Perry Rhodan 3014: Der Feind in mir - Michelle Stern - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3014: Der Feind in mir E-Book und Hörbuch

Michelle Stern

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen. Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten. Was sich seitdem ereignet hat, ist Perry Rhodan bisher nahezu unbekannt, da es zu beinahe allem mehrere unterschiedliche Aussagen und Quellen gibt. Gemeinsam mit seinem alten Freund Reginald Bull ist er nun an Bord von dessen Flaggschiff THORA. Sie sind auf dem Weg ins Ephelegonsystem, wo sich Rhodan endlich mehr Aufschluss erhofft. Doch es lauert DER FEIND IN MIR ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 180

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 28 min

Sprecher:Tom Jacobs

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 3014

Der Feind in mir

Zwei Terraner auf der THORA – sie kämpfen gegen unheimliche Gegner

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Kopfgeldjäger

2. Resident

3. THORA

4. Enkelin

5. Feinde

6. Metabolist

7. Bruder

8. Booth

9. Gigant

Stellaris 69

Vorwort

»Thassaias Schiff« von Kai Hirdt

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Was sich seitdem ereignet hat, ist Perry Rhodan bisher nahezu unbekannt, da es zu beinahe allem mehrere unterschiedliche Aussagen und Quellen gibt. Gemeinsam mit seinem alten Freund Reginald Bull ist er nun an Bord von dessen Flaggschiff THORA. Sie sind auf dem Weg ins Ephelegonsystem, wo sich Rhodan endlich mehr Aufschluss erhofft. Doch es lauert DER FEIND IN MIR ...

Die Hauptpersonen des Romans

Dancer – Die Kopfgeldjägerin arbeitet mit Köpfchen – und Sprengstoff.

Schlafner – Der Kopfgeldjäger weiß, wie abhängig er von den Vitalenergiegaben der Cairaner ist.

Perry Rhodan – Der unsterbliche Terraner muss die Kopfgeldjäger finden und stellen, ehe es zu spät ist.

Reginald Bull

Wir haben den Halt verloren. Stecken im Treibsand fest. Was waren das noch für gute, alte Zeiten, als wir den Gegner kannten, ihm einen Strahler vors Gesicht halten konnten ... Jetzt ist alles diffus, in Nebel gehüllt. Das Feindliche ist überall. Es gibt keinen festen Halt. Nirgends.

Reginald Bull

1.

Kopfgeldjäger

»Besten Dank, Nirian Moomann!«

Schlafner hielt die Frau fest, noch während sie vor ihm auf dem Gang der Medoabteilung in sich zusammensank. Er legte sie ab, hob den Kopf, lauschte in das Raumschiff hinein.

Dieser Bereich der THORA war sicher – jedenfalls im Moment. Doch viel Zeit blieb ihnen nicht. Es konnten jederzeit Mediker, Pflegepersonal oder Roboter auftauchen.

Als er seine Schwester sah, schloss Schlafner kurz die Augen. Sie hatte eine Fazialmaske angelegt, die sie äußerlich zu Nirian Moomann machte, doch diese Züge standen ihr wenig. Er mochte sie lieber, wie sie wirklich waren, auch wenn Schlafner Dancer immer liebte, ganz gleich, hinter wessen Gesicht sie sich verbarg.

»Schaffst du's?«, fragte er.

»Soll das ein Scherz sein? Klar schaffe ich das!« Dancer lud sich den leblosen Körper auf die Arme und hievte ihn von da aus wie einen Sack über die Schulter. Schlafner drehte sich zur zweiten Person auf dem Gangboden um.

»Dir danke ich auch, Gishart Szymanski.« Er hob den schlafenden Mann auf, der sein Zwillingsbruder hätte sein können. »Da entlang!«

»Ich weiß!« Seine Schwester ging zügig vor, wollte ihm beweisen, wie wenig ihr das Gewicht ausmachte.

Sie kamen ohne Probleme vor den nächsten Raum, der ihr Ziel war – jedenfalls ihr erstes. Auf der Gleittür prangte ein Schriftzug: Prototherapie.

Die Tür glitt auf und zeigte, dass sich niemand im Inneren aufhielt. Blassblaues Licht beleuchtete die Umgebung, die zwei röhrenförmige, knapp drei Meter hohe Geräte dominierten. Beide waren über einen Laufsteg verbunden und von einem breiten Ring umgeben – dem Speicher der jeweiligen Anlage.

»Schnell!« Schlafner drängte sich vor. Er lud den reglosen Szymanski neben der Infosäule ab.

Hinter Dancer glitt die Tür zu. Sie legte Moomann zu Boden. Die beiden Überwältigten schliefen tief und fest.

Schlafner hatte seine Paragabe angewendet und ihnen eine unwiderstehliche Müdigkeit eingegeben. Es war notwendig gewesen, obwohl die beiden zuvor alles getan hatten, was nötig war, damit Schlafner und seine Schwester unbemerkt an Bord kommen konnten.

Während Dancer sich im Kreis drehte, als wollte sie die Umgebung sichern, beugte sich Schlafner über die Infosäule. Er musste den Betrieb der Geräte auf manuell stellen und dafür sorgen, dass keine Meldung an die Positronik ging. Zum Glück war das eine gut vorbereitete Aktion, und er hatte Hilfe von innerhalb der THORA. Rasch prüfte er, ob der entsprechende Auftrag bereits eingegangen war – und tatsächlich: Er konnte die Umstellung vornehmen.

»Und?«, fragte Dancer. »Kann ich sie reinschaffen?«

»Ja!« Schlafner ließ die beiden Röhren im Kern des Gebildes nach vorne gleiten, bis sie frei vor dem Gehäuse lagen.

Beide öffneten sich simultan. Zwei Suspensionsbänke kamen zum Vorschein. Ihre Bereitschaftsanzeigen leuchteten in einem satten Grün. Dancer schleppte Nirian Moomann auf eine davon.

Während Schlafner die erste Bankröhre wieder schloss und zurückfahren ließ, kümmerte sich seine Schwester um den Mann, der größer war als sie selbst.

Sie stemmte ihn auf die zweite Bank, legte ihn sorgfältig zurecht. »Süße Träume!«, flötete sie.

Schlafner grinste. Auf einer Suspensionsbank träumte man wirres Zeug. Auch wenn es besser sein sollte als vor einigen Hundert Jahren, war es doch kein ganz alltägliches Ereignis, in einen Entstofflichungsalkoven verfrachtet zu werden. In ihm löste sich der Körper auf.

Der Ringspeicher um die Anlage hielt das Muster des Lebewesens während der Suspension fest. Ein Strukturfeldgenerator mit Kompensator erzeugte das modifizierte Transmitterfeld, wobei ein mehrfach redundantes Energieversorgungsnetz mit Verteilerkupplungen und Quintadim-Wandlern dafür sorgte, dass jederzeit genug Betriebsenergie zur Verfügung stand.

Schlafner prüfte den Vorgang im ersten Alkoven. Die Entstofflichung war aktiv. »Nummer eins hätten wir. Versorgen wir Nummer zwei und arbeiten uns Richtung Diogo-Akzelerator vor.« Er reichte seiner Schwester die Hand.

Sie nahm sie, ließ sich an ihn ziehen und küsste ihn. Als sie sich von ihm löste, glänzten ihre derzeit grünen Augen. Das kalte, blaue Licht unterstrich die Farbe der Iris, verwandelte sie in ein bezauberndes Türkis, das die ungewohnten Züge erträglicher machte.

Sie redete rhythmisch, in einem vergnügten Singsang: »Heut klau ich mir ein Schiff, ein süßes kleines Flaggschiff ... 'nen Residentenkahn ... Ich will ihn THORA nennen ...«

Schlafner lächelte in sich hinein. Ihr Auftrag war klar: Sie sollten die THORA für die Cairaner vorbereiten, damit der Friedensbund das Schiff aus dem All pflücken konnte wie eine überreife Frucht. Damit lieferten sie ihren Auftraggebern nicht nur die THORA, sondern auch Perry Rhodan.

»Schade, eigentlich«, meinte er.

Seine Schwester hörte auf zu singen. »Was?«

»Dass wir kaum dazu kommen werden, mit Perry Rhodan zu reden. Er interessiert mich nach wie vor ...«

»Wer weiß, was sich ergibt. Wir können ja mit ihm reden, wenn die Cairaner da sind.«

»Als ob sie das zulassen würden ... Du kennst ihre Kooperationsbereitschaft und ihren Sinn für besondere, persönliche Anliegen ...«

Seine Schwester überprüfte noch einmal die Infosäule. Auf ihr war nicht zu erkennen, dass der Entstofflichungsalkoven in Betrieb war. Ob das allerdings mehr als maximal zwölf Stunden der Fall sein würde, wusste Schlafner nicht. Sicher griffen irgendwann übergeordnete Routinen, die eine Meldung an die Positronik machen würden.

»Im Übrigen habe ich lieber weniger als mehr Kontakt«, sagte Dancer.

»Schon klar.« Schlafner teilte den Argwohn seiner Schwester.

Der Status zwischen ihnen und den Cairanern war wie eine marode Brücke, über die man nur ging, wenn man keine Wahl hatte. Sie arbeiteten als unabhängige Kopfgeldjäger für Gaivhari Gaishanc und damit den Friedensbund – konnten aber nie wissen, wann er gierig wurde und versuchen würde, sie ganz und gar unter Kontrolle zu bekommen.

Obwohl sie diese Kontrolle längst in ihren Köpfen trugen, hatten sie doch jede Menge Freiheiten, die Schlafner lieb und teuer waren.

Wenn er dagegen an die armen Schweine auf der Ausweglosen Straße oder den Strafplaneten dachte ... Er und seine Schwester waren auf einem solchen Planeten geboren worden. Dorthin wollte Schlafner nie wieder zurück.

Schlafner runzelte die Stirn, tippte erneut ins Bedienholo. »Der Deckel der zweiten Röhre will nicht schließen. Kannst du da mal nachhelfen?«

Dancer ging an die zweite, noch ausgefahrene Suspensionsbank. Sie tastete den Rand der Bank ab, drückte auf eine orange leuchtende Fläche. Der Deckel klappte krachend zu. In der Stille des Raums hatte der Ton etwas Infernalisches.

»Ups«, sagte Dancer.

Sie hielten inne, lauschten. Schlafner meinte die Geräusche von Schritten draußen auf dem Gang zu hören. Er sah sich um. Es gab keinen zweiten Ausgang. Hoffentlich blieben sie unter sich.

Als hätte das Schicksal seine gedankliche Bitte gehört und wollte ihn verspotten, öffnete sich die Gleittür. Eine breit gebaute Frau mit rotbrauner Haut stand dahinter, der Statur nach eine Ertruserin. Ihr Schultergürtel war breit, ebenso wie die Brust, das Becken und die Beine. Einzig der Kopf war verhältnismäßig schmal, dafür jedoch hoch. Ein goldgelber Haarkamm verlängerte ihn weiter, der beinahe den Farbton der honiggelben Augen hatte. Auf der Bordmontur trug sie an Schulter und Brust das Symbol der Medoabteilung, mit dem Rang einer Assistentin.

Sie zögerte. »Ist da jemand?«

Dancer reagierte gedankenschnell. »Ja! Hi, ich bin Moomann. Nirian Moomann. Ich soll wegen einer Erkrankung vielleicht in eine Suspensionsbank und wollte mir das Ding vorher mal in Ruhe mit meinem Partner ansehen.«

»Nirian Moomann?«, echote die Frau. Sie trat unsicher ein. Offensichtlich fühlte sie sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie musste die unterschwellige Bedrohung spüren.

»Ja! Wie heißt du?« Dancer ging auf sie zu, umrundete sie und schnitt ihr den Fluchtweg ab. Beiläufig schloss sie die Tür.

»Xalea Leytrin.«

»Ist noch mehr Personal in der Nähe?«

»Was?« Die Ertruserin blinzelte. »Nein, ich war allein ...«

»Bestens.«

Schlafner konzentrierte sich. Es war an der Zeit, seine besonderen Fähigkeiten zu nutzen. »Beschäftige sie, damit ich ihr Gehirn sondieren kann!«

»Lass dir ruhig Zeit!« Dancer ging leicht in die Knie.

Obwohl sie eine Maske trug, meinte Schlafner, das intensive Blau ihrer Augen durchschimmern zu sehen. Er liebte den Gesichtsausdruck seiner Schwester, die angriffsbereite Haltung, die Freude, die aus ihrer lockenden Haltung sprach. Sie wollte kämpfen, sich beweisen, die Messlatte ein Stück höher legen.

Es fiel ihm schwer, sich auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren: das Gehirn der Fremden zu sondieren, damit er es innerhalb von Sekundenbruchteilen mit Melatonin fluten konnte. Dancer war einfach unglaublich!

Sie zeigte mit den Fingern zu sich, forderte die Ertruserin zum Angreifen auf. Den Strahler ließ sie stecken. Sie hatte keine ihrer größeren Spezialwaffen dabei, weil das bei diesem Einsatz verräterisch gewesen wäre. Doch sie brauchte auch keine dieser Waffen. Sie selbst war die Falle, in die sie die Medoassistentin lockte.

Leytrin machte einen Schritt vor, zögerte. Sie drehte sich zu Schlafner um, schien eine Falle zu fürchten, auch wenn kein Strahler auf sie gerichtet war.

Dancer ging das zu langsam. Sie sorgte dafür, dass die muskulöse Ertruserin nach vorne stolperte. Mit einem überraschten Laut torkelte Leytrin wie eine Wand auf die zierliche Dancer zu. Die wich aus, trat Leytrin in die Kniekehle, sodass sie noch ein Stück weiter lief.

»Na, komm schon!« rief Dancer. »Versuch es wenigstens!«

Aus der Verblüffung auf dem breiten Gesicht wurde Ärger. Leytrin hob die Fäuste. Ihr Gesicht veränderte sich, offenbarte eine Kämpfernatur. Gleichzeitig lag darauf die Überlegenheit eines Menschen, der wusste, wie stark er war. Sie griff nicht nach dem Multifunktionsgerät am Handgelenk – was Dancer ohnehin unterbunden hätte. Lieber vertraute Leytrin auf ihre Stärke.

Schlafner lächelte. Wenn sie wütend wurde, war es viel einfacher, die Ertruserin zu sondieren. Er trat einen Schritt zurück, überließ den beiden Frauen den Raum, als wäre er eine Arena.

Für Dancer war er genau das. Sie hob die Arme, drehte sich langsam im Kreis, präsentierte sich wie eine arkonidische Adelige einem unsichtbaren Publikum. »Na los! Bevor du deine Chance endgültig vertust!« Sie öffnete eine Lücke, gab den Weg zu ihrem Gesicht frei. Leytrin schluckte den Köder, machte einen Ausfallschritt und schlug zu. Geschickt wich Dancer ihr aus.

Schlafner hoffte, dass seine Schwester an die Mikrosprengsätze dachte. Sie trug unzählige davon am Körper unter dem unauffälligen Schutzanzug, der wie normale Bordbekleidung wirkte. Bei einer gewöhnlichen Erschütterung würde nichts geschehen, aber wo eine Ertruserin hinlangte, da wuchs kein Gras mehr.

»Wer seid ihr wirklich?«, fragte Leytrin.

Sie war nicht nur kämpferisch, sondern hatte auch eine schnelle Auffassungsgabe. Beides rang Schlafner Respekt ab.

»Konzentrier dich ...«, murmelte er. Die beiden Frauen lenkten ihn zu sehr ab.

Dancer bot die nächste Lücke, doch dieses Mal war Leytrin vorbereitet. Sie fintierte, schlug erst zur Schulter, dann in Richtung von Dancers Magen. Ihr Arm ruckte nach rechts, wobei Dancer die Bewegung spiegelte. Es machte den Eindruck, als wäre seine Schwester in einem Spiegelkabinett, das sie in kleinerer und breiterer Form zeigte. Sie setzte ihre speziellen, telekinetischen Kräfte ein, bewegte sich synchron mit Leytrin.

Wenn Leytrin erstaunt über den Angriff mit einer Paragabe war, merkte man ihr es nicht an. Statt zu grübeln, trat sie zu. Schlafner bewunderte die Angreiferin. So unförmig sie wirkte, so kraftvoll bewegte sie sich. Würde auch nur eine Attacke von ihr treffen, hätte Dancer sicher gebrochene Knochen. In ihrem Zorn war Leytrin schön wie eine Naturgewalt. Er hätte sich ihr gern wirklich in einer Arena gestellt, mit jeder Menge Zeit, an die Grenzen zu gehen und herauszufinden, wie weit er ohne seine Gabe kam, allein mit seinen Dagorfähigkeiten. Aber diese Zeit hatten sie nicht.

Dancer wich dem Tritt aus, tänzelte um Leytrin. Als die Ertruserin den Arm hob, ging auch Dancers Arm nach oben. Doch bevor der nächste Angriff kam, sank Leytrin schlafend in sich zusammen – Schlafner hatte ihr Gehirn mit Melatonin geflutet.

Dancer presste die Lippen aufeinander. »Spielverderber!«

2.

Resident

»Wir sollten endlich in Ruhe reden«, sagte Perry Rhodan. »Ich habe jede Menge Fragen.«

»Und ich habe Antworten.« Reginald Bull lehnte sich im Kontursitz zurück, öffnete die Arme. Seine Haltung war offen, entspannt – und doch auf unbestimmte Weise fremd.

Rhodan betrachtete seinen alten Freund. Das breite Gesicht mit den Sommersprossen und den wasserblauen Augen hatte sich nicht verändert. Nach wie vor trug er die roten Haare kurz. Sie waren kaum mehr als Stoppeln, die den Schädel bedeckten.

Es tat gut, Bully zu sehen, gut, ihn in der Nähe zu wissen. Sie waren gemeinsam vom Habitat Gongolis an Bord der THORA gewechselt, auf das Flaggschiff des Residenten der Liga Freier Galaktiker – auf Bulls Flaggschiff.

Kurz dachte Rhodan über den Begriff »Liga Freier Galaktiker« nach. Was auch immer das Wörtchen »frei« dieser Tage bedeuten mochte. Eigentlich sollte er gar nicht nachdenken, einfach drauflosfragen, doch etwas an der Art von Bulls Antwort machte Rhodan stutzig.

Es schien, als wollte Bully dem Gespräch ausweichen, jedenfalls seiner Körpersprache nach. Er hatte zwar die Arme geöffnet, sich jedoch mit dem beweglichen Sitz halb von ihm abgewandt, den Blick auf den Ausgang der Zentrale gerichtet, hinter dem die Antigravschächte lagen, als hoffte er, weggerufen zu werden. Das Hauptholo, auf dem die nähere Sternenumgebung gezeigt wurde, ignorierte er.

Rhodan vergewisserte sich kurz, dass seine Enkelin Farye und der Mutant Donn Yaradua in der Nähe waren. Sie saßen auf zwei der Gastsessel auf dem COMMAND-Podest und redeten angeregt miteinander. Was sie sagten, konnte Rhodan nicht verstehen, da um ihn und Bull ein dämpfendes Feld lag, das sowohl ihre Gespräche für Außenstehende unhörbar machte als auch die akustischen Reize von außen reduzierte.

Was konnte Bull ihm über die Cairaner sagen? Über Zemina Paath, die er vor kaum sechzig Minuten als Thesan erkannt hatte? Und nicht zuletzt über den Raptus und das Verschwinden der Erde, denn verschwunden musste Terra sein. Doch wer war dafür verantwortlich und warum? Inwieweit hatten die Thesanit damit zu tun? Wo verbarg sich Wahrheit hinter all den Ahnungen, Indizien, Widersprüchen und Gerüchten?

»Zuerst die wichtigste Frage.« Rhodan hatte sich in der letzten Stunde ein wenig ausgeruht, nach dem Piratenangriff der Ladhonen und dem Zusammentreffen der THORA und der BJO. »Du hast gesagt, du informierst mich umgehend, wenn ihr Anzeichen für Eindringlinge findet?«

Es hatte einen Zwischenfall gegeben. Ehe sie die BJO BREISKOLL getroffen hatten, waren sie von acht Ladhonenraumern angegriffen worden. Die Vehemenz der Attacke hatte die THORA gezwungen, in den Linearraum zu wechseln, wo sie den Ladhonen einen entscheidenden Schlag versetzen konnte. Die Halbraum-Gefechtseinheit der THORA hatte mit den Verfolgersonden ein Tontaubenschießen veranstaltet.

Während des Angriffs war eine Sprengladung detoniert, die die Wirkung eines ladhonischen Perforatoren-Treffers simuliert hatte. Rhodan war überzeugt davon, dass sich die beiden Kopfgeldjäger Dancer und Schlafner auf diese Weise irgendwie an Bord geschmuggelt hatten. Beide hatten es auf ihn abgesehen, vermutlich im Auftrag der Cairaner, die ihn jagten. Doch womöglich hatten sie auch ein eigenes Interesse, das Rhodan bislang nicht kannte.

Er strich über den VI-Tarner am Handgelenk. Dank dieses Geräts sollte er nun nicht mehr so einfach für die Cairaner aufzuspüren sein. Es bestand aus vielen tiefblauen, kugelförmigen Partikeln, die offenbar nur die reine Kohäsion zusammenhielt. Trotzdem fühlte es sich an wie etwas Einheitliches, lag warm und seidig auf der Haut.

»Es gab bisher keine Anzeichen für Eindringlinge«, stellte Bull klar. »Du wärst der Erste gewesen, der das erfahren hätte.«

»Ich bin sicher, dass sie an Bord sind.«

»Dancer und Schlafner?«

»Das wäre mein erster Tipp. Vielleicht sind es aber auch andere Kopfgeldjäger oder Agenten der Cairaner. Die Cairaner haben ein ganz besonderes Interesse an mir.«

»Ist mir nicht entgangen. Ich würde gerne behaupten, dass du an Bord der THORA sicher bist. Sie ist ein Schmuckstück und eine Festung zugleich. Aber was ist heutzutage schon sicher? Oder wer?«

»Das klingt verbittert.«

»Eher realistisch.« Bull machte eine Pause, sah in die Zentrale hinein. »Wir sollten nicht hier reden. Nicht jetzt.«

Wieder hatte Rhodan das Gefühl, dass sein Freund am liebsten überhaupt nicht geredet hätte, dabei waren da unzählige Fragen, auf die er eine Antwort haben wollte, und Bull konnte sie ihm geben.

Hoffentlich.

Wie vertraut ihm das breite Gesicht mit den wasserblauen Augen und den vollen, trotzigen Lippen war – und wie fremd. Dabei waren für ihn keine fünfhundert Jahre vergangen.

Es war Bully, der sich verändert hatte, der ohne ihn ein anderer geworden war. Was mochte er in den vergangenen Jahrhunderten erlebt und erlitten haben? Auf dem Habitat hatte Bull erzählt, dass sich das Solsystem unter Verschluss befand. Es hatte geklungen, als würde er Rhodan einen Vorwurf machen, weil er nicht dabei gewesen war. Doch unter dieser vermeintlichen Anklage lag etwas anderes, das Rhodan nicht recht zu fassen bekam.

»Was schlägst du vor? Hast du eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort im Sinn?«

»Ich denke ...« Ein Zwitschern unterbrach Bull, das an den Gesang eines Vogels erinnerte. Er hob das Handgelenk, betrachtete kurz die Anzeige seines Multifunktionsarmbands. »Das ist Aluna Meghendi, meine Sicherheitschefin. Vielleicht bekommst du jetzt deine Bestätigung.«

Er nahm den Anruf an, und das lebensgroße Abbild einer hochgewachsenen Frau mit kinnlangen, dunklen Haaren baute sich in Bulls mobiler Arbeitsstation auf. Der Boden passte sich an, sodass es wirkte, als stünde Aluna auf einer blassblau leuchtenden Ynkelonium-Fläche. Wäre ihr Körper nicht leicht transparent gewesen, hätte man das Holo für ein Wesen in Fleisch und Blut halten können.

»Reginald? Ihr hattet recht. Wir haben Gäste an Bord! Oder wenigstens einen Gast.«

Auf Bulls Stirn bildete sich eine Falte. »Habt ihr jemanden geschnappt?«

»Das nicht.« Aluna atmete sichtbar ein. Ihre Brust hob sich ein Stück. »Wir haben eine Medoassistentin ein Stück außerhalb der Medostation in einem Materialmagazin gefunden. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr, um persönlich mit ihr zu sprechen. Offensichtlich ist die Frau betäubt worden. Die Mediker wecken sie gerade.«

»Wer hat sie gefunden?«

»Ein Kontrollroboter, der wegen des Linearraum-Zwischenfalls im Sondereinsatz war. Er hat sofort Meldung gemacht.«

»Also doch«, sagte Rhodan. »Wir haben ungebetene Gäste an Bord.«

Aluna wandte sich ihm zu, legte den Kopf leicht schief, als würde sie versuchen, ihn einzuschätzen. »Ich habe die Alarmstufe erhöht und noch mehr meiner Leute eingesetzt. Wir werden sie aufspüren. Ein Zählappell, Messungen der Atemluft, akustische Analysen durch TOIO ... Wenn wir sie nicht entdecken, tut es die Bordpositronik.«

Rhodan bezweifelte, dass es so einfach werden würde. Dancer und Schlafner hatten sicherlich in irgendeiner Form vorgesorgt. Den besten Ansatzpunkt bot das betäubte Besatzungsmitglied. Vielleicht wusste es etwas, das weiterhalf.

Bully schien seine Gedanken zu teilen. »Ich will wissen, was diese Medoassistentin zu sagen hat. Wir gehen vor wie vereinbart. Und jetzt rede mit dieser Frau.«

»Verstanden!« Alunas Holo löste sich auf.

»Was habt ihr denn vereinbart?«, fragte Rhodan.

Bull rang sich ein Lächeln ab. »Wir dachten, es wäre eine schöne Sache, dir das Schiff zu zeigen. Nun, nachdem du dich ein wenig ausgeruht hast, bist du doch sicher unternehmungslustig?«

Rhodan erwiderte das Lächeln. »Mit Speck fängt man Mäuse.«

»Und mit Perry Rhodan Kopfgeldjäger.«

»Dann sind wir uns einig. Eine Schiffsführung ist eine hervorragende Idee.« Rhodan schaltete das Dämpfungsfeld ab. »Farye, Donn – habt ihr Lust, euch die THORA genauer anzuschauen?«

Die Angesprochenen lösten sich aus dem Gespräch, das Rhodan für einen winzigen, misstrauischen Moment eine Spur zu vertraut erschien. Jedenfalls vertrauter, als die Stimmung zwischen Bully und ihm derzeit war. Ihm wurde seltsam ums Herz. Dann sah er, wie Farye aufblickte, wie sie ihn ansah, und das Gefühl verflog. Das mit Bully würde sich wieder geben. In weniger als fünfhundert Jahren.

»Klar!« Farye grinste. Sie strich sich beiläufig über die Stirn, wo eine fingerkuppengroße Vertiefung im Schläfenbereich lag. »Eine Schönheit wie diese ergründen wir gerne. Am liebsten würde ich sie fliegen. Von wo aus starten wir?«

*

Illustration: Swen Papenbrock

Aluna Meghendi unterdrückte den Impuls, sich die Nase zuzuhalten. Sie mochte Medostationen nicht. Egal, wie gut die Luftversorgung und die Geruchsfilter waren – ein wenig aralonischer Desinfektionsmittelgeruch lag immer im Eingangsbereich, sowohl in der Hauptstation nahe der Zentrale als auch in dieser Nebenabteilung, die ein Stück vom Kern der THORA entfernt war.