Perry Rhodan 2924: Das Rätsel des Sprosses - Michelle Stern - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2924: Das Rätsel des Sprosses E-Book und Hörbuch

Michelle Stern

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen. In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni von Bord ihrer "Spross" genannten Raumschiffe aus aktiv geworden. Angeblich wollen sie die Mächtigkeitsballung von ES im Auftrag einer anderen Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Sie treten auf als Partner und bieten Freundschaftsgeschenke besonderer Qualität an: Unsterblichkeit, Verjüngung, Psifähigkeiten ... Aber ist das alles nicht viel zu schön, um wahr zu sein? Reginald Bull geht an Bord eines dieser Raumschiffe und löst DAS RÄTSEL DES SPROSSES ...

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Nr. 2924

Das Rätsel des Sprosses

Das Geheimnis der YETO – Reginald Bull macht eine Entdeckung

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Reginald Bull

1. Sanudh

2. Gatrax

3. Kahle

4. Administratorin

5. KIS-Team

6. Okrill

7. Ergebnisse

8. Entscheidungen

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni von Bord ihrer »Spross« genannten Raumschiffe aus aktiv geworden. Angeblich wollen sie die Mächtigkeitsballung von ES im Auftrag einer anderen Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Sie treten auf als Partner und bieten Freundschaftsgeschenke besonderer Qualität an: Unsterblichkeit, Verjüngung, Psifähigkeiten ... Aber ist das alles nicht viel zu schön, um wahr zu sein? Reginald Bull geht an Bord eines dieser Raumschiffe und löst DAS RÄTSEL DES SPROSSES ...

Die Hauptpersonen des Romans

Reginald Bull – Der Unsterbliche bietet einen Zellaktivator an.

Toio Zindher – Die Vitaltelepathin besucht das Librationsgewölbe.

Icho Tolot – Der Haluter lässt sich auf eine Spiegelfechterei ein.

Pellexer

Reginald Bull

Du bist an Bord eines fremden Raumschiffs. Einer eiförmigen Pflanze gleich hüllt es dich ein, schließt sich Deck um Deck um dich und Tausende andere, die es betreten haben.

Seine Besatzung nennt es Spross, wahrscheinlich, weil es natürlich gewachsen ist. Erst war es klein wie ein Samenkorn, dann wuchs es, nahm den Raum um sich ein wie eine feindliche Armee, die keinen Rückzug und keine Gnade kennt. Ganze Städte würden in ihm Platz finden.

Blauer Lichtschein erfüllt die Gänge, leises Knistern und Knacken begleitet die Worte der Wesen, die es bewohnen. Unter deinen Füßen federt der Boden, als wollte er jeden Moment nachgeben. Ein kühler Luftzug streicht über dein Gesicht. Er trägt einen unbekannten Geruch in sich, der dich an Lagerfeuer in einer Winternacht denken lässt, an Rauchschwaden, Eiskristalle und Gefahr.

Was ist das für ein Schiff? Welche Geheimnisse verbirgt es? Wie tief musst du graben, um sie ihm zu entreißen?

Seine Besatzung nennt sich Gemeni. Wie das Schiff ist sie gewachsen, scheint keine Kindheit oder Jugend zu kennen. Das Menschliche ist ihnen fremd. Sie sind, was sie sind. Sie tun, was sie tun. Sich zu erklären, liegt ihnen nicht.

Es ist ein seltsamer Ort voller Rätsel und Fragen. Exotisch und bedrohlich. In kalter Höflichkeit erstarrt, die dir wie das Metall einer Klinge vorkommt. Seine Regeln sind eigen. Das Spiel, das man an diesem Ort spielt, fordert seinen Preis. Wie viele Leben hat es bereits gekostet?

Auch du bist gekommen, um zu spielen. Du bist ein Unsterblicher, der weiß, dass er sterblich ist. Dein Einsatz ist hoch: Du setzt dein Leben. Dein Zellaktivator gegen einen oder mehrere andere. Gegen Geräte, die vielleicht nicht funktionieren und das, was du hast, nicht ersetzen können.

Das Risiko hast du nie gescheut. Du weißt, dass man manchmal vorwärtsgehen muss; dass man die Dinge ins Rollen bringen muss, um zu erkennen, was es wirklich mit ihnen auf sich hat. Du liebst es, das zu tun; schaust zu, wie die Steine krachend gegeneinander fallen, wie sie stürzen und freilegen, was hinter ihnen liegt.

Es ist an der Zeit, mehr zu erfahren. An der Zeit, die Geheimnisse des Sprosses zu lüften.

Du tust es für die Milchstraße und alle, die in ihr leben, aber auch für dich.

1.

Sanudh

Reginald Bull wechselte stumm einen Blick mit Toio Zindher. Seine Frau nickte kaum merklich. Sogar wenn ihr Körper entspannt wirkte, spürte er ihre Wachsamkeit.

Vor ihnen stand Kalundodh, der Sanudh, der für sie an Bord des Sprosses YETO zuständig war. Er gehörte zu den Ermessern, die beurteilen sollten, ob Reginald Bull und seinen Begleitern ein Zellaktivator zustand oder nicht.

Doch Bull hatte dem Ermesser einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte den Kontrakt nicht mit Blut besiegelt wie alle anderen. Stattdessen hatte er dem Sanudh vom Zellaktivatorchip unter seinem Schlüsselbein erzählt und ihn im Tausch gegen Aktivatoren der Gemeni angeboten.

»Kommt!« Kalundodh wies auf den Ausgang des schlichten Quartiers, der sich wie ein Ringmuskel geweitet hatte. »Worauf wartet ihr?«

Bhal Haddhunis war bereit, sie zu empfangen. Bull lächelte. Gleichzeitig fühlte er sich kälter, als es in der YETO war. Er hatte den Bhal da, wo er ihn haben wollte: bereit zu Verhandlungen.

»Wir sind nicht vollzählig«, sagte Bull. »Ich will weitere Begleiter mitnehmen.«

Der Sanudh zögerte. Er legte den Kopf schief. Sein blauviolettes Gesicht mit den vier Augen bestand aus zwei Teilen, die in der Mitte von der Stirn bis knapp unter das Kinn durch einen schmalen Spalt getrennt waren. Im Mundbereich weitete sich der Spalt, verbarg wohl eine Atem- und eine Sprechöffnung. Der helmartige Kopfputz bewegte sich nicht, als wäre er mit dem Sanudh verwachsen, und vielleicht war das auch so. »Weitere Begleiter?«

»Ja.« Bull hob den Arm, berührte das im Schutzanzug integrierte Multifunktionsgerät. »Ich informiere sie.«

»Zwei«, sagte Kalundodh. Ein leises Rascheln begleitete seine Worte. »Mehr als vier von euch werde ich nicht ins Librationsgewölbe bringen.«

Sie würden den Bhal also im Librationsgewölbe aufsuchen. Das kam Bull entgegen. Dieser besondere Schiffsabschnitt, den das KIS-Team in den Berichten erwähnt hatte, interessierte ihn brennend. »Einverstanden.«

Er sendete eine kurze Nachricht an Korin Anderlei und Guy Tosser. Beide kamen sofort auf den Gang. Auch sie trugen SERUNS. Es waren neue, leichtere Modelle, die man bis auf ein paar Auffälligkeiten mit gewöhnlicher Kleidung verwechseln konnte.

Wie zuvor beim KIS-Team hatten die Gemeni keinerlei Anstalten gemacht, Bull und seinen Begleitern die Anzüge abzunehmen. Sie hatten sich einzig für die Tasche mit dem Kantor-Kompaktsextanten interessiert. Leider. Bull hätte das Gerät zu gerne an Bord gebracht, doch er hatte es zurückbringen müssen.

»Geht es zum Bhal?«, fragte Anderlei. Sie wirkte, als hätte Bulls Nachricht sie aus dem Schlaf gerissen. Ihre weißen Haare waren zusammengebunden. Einzelne Strähnen fielen ihr in die Stirn. Das Gesicht sah verändert aus – natürlicher. Ohne die Schminke kam sie Bull sympathischer vor. Sie hielt eines der kleineren Gespinste in der Hand, die auch in Bulls Quartier lagen – tuchartige Pflanzengewebe, die sich dem Körper anpassen konnten und ihn vor der Kühle an Bord schützten.

»Ja«, sagte Bull. Er folgte Kalundodh, der bereits losgegangen war. Das türkisfarbene Gewand des Gemen hob sich deutlich von der violettblauen Wand ab. Dennoch schien es, als wären beide auf rätselhafte Weise eins.

Guy Tosser stellte keine Fragen. Der Raumlandesoldat war eher einsilbiger Natur. Trotz seiner jugendlichen fünfzig Jahre hatte der stämmige, kahlköpfige Militär etwas Uraltes an sich. Vielleicht lag es daran, dass er absolut humorlos war oder an seinem Rang. Er blieb dicht bei Toio wie eine persönliche Leibwache. Ob Tosser genauso handeln würde, wüsste er, dass die Frau namens Jamira Onar in Wahrheit Toio Zindher war? Jene tefrodische Agentin des Tamarons, die viele Jahre gegen Terra agiert hatte?

Vielleicht. Bull traute Tosser zu, dass er selbst in diesem Fall seinen Dienst ohne Klage verrichtet hätte. Er hatte ihn bisher als loyalen Mann kennengelernt, der sich nicht leicht aus der Ruhe bringen ließ. Hinter dem fassadenhaften Gesicht verbarg sich ein wacher Geist mit rascher Auffassungsgabe, der schnell und sicher Entscheidungen traf.

Anderlei wies auf die hell leuchtenden Wände. »Sind sie nicht faszinierend? Es ist, als würde Farn in ihnen wachsen.«

Bull erinnerten die Strukturen im Inneren eher an haarfeine Korallen in einem Meerwasseraquarium. Die durchscheinenden Wände waren kaum zehn Zentimeter dick, dennoch erkannte er nichts auf der anderen Seite.

Vor ihnen verästelte sich der Korridor. Sie nahmen den linken Gang, durchquerten eine kleine Halle, in der es keinerlei Einrichtungsgegenstände gab. Bull fiel auf, dass Toio abwesend wirkte. Ihre Augen waren halb geschlossen. Sie ging mechanisch wie in Trance. Ob sie versuchte, durch ihre Parafähigkeiten mehr über die Psi-Quelle an Bord herauszufinden? Je eher sie etwas über diesen Punkt in Erfahrung brachten, desto besser.

»Wie weit ist es?«, fragte Anderlei.

Der Sanudh antwortete, ohne langsamer zu werden: »Noch zwei Kilometer nach euren Entfernungsangaben.«

»Und die willst du gehen? Habt ihr keine Transportmittel?« Anderleis Frage klang wie eine Beschwerde. Die Empörung war kaum zu überhören.

»Wir gehen zu Fuß«, antwortete der Sanudh.

»Zu Fuß!«, echote Anderlei. »Wie unkultiviert! Dieses Schiff ist riesig, wie kann man da vergessen, bequeme Fortbewegungsmittel einzubauen?« Sie aktivierte den Flugmodus des SERUNS und schwebte in Schrittgeschwindigkeit über dem Boden.

Der Sanudh nahm es kommentarlos hin. Überhaupt waren die Gemeni, die Bull bisher kennengelernt hatte, nicht die gesprächigsten Wesen. Man musste ihnen jedes Wort abtrotzen.

Bull aktivierte den SERUN. Anderleis Vorstoß war nicht dumm. Er wollte herausfinden, wie sehr die Technik eingeschränkt war. Das konnte im Notfall überlebenswichtig werden. Immerhin wusste er von der SHINAE, dass jede höhere Technik an Bord eines Sprosses versagen konnte. Eine Art Störfeld verhinderte im Fall eines Angriffs ihr Funktionieren. Wie präzise und rasch konnten die Gemeni diesen Vorgang steuern?

An Bulls SERUN zeigten sich gleich mehrere Fehlermeldungen. Den Deflektormodus konnte er vergessen. Immerhin war es möglich, in langsamem Tempo zu fliegen. Alles Weitere schien größtenteils blockiert zu sein. Sonderbar: Das KIS-Team hatte nicht mit derartigen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Waren die Gemeni erst durch den Einsatz der Agenten misstrauisch geworden?

In der SHINAE war es während eines Angriffs möglich gewesen, einen unbehelligten Korridor zu erhalten, quasi eine mitwandernde Strukturlücke, in der die Technik funktionierte, während sie im Außerhalb versagte. Befanden sie sich nun in einem umgekehrten Phänomen? Richteten die Gemeni Störfelder auf sie? Oder befand sich das Schiff in einer Art Alarmzustand?

Es würde schwierig werden, Funknachrichten nach draußen zu schicken. Im Grunde wollte Bull das auch gar nicht. Er hatte Tosser angewiesen, seine Soldaten als Boten bereitzuhalten. Solange jeder nach Belieben in den Spross herein- und hinausdurfte, sollte es ein Leichtes sein, Nachrichten auf altmodische Art persönlich oder auf Datenträgern zu überbringen. Eine Überlegung dahinter war der Bericht des KIS-Teams, demzufolge die ganze YETO möglicherweise wie ein überdimensioniertes Ohr funktionierte, in dem nichts unbelauscht blieb.

Sie erreichten eine Rampe, die wie eine sechs Meter breite Wendeltreppe in die Höhe führte. Ihr Anblick erinnerte an ein blaugläsernes Schneckenhaus, dessen oberes Ende sich in der Ferne verlor wie in dunstigem Nebel.

Toio und Tosser schalteten die Flugfunktion ein. Es ging stetig bergauf. Kalundodh stapfte voraus wie eine Maschine. Weder kam er außer Atem noch zeigte er andere Anzeichen von Erschöpfung. Seine Konstitution war ausgezeichnet.

»Erzähl uns mehr über das Librationsgewölbe!«, forderte Bull.

Der Gemen drehte sich nicht zu ihm um. »Es ist die Residenz des Entfaltungsbegleiters.«

»Der Entfaltungsbegleiter?«, echote Anderlei, während Toio ungewöhnlich still blieb. Wahrscheinlich war sie ganz auf ihre Paragabe konzentriert. »Wer ist das denn?«

»Der Entfaltungsbegleiter gehört zum Spross«, sagte Kalundodh. »Er ist der Vergegenwärtiger. Der Wachstumsnavigator. Der Wegbereiter.«

»Er spricht vom Bhal«, erklärte Bull, ehe Anderlei weiter nachfragen konnte. »Ist das Librationsgewölbe die Zentrale des Schiffs?«

Kalundodh schwieg.

Bull hatte den Wunsch, den Kerl zu packen und zu schütteln, bis die Wörter aus ihm purzelten. Wieder einmal erhielt er keine Antwort. Doch eines war offensichtlich: Sie kamen immer weiter hinauf. Nach dem Einstieg durch die Polschleuse und der Unterbringung in Quartieren, die nicht allzu weit davon entfernt waren, steuerten sie schnurgerade auf den Kern der YETO zu. Wenn sie diese Richtung beibehielten, würden sie irgendwann die Mitte des knapp fünf Kilometer langen Raumers erreichen.

Ein Schauder lief über Bulls obere Wirbel. Er hatte das Gefühl, sich in die Höhle eines wilden Okrills zu begeben. Was wussten die Gemeni über ihn? Würden sie fair spielen oder ihn und seine Begleiter überraschend gefangen nehmen?

An Tossers argwöhnischem Blick sah er, wie angespannt der Oberstleutnant war. Als Kommandant der Raumlandetruppen der RIBALD CORELLO stellte er allerhöchste Ansprüche an sich selbst und war vollkommen außerstande, den Moment zu genießen, solange er im Einsatz war.

Bull dagegen genoss den Weg hinauf. Er blieb wachsam, kokettierte jedoch gleichzeitig mit der Gefahr. Er wusste, dass es Toio ähnlich ging. Sie waren beide nicht dafür gemacht, alt und grau im Bett zu sterben, auch wenn sie sich das manchmal wünschten. Gefahr und Aufregung gehörten zu ihrem Leben wie die Nacht zum Tag.

Beiläufig berührte Bull seine Schulter. Dicht unter dem Schlüsselbein verrichtete der Zellaktivator seinen Dienst – ein unscheinbares und doch machtvolles Gerät. Die meiste Zeit über nahm Bull es nicht wahr. Es gehörte zu ihm wie seine Nieren oder die Bauchspeicheldrüse. Nur manchmal fühlte er sanfte Impulse davon ausgehen, Manifestationen der Vitalenergie, die ihn potenziell unsterblich machte.

Fast dreißig Minuten ging es nach oben durch den glasblauen Aufstieg. Die Rampe federte unter Kalundodhs Füßen wie weiches Gras. Bull sah deutlich, wie der Gemen einsank. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto intensiver roch es. Feuer und Rauch, Frost und etwas Scharfes, Fremdes drängten sich Bull auf. Manchmal meinte er einen Hauch von Moder darin zu riechen, wie etwas Altes, das langsam verrottete. Dabei war die YETO ein junges Schiff.

Anderlei verzog angewidert das Gesicht. »Wird etwa für uns gekocht?«

»Habt ihr Appetit?«, fragte Kalundodh überraschend zurück. »Ich kann euch Essen bringen lassen.«

»Das wird nicht nötig sein«, sagte Bull. Keine Abschweifungen, keine Unterbrechungen.

Die Rampe endete, lief in einen Korridor mit durchscheinender, nachtblauer Wandung aus. Im Inneren wuchsen Gebilde, die an eine Mischung aus Eiskristallen und Korallen erinnerten.

»Wir sind da«, sagte Kalundodh. Er ging schneller, rannte nun beinahe, als zöge eine unsichtbare Kraft ihn an. Sie folgten ihm durch einen Zugang, der sich wie ein Ringmuskel weitete, bis sie alle vier nebeneinander hindurchpassten. Vor ihnen erstreckte sich eine fremde Welt.

Bull blieb stehen, verwirrt von den zahlreichen Eindrücken, die auf ihn einstürmten. Der Raum war in steter Bewegung. Nein. Eigentlich war es nicht die spiralige, in sich verdrehte Konstruktion, die sich rührte. Es waren komplexe Spiele aus Licht und Schatten. Flächen aus gleißendem Weiß und hellem Blau jagten die Dunkelheit. Besonders in der Raummitte drehten und wendeten sie sich, tanzten einen wilden Reigen, der sich in mehreren Strudeln drehte.

»Was ist das?«, fragte Anderlei. Ihre Augen weiteten sich. Sie starrte auf die beiden Gebilde, die auch Bulls und Toios Aufmerksamkeit anzogen wie ein Magnet, während Tosser als Einziger nicht davon beeindruckt schien.

Mitten im organisch anmutenden Librationsgewölbe erstreckte sich vom Boden bis zur Decke eine beeindruckende, gut zehn Meter hohe Struktur, die an einen Doppeltrichter erinnerte. Während die beiden Säulen unten schlank waren, verbreiterten sie sich nach oben auf nahezu acht Meter. Durch sie lief und flimmerte in einem stetigen, von Strudeln durchsetzten Strom ein hellblaues Etwas wie gasförmiger Aquamarin. Es war nicht Wasser, nicht Plasma, weder flüchtig noch fest. Es strömte – von einer unsichtbaren Quelle gespeist – aufwärts.

Bull versuchte die Bewegungen klar zu erfassen, sie mit den Augen zu fixieren, doch stets, wenn er meinte, sie erkennen zu können, musste er eingestehen, dass er sich irrte. Etwas wie eine Wandung umgab die beiden Säulen. Zwar konnte Bull sie nicht sehen, doch die Art, wie das Medium – oder die Energie – im Inneren von einer unsichtbaren Hülle zurückprallte, machte klar, dass es gegen eine Barriere schlug. Wirbel und dunklere Flecken bildeten sich.

»Es ist wunderschön«, flüsterte Anderlei. Über ihren SERUN huschten rauchblaue Schatten, verfolgt von Licht.

Toio zitterte. Ihr Gesichtsausdruck zeigte Ablehnung, die ins Entsetzen ragte.

»Was ist?«, fragte Bull. Es kostete ihn Mühe, den Blick von den beiden Gebilden abzuwenden.

Wie Anderlei empfand er sie als schön. Als ästhetisch. Sie waren der Kern des Gewölbes, das Herzstück der YETO. Darauf hätte Bull seinen Zellaktivator verwettet. Was er sah, war eine Vorführung, die die Gemeni exklusiv für ihn gaben: ihr eigentliches Sein. Ihr innerstes Geheimnis. Ob Zentrale oder nicht – das Librationsgewölbe war der wichtigste Ort an Bord dieses Schiffes.

»Analysieren!«, wies Bull den SERUN halblaut an.

Anderlei erwachte aus der Faszination und hantierte an den Ringen an ihren Fingern.

Toio dagegen wirkte weiterhin wie erstarrt. Sie gab Bull keine Antwort. Ihr Verhalten machte ihm Sorgen.

Er fasste ihre Hand. Sie war eiskalt. »To... Jamira?« Ärgerlich biss er sich auf die Unterlippe. Fast hätte er vor Tosser Toios wahren Namen genannt, doch der Oberstleutnant war glücklicherweise abgelenkt. Er suchte die weitläufige Ebene um die sinnverwirrende Konstruktion mit Blicken ab, als erwartete er einen lauernden Feind, der das Feuer eröffnete.

»Da!« Tosser zeigte auf eine blauschwarze Erhebung in einem Meer aus Blau. Von Türkis bis zu einer Farbe, die an tiefste Nacht erinnerte, waren alle Schattierungen der Farbe vertreten. Sie bedeckten Boden und Wände, wechselten sich ab und glitten träge vor sich hin wie bunte, zweidimensionale Vögel, die sich nicht in Käfige einsperren lassen wollten. In dieser steten Unruhe ragte ein unveränderlicher Pol auf, eine Halbkugel, die in der Luft schwebte.

Die Halbkugel drehte sich und zeigte einen Gemen, der in einem Sessel mit runder Rückenlehne saß. Der Sitz war in die Halbkugel eingearbeitet und passte sich dem schlanken Körper an. Das blaue Gewand verschmolz farblich damit. Das Pflanzenwesen saß ganz ruhig, als wäre es das lebloseste Objekt im Raum. Vielleicht meditierte es oder dachte nach. Alles um den Gemen war in Bewegung – nur er selbst nicht.

Einen Moment begriff Bull nicht, woher der Eindruck kam, dann wurde es ihm klar: Die farbigen Schatten, die über den Boden, die Decke und die Wandungen huschten, machten um ihn einen Bogen. Nicht das kleinste Spiel von Licht und Dunkelheit bewegte sich auf dem panzerartigen Gewand und der violett gemusterten, blättrigen Haut. Es war, als säße der Gemen in seinem eigenen Raum, der von der Umgebung durch unsichtbare Barrieren getrennt war. Die lidlosen, tiefblau schimmernden Augen schauten wie aus einer anderen Zeit zu ihnen.

»Willkommen im Librationsgewölbe«, sagte Bhal Haddhunis mit wispernder Stimme.

Toio schwankte, als stünde sie auf den Planken eines schaukelnden Schiffs. Ihre Finger zitterten. Sie hatte die Lippen fest zusammengepresst. Schweißtropfen lösten sich von der Stirn, perlten über die Schläfen.

»Was ist los?«, fragte Bull eindringlich.

Sie schüttelte stumm den Kopf. Entweder wollte Toio es ihm nicht sagen oder konnte es nicht.

2.

Gatrax

Wenige Stunden zuvor

Pellexer erwachte von einem Geräusch, das ihm fremd war und einen unangenehm gelben Farbstich hatte. Es polterte und krachte von einem der Nachbarkörbe. Er blinzelte, kam nur langsam zu sich. Die Nase juckte, und der Magen gab ein protestierendes Glucksen von sich.

Es war viel zu früh zum Aufstehen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Ein neuer, geruhsamer Tag lag vor Pellexer, den er damit verbringen würde, grüne Waldbeeren zu pflücken und zu einer der Wurmsammelstellen zu gehen. Vielleicht würde er zudem weiter an der kleinen Gatraxenfigur schnitzen, die er nach und nach aus einem Stück Portholz befreite.

»Ruhe!«, rief er Richtung Nachbarkorb, doch das Klappern wurde sogar noch lauter.

Auch etwas anderes stimmte nicht. Die Gerüche, die er als farbige Schimmer über den Dingen wahrnahm, waren anders als sonst. Es fehlten etliche Nuancen: warmes Gold, lichtes Grün, rauchiges Blau. Niemand zerrieb Gerrobst zu süßem Brei, kochte Wurzeltee. Kein einziges Feuer brannte. Sie mussten erloschen sein.