Perry Rhodan 2808: Tiuphorenwacht - Marc A. Herren - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2808: Tiuphorenwacht E-Book und Hörbuch

Marc A. Herren

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Beschreibung

Sie untersuchen ein kosmisches Phänomen - ein Angriff auf die Milchstraße steht bevor Auf der Erde schreibt man den Jahresanfang 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende von Welten zählen sich zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen. Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Sie stehen - wie alle anderen Bewohner der Galaxis auch - unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Die sogenannten Atopischen Richter behaupten, nur sie und ihre militärische Macht könnten den Frieden in der Milchstraße sichern. Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter überhaupt kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß. Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Unfall, der Perry Rhodan in die Vergangenheit der Milchstraße verschlägt, mehr als 20 Millionen Jahre vor seiner Geburt. Im Gegenzug dringen die kriegerischen Tiuphoren aus dieser Epoche in die Gegenwart ein und greifen mehrere Welten an. Um gewappnet zu sein, formiert sich nun die TIUPHORENWACHT ...

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Zeit:3 Std. 33 min

Sprecher:Renier Baaken

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Nr. 2808

Tiuphorenwacht

Sie untersuchen ein kosmisches Phänomen – ein Angriff auf die Milchstraße steht bevor

Marc A. Herren

Auf der Erde schreibt man den Jahresanfang 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende von Welten zählen sich zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen.

Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Sie stehen – wie alle anderen Bewohner der Galaxis auch – unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Die sogenannten Atopischen Richter behaupten, nur sie und ihre militärische Macht könnten den Frieden in der Milchstraße sichern.

Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter überhaupt kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß.

Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Unfall, der Perry Rhodan in die Vergangenheit der Milchstraße verschlägt, mehr als 20 Millionen Jahre vor seiner Geburt. Im Gegenzug dringen die kriegerischen Tiuphoren aus dieser Epoche in die Gegenwart ein und greifen mehrere Welten an. Um gewappnet zu sein, formiert sich nun die TIUPHORENWACHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Anna Patoman – Die Kommandantin der GALBRAITH DEIGHTON V erhält einen besonderen Auftrag.

Heydaran Albragin – Die Robotregentin spendiert etliche EPPRIK-Raumer.

Pino Gunnyveda – Der Ideenkaufmann erhält einen neuen Auftrag.

Hotorr Traccax – Der Tiuphore findet eine neue Heimat.

Taran und Troy Nesser

Prolog

Früher.

14. Juni 1468 NGZ

Im Nachhinein wusste Anna Patoman nicht mehr, weshalb sie an diesem Abend das Labor in der Akademie Terrania aufsuchte. War es eine Ahnung gewesen, ein Gefühl?

Anna Patoman verließ den Mietgleiter und schritt über die dampfende Rasenfläche auf eines der tropfenförmigen Gebäude zu, in dem ihr Mann sein Labor eingerichtet hatte.

Normalerweise genoss sie die abendliche Atmosphäre in der angenehm zurückhaltend beleuchteten Waringer-Akademie. Hoch über ihrem Kopf stand nur der von mehreren Holoprojektionen erzeugte Regenbogen, der Hoffnung, Kreativität und Phantasie symbolisieren sollte. An diesem Abend beunruhigte er sie aus einem unerfindlichen Grund.

Ein Bewässerungsroboter schwebte heran, summte kurz auf und setzte seinen Weg fort. Anna Patoman sog den Duft des Rasens in sich auf. Die einzige Komponente, die ihrem Geschmack nach dem Geruchsbukett fehlte, war ein Hauch von Minze. Aber wahrscheinlich hätte ihr nicht einmal der gleichzeitig beruhigende wie erfrischende Duft von Pfefferminze geholfen.

Die Spaziergängerin schüttelte unwillig den Kopf. Weshalb fühlte sie sich mit jedem Schritt unbehaglicher? Normalerweise benötigte sie im abendlichen Akademiegelände im Schein des Regenbogens nur wenige Minuten, um die tausend Mikroprobleme abzustreifen, denen sie bei ihrer täglichen Arbeit begegnete.

An diesem Abend wirkte die beschauliche Szenerie geradezu bedrohlich auf sie.

Anna Patoman erreichte das Laborgebäude und stellte sich vor die silbrige Säule, in der die Zutrittspositronik untergebracht war. Ein blaues Feld leuchtete auf. Der Scanner, der ihre Zellkernstrahlung auswertete.

»Guten Abend, Anna Patoman«, sagte die Positronik mit freundlicher Stimme. »Deine Zutrittsberechtigung ist aktiv. Aber der Arbeitsstatus deines Mannes lautet auf keine Störung. Du darfst das Gebäude also betreten, aber der Zutritt in Taran Nessers Labor ist untersagt, wie auch jede Möglichkeit einer Kommunikationsverbindung mit ihm.«

Anna Patoman runzelte die Stirn. »Wir haben einen Tisch im Restaurant Marco Polo in der Stahlorchidee reserviert. Ich komme, um ihn abzuholen.«

»Ich bedaure. Er hat keinen solchen Eintrag in seiner Agenda. Tatsächlich hat er sich vor einer halben Stunde zwei Portionen proteinangereicherten Fischschmaus und Hawaiiwasser bestellt.«

Anna Patoman stieß einen leisen Fluch aus. Sie hatte ihren Gatten während des Frühstücks explizit auf ihre abendliche Verabredung aufmerksam gemacht. Er hatte einsilbig darauf geantwortet, und Anna war davon ausgegangen, dass er den Termin im Griff hatte. Ab sofort würde sie ihre Rendezvous nicht mehr mit ihm persönlich, sondern mit seiner Agenda ...

Sie stutzte. »Sagtest du zwei Portionen Fischschmaus?«

»Das sagte ich, ja.«

»Und für wen ist die zweite Portion bestimmt?«

»Für Orest Athapilly, der sich bei ihm aufhält.«

»Und wie lautet Orests Arbeitsstatus?«

»Er lautet auf beschäftigt.«

»Dann kann ich ihn also kontaktieren?«

»Das ist theoretisch möglich. Allerdings weise ich dich darauf hin, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine Nachlässigkeit handelt und der Status ebenfalls auf keine Störung lauten sollte.«

»Papperlapapp. Du wirst mich jetzt ins Gebäude lassen und eine Verbindung zu Orest Athapilly herstellen.«

»Wie du wünschst, Anna.«

Die Tür glitt zur Seite, und die Deckenbeleuchtung des untersten Stockwerks glomm auf.

»Danke.«

Anna schritt auf den zentralen Antigravschacht zu.

Dieses Gefühl. Dieses verdammte Gefühl!

Sie erinnerte sich daran, dass ihr Mann an jenem Morgen sein eigenes Ritual gebrochen hatte. Normalerweise genoss er sein Frühstück, während er sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem intergalaktischen Fundus widmete, um dann Punkt sieben Uhr ins Labor zu fliegen. Stattdessen hatte er sich mit einem seltsam entrückten Gesichtsausdruck ein altes Doku-Trivid angesehen, um dann kurz vor halb acht nach einem flüchtigen Abschiedskuss in aller Eile das gemeinsame Appartement zu verlassen.

Taran Nesser und sie hatten sich während ihrer Studienzeit in Terrania kennen und lieben gelernt. Vor 54 Jahren waren sie einen unbefristeten Ehevertrag eingegangen. Obwohl sie in vielerlei Hinsicht äußerst unterschiedlich waren, faszinierte Taran sie mit seiner unbändigen wissenschaftlichen Neugierde und der Fähigkeit, außerhalb der normalen Bahnen zu denken und zu arbeiten.

Er, der aufstrebende Parawissenschaftler und sie, der von den Wundern des Universums träumende Spross einer Agronomen-Dynastie des Planeten Alburi. Sie beide gaben ein gutes Team ab.

So war es jedenfalls bis zu jenem Zeitpunkt gewesen, als Taran seinen Lehrauftrag an der Waringer-Akademie erhielt und sich ohne Rücksicht auf Verluste in die Arbeit stürzte. Sie sahen sich von da an kaum mehr, da Anna gleichzeitig ihre Stelle im Hauptquartier der LFT-Flotte antrat und mehrmals in der Woche Übungsflüge zwischen Terra, Olymp und der Wega unternahm.

Anna trat in den Antigravschacht und ließ sich in die Höhe heben. In diesem Augenblick leuchtete ihr Multifunktionsarmband auf. Im kleinen Holobildschirm erschien das Gesicht Athapillys. Wie immer lächelte er.

»Anna! Was verschafft mir die Ehre?«

»Du bist mit Taran zusammen in seinem Labor?«

Er zögerte. Sein kurzer Seitenblick verriet ihr, dass ihr Mann direkt neben der Aufnahmeoptik stand.

»Worum geht es?«

»Es geht darum, dass wir in exakt einer halben Stunde einen Tisch im Marco Polo reserviert haben, mein feiner Ehevertragspartner und ich. Darum geht es.«

»Er ist gerade mit einem Experiment beschäftigt. Und ehrlich gesagt, haben wir bereits etwas zu uns genommen.«

»Das weiß ich. Und wenn du meinen Hintergrund analysierst, wirst du erkennen, dass ich bereits im Antigravlift bin und zu euch hochschwebe. In zwanzig Sekunden will ich ihm Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen!«

»Anna, das halte ich für keine ...«

Sie unterbrach die Verbindung und blickte mit zusammengepressten Lippen hoch zur markierten Ausstiegsöffnung des zehnten Stockwerks.

Reagierte sie über? Zwischen ihrem Mann und ihr bestand die stumme Abmachung, dass keiner sich in die Arbeit des anderen einmischte. Aber die dumpfe Wut in ihrem Bauch verlangte ein Ventil. Und das erhielt sie erst, wenn sie ihren Mann persönlich zur Rede stellen konnte. Vielleicht war das übertrieben; sie hatte in den vergangenen Monaten mehr als ein gemeinsames Abendessen platzen lassen müssen. Aber das bedeutete nicht, sie hätte auch nur eines davon einfach so vergessen.

Sie erreichte den Ausstieg und ging mit in der Stille heftig hallenden Schritten auf die Tür mit der Aufschrift 10-1 zu.

Sie öffnete sich, und Orest Athapilly kam heraus. Er versperrte ihr den Weg, sodass sich die Tür schloss, bevor sie einen Blick ins Innere von Tarans Labor werfen konnte.

»Anna«, sagte er mit entschuldigendem Lächeln. »Taran ist es wirklich in höchstem Maße peinlich, dass er eure Verabredung vergessen hat. Er verspricht, dass er es am Wochenende wiedergutmachen wird.«

Normalerweise fühlte sich Anna in Orests Nähe seltsam beschwingt, besonders, wenn dieser sie anlachte. Sie vermutete schon lange, dass er über eine besondere Gabe der mentalen Beeinflussung verfügte. Nicht zuletzt arbeitete er unter Tanio Ucuz im TIPI – dem Terranischen Institut für Paranormale Individuen. Aber er wich Fragen zu seiner Gabe stets mit einem entwaffnenden Lächeln und einem flotten Spruch auf den Lippen aus.

Egal, ob er nun über diese Begabung verfügte oder nicht – an diesem Abend wirkte sie bei Anna Patoman kein bisschen. Sie fühlte sich geladen.

»Er weiß genau – oder sollte es zumindest wissen –, dass ich über das Wochenende mit Raumkadetten nach Plophos fliege! Und wie kommt es überhaupt, dass er dich rausschickt, um mit mir zu verhandeln? Hat er nicht genügend Rückgrat, um mit seiner Frau persönlich zu sprechen?«

»Er hat gerade ein Experiment gestartet, das er nicht unterbrechen kann. Du musst verstehen, dass ...«

»Ich muss gar nichts!«, stieß sie heftig aus. »Er soll entweder zu mir rauskommen – oder ich gehe zu ihm hinein! Als ich die Zutrittsberechtigung zur Waringer-Akademie erhielt, musste ich diverse Geheimhaltungsfolien signieren. Ich bin an die Schweigepflicht gebunden, also ...«

Die Labortür öffnete sich. Taran Nessers breitschultrige Gestalt zeichnete sich im Eingang ab.

»Lass gut sein, Orest. Anna wird es sowieso früher oder später erfahren.«

»Was werde ich erfahren?«

Die Wut in ihr begann zu bröckeln. An ihrer Stelle richtete sich ein neues Gefühl auf.

Angst.

Taran trat zu ihr und strich ihr sanft über die Wange. Sein linkes Augenlid zuckte nervös, seine Finger rochen nach Sterilisationsbestrahlung. »Verzeih, mein Herz. Ich hätte dich wahrscheinlich viel früher informieren müssen. Komm mit.«

Es war, als übernähme eine fremde Gewalt Besitz von ihrem Geist. Wie ein willenloser Roboter folgte sie ihrem Mann in das Innere des Labors. Auf den ersten Blick sah es aus wie immer, wäre da nicht das lichtdämmende Feld gewesen, das den hinteren Bereich des Raumes abdunkelte.

»Woran ... woran arbeitet ihr?«

»Es ist mein eigenes Experiment«, erklärte Taran, ohne sie anzusehen. »Orest wurde mir vom Ethikkomitee als Zeuge zugeteilt.«

Irgendwo in Annas Innern heulte eine Alarmsirene auf. »Das Ethikkomitee? Weshalb ...«

Ihr versagte die Stimme.

Das ungute Gefühl, das sich seit ihrem Frühstück langsam aufgebaut hatte, wuchs zu etwas empor, das größer und stärker war als sie. Vor ihrem inneren Auge sah sie Tarans verklärten Gesichtsausdruck, als er dieses Trivid in sich aufgesogen hatte. Wovon hatte es gehandelt? Einem schmächtigen Mann asiatischen Aussehens mit einem annähernd kugelförmigen Kopf.

Taran blieb auf halber Entfernung zum abgedunkelten Teil des Labors stehen. »Im Jahr 1346 NGZ versuchten zwei Aras, ein Mittel im Kampf gegen die Terminale Kolonne TRAITOR zu finden. Sie beschafften sich eine Zellprobe des Zünder-Mutanten Iwan Iwanowitsch Goratschin und machten sich daran, steuerbare und genetisch verbesserte Klone des tausendfünfhundert Jahre zuvor Gestorbenen zu züchten.

Die ersten Experimente führten zu Fehlschlägen. Die Klone waren nicht lebensfähig oder richteten ihre zerstörerische Gabe gegen sich selbst. Erst der dritte Goratschin erschien zuerst als Erfolg. Um ihn mental stabil zu halten, impften sie ihm falsche Erinnerungen ein. Dazu kam unter anderem eine hypnosuggestive Beeinflussung durch Báalols. Kurz: Die Eingriffe in Körper und Geist waren massiv. Und daran ist er schlussendlich zugrunde gegangen – und mit ihm sein Erschaffer, der Ara Paspatern.«

Anna Patoman schluckte leer. »Bitte, sag nicht, dass du ...«

Taran Nesser blickte sie einen Moment betroffen an, dann setzte er seinen Weg fort. Mit der Hand machte er ein Zeichen, und ein Teil des abgedunkelten Raumes wurde in ein warmes Licht getaucht.

Annas Knie gaben nach, aber sie fing sich. Wie angewurzelt blieb sie stehen.

Getaucht in das warme Licht schwebte ein künstlicher Uterus, wie er in der Fortpflanzungsmedizin verwendet wurde. In der trüben Flüssigkeit, befestigt an einer Nabelschnur, bewegte sich sachte ein Fötus.

»Nein«, hauchte Anna.

»Wie du sehen kannst, hat der Kleine nur einen Kopf«, sagte Taran Nesser mit künstlicher Heiterkeit. »Deine Sorge, dass ich die ganz und gar überzogenen Experimente der beiden Aras weiterführen würde, ist also unbegründet. Ihre Experimente sind daran gescheitert, dass sie zu viel wollten: genetisch verbesserte, aber mehr oder minder willenlose Klone ... Das ist eine Fünf-D-Rechnung mit einer unbekannten Anzahl von Unbekannten!«

»Bist du eigentlich total übergeschnappt?«, brach es aus Anna heraus. Die Wut war heimgekehrt. Und wie. »Ich machte mir doch keine Sorgen, dass du einen Goratschin züchten könntest ... Ich bin total geschockt, dass du überhaupt Experimente an einem kleinen Menschen vornimmst!«

Mit Tränen in den Augen ging sie auf den künstlichen Uterus zu.

Der Fötus war vielleicht dreißig Zentimeter lang, wirkte durch die Embryonalhaltung jedoch deutlich kleiner. Seine grashalmdünnen Finger bewegten sich, als würde der Kleine – es war ein Junge – auf einer imaginären Harfe spielen.

Aus einem Schallfeld neben dem Uterus erklang ein Klavierstück. Anna Patoman kannte es: Johann Sebastian Bachs für die Ewigkeiten komponierte Goldberg-Variationen.

Die Wut verebbte so schnell, wie sie gekommen war. Dieses kleine Menschlein mit dem riesig wirkenden Kopf. Die sanften Töne des Klaviers ...

»Was hast du bloß getan, Taran?«

»Leben erschaffen«, sagte ihr Mann, der neben sie getreten war. Er legte seine Hand auf ihren Arm, aber Anna streifte sie sofort wieder ab. »Und zwar nicht irgendein Leben. Das Genmaterial geht auf einen Mann zurück, der viel für die Menschheit getan hat. Er ...«

»Es interessiert mich nicht. Ich will nur verstehen, wie du das überhaupt tun konntest. Ich weiß ja, dass es in den vergangenen Jahrtausenden viele gewissenlose Idioten gab, die sich zu einem Gott aufspielten.« Sie wandte sich mit tränenverschleiertem Blick ihrem Mann zu. »Aber von dir hätte ich das nicht erwartet. Nicht im Entferntesten. Und dann noch hier, in der Waringer-Akademie. Es gibt eindeutige Regeln und Gesetze, die so etwas innerhalb der LFT verhindern!«

Orest Athapilly trat zu ihnen. Vorsichtig, wie ein Geist. »Taran hat ein Schlupfloch in den Vorschriften gefunden. Eines, das verhindert, dass sein Experiment eingestellt oder er zumindest von der Akademie verwiesen wurde.«

»Ein Schlupfloch? Was für ein Schlupfloch?«

Taran versuchte erneut, sie zu berühren, aber Anna zuckte nur angeekelt zurück.

»Was für ein Schlupfloch, hast du gefunden, Taran?«, wiederholte sie.

»Das da drin«, sagte der Parawissenschaftler sanft, »ist mein Sohn. Von mir stammt das Spermatozoon, das die Eizelle befruchtet hat. Ihm habe ich die fremde Prägung gegeben, aber grundsätzlich stammt es von mir.«

Ein leichter Schwindel erfasste Anna Patoman. »Und ...«, brachte sie stockend heraus, weil ihr plötzlich die Luft fehlte, »... von wem hast du ... die Eizelle erhalten?«

Taran Nesser blickte zu Boden. Beschämt.

»Es handelt sich um eine gespendete Eizelle«, erklärte Orest Athapilly. »Sonst hätte das Schlupfloch nicht existiert.«

Anna blickte von einem der beiden Wissenschaftler zum anderen. »Nein, das stimmt nicht, das stimmt ganz und gar nicht. Taran, schau mir gefälligst in die Augen und sag mir die Wahrheit!«

Orest blickte seinen Kollegen stirnrunzelnd an. »Taran, hast du uns bezüglich der Herkunft der Eizelle in die Irre geführt?«

Ihr Mann presste die Lippen aufeinander und schwieg.

Anna stieß ihren Mann heftig gegen die Brust. »Sag mir, dass es nicht wahr ist. Sag mir ...« Ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte sie durch, sie wusste, dass sie kurz vor einer Hysterie stand, ohne etwas dagegen tun zu können. »Wie? Wie hast es angestellt? Hast du mich betäubt? Hast du einen von Athapillys Mutanten dazu benutzt? Wie bist du zu der Eizelle gekommen?«

Taran ergriff ihre Oberarme. Er wirkte verärgert, vielleicht auch nur nervös. »Ist das jetzt wirklich relevant? Schau ihn dir an! Das ist unser Junge! Ein gesunder Junge! Wir werden ihn gemeinsam großziehen, ihn lieben und wenn wir Glück haben, wird sich eines Tages seine Gabe bemerkbar machen.«

Anna Patoman schüttelte den Kopf, versuchte die Bilder abzuschütteln, die auf sie eindrangen. Die Bilder aus der Trivid-Dokumentation, die sie am Morgen nur beiläufig betrachtet hatte.

Aus dem Bilder- und Gefühlssturm schälte sich ein einziger Gedanke: Sie musste weg. Jetzt und sofort.

Sie stieß ihren Mann mit aller Kraft von sich, wehrte Orests Arme ab, die nach ihr griffen und rannte dann, so schnell ihre Beine sie trugen, aus dem Labor. Irgendwie schaffte sie es, den Antigravlift und den Haupteingang hinter sich zu bringen.

1.

GALBRAITH DEIGHTON V,

15. Januar 1518 NGZ

Die Übertragung endete mit dem Bild der drei Raumgiganten, die außerhalb der Umlaufbahn des dritten Planeten des Swaftsystems beschleunigten und aus der Erfassung verschwanden.

Anna Patoman schürzte die Lippen. »Und niemand weiß Genaueres über sie? Wie hast du sie vorhin genannt?«

»Tiuphoren«, sagte Cai Cheung. »Sie tauchten erstmals über Olymp und danach über Swoofon auf, hielten die Liga für kurze Zeit in Atem und verschwanden danach wieder in der Tiefe der Galaxis. Irre.«

»Und woher kamen sie?«

»Aus dem Zeitriss – das gilt als gesichert. Da legt sich die Vermutung nahe, dass man nicht fragen sollte, woher sie kamen, sondern von wann.«

Anna Patoman ließ den Blick durch den Raum schweifen. Außer ihr und der Solaren Premier hatte sich die gesamte Führungscrew eingefunden, ihre Stabsoffiziere aus der GALBRAITH DEIGHTON V.

»Und wir sollen nun herausfinden, woher – Pardon! – von wann sie kamen?«

»Das wäre ein falscher Einsatz der Ressourcen.« Cai Cheung strich sich durch die dunklen, widerspenstigen Haare. »Nein, die Untersuchung des Zeitrisses wird durch die Schiffe der für diesen Zweck zusammengestellten wissenschaftlichen Flotte der LFT durchgeführt. Ihr Leiter wird sich mit dir in den nächsten Tagen in Verbindung setzen und die ersten Erkenntnisse präsentieren.«

Anna Patoman hatte ihre eigene und ganz und gar nicht öffentlichkeitstaugliche Meinung über Politiker. Nur Cai Cheung erarbeitete sich durch ihr Handeln so etwas wie eine kleine Ausnahmestellung. Die Solare Premier machte einen offenen und ehrlichen Eindruck. Sie sprach Dinge an und legte die Karten auf den Tisch, anstatt sie im Ärmel zu verstecken oder Ungesagtes als Nebelbombe die Sachverhalte verbergen zu lassen, wie es anderen – teilweise auch namhaften – Vertretern ihrer Zunft normalerweise zu eigen war.

»Die Aufgabe der GALBRAITH DEIGHTON V wird sein, die drei flüchtigen Tiuphorenraumer zu finden. In Absprache mit dem Galaktikum und – inoffiziell – mit Lordadmiral Monkey von der USO wurdest du als Beauftragte für die Tiuphorenfrage benannt.«

»Ist das mein neuer Titel? Beauftragte für die Tiuphorenfrage?«

Cai Cheung lächelte. Und es stand ihr gut. »Wenn du die Funktion denn annimmst, kannst du diese Bezeichnung gerne bei Hologesprächen unter deinem Namen einblenden. Und die Medien werden sich eh die Bezeichnung aussuchen, die ihnen am passendsten erscheint.«

Die Kommandantin der DEIGHTON hob die Hände. »Ich habe keine Einwände. Wahrscheinlich auch keine Wahl.«

Cai Cheung runzelte die Stirn.

Anna Patoman rang sich zu einem entschuldigenden Lächeln durch. »Selbstverständlich übernehme ich die neue Funktion gerne. Aber habe ich das richtig verstanden? Soll ich mit einem Raumschiff in der Milchstraße nach den drei Raumschiffen der Tiuphoren suchen? Werde ich für diese Aufgabe mit einem Zellaktivator ausgestattet? Wie viele Millionen Jahre habe ich für die Suche Zeit?«

»Ich weiß, dass dieses Vorhaben mehr als problematisch ist. Solange gleichzeitig unsere onryonischen Freunde an vielen, ja sehr vielen Orten aktiv sind und wir versuchen, sie möglichst unauffällig im Auge zu behalten, sind unsere Ressourcen stark begrenzt. Du wirst dennoch über eine kleine Flotte verfügen können. Neben der GALBRAITH DEIGHTON handelt es sich sowohl um terranische wie auch arkonidische Schiffe, die du einsetzen kannst. Um dies zu vereinfachen, wirst du mit einer Arkonidin zusammenarbeiten, mit Heydaran Albragin.«

Anna Patoman stieß einen kurzen Pfiff aus. »Mit der Robotregentin?«

Cheung lächelte. »Ich weiß zwar nicht, wie angenehm ihr dieser inoffizielle Titel ist, aber ja, mit ihr.«

Anna nickte anerkennend. Heydaran Albragin war so etwas wie eine Legende im Bereich von Robotschiffeinsätzen. Wäre sie Terranerin und nicht Arkonidin, hätte Anna Patoman längst die Gelegenheit ergriffen und sich mit ihr ausgetauscht.