuchttücher heraus und wischte den Tisch und ihren Stuhl gründlich damit ab. Sie blickte auf und bot ihm auch eins an.

»Geht schon.« Eine Sauberkeitsfanatikerin war sie also auch. Er war an den übelsten Orten der Welt gewesen und hatte sich so ziemlich jeder schrecklichen Krankheit ausgesetzt, die er sich denken konnte. Er kam mit einem bisschen Kneipenstaub klar. Er stellte seine Reisetasche ab, und die Bedienung trat an ihren Tisch.

Sie trug die sexy Variante einer Schiri-Uniform. Er bestellte ein Bier vom Fass, und Lara fragte allen Ernstes nach Wein.

»Roten oder weißen.«

»Vom Tannin in rotem Wein bekomme ich manchmal Magenprobleme, also bringen Sie mir bitte die Weißweinkarte. Vielen Dank.« Sie lächelte die Bedienung an.

Diese schüttelte nur den Kopf und entfernte sich.

»Sie wissen schon, dass es nur einen Weißwein gibt, oder? Sie wird Ihnen keine Weinkarte bringen.« Er runzelte die Stirn. »Ich hätte es wissen müssen. So ein Laden ist nichts für Sie, habe ich recht?«

»Oh, nein. Ich komme ständig her. Wirklich. Ich liebe es. Sport ist toll. Und das mit der Weinkarte war ein Witz. Wie geht es Ihrer Mom?«

Seine Mutter war ein feiges Miststück. »Sie kommt zurecht. Sie hat Freunde gefunden. Das ist gut.«

»Das freut mich. Niall hat mir erzählt, dass sie bei der Army waren.«

»Navy«, korrigierte er. Wenn sie seinen Hintergrund recherchierte, würde sie feststellen, dass er nach fünfzehn Jahren ehrenhaft entlassen worden war. Er hatte unter einem gewissen Captain Daxton Spencer gedient, der Connor ein hervorragendes Dienstzeugnis ausgestellt hatte. »Ich wollte eine militärische Laufbahn einschlagen, aber dann wurde meine Mutter krank, und ich musste heimkehren und mich um das Familienunternehmen kümmern. Ich steckte all meine Ersparnisse hinein, aber leider ging unser Laden trotzdem den Bach runter. Tante-Emma-Läden sind einfach nicht konkurrenzfähig.«

Ihre Augen leuchteten auf. Sie hatte mehrere Artikel über den Zusammenbruch des Amerikas der kleinen Leute geschrieben, daher hatte er seine Hintergrundgeschichte entsprechend gestaltet. »Nein, leider nicht. Die großen Ladenketten halten Einzug und verdrängen alle anderen, bis sie die einzige Option am Ort sind. Und was passiert, wenn es keine Konkurrenz mehr gibt? Monopoli. Genau.« Sie unterbrach sich. »Tut mir leid. Sie wollen bestimmt lieber über etwas anderes reden.«

Die Kellnerin kehrte zurück und stellte ihm einen Krug und ihr ein Glas Wein hin. Er war nicht direkt weiß, eher ein Rosé. Seufzend nahm sie das Glas hoch, wobei sie zweifellos prüfte, ob es sauber war.

»Unterhalten wir uns über den Job«, schlug er vor.

Selbst im Dämmerlicht konnte er sehen, wie sie sich auf die Unterlippe biss, als versuche sie, einen Weg aus der Sache zu finden. »Ja, ich fürchte, da gab es ein Missverständnis. Wissen Sie, Niall hat sehr schnell gehandelt und gar nicht richtig mit mir über diesen Job gesprochen. Er hat mir nur gesagt, dass er Sie zu mir schicken würde.«

»Er hat so schnell gehandelt, weil er sich Sorgen macht und Sie in Sicherheit wissen möchte.« Das Bier war ganz passabel, aber schließlich war er ja kein Snob.

Ihren ersten Schluck Wein hätte sie um ein Haar wieder ausgespuckt. Irgendwie brachte sie ihn hinunter, schob das Glas aber dann außerhalb ihrer Reichweite. »Ich bin in Sicherheit. Das ist wirklich alles ein Riesenmissverständnis. Ich habe eine alberne Nachricht bekommen und überreagiert.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher. Vergessen Sie nicht die Internetseite, die Sie betreiben. Viele Leute könnten Ihnen deswegen etwas anhaben wollen. Und soweit ich verstanden habe, war es nicht einfach nur eine Nachricht, sondern eine E-Mail, die an Ihre private Adresse geschickt wurde. Ich halte das nicht für albern, sondern für ziemlich ernst.«