Perry Rhodan 1370: Amoklauf der Wissenden - Marianne Sydow - E-Book

Perry Rhodan 1370: Amoklauf der Wissenden E-Book

Marianne Sydow

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Beschreibung

Chaos in Ardustaar - die Esper versagen Den Völkern der Milchstraße ist nach der Zerschlagung des Kriegerkults nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die neue Bedrohung, die auf die Galaktiker zukommt, wird Anfang des Jahres 447 NGZ, das dem Jahr 4034 alter Zeitrechnung entspricht, erstmals erkennbar. Teile der Galaxis Hangay aus dem sterbenden Universum Tarkan gelangen in unseren eigenen Kosmos, was wohl als Folge der verheerenden Paratau-Katastrophe im Tarkanium von ESTARTU geschehen ist. Bald wird klar, dass eine solche Deutung allein nicht genügt, zumal noch weitere Materiemassen in der Lokalen Gruppe auftauchen. Den wildesten Spekulationen sind Tür und Tor geöffnet, aber nur wenige Galaktiker können sich das ganze Ausmaß der Gefahr vorstellen. Einer dieser Galaktiker ist Perry Rhodan. Der Terraner wurde nach Tarkan verschlagen, wo er sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit und nach der verschollenen Superintelligenz ESTARTU macht. Indessen sammeln auch andere Galaktiker "Tarkan-Erfahrung" in dem Teil der im Standarduniversum materialisierten Hälfte der Galaxis Hangay. Und schließlich wird die Situation der Kartanin in Ardustaar prekär. Esper versagen - und es kommt zum AMOKLAUF DER WISSENDEN ...

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Nr. 1370

Amoklauf der Wissenden

Chaos in Ardustaar – die Esper versagen

von Marianne Sydow

Den Völkern der Milchstraße ist nach der Zerschlagung des Kriegerkults nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die neue Bedrohung, die auf die Galaktiker zukommt, wird Anfang des Jahres 447 NGZ, das dem Jahr 4034 alter Zeitrechnung entspricht, erstmals erkennbar. Teile der Galaxis Hangay aus dem sterbenden Universum Tarkan gelangen in unseren eigenen Kosmos, was wohl als Folge der verheerenden Paratau-Katastrophe im Tarkanium ESTARTUS geschehen ist.

Bald wird klar, dass eine solche Deutung allein nicht genügt, zumal noch weitere Materiemassen in der Lokalen Gruppe auftauchen. Den wildesten Spekulationen sind Tür und Tor geöffnet, aber nur wenige Galaktiker können sich das ganze Ausmaß der Gefahr vorstellen.

Einer dieser Galaktiker ist Perry Rhodan. Der Terraner wurde nach Tarkan verschlagen, wo er sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit und nach der verschollenen Superintelligenz ESTARTU macht.

Die Hauptpersonen des Romans

Dao-Lin-H'ay und Oogh at Tarkan – Zwei Kartanin in Not.

Nikki Frickel – Die Chefin der PIG sucht die NARGA SANT.

Gucky – Der Mausbiber versucht sich als »Stimme von Ardustaar«.

Sue-El-K'yon – Guckys Schutzbefohlene.

Shu-Han-H'ay

1.

Dao-Lin-H'ay wusste nicht, wer den Alarm ausgelöst hatte, aber jetzt gellte er durch das Sco-ta-ming und ließ sich beim besten Willen nicht überhören. Sie stürzte aus ihrer Kabine, rannte zur nächsten Ecke und befragte das Gerät, das dort stand.

Der Alarm kam aus der Kabine von Meihao-Vil-Voica. Zwei Roboter waren bereits unterwegs, um Erste Hilfe zu leisten, und offenbar war auch Oogh at Tarkan daran interessiert, zu erfahren, was der Wissenden zugestoßen war. Die anderen Voica reagierten nur sehr zögernd.

Dao-Lin kümmerte sich nicht darum, sondern beeilte sich.

Die Voica waren sehr alt, und der Untergang des Tarkaniums hatte ihnen schwer zugesetzt. Meihao-Vil gehörte zu denen, die es am schlimmsten getroffen hatte. Sie war zusammengebrochen und war lange Zeit nicht fähig gewesen, an den Beratungen der Voica teilzunehmen. Inzwischen schien sie sich aber wieder erholt zu haben, denn Dao-Lin hatte sie erst vor wenigen Stunden im Sco-ta-ming getroffen. Meihao-Vil war auf dem Weg zu ihrer Kabine gewesen. Sie trug ein Kästchen bei sich – Paratau –, und sie hatte auf Dao-Lin einen relativ munteren Eindruck gemacht.

Die Tür zu Meihao-Vils Kabine stand offen. Dao-Lin blickte hindurch und erschrak. Meihao-Vil lag auf dem Boden. Sie schien gestürzt zu sein. Im Fallen hatte sie offenbar den Kasten mit dem Paratau mit sich gerissen. Der Kasten war aufgesprungen, und die Tränen N'jalas waren herausgefallen. Sie bildeten einen leuchtenden, glitzernden Haufen. Meihao-Vil hatte die Arme ausgestreckt und sie um die Tränen gelegt – es ließ sich nicht recht sagen, ob sie den Paratau auf diese Weise schützen wollte, oder ob sie etwa die Absicht hatte, sich die in den vielen Tropfen verborgene Kraft auf einmal einzuverleiben.

»Hast du jetzt den Verstand verloren?«, fragte Dao-Lin-H'ay entsetzt. Meihao-Vil-Voica schien sie nicht zu hören. Sie steckte die Hände zwischen die Tränen, wühlte in den glasklaren Tropfen herum und brabbelte dabei vor sich hin.

Die Roboter waren eingetroffen.

»Kümmert euch um sie!«, befahl Dao-Lin, während sie den Kasten aufrecht hinstellte und vorsichtig damit begann, die Tränen in das Behältnis zurückzubefördern.

»Nein!«, schrie Meihao-Vil auf. »Lass sie mir! Ich brauche sie! Ich brauche sie alle!«

»Du sollst sie ja auch bekommen«, sagte Dao-Lin beruhigend. »Aber doch nicht alle auf einmal. Du weißt, wie gefährlich das ist.«

»Ich brauche sie alle!«, wiederholte Meihao-Vil halsstarrig. In ihrer dünnen, greisenhaften Stimme schwang Hysterie mit.

»Selbstverständlich brauchst du sie«, murmelte Dao-Lin. »Hier hast du eine ganze Handvoll. Nimm sie.«

Aber Meihao-Vil schleuderte die Tropfen wütend von sich und stürzte sich erneut auf den Haufen.

»Geht weg!«, kreischte sie dabei. »Lasst mich in Ruhe!«

Die beiden Roboter standen dabei, verunsichert, weil sie entgegengesetzte Befehle erhalten hatten. Auch Dao-Lin wusste für einen Augenblick nicht, was sie tun sollte. Sie dachte an Psiphrenie, den Wahnsinn, der durch die Aufnahme von zu viel Paratau ausgelöst wurde. Die meisten Wissenden bewahrten stets einen kleinen Vorrat an Tränen in ihren Kabinen auf. Niemand konnte wissen, wie viel Paratau Meihao-Vil bereits konsumiert hatte.

Schließlich gab sie sich einen Ruck. Dao-Lin war wesentlich jünger und kräftiger als die anderen Wissenden. Meihao-Vil war alt und sehr dürr. Obwohl sie sich zur Wehr setzte, gelang es Dao-Lin, die alte Voica vom Boden hochzuziehen und auf ein Sitzpolster zu drücken. Einer der Roboter rollte heran und verabreichte Meihao-Vil ein beruhigendes Medikament.

Dao-Lin gab die Wissende erst frei, als das Mittel zu wirken begann. Meihao-Vil war jetzt sehr still. Sie starrte ausdruckslos auf die Tränen N'jalas.

Dao-Lin bückte sich und sammelte die verstreuten Tropfen ein. Sie war dabei sehr vorsichtig und achtete darauf, dass sie keinen Tropfen länger als unbedingt notwendig in der Hand behielt. Plötzlich hörte sie Meihao-Vil etwas murmeln.

Sie hielt in ihrer Beschäftigung inne, beugte sich über die Wissende und wartete.

»Wolltest du mir etwas sagen?«, fragte sie schließlich.

»Sie wirken nicht mehr«, wisperte Meihao-Vil so leise, dass Dao-Lin sie kaum verstand.

»Wer wirkt nicht mehr?«, fragte Dao-Lin verständnislos.

»Die Tränen N'jalas!«, krächzte Meihao-Vil in plötzlich wieder aufflammender Wut. »Sie sind wirkungslos geworden!«

Dao-Lin-H'ay sah die alte Voica mitleidig an.

»Ja«, sagte sie sanft. »Ich glaube dir. Du musst dich ausruhen. Du hast den Schock noch kaum überstanden. Wenn es dir besser geht, wirst du feststellen, dass alles wieder in Ordnung ist.«

»Ich bin nicht krank!«, protestierte Meihao-Vil wütend. »Und ich bin auch nicht verrückt. Ich weiß, was ich gespürt habe. Diese Tropfen haben keine Kraft mehr. Versuch's doch einfach selbst!«

Dao-Lin-H'ay erinnerte sich noch sehr gut daran, wie unbefangen sie früher mit dem Psichogon umgegangen war. Diese Zeiten waren jedoch vorbei. Sie hatte Dinge über die Tränen N'jalas erfahren, die ihr Albträume bereiteten. Schon seit langem vermied sie jeden unnötigen Kontakt mit Paratau.

Außerdem gab es eine sehr einfache Erklärung für Meihao-Vils seltsames Verhalten.

Die alte Voica hatte Raubbau mit ihren Kräften getrieben und allzu häufig Paratau genommen. Bei den meisten Kartanin führte das zu Wahnvorstellungen, die mitunter jahrelang andauerten. Andere – und Meihao-Vil mochte zu dieser Gruppe gehören – reagierten plötzlich überhaupt nicht mehr auf die Tränen N'jalas. Sie verloren die Fähigkeit, das Psichogon zu nutzen, und damit verloren sie auch ihre Esper-Fähigkeiten.

Eine Voica ohne ihre Esper-Fähigkeiten ...

Aber darüber mochten die anderen sich die Köpfe zerbrechen. Außerdem war noch nichts bewiesen, und Meihao-Vils Zustand konnte sich immer noch bessern.

Dao-Lin gab den beiden Robotern einen Wink, und die beiden trugen die alte Wissende davon. Das gefiel Meihao-Vil gar nicht. Sie schrie und zeterte, und vor allem verwünschte sie Dao-Lin-H'ay.

Dao-Lin konzentrierte sich darauf, die Tränen in das Kästchen zurückzubefördern. Die Szene war ihr peinlich, und sie schämte sich für Meihao-Vil vor allem deshalb, weil Oogh at Tarkan all dies beobachtet hatte. Er stand schon seit geraumer Zeit an der Tür, sagte aber kein Wort.

Das Kästchen war gefüllt. Dao-Lin stellte es an seinen Platz, ging an Oogh at Tarkan vorbei nach draußen und schloss die Tür zu Meihao-Vils Kabine.

Erstaunt registrierte die ehemalige Protektorin von Lao-Sinh, dass keine andere Wissende es für nötig gehalten hatte, sich um die Ursache des Alarms und um Meihao-Vil zu kümmern. Sie schienen alle in ihren Kabinen zu hocken, denn sie befanden sich auch nicht in jenem Kommandoraum, in dem sie sich in dieser Zeit meistens zu treffen pflegten.

Als Dao-Lin diesen Raum betrat, war Oogh at Tarkan dicht hinter ihr. Er folgte ihr, und sie wusste nicht, warum. Sie wagte es auch nicht, ihn zu fragen, denn sie empfand tiefe Ehrfurcht vor ihm. Er war es gewesen, der das alte, ursprüngliche Tarkanium gegründet hatte, vor so langer Zeit, dass kein anderer Kartanin sich auch nur verschwommen daran erinnerte. Er war nicht einmal in diesem Universum geboren, sondern er stammte aus Tarkan, der Schrumpfenden.

Dao-Lin, die sonst so pragmatische Kartanin, hegte Oogh at Tarkan gegenüber religiöse Gefühle, die es nicht zuließen, dass sie ihn mit überflüssigen Fragen belästigte.

Der große, runde Raum barg zurzeit keine Kartanin, aber er wirkte trotzdem nicht leer oder gar tot. Unzählige Bildschirme waren in Betrieb und lieferten Bilder aus allen Teilen von Ardustaar. Im Grunde genommen war das Verschwendung, denn kein noch so kluger Kartanin war imstande, diese Flut von Informationen zu verarbeiten. Aber die Wissenden liebten es, all diese Bilder um sich zu haben. Die Auswertung überließen sie dem Sco-ta-ming.

Dao-Lin ließ sich vor einem zunächst leeren Bildschirm nieder und bat um eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen. Sie spürte, dass Oogh at Tarkan hinter ihr stand, und das machte sie ein wenig nervös. Als die ersten Bilder kamen, vergaß sie das jedoch sehr schnell.

Die Kommandantin von N'jalin, eine hochbegabte Esper und zugleich die einzige Protektorin, die keiner der Großen Familien angehörte, war wegen Unfähigkeit ihres Postens enthoben worden. Mit ihr war fast das gesamte Lehrpersonal der ESP-Forschungsstation abgelöst worden. Es hieß, dass viele der ESP-Schülerinnen – die Elite der jungen, psibegabten Kartanin – ihre Fähigkeiten verloren hatten. Man führte dies auf neue, riskante Trainingsmethoden zurück. Das Ganze war ein Skandal ersten Grades. Es wurde noch schlimmer: Die Hohen Frauen hatten eine Untersuchungskommission nach N'jalin geschickt. Dabei hatte sich herausgestellt, dass fast der gesamte Inhalt der großen Paratau-Lager unbrauchbar geworden war.

Dao-Lin hatte Mühe, diese Informationen zu begreifen, denn so etwas hatte es noch nie gegeben.

Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass jene Kartanin, die im System der Sonne N'jala arbeiten durften, alle durch die Bank über kurz oder lang die Neigung entwickelten, auf alle anderen Kartanin herabzusehen. Die Sonne N'jala übte eine sonderbare Wirkung auf kartanische Gehirne aus. Selbst ohne Paratau entwickelten manche Kartanin dort übersinnliche Kräfte. Außerdem sagte man den Strahlen N'jalas nach, dass sie den Verstand stärkten, die Denkgeschwindigkeit erhöhten und neue, revolutionäre Gedanken förderten.

Natürlich hatten sich gerade im N'jala-System immer wieder neue, bessere Trainingsmethoden entwickelt. Einen Fehlschlag hatte es dabei jedoch nie gegeben, und die derzeitige Kommandantin von N'jalin – das wusste Dao-Lin-H'ay von ihrer Arbeit mit den Wissenden her – war die Zuverlässigkeit in Person ...

... gewesen. Die Untersuchungsergebnisse waren eindeutig.

Natürlich gab es überall in Ardustaar, wo Kartanin lebten, auch Paratau-Lager, aber die waren meistens nicht so groß und bedeutend wie die im N'jala-System. Es war mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, Paratau in größeren Mengen aufzubewahren. Im Bereich der Sonne N'jala waren diese Schwierigkeiten nicht ganz so groß, und die gesundheitlichen Risiken für die Esper, die den Paratau bewachten und abschirmten, waren dort geringer als an irgendeinem anderen Ort.

Mit anderen Worten: Die Kartanin hatten durch diesen Zwischenfall so viel Paratau verloren, dass sie allmählich nervös wurden. Sie brauchten Nachschub, und zwar dringend.

Glücklicherweise war eine Flotte von Ernteschiffen unterwegs, um neuen Paratau zu holen. Die Schiffe mussten bald zurückkehren.

Dao-Lin-H'ay bediente sich der technischen Möglichkeiten der NARGA SANT – genauer gesagt, sie sprach das Sco-ta-ming an –, um möglichst bald etwas über die Ernteschiffe zu erfahren.

Das Sco-ta-ming teilte ihr mit, dass sie sich noch etwas gedulden müsse. Man werde sie benachrichtigen, sobald die ersten Informationen verfügbar seien.

Dao-Lin-H'ay gab sich damit notgedrungen zufrieden.

Erst als sie aufstand und sich umdrehte, bemerkte sie, dass Oogh at Tarkan bereits verschwunden war. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sich entfernt hatte.

Wie viel mochte er mitbekommen haben?

»Ich habe kein Recht, mir darüber den Kopf zu zerbrechen«, sagte sie zu sich selbst.

Sie fühlte sich sehr einsam in der riesigen NARGA SANT.

*

Mit Sring-Hea-Voica und Que-Quanga-Voica hatten zwei weitere Wissende einen Zusammenbruch erlitten. Dara-Ban hatte in einem Anfall plötzlicher Hysterie mehrere Geräte und Bildschirme zertrümmert, war vor den heraneilenden Robotern, die ihr helfen sollten, geflohen und in einen Antigravschacht gesprungen, der – wie alle solche Schächte in der NARGA SANT – schon seit Ewigkeiten außer Betrieb war. Die Roboter hatten das Schlimmste verhindern können, aber Dara-Ban würde für einige Zeit das Bett hüten müssen.

Da die anderen Voica sich um all diese Vorfälle nicht kümmerten, musste Dao-Lin allein mit den Schwierigkeiten fertig werden. Dara-Ban hatte trotz mehrerer Knochenbrüche mehrfach versucht, technische Einrichtungen zu beschädigen, und auch die anderen Kranken zeigten sich sehr uneinsichtig. Dao-Lin hatte den Robotern schweren Herzens den Befehl gegeben, die Kranken ruhigzustellen. Sie hatte die anderen Wissenden darüber informiert, aber niemand hatte es für nötig gehalten, ihr zu antworten oder in irgendeiner Weise Stellung zu beziehen.

Inzwischen trafen fast stündlich neue, beunruhigende Meldungen aus dem Reich der Kartanin ein.

Das Geschehen im N'jala-System erwies sich im Nachhinein als Vorstufe einer viel größeren Katastrophe. Inzwischen sprach kaum noch jemand von den angeblich so riskanten neuen Trainingsmethoden, und zweifellos hatten alle Bewohner N'jalins, die man angeklagt hatte, eine gute Chance, ungestraft davonzukommen, denn was bei ihnen geschehen war, das wiederholte sich auf vielen anderen Kartanin-Planeten.

Die Esper verloren ihre Fähigkeiten. Sie konnten die in den Tränen N'jalas gespeicherten Psi-Energien nicht mehr nutzen. Der Paratau löste sich auf, ohne die geringste Wirkung zu hinterlassen. Auf N'jalin, aber auch an verschiedenen anderen Orten hatte man manche Paratau-Lager leer vorgefunden. Die Esper, die diese Lager abschirmten und bewachten, hatten nichts bemerkt. Es hatte keine Psi-Stürme gegeben. Es waren aber andererseits gewiss auch keine Diebe in die Lager eingedrungen.

Der Paratau war ohne die üblichen Begleiterscheinungen deflagriert. Er hatte sich schlicht und einfach aufgelöst.

»Es ist ein Krieg!«, sagte Ossa-Tai-T'uos, eine der Sprecherinnen der Hohen Frauen, und sie sagte es in einer Nachrichtensendung, die auf vielen kartanischen Planeten gesehen wurde. »Eine neue Waffe, die unsere Esper lähmt und ihnen ihre Fähigkeiten raubt. Noch wissen wir nicht, wer diese neue Waffe erfunden hat und nun gegen uns einsetzt, aber wir kennen unsere Feinde und wir werden sie zur Rechenschaft ziehen!«

Eine Waffe?

Von dieser Seite hatte Dao-Lin-H'ay die ganze Sache bisher noch nicht betrachtet, aber es war eine Erklärung, die logisch klang. Und wer die Feinde waren, die eine so heimtückische Waffe einsetzten, brauchte man den Kartanin nicht erst lange zu beweisen. Es hatte in der Vergangenheit schon genug Ärger mit den Maakar gegeben, den Giftatmern, und nur die Psi-Kräfte der Kartanin hatten die Kämpfe letztlich entschieden.

Wenn die Maakar jetzt etwas entdeckt hatten, womit man diese Psi-Kräfte einfach ausschalten konnte, dann würden alle unter dem Druck der Not geschlossenen Verträge nichts nützen. Dann stand ein neuer Krieg bevor, und diesmal würden die Maakar die Sieger sein.

Dao-Lin-H'ay – eigentlich Dao-Lin-Voica, aber an diesen Namen hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt – gab dem Sco-ta-ming den Befehl, den Rundruf zu aktivieren. Sie bat die Wissenden, sich zu einer Beratung einzufinden.

Niemand kam.

Sie versuchte es mehrfach, aber die Wissenden schienen jedes Interesse an ihrer Aufgabe verloren zu haben. Keine von ihnen ließ sich blicken.

Schließlich verlor sie die Geduld. Sie klapperte die Kabinen der anderen Wissenden ab. Niemand öffnete ihr. Allmählich wurde ihr die Sache unheimlich. Im Sco-ta-ming war es so still, als hätten sich die wenigen Bewohner dieses riesigen Gebiets davongeschlichen.

Als wären sie alle gestorben!

Der Gedanke schoss ihr durchs Gehirn. Sie wehrte ihn ab, aber jetzt hatte sie wirklich Angst.

»Nana-Bea-Voica!«, schrie sie gegen die Tür, vor der sie gerade stand. »Öffne das Schott. Ich muss mit dir sprechen. Es ist dringend!«

Nichts.

»Wenn du nicht öffnest, werde ich Gewalt anwenden!«

Auch das zeitigte keine Wirkung.

Das Schott zu Meihao-Vils Kabine war gleich nebenan, und es war nicht verschlossen. Dabei erinnerte sich Dao-Lin ganz genau daran, dass sie es geschlossen und gesichert hatte. Sie trat ein und erblickte den kleinen Kasten. Der Deckel war geöffnet, und die Tränen N'jalas waren verschwunden.

Was ging hier vor?