Perry Rhodan 3316: Welt der Rebellen - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3316: Welt der Rebellen E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Gut 4000 Jahre von unserer Zeit entfernt: In der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst. Perry ­Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel des Friedens zu verwandeln, scheint Wirklichkeit zu werden. Sein weiteres Ziel ist der Bund von San, eine Zusammenarbeit von Sternenreichen über den Leerraum zwischen den Galaxien hinweg. Aus diesem Grund wurde der PHOENIX entwickelt, ein Kurierschiff, das große Entfernungen zurücklegen kann. Dann taucht jedoch eine Fremde auf der Erde auf. Sie nennt sich Shrell und fordert von Perry Rhodan, in ein weit entferntes Sternenband zu reisen, und dort seinen ältesten Freund zutöten: Reginald Bull. Dieser sei längst ein brutaler Tyrann und müsse sterben. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft Shrell drei Anomalien, die die Erde und den Mond vernichten werden, falls Rhodan ihr nicht gehorcht. Unter Zwang begeben sich Rhodan und ein kleines Team an Bord des PHOENIX auf eine gefährliche Mission. Dabei erreichen sie auch die WELT DER REBELLEN ...

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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3316

Welt der Rebellen

Shrell findet den Widerstand – ein Konflikt entbrennt

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Mentatron

2. Kushlur

3. Am Raumhafen

4. In die Tiefe

5. Finsterkammer

6. Rebellenrat

7. ELDA-RON

8. Im Maschinenpark

9. Innerstes

10. Zielgerade

11. Labyrinth

12. Verkündungsbalkon

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut 4000 Jahre von unserer Zeit entfernt: In der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst. Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel des Friedens zu verwandeln, scheint Wirklichkeit zu werden.

Sein weiteres Ziel ist der Bund von San, eine Zusammenarbeit von Sternenreichen über den Leerraum zwischen den Galaxien hinweg. Aus diesem Grund wurde der PHOENIX entwickelt, ein Kurierschiff, das große Entfernungen zurücklegen kann.

Dann taucht jedoch eine Fremde auf der Erde auf. Sie nennt sich Shrell und fordert von Perry Rhodan, in ein weit entferntes Sternenband zu reisen, und dort seinen ältesten Freund zutöten: Reginald Bull.

Dieser sei längst ein brutaler Tyrann und müsse sterben.

Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft Shrell drei Anomalien, die die Erde und den Mond vernichten werden, falls Rhodan ihr nicht gehorcht.

Unter Zwang begeben sich Rhodan und ein kleines Team an Bord des PHOENIX auf eine gefährliche Mission. Dabei erreichen sie auch dieWELT DER REBELLEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Sichu Dorksteiger – Eine Ator probt den Aufstand.

Shrell – Die Leun bekommt eine Probe von Sichus Fähigkeiten.

Krash – Der Anführer des Widerstands probiert, an Informationen zu gelangen.

Ptarr – Ein General stellt auf die Probe.

Lessaun

»Ich bin eine Ausgestoßene. Ein Ton ohne Konzertstück.

Es gibt nur eines, das ich will:

Ich will nach Hause!

Zurück in den Gleichklang.«

Shrell

Fluch

Sie nennen es das Brennende Nichts.

Ist es entfacht, kann kein Dompteur es bändigen, keine Mauer es halten.

Weder Stahl noch Formenergie kann ihm begegnen.

Es ist wie ein Feuer, das lodert und frisst.

Es kennt keine Rast, keine Grenzen, kein Erbarmen.

Sein Atem ist ewig, denn es muss ihn nie holen.

Es beraubt Dich: Deiner Heimat. Deiner Freunde. Deines Lebens.

Es wächst unaufhaltsam, verschlingt ganze Welten.

Wuchernde Schwärze, dunkles Verwehen.

Weh dem, dessen Planeten es befällt.

Es ist der Fluch der Leun.

1.

Mentatron

An Bord der ELDA-RON

Vor Sichu Dorksteiger schälte sich eine kleine, runde Gestalt aus dem Nichts, die einem Kind in einem Kostüm ähnelte. Sie hatte zwei Arme und Beine, braunrotes Fell, große, runde Ohren, eine spitze Schnauze und einen abgeplatteten Biberschwanz. Die Wissenschaftlerin blinzelte. Die Last eines ganzen Maschinenparks schien von ihren Schultern zu fallen. Das war Gucky. Ihr Freund. Er war gekommen, um sie zu retten. Endlich würde Sichu von Shrell fortkommen. Ihre Gefangenschaft war vorbei.

Gucky streckte die pelzbedeckte Hand aus und zeigte den Nagezahn. »Komm! Ich hole dich hier raus! Wir springen zu den anderen. Perry wartet auf dich!«

Etwas an dem Bild stimmte nicht. Da war zu viel Licht, zu wenig Umgebung. Es gab weder Schatten noch Wind. Gucky stand mitten in einer Art weißem Nichts. Er strömte nicht den vertrauten, beruhigenden Geruch nach Mausbiber aus. Das konnte nur eines bedeuten: Der Ilt war überhaupt nicht da!

Sichu hob die Hand und betrachtete ihre Finger. Sie verschwammen wie eine störanfällige Holoprojektion. Es war ein Signal, das ihr zeigte: Sie war nach wie vor an Bord der ELDA-RON und lag im Mentatron. Entstofflicht. In Wahrheit hatte sie keinen Körper, dessen Finger sie hätte betrachten können. Sie träumte in einer Übergangsphase von da nach dort. Einer Art Oszillation, die sie nicht näher erforschen konnte, weil ihr die Messinstrumente fehlten.

Gucky sah sie treuherzig an. Er streckte ihr die Hand entgegen. »Na auf! Worauf willst du warten? Eine Haluterparade mit Atomexplosionen?«

»Verschwinde, Gucky! Du bist eine Illusion.«

»Frechheit! Und das mir! Da rette ich Tag für Tag das Universum, und das ist der Dank. Aber bitte. Wer bin ich, den Wünschen des erhabenen Hyperphysik-Genies Sichu Dorksteiger im Weg zu stehen?« Der Mausbiber senkte gekränkt den Kopf und löste sich in Luft auf.

Damit lieferte er den endgültigen Beweis. Es war, wie Sichu vermutet hatte: Sie träumte.

Shrell, die Kommandantin der ELDA-RON, war dazu übergegangen, Sichu im Mentatron zu verwahren, wenn sie fürchtete, gestört zu werden. Die Leun brauchte Sichu, weil sie ohne andere Lebewesen verrückt wurde. Doch eine Weile hielt Shrell es ohne Gesellschaft aus. In dieser Zeit verwahrte sie ihre Gefangene wie einen Vibro-Handschneider in einem Antigravfach. Nur mit dem Unterschied, dass sich der Handschneider im Fach entstofflichte.

Es kostete Sichu Kraft, klar zu denken. Im Mentatron driftete ihr Geist immer wieder fort. Sie sah Gucky, Perry, Atlan und andere Freunde, die ihr wahlweise helfen wollten oder sie verspotteten und ihr sagten, sie sei nutzlos und alt geworden.

»Ich bin im Mentatron«, sagte Sichu und musterte die verschwimmenden Finger. »Das ist ein Traum, und ich nutze meine Zeit. Ich kann sie nicht verschwenden.«

Sie war mit Shrell auf Narrios gewesen, einem Planeten, von dem Shrell gehofft hatte, dort den Widerstand und andere Wüko-Leun zu finden. Diese Hoffnung hatte sich zerschlagen. Auf Narrios hatte Shrell mehr schlecht als recht versucht, Sichu enger an sich zu binden. Auch mit Gucky hatte Shrell das probiert. Die Leun fühlte sich im Recht und wollte, dass Sichu ihre Einschätzung der Lage teilte oder wenigstens verstand. Eigentlich machte Shrell das sehr terranisch.

Wer wusste, ob sich die Wüko-Leun und die Lemurer nicht eine Herkunft teilten? Je mehr die Terraner über die Vergangenheit wussten, desto mehr Fragen tauchten auf. Ja, man wusste von Entwicklungslinien wie jener der V'Aupertir und anderer Völker. Aber das blieben grobe Raster, und je enger die Fragen wurden, desto eher glitten sie durch die Maschen des Netzes aus Wissen und Erkenntnis.

Sichu schob den Gedanken beiseite. Keine Ablenkung. Sie musste fokussiert bleiben. Shrell hatte ihr auf Narrios das Armbandgerät gelassen, mit dem Sichu übersetzen konnte und das sie mit nur wenig Aufwand zu einem Sprachlerntrainer umfunktioniert hatte. Daher beherrschte sie das Thoiko, die Sprache der Leun, bereits leidlich. Und sie konnte sich auch im Mentatron die Zeit damit vertreiben, selbst wenn sie später davon nichts mehr wissen würde. Denn eines wusste sie: Sie vergaß. Das Leben im Mentatron hatte keinen Bestand und keine Wirkung im Universum außerhalb.

»Sprachlehrerin«, sagte sie, und eine jüngere, lächelnde Version ihrer Selbst erschien aus dem Weiß, so, wie zuvor Gucky aufgetaucht war.

»Zur Stelle!«, sagte die Traum-Illusion auf Thoiko. »Erinnerst du dich an die letzten zwanzig Wörter und Wendungen, die du dir merken wolltest?«

»Potko, Daun, Neuk, Whanka, Trohir, Resh, Sontho, Zhak, Zhakthar, Lüntho, Lünthodal, Phokü, Lacor, Kzarr, Kzarrthar, Shnirr, Foiko, Peut, Peuthar, Svraliathar. Planet, Sonne, Mond, Energie, Frage, Wissenschaft, Tag, Verrat, unser Verrat, Widerstand, dein Widerstand, Freundschaft, Ankunft, Schiff, unser Schiff, Bruderkrieg, Schwester. Tag und unser Tag im Sinne von ›Guten Tag‹. Und das letzte heißt ›unsere Einheit‹ und bedeutet Gleichklang. Wobei es für Gleichklang mehrere Wörter gibt.«

Ihre jüngere Version lächelte und zeigte dabei goldene Zähne. »Sehr gut. Nun lass uns die Agglutination der Wörter genauer betrachten. Wie du gelernt hast, kleben die Leun im Thoiko Affixe an. Durch diese Endungen drücken sich ...«

Die jüngere Version verblasste. Es wurde hell um Sichu. Sie biss die Zähne zusammen, obwohl sie wusste, dass sie gar keine Zähne hatte: Shrell holte sie zurück!

*

Die Übergänge waren nicht im eigentlichen Sinn schmerzhaft, aber wann immer Shrell sie zurückholte, hatte Sichu das Gefühl, weniger zu werden. Der Aufenthalt im Mentatron laugte aus. Jedes Mal wenn Shrell sie wiederverstofflichte und aus der rätselhaften Maschine holte, meinte Sichu, ein Teil ihrer Kraft würde darin zurückbleiben. Vielleicht war das auch wirklich so – schließlich ging alles, was immer im Mentatron geschah, wieder verloren. Während des Verblassens war das Empfinden des Verlusts schmerzlich, aber am Ende des Prozesses gab es nur noch eine vage Erinnerung an den Schmerz und einen unspezifischen Verlust. Womöglich war es gerade dieser Effekt, den Shrell nutzen wollte, nachdem es ihr nicht gelungen war, Sichu auf ihre Seite zu ziehen oder sie zu brechen. Auf diese perfide Weise schwächte sie ihre Gefangene.

Sichu blinzelte und erkannte die Decke des Maschinenparks über sich. Rillen, die an die Struktur eines dunklen Webteppichs erinnerten, verschwammen vor ihren tränenden Augen. Die Helligkeit reizte sie, dabei war es düsterrot.

Probehalber hob Sichu den Arm. Es gelang, auch wenn es sich anfühlte, als trüge sie Bleigewichte an den Handgelenken.

Sie warf einen Blick auf das Multifunktionsgerät. Auf Terra schrieben sie den 11. August 2250 NGZ. Sichu war nur wenige Stunden im Mentatron gewesen, und doch kam sie sich deutlich gealtert vor.

Wie als Nachhall der verwehenden Erinnerung ließ Sichu sich fünf Wörter auf Thoiko zeigen, um sie sich einzuprägen: Potko, Whanka, Zhakthar, Lüntho, Kzarrthar ... Gegen das Vergessen! Im Gegensatz zu ihrem Körper war ihr Verstand hellwach.

Die Liege glitt weiter in den Raum, hielt an und stieg in die Höhe. Keinen halben Meter entfernt stand Shrell neben dem flexiblen Bedienpult. Sie schaute zum zylinderförmigen Mentatron und Sichus Antigravliege. Die Kommandantin der ELDA-RON trug ihren schwarzen Kampfanzug. In dem schmalen Gesicht mit den roten, schräg stehenden Augen lag Spott. »Es ist Zeit, mit mir in die Zentrale zu kommen.«

Zwei schwarze Kugelroboter sirrten auf Sichu zu. Sie projizierten ein Fesselfeld, das sich wie ein konturnaher Schutzschirm um Sichu legte.

Langsam kehrte die Kraft in Sichus Glieder zurück. Der Unteranzug des SERUNS unterstützte sie, indem er ihre Muskeln stimulierte. Trotzdem blieb sie liegen. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie in den ersten Minuten nach der Wiederverstofflichung zu Krämpfen und Schwindelanfällen neigte. Beinahe beneidete sie Alcot, den wurmartigen Kheti-Leun, der die meiste Zeit über auf einer Schwebeplattform gelegen hatte. Von ihr erwartete Shrell, dass sie selbst ging.

Als Sichu keine Anstalten machte, sich zu erheben, zog sich das Fesselfeld stärker zusammen. Einen Moment kam Unruhe in Sichu auf. Es war widerlich, derart eingeengt zu sein. Das Feld hatte nun die Struktur eines Prallfelds, und es hob Sichu an. Shrell ließ sie von den Robotern wie eine Puppe waagrecht durch die heruntergekommen Gänge und Lifte in die zornrote Zentrale tragen. Dort durfte Sichu sich auf einen Sessel setzen, der deutlich niedriger war als der Shrells.

Die Kommandantin setzte sich vor eine Reihe von Holos. An der Decke und in den Wänden reagierten die Projektoren, in die unzählige winzige Kameras und Wärme- sowie Bewegungs- und Individualsensoren verbaut waren. Sie werteten Shrells Gesten aus. Einige Holos boten die Möglichkeit, Schiffsprozesse zu steuern. Sie ersetzten die Instrumente. Die eigentliche Hardware war teils weit entfernt außerhalb der Zentrale verbaut. Dafür gab es jede Menge Kabel und altertümlich wirkende Geräte an der Decke, die wie offene Wunden in einer ansonsten intakten modernen Technik wirkten.

Illustration: Swen Papenbrock

Aufmerksam beobachtete Sichu Shrell und speicherte jede ihrer Handbewegungen ab. Sie versuchte, sich so entspannt wie möglich zu geben. »Du könntest mich aus dem Fesselfeld lassen. Näher an dich heran, damit du mich besser riechen kannst.«

Shrell sah stur nach vorne, auf das größte Holo. »Ein sehr durchschaubarer Vorschlag. Etwas Besseres fällt dir wohl nicht ein?«

Sichu wusste, dass Shrell in einer Zwickmühle steckte. Sie hatte der Kommandantin der ELDA-RON seit ihrer Gefangenschaft Widerstand entgegengesetzt und sich aus Shrells Sicht als Ärgernis erwiesen. Aber Shrell brauchte sie nach wie vor, weil sich ihr keiner der Restauraten von Narrios angeschlossen hatte. Das musste ein herber Rückschlag für die Wüko-Leun sein. Phasen des Alleinseins waren ihrem Geisteszustand abträglich – und genau das hoffte Sichu auszunutzen.

Vielleicht machte Shrell schon bald einen Fehler, der Sichu zur Flucht verhelfen könnte. Sie musste provokativ bleiben, auch wenn sie sich ausgelaugt fühlte. »Hättest du mehr Verbündete, wäre das hier überflüssig. Vielleicht solltest du überlegen, warum andere solche Probleme mit dir haben.«

Shrell fuhr im Sessel herum. Ihre Roboterfaust krachte auf die Lehne. »Was verstehst du davon? Ich werde in der Agolei verehrt!«

»Früher – vielleicht. Es scheint, als hätten die Jahre die Erinnerung an dich verblassen lassen wie die Farbe auf einem billigen Gemälde.«

Shrell sprang auf und trat dicht an Sichus Gefängnis heran. »Treib es nicht zu weit! Wir haben die Agolei erreicht, und unsere Vereinbarung ist schon lange hinfällig!«

Sichu hoffte, dass Shrell das schützende Feld abschalten würde. Der Rinathanmangel machte Shrell aggressiv. Inzwischen hatte Sichu sich ein wenig erholt und war wütend genug, der kleineren Leun körperlich zu begegnen.

»Zu schade«, provozierte Sichu weiter, »dass du auf dich allein gestellt unfähig bist, das Rinathan auszuschütten. Vielleicht hättest du in die Wissenschaft gehen sollen, anstatt in einen unnötigen Krieg gegen Reginald Bull zu ziehen.«

Zu Sichus Verblüffung entspannte sich Shrell. Sie lachte laut auf. Es klang gehässig.

»Hast du dich einmal an Bord umgesehen? Die ELDA-RON ist ein Wrack, nur notdürftig zusammengehalten von Bonnifers Basteleien. Wir haben kein Labor an Bord, in dem eine solche Glanzleistung möglich wäre.«

Diese Information war für Sichu neu.

»Und deshalb«, fuhr Shrell hochmütig fort, »ist es einfacher und effektiver, sich mit anderen Lebewesen zu umgeben. Idealerweise natürlich mit Wüko-Leun oder zumindest anderen Leun. Ich hatte gehofft, du würdest dich besser eignen als dein kleiner, großohriger Freund. Aber inzwischen stinkst du für mich nur noch wie ein verwesender Tunnelkriecher. Was hast du denn gedacht, wonach ich auf Narrios gesucht habe? Und warum es mir so schwergefallen ist, zu akzeptieren, dass sich unter den dortigen Leun keine Wüko aufhielten?«

Sichu schwieg und hoffte, Shrell würde weitere Informationen preisgeben. Die Kommandantin wirkte gefasster als sonst. Etwas hatte sich verändert. Selbst ihr erdig-säuerlicher Geruch war milder.

»Es spielt keine Rolle mehr«, sagte Shrell. Ihre Züge wurden weich, die Stimme bekam einen völlig uncharakteristischen, ausgelassenen Klang. »Ich habe ihn gefunden.«

Als hätte Shrell ihre vorherige Anspannung an Sichu weitergegeben, spürte Sichu, wie ihre Bauch- und Nackenmuskeln hart wurden. Ihn. Das musste Krash sein, der Verbündete, den Shrell zuvor gesucht hatte.

Falls Shrell ihn tatsächlich gefunden hatte, war Sichus Leben in Gefahr. Denn das bedeutete, Shrell würde auf Dauer kein Schoßhündchen mehr brauchen. Bald schon würde sie unter Wüko-Leun sein. Vielleicht würde sie sich dann entscheiden, Sichu zu »entsorgen«, wie sie es bereits angedroht hatte.

Shrell ging zurück zu ihrem Platz und setzte sich beschwingt. »Dein erstarrtes Gesicht verrät mir, dass du die richtigen Schlüsse ziehst. Schon in kürzester Zeit werde ich wieder mit echten Leun zusammen sein und nicht mit Verrätern wie den Wengk von Narrios! Ich werde unter den Streitern für den Gleichklang wandeln, sie vereinen und anführen! Mit Perry Rhodans unfreiwilliger Unterstützung entmachte ich den Usurpator Reginald Bull und erobere den Sternwürfel zurück!«

Sichu fragte sich, ob Shrell das so oft laut wiederholte, um selbst daran glauben zu können. Egal, was Shrell ihr weismachen wollte, sie zweifelte daran, in Reginald Bull einen Usurpator vorzufinden. Nicht er, sondern Shrell versklavte Wesen. Sichu war dafür das beste Beispiel.

Eines der Holos fing Sichus Aufmerksamkeit ein. Es zeigte die Agolei, ein kerzengerades Band aus Sternen, vierzehnmal länger als der Durchmesser der Milchstraße und so entsetzlich weit entfernt von Terra. Innerhalb des Bandes formten sich Konstellationen und kleinere Sternhaufen. Sichu versuchte herauszufinden, wo genau ihre Position darin lag, doch es gab keinen Hinweis.

»Ein letzter Sprung«, murmelte Shrell und machte drei Gesten in Folge.

Die ELDA-RON ächzte und knirschte unter den Belastungen, die auf sie einwirkten. Doch sie machte auch diesen Sprung tapfer mit. Die Triebwerksleistungen blieben laut den Anzeigen stabil.

Ein neues Bild vergrößerte sich vor ihnen: eine einzelne Welt, die in der Dunkelheit des Alls lag. Es gab weder Monde noch Sonnen in der Nähe. Die anderen Sterne waren ferne, winzige Punkte, kaum zu erkennen in der Weite der Agolei.

»Kushlur«, flüstere Shrell. »Endlich.«

Sichu entdeckte in einem Holo Elemente, die sie inzwischen lesen konnte. Dort stand: 2 von 4-9-7. Sie deutete auf die Bezeichnung. »Diese Zahlengruppe ... steht sie mit einem Koordinatensystem in Verbindung? Mit welchem Bezugspunkt?«

Shrell antwortete nicht. Sie schien tief in Gedanken versunken. Ein heiliger Ernst ging von ihr aus. War das Vorfreude?

Sichu nutzte Shrells Selbstversunkenheit, um die Holokarten in Ruhe zu studieren. Ihr fiel noch etwas auf. Kushlur schien von der Masse und der Schwerkraft nahezu erdgleich zu sein, doch diese Welt hatte demgegenüber einen viel zu großen Umfang. Sie war ungewöhnlich leicht. Gab es in ihr möglicherweise hohle Schichten?

Shrell stand auf, wobei sie es schaffte, größer zu wirken, als sie eigentlich war. Den Kopf stolz erhoben, breitete sie die Arme aus. »Gleich wirst du erleben, wie man mich auf Kushlur empfangen wird!«

2.

Kushlur

VETAR, wenige Minuten zuvor

Das Mannschaftsquartier war leer – so herrlich leer! Die große Schlaflandschaft lag verlassen da, die Sitzsenken, ausfahrbaren Liegen, Netze, Hängeseile, Tische und Tiefenablagen waren verwaist.

Eigentlich sollte Lessaun bei den anderen Kadetten sein, um Flugübungen im Simulator zu machen. Sie wusste das ganz genau. Sie wusste auch, dass die anderen sie hassten, weil sie gut war, ohne je dafür üben zu müssen. Ihr – der Enkelin Ptarrs – ließ sich nicht vorwerfen, dass sie auf Flügen wie diesen die Adjutantin ihres Großvaters war, obwohl sie ihre Ausbildung noch abschließen musste. Sie hätte auch Krashs Adjutantin sein können. Ihre Stellung verdankte sie ihrem Talent und ihrem herausragenden Können. Alles an ihrem übergroßen Körper schien für den Kampf und den Krieg geschaffen. Das einzige Problem daran waren Lessauns ewige Unzufriedenheit und der Zweifel, der sie wie ein Schatten begleitete. Sie tat, was sie tun musste, und sie war gut darin – doch ihr fehlte die Freude daran.

Lessaun griff nach dem Mundstück, das an einem beweglichen Schlauch hing, und nahm einen tiefen Atemzug. Sie ließ das Mundstück los, sank auf den Grund des Reinigungs- und Erholungsbeckens und schloss die Augen. Sie war anders. Entartet. Jung. Ihr Großvater warf ihr das immer vor. Der Gleichklang interessierte sie nicht, aber das musste sie verschweigen. Ptarr hätte ihr eher eine heimliche Beziehung mit zehn Yuit-Leun vergeben als die Wahrheit: Lessaun mochte es, allein zu sein. Sie genoss die Stille und die Abwesenheit der anderen.

Sicher. Sie brauchte Gesellschaft. Aber sie konnte länger als alle anderen ohne sie zubringen. Auch dafür hassten die anderen Kadetten sie.

Was sollte es? Schon bald war ihre Ausbildung abgeschlossen, dann hatte Lessaun mehr Freizeit. Sie würde sich einen Posten in der Tunnelwache ergattern. Mit ihren Fähigkeiten bekam sie jede Stelle. Dann konnte sie die geheimnisvollen Labyrinthe in der Tiefe im Alleingang erkunden, und herausfinden, wozu sie dienten und ob es stimmte, dass Krash sie in eine Art private Festung verwandelt hatte. Das einzige Problem war: Sie musste ihrem Großvater früher oder später beichten, dass sie in die Tunnel wollte. Der alte Querkopf hatte andere Pläne für sie. Große Pläne.

Etwas pochte hart und laut von außen gegen den Tank.

Lessaun riss die Augen auf und starrte auf ihren Großvater, der seinen Metallfuß nutzte, um gegen die Scheibe zu treten. Ihm war wirklich nichts heilig. Seine roten Augen waren schmale Schlitze.

Mit gespielter Hast stieß sich Lessaun ab und schwamm in die Schleuse. Sie stieg aus dem Tank.

Ptarr warf ihr ein wabenartiges Trockengewebe zu. »Du musst bereit sein! Was soll die Träumerei? Shrell die Große wird wiederkommen. Ich weiß es! Es kann jeden Moment so weit sein!«

»Selbstverständlich, Großvater«, sagte Lessaun, während sie das Gewebe um sich schlang und sich davon trocknen ließ.

Shrell die Große.

Ein Schreckgespenst aus der Vergangenheit. Lessauns Mutter war erst nach Shrells Verbannung aus dem Sternwürfel geboren worden. Vermutlich war Shrell lange tot. Genau wie Lessauns Eltern, die in der achten Schlacht um Kushlur gefallen waren, als die Schergen Reginald Bulls die Bomben abgeworfen hatten. Beinahe wäre es das Ende des gesamten Widerstands gewesen. Doch die Tunnel hatten sie gerettet.

Lessaun schlüpfte in ihre Uniform.

Ihr Großvater streckte sich, um ihre Wange zu tätscheln. Im Alter schien er kleiner zu werden. »Ich weiß, du bist jung. Doch wenn du Shrell erst erlebst, wenn du sie riechst ... ihre Präsenz ist wie ein Funken, der einen entzündet. Du wirst es noch erleben, glaub mir. Shrell wird uns den Sternwürfel zurückbringen.«

In der Geste der Unterordnung und Zustimmung drückte Lessaun die Handflächen zusammen. Je weniger Widerstand sie leistete, desto schneller verlor der Alte das Interesse an seinem heroischen Gefasel.

»Dann auf!« Ptarr deutete auf ihren Strahler, den sie in das geschwungene Ablagefach in der Wand gesteckt hatte. »Verärgere die anderen nicht länger.« Er zupfte am Kragen der grauen Uniform, obwohl der perfekt stand.

Lessaun griff nach dem Strahler. Sie hielt in der Bewegung inne, als ein hoher Ton durch das leere Quartier pfiff: der Annäherungsalarm. Ein fremdes Schiff näherte sich!

Das Gesicht Ptarrs versteinerte sich. »Komm! In die Zentrale! Vielleicht werden sie meinen Rat brauchen.«

Lessaun folgte ihm im Laufschritt durch die kargen, funktionalen Gänge.

In der Zentrale herrschte rege Betriebsamkeit. Die Feuerleitstelle war bereit. Lessaun erkannte im Holo ein fremdes Schiff, das unangemeldet vor Kushlur aufgetaucht sein musste. Es wirkte beinahe wie ein Wrack, als wäre es in mehr als einem Kampf gewesen. Der Form nach war es ein Keilflügelraumer der Leun. Aber von wem kam es? Von Verbündeten oder den Hiesigen?

Die Offiziere machten ehrerbietig Platz für Ptarr und überkreuzten die Arme auf der Brust zum Zeichen ihrer Wertschätzung. Er ging auf den Kommandanten zu.

Lessaun folgte ihm auf den Fuß. Womöglich stand eine Schlacht bevor. Doch noch versuchte Kommandant Rirkk herauszufinden, mit wem sie es zu tun hatten. Er funkte die fremde Einheit an. »Hier ist die Kushlur-Patrouille, Kommandant Rirkk spricht, Kennung Kush 9-3-8. Fremdes Schiff, identifiziere dich!«

Lessaun wertete es als gutes Zeichen, dass der Raumer allein kam und nicht sofort das Feuer eröffnete.

Ihr Großvater nahm auf einem der Gremiensessel Platz. Lessaun stellte sich schützend hinter ihn.

Leider kam keine Bildverbindung zustande. Der Keilflügelraumer war nicht mehr als ein besserer Schrotthaufen. Aber das hieß nicht, dass er ungefährlich war. Vielleicht handelte es sich um eine Vorhut.

Die nächsten Atemzüge würden zeigen, mit wem sie es zu tun hatten.

*

Shrell machte eine malende Geste mit einer Hand. Der Alarm ebbte ab, doch das beendete keineswegs die Gefahr, in der sie sich befanden. Die Holos zeigten vier Schiffe der Leun, die sich ihrer Position näherten.

»Vielleicht hättest du dich anmelden sollen«, spottete Sichu, während Shrell zurück auf den Sitz glitt.

Ein abgehackter Ruf ging ein, der zum Ende hin klarer wurde. »Hier ... Kushlur, ... Rirkk, 9-3-8. Fremdes Schiff, identifiziere dich!«

Vom Planeten stiegen sieben kleinere Schiffe auf, die ihnen entgegenrasten. Schon in wenigen Minuten wären sie hoffnungslos unterlegen.