Perry Rhodan 3330: Eine Handvoll Nichts - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3330: Eine Handvoll Nichts E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der ­Erde und auf Tausenden von besiedelten Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaft­licher Austausch. Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Das kleine Raumschiff PHOENIX soll dabei als Kurierschiff dienen. Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet sie das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – eine Anomalie, die beide Himmelskörper vernichten wird und die nur sie stoppen kann. Rhodan fliegt unter Zwang mit dem PHOENIX in die Agolei, wo verschiedene Fraktionen gegeneinander kämpfen. Zu einer davon gehört angeblich Reginald Bull. Unverhofft erhält Perry Rhodan eine sogenannte Schattenhand – und EINE HANDVOLL NICHTS …

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Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3330

Eine Handvoll Nichts

Am Sternwürfel – nur ein Schritt trennt Shrell von ihrem Ziel

Michelle Stern

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Klonkörper

2. Sternwürfel

3. Hilferuf

4. Versteckspiel

5. Zyklonwall

6. Ausgeliefert

7. Neue Pläne

8. Übungsstunden

9. Schattenhand

10. Fortschritte

11. Geheimnisse

12. Coyn

13. Chancen

Stellaris 104

Vorwort

»Parabelflug« von Thorsten Schweikard

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von besiedelten Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch.

Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Das kleine Raumschiff PHOENIX soll dabei als Kurierschiff dienen.

Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet sie das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – eine Anomalie, die beide Himmelskörper vernichten wird und die nur sie stoppen kann.

Rhodan fliegt unter Zwang mit dem PHOENIX in die Agolei, wo verschiedene Fraktionen gegeneinander kämpfen. Zu einer davon gehört angeblich Reginald Bull. Unverhofft erhält Perry Rhodan eine sogenannte Schattenhand – und EINE HANDVOLL NICHTS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner greift nach dem Zyklonwall.

Gucky – Der Ilt greift ein, um ein Leben zu retten.

Atlan – Der Arkonide begreift die Lage.

Shrell – Die Leun vergreift sich an fremdem Eigentum.

Aelor

»Wer den Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig.«

Sprichwort aus der Region Nepal

1.

Klonkörper

PHOENIX, 4. September 2250 NGZ

Etwas lief ganz und gar schief. Aelor öffnete die Augen in einem Körper, der sich fremd anfühlte. Bleierne Müdigkeit lastete auf ihm. Schwarze Nebel umhüllten seine Gedanken. Sein Kopf dröhnte. Jedes noch so leise Sirren und elektrische Wimmern kam ihm quälend laut vor. In seinem Magen brannte es, als hätte er Säure getrunken. Er schluckte, was einen brennenden Schmerz in der Speiseröhre auslöste. Ein Würgereiz folgte.

Dieser widerliche Organismus! Er war dem Perry Rhodans zu ähnlich. Aelor brauchte einen anderen Wirtskörper, aber woher sollte er den bekommen?

Er versuchte, sich in der schmalen Schlafkabine aufzusetzen, und sank kraftlos zurück. Es roch unangenehm. Nach strengen Ausdünstungen, die ihn an Urin denken ließen. Zumindest lag er weich und warm.

Aelor hätte froh sein sollen, überhaupt einen Körper gefunden zu haben. Die Chancen hatten gegen ihn gestanden. Im ersten Moment war es ihm wie ein Segen erschienen, dass es an Bord des PHOENIX möglich gewesen war, den Klon einer Ator namens Sichu Dorksteiger auf die Schnelle heranzuzüchten. Doch der Segen verwandelte sich in einen Fluch. Die Übereinstimmung zwischen dem, was Aelor brauchte, und dieser geklonten Fleischpuppe war gering.

Blinzelnd schaute Aelor sich um. »Schlafkapsel öffnen!«, befahl er.

Die Kapsel lag im Bug des PHOENIX, im vorderen Bereich der Spitze. Sie gehörte zu einer von zwei Kabinen, die vor der geräumigen Aussichtskugel lagen.

Aelor versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Wie genau war er an diesen Ort gekommen?

Es war schlimm genug, seine Mission vergessen zu haben, die große Aufgabe, die er erledigen musste. Warum wusste er nicht mehr, was hinter ihm lag und ihn vorangetrieben hatte? Drohte ihm eine dauerhafte Amnesie? Krampfhaft bemühte er sich, herauszufinden, was in den vergangenen Tagen geschehen war.

Aus der Dunkelheit seiner Erinnerungen schälte sich das Bild einer Medokapsel. Sofort stiegen Assoziationen wie Luftblasen auf.

Der Heilschlaf! Vor drei Tagen hatten er und Perry Rhodan entschieden, ihn wegen der zu schnellen Alterung des Klonkörpers in einen speziellen Heilschlaf zu legen. Die abgeänderte Variante versprach eine verlangsamte Alterung. Dafür hatten sie heimlich eine Stasiskapsel in der Medostation genutzt. Im Anschluss hatte Aelor sich tatsächlich besser gefühlt. Die neue Prozedur hatte den Verfallsprozess abgefangen. Nun jedoch schien jeder Fortschritt zunichte. Etwas ging mit dem Klonkörper vor.

Ein Zittern überfiel Aelor, so stark, dass seine Zähne klapperten.

»Phoenix!«, brachte er hervor, doch die Bordintelligenz blieb stumm.

Richtig. Das hier war ein Versteck. Phoenix würde nur im Notfall eingreifen, wenn Aelor ein vereinbartes Codewort sagte.

Nach und nach stiegen weitere Erinnerungen aus der Tiefe. Der PHOENIX war unterwegs. Alle an Bord waren in der Aussichtslounge. Inzwischen mussten sie den Sternwürfel erreicht haben, nach sechs Tagen Flugzeit. Perry Rhodan hatte Aelor von ihrem Ziel erzählt und davon, dass er eine Leun namens Shrell an Bord geholt hatte. Diese Shrell wollte Rhodan zwingen, zu einem Mann namens Reginald Bull zu gelangen. Sie forderte Bulls Tod und war bereit, über weitere Leichen zu gehen, um ihre Ziele zu erreichen.

Eigentlich sollte Aelor ein Trumpf sein. Ein geheimer Verbündeter. Rhodan wollte Aelor helfen, wenn er den Sternwürfel erreicht hatte, und dafür half Aelor seinerseits Rhodan. Es war ein guter Deal. Nur leider war Aelor im Moment niemandem eine Hilfe. Also musste er sich erst einmal selbst helfen.

Mühsam setzte er sich auf. Schwindel überkam ihn. Ganz in seiner Nähe war ein Wandstauraum, der einen Medoroboter verbarg. Rhodan hatte ihn aus dem Roboterhangar geholt und ihn dort für Aelor zurückgelassen. Es dauerte mehrere Minuten, bis Aelor aufstehen und sich mit der rechten Hand zu dem Fach hangeln konnte. Er stützte sich mit dem Rücken an der Kapsel und an der Wand ab, bis er sein Ziel erreichte. Da ihm die linke Hand fehlte, musste er aufpassen, was er tat. Schwer atmend aktivierte er den Öffnungsmechanismus.

Was die anderen wohl gerade sahen? Was genau war dieser Sternwürfel?

Eine jähe Schmerzwelle machte den Anflug von Neugier zunichte. Sie war so brutal, dass sie Aelor zum Wimmern brachte. Er sank an der glatten Wand nach unten.

Der kugelförmige Medoroboter schwebte aus dem geöffneten Fach und drehte ein oberes Band. Dioden zeigten seine Betriebsbereitschaft. Sie leuchteten im satten Blau der Grundfarbgebung.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte er.

»Ja!«, brachte Aelor auf Interkosmo hervor. »Etwas stimmt nicht, ich ...«

Er verstummte und starrte auf seine Hand. Diese grüne Hand mit den blassen, goldbraunen Mustern darauf. Sie hatte Flecken! Und Falten. Was geschah mit ihm? Alterte er etwa im Zeitraffer? Bei dieser Geschwindigkeit konnte das nicht lange gut gehen. Die Fleischpuppe raste ihrem Ableben entgegen.

Der Roboter drehte sich in der Luft. Drei kleine Abdeckungen glitten zur Seite. »Du bist ein sehr altes Individuum.«

»Nein! Ich meine, ja, schon, aber ... egal.« Es war kompliziert. »Was ist mit diesem Körper los?«

»Er altert.«

»Tatsächlich?«, ätzte Aelor. Es tat gut, seine Angst mit Sarkasmus zu überspielen. »Was kannst du dagegen tun?«

»Alterung ist ein natürlicher Prozess.«

»Ich altere zu schnell! Schneller als all die Tage zuvor!«

Der Roboter schwieg, als würde er darüber nachdenken. Nach einigen Sekunden meinte er: »Das ist korrekt. Wenn du möchtest, stelle ich dir eine erweiterte Analyse zur Verfügung. Womöglich finden wir so die Quelle des Problems.«

»Mach das!«

Keine Minute später beendete der Roboter seine Arbeit. Die Abdeckungen schlossen sich. »Offensichtlich befindet sich in deinem Gehirn ein Fremdkörper aus Zellgewebe. Meine Analyse besagt, dass es sinnvoll wäre, ihn zu entfernen.«

Aelor lachte verzweifelt auf. Ein Fremdkörper! Der Roboter meinte ihn. Seinen Symbiontenkörper. »Abgelehnt! Ich weiß über das feine Gespinst in der Gehirnregion Bescheid. Es zu entfernen, ist keine Option.«

»Bist du sicher? Gemäß den möglichen Szenarien ...«

»Nein!«, fuhr Aelor dazwischen. »Es sei denn, du hast einen Ersatzkörper anzubieten.«

»Es sind keine Klone an Bord.« Erneut ein kurzes Zögern. »Ich verstehe. Das ist ein Klonkörper, und das Gespinst ist der eigentliche Bewusstseinsträger.«

»So ist es.«

»Offenbar kommt es zu störenden Interaktionen.«

»Diese Interaktionen sind überlebensnotwendig.«

»Dann gibt es keine Hilfe. Doch ich kann dir ein Schmerzmittel verabreichen.«

»Tu das!«

Wenn das Brennen im Magen und in der Speiseröhre nachließe, wäre schon viel gewonnen. Vielleicht konnte er dann endlich klarer denken.

Der Roboter gab Aelor das Schmerzmittel.

Während Aelor auf die Wirkung wartete, dachte er daran, wie der PHOENIX ihn gefunden hatte. Allein. Auf einem Äonen Jahre alten Schiffswrack im All treibend. Warum wusste er nicht mehr, was davor geschehen war? Was war seine Aufgabe? Er musste es herausfinden. Es war wichtig. Dafür brauchte er einen starken, zuverlässigen Körper.

Die langen, grünen Finger, auf die er noch immer blickte, zitterten. Wie wenig Kraft in ihnen lag!

Langsam ließ der Schmerz nach.

Aelor überwand sich, aufzustehen, und sich aus einem Spender einen Becher mit Wasser zu nehmen. Der Wirt brauchte das Wasser, folglich auch er. Als er den Becher an die Lippen führte, durchflutete Aelor eine Schmerzwelle, die ihn auf die Knie zwang. Der Becher fiel zu Boden und verspritzte seinen Inhalt.

»Was ...«, stöhnte er. »Was ... passiert mit mir?«

Der Roboter schwebte nach unten, auf Aelors Augenhöhe. »Mehrere Organe sind betroffen. Ein Aufenthalt in der Medostation ist ratsam. Es wäre möglich, dass du eine Operation brauchst oder eine Stasiskapsel für genauere Untersuchungen in einem sicheren Umfeld nutzen solltest. Das übersteigt meine Autorisierung. Ich empfehle, Hilfe zu holen.«

»Ja.« Aelor erinnerte sich an das vereinbarte Wort, das den PHOENIX schlagartig aufmerksam machen würde. Er richtete den Blick in die Raummitte, obwohl dort keine Kamera in die Decke verbaut war, und sagte: »Kriegsbemalung!«

2.

Sternwürfel

Wenige Stunden zuvor

»Es wird eine Katastrophe geben«, sagte Phoenix.

Atlan hob eine Augenbraue, während Liam Barstow und Gucky einen verwunderten Blick tauschten. Nur Shrell gab sich ungerührt. Sie stand am Rand der zwölf Meter durchmessenden Beobachtungslounge, die sich über alle drei Decks erstreckte. Teile der Außenverkleidung waren weggefahren, und die pfeilförmige Rumpfspitze lag von der Kugel gestreckt, um eine bessere Sicht zu ermöglichen.

Shrell sah durch den transparent geschalteten Rumpf in die Schwärze des Alls. In ihrem schwarzen, hautengen Anzug schien sie Teil der eisigen Finsternis zu sein, die ihren Weg ins Innere des PHOENIX gefunden hatte. Neben ihr wachte ein runder Kampfroboter leunscher Bauart. Obwohl er nur einen Meter groß war, offenbarten seine dunklen Schussdornen tödliche Kampfkraft.

Illustration: Dominic Beyeler

Perry Rhodan lehnte sich im Schwebesitz vor. »Misst du eine Gefahr an, Phoenix?«

»Nein.« Es klang ein wenig kleinlaut. »Sachlich betrachtet kann ich meine Aussage nicht untermauern. Im Gegenteil. Der Weg hierher verlief erstaunlich unspektakulär. Es ist uns dank Shrells Späherschiffen gelungen, unentdeckt zu bleiben, obwohl ich über keine extra dafür geschaffenen Tarnsysteme verfüge. In dieser Region scheint es momentan keine Gefahr zu geben.«

Gucky schwebte im Schneidersitz ein Stück in die Höhe, sodass er über seinem Sitz thronte. Seine großen Ohren zuckten belustigt. »Vielleicht fehlt dir dein alter Herr. Die Bemerkung hätte von ihm kommen können.«

Der Ara Zhobotter hatte zusammen mit Dr. Liam Barstow den PHOENIX samt seiner künstlich erzeugten Intelligenz geschaffen. Er hielt sich wie die Ärztin Meg Ontares derzeit nicht an Bord des kleinen Fernraumschiffs auf.

Sie waren mit Shrell fünf Besatzungsmitglieder. Obwohl der PHOENIX im Ruhezustand 160 Meter lang war, kam er Rhodan in den vergangenen Tagen zu eng vor. Besonders weil er Aelor vor Shrell und der Mannschaft verbergen musste. Bisher hatte er keine Möglichkeit gefunden, die anderen über den rätselhaften Fremden zu informieren, der in einem Klonkörper Sichus steckte. Er hatte befürchtet, von Shrell überwacht und abgehört zu werden.

»Nun ...«, sagte Phoenix und aktivierte seinen Avatar. Als prächtiger, goldgelber Phönix mit brennendem Federkleid erschien er in einem gleißenden Holo in der Mitte der Lounge. »Um ehrlich zu sein ... mich verwirrt, was gerade geschieht. Da ist ein Impuls in mir. Am liebsten würde ich mich über eure Befehle hinwegsetzen und einfach von hier verschwinden. Natürlich tue ich das nicht, aber ...«

»Muffensausen!«, unterbrach Gucky. »Dir geht die Mauser! Dein Bürzel stößt auf Grundeis! Du hast Schiss!«

Der Avatar schaffte es, den langen Hals so zu beugen, dass es beleidigt wirkte. »Unmöglich! Ich mag Abenteuer. Ich bin für sie geschaffen.«

»Ganz genau!«, stimmte Gucky zu. »Und du erlebst gerade eines! Wir schreiben den vierten September 2250 Neuer Galaktische Zeitrechnung, die also streng genommen gar nicht mehr so neu ist. Vierzigtausend Lichtjahre von seinem Aufbruchspunkt entfernt, wartet das Fernraumschiff PHOENIX auf eine Enthüllung, die nie ein Ilt zuvor gesehen hat!«

»Ich bin mehr als ein Raumschiff«, warf der PHOENIX ein. »Und du solltest nicht zu viele alte terranische Serien aus meinen Datenbanken konsumieren.«

»Ich habe in den vergangenen Monaten ziemlich lange in einer Art zweitklassigem Suspensionsalkoven herumgehangen oder war sediert. Da muss ich was nachholen.«

Shrell musterte Gucky auf eine kalte, distanzierte Art. »Das, was du sagst, ist falsch. Es gibt Ilts im Sternwürfel. Ich dachte, das wäre euch klar. Sowohl bei den Restauraten, die hier einige Stützpunkte haben, als auch bei den Hiesigen.«

Rhodan spürte, wie sich seine Stirn runzelte. »Wie viele Restauraten sind in diesem Gebiet? Stehst du mit ihnen in Kontakt?«

Wie so oft gab Shrell keine Antwort. Sie sprach überhaupt nur, wenn es ihr genehm war. Mit ihr zusammenzuarbeiten, war eine der größten Herausforderungen seines Lebens. Shrell war der Inbegriff der Provokation. Leider war sie die Einzige, der die Koordinaten des Sternwürfels bekannt waren.

»Es ist richtig, sich Sorgen zu machen«, merkte Liam Barstow an, die meistens Dr. Barstow genannt wurde. Sie berührte ihr schwarzes, im Nacken zusammengestecktes Haar. Das Gesicht mit den dunklen, mandelförmigen Augen schien zerfurchter als gewöhnlich. »Hier kann jeden Moment eine Angriffsflotte der Hiesigen aufkreuzen. Wie lange wollen wir noch an diesem Punkt im Nichts vor uns hinschleichen und darauf warten, entdeckt zu werden?«

»Solang«, antwortete Shrell eisig, »bis der Sternwürfel sichtbar wird. Und das wird bald der Fall sein. Im Übrigen habe ich für unseren Schutz gesorgt.«

Gucky schnaubte, dass die langen Schnurrhaare um seine dunkle Nase zitterten. »Schutz? Du meinst, du hast eine Flotte abgestellt, die deine Haut retten soll.«

Shrell war allein an Bord des PHOENIX gekommen, aber sie hatte sich abgesichert. Neben einem Pentaferer und einem Kampfroboter hatte sie 18 Schiffe beauftragt, ihren Flug zum Sternwürfel zu begleiten. Darunter befanden sich ein Turmsiegel der PERTUVI-Klasse und zwei Große Siegel der HALPA-VET-Klasse. Die riesigen Schlachtschiffe waren dem nahezu unbewaffneten PHOENIX haushoch überlegen. Sie hatten neben einer abschreckenden Wirkung die Aufgabe, ihnen im Sternwürfel beizustehen, falls es zu Angriffen käme.

»Es passiert etwas!«, rief Phoenix. Er wandte seinen Avatarkörper einem durchsichtigen Kugelbereich zu. Aus dem Feuerschleier seiner Schwanzfedern sprangen Funken.

Gucky schwebte näher. Rhodan stellte sich zu Atlan. Zusammen mit Shrell und Liam Barstow starrten sie in die von fernen Sonnen gesprenkelte Dunkelheit.

Und dann war er da. Von einer Sekunde auf die andere.

Vor Perry Rhodan befand sich der Sternwürfel.

*

Der Sternwürfel. Endlich. Dort wartete Reginald Bull. Der Freund hatte sich eine außergewöhnliche neue Heimat gesucht.

Die Würfelmatrix, die vor Perry Rhodan im All schwebte, war perfekt. Neun mal neun mal neun Sterne formten ein komplexes Konstrukt. Je neun Sterne bildeten eine Linie, die ihrerseits neun Sterne hoch und neun solcher Gitter tief war. Der Sternwürfel schwebte hell schimmernd wie eine Verheißung in der plötzlich hereingebrochenen Dunkelheit. Von den Lichtern anderer Sonnen gab es keine Spuren mehr. Das spiralarmdicke Band der Agolei schien ausgelöscht.

Liam Barstows Augen weiteten sich. Schweigend betrachteten sie das künstliche Gebilde. Jeder Stern stand im selben Abstand zu allen seinen direkten Nachbarn.

Unter den Krallen des Avatars leuchte eine Zahl auf: 270,23 Lichttage. Sie zeigte die Länge der Würfelzellen.

Die Gesamtlänge stand darunter: 5,92 Lichtjahre. Ein gigantisches Gebiet, in dem es neben den Sternen zahlreiche Planeten gab. Dabei ähnelten die Sterne einander wie ein Ei dem anderen. Sie waren unverkennbar kosmische Geschwister. Rhodan erkannte die Sonnenart.

Während in der Milchstraße die meisten Sterne zur Population Eins gehörten und verhältnismäßig jung waren, mussten diese uralt sein. Unter den Klauen des Avatars tanzten neue Zahlen. Die hellen, weißen Sonnen hatten den zehnfachen Durchmesser und die tausendfache Masse Sols. Ihr Plasma bestand aus Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium. In einem Abstand von je 25 bis 27 Lichttagen erstreckten sich die habitablen Zonen.

Alles an den dargebotenen Werten schrie nach einer künstlichen Erzeugung. Aufgrund der geringen Metallizität hätten solche Sterne niemals ein Planetensystem erzeugt. Sie ähnelten jenem Typ, den das Universum nach dem Urknall als Erstes ins Sein geworfen hatte, um unvorstellbare Weiten zu füllen. Diese Sonnen waren längst vergangen. Es dürfte sie in dieser Form eigentlich nicht mehr geben. Und doch waren sie da.

Als wäre dieser Widerspruch für sich genommen nicht erstaunlich genug, hatte jede Sonne zwei grob erdähnliche Planeten. Es wirkte, als hätte jemand die Systeme per kosmischem Drei-D-Druck multipliziert.

Rhodan kannte diese Art von Sonnensystem, denn deren Spezifikation entsprach zu hundert Prozent der des Wycosystems. Er wusste, dass die Wyconder die Erbauer des Sternwürfels waren. Auch das Wycosystem hatte einst einen Platz als Teil des Sternwürfels eingenommen. Rugyra war die ursprüngliche Steuerwelt des stellaren Meisterwerks und beim ersten Sprung zurückgeblieben. Doch trotz all seines Wissens und seiner Vermutungen traf Rhodan dieser Anblick unvorbereitet.

Knapp sechs Lichtjahre bestückter, gestalteter und geformter Raum. Das war mehr als ein Konstrukt. Es war ein selbst für jemanden mit seiner Erfahrung wundersamer Anblick.

Atlan trat näher an Shrell heran. »Das ist es also. Dein großes Ziel.« Er sagte es ohne Spott.

Perry Rhodan fiel auf, dass Atlan sich mit Shrell mehr Mühe gab als alle anderen. Während Gucky seine Verachtung für Shrells terroristischen Anschlag im Solsystem offen zeigte, und Liam Barstow die Leun am liebsten hochkant aus »ihrem Schiff« befördert hätte, war Atlan derjenige, der stets versuchte, im Dialog mit Shrell zu bleiben. War das wirklich nur Kalkül?

Atlan hatte ihm anvertraut, er fände Shrells Verhalten riskant, aber mutig. Die Anführerin der Restauraten hatte sich ihnen angeschlossen, ohne auf Begleitung zu bestehen. Sie waren einen Pakt mit einer Teufelin eingegangen. Wenigstens hatte Atlan einen Extrasinn, von dem er sich vermutlich einiges anhören durfte, falls er auf falsche Gedanken kam.

»Das ist es«, sagte Shrell. Zum ersten Mal, seit sie an Bord war, senkte sie den Schild, hinter dem sie einen Großteil ihrer Gefühle verborgen hatte. In ihrer Stimme schwang Aufregung mit. In den Augen lag ein fiebriger Glanz. »Nun werden wir nach 5-5-5 vorstoßen!«

Gucky blieb ungewöhnlich still. In seinem Blick lag Sehnsucht. Ob er sich gerade fragte, wie viele Ilts auf den zahlreichen Planeten leben mochten?

»Warum nicht?«, sagte Rhodan. »Dafür sind wir schließlich gekommen. Ich nehme an, 5-5-5 liegt im Zentrum des Gebildes?«

Es lag auf der Hand, dass die Systeme des Würfels logisch benannt waren. Die Sonnen wurden nach ihrer Position in der geometrisch exakten Anordnung gezählt. Dabei wurden die Positionen im dreidimensionalen Koordinatensystem der x-, y- und z-Achse benannt. Eines von ihnen – vielleicht das aus Perrys Sicht obere linke – war 1-1-1. In dem Fall wäre das System »unten rechts« 9-9-9. Es lag in der neunten Spalte, neunten Zeile und der neunten Ebene.

»Richtig«, bestätigte Shrell. »Aber es gibt ein Hindernis, das wir dabei überwinden müssen.«

Ein Schauer ging durch die goldgelben Federn des PHOENIX-Avatars. »Warum habe ich ein so widerliches Gefühl?«

Um Atlans Lippen spielte ein ironisches Lächeln. »Willst du uns nicht verraten, worin dieses Hindernis besteht?« Wieder kam er Shrell entgegen, indem er sie hofierte und tat, was sie wollte. Er bot ihr ein interessiertes Publikum.

Rhodan musste zugeben, dass diese Taktik in der Vergangenheit mit anderen Gegenspielern aufgegangen war. Shrell hatte eine Seite, die sich nach Anerkennung sehnte. Sogar Gucky hätte sie gerne zu den Restauraten bekehrt, weil er ein Ilt war und damit ihrer Meinung nach gemeinsam mit den Yuit-Leun gegen Reginald Bull ins Feld ziehen sollte. Diese Ansichten hatte sie zuletzt oft genug vertreten, obwohl Gucky dafür nichts als ein verächtliches Schnauben und vorgetäuschte Würgeanfälle übriggehabt hatte. Er würde niemals an seinem besten Freund zweifeln.

Und er? Perry Rhodan? Zweifelte er an Bully? Der Gedanke schmeckte bitter wie verrostetes Metall.

Reginald Bull hatte vorgeblich versucht, ihn zu töten. Angeblich war Rhodan bereits im System der Wyconder von seinem besten Freund zum Abschuss freigegeben worden. War Bully in den vergangenen hundertachtzig Jahren zu einem Feind geworden?

Selbst wenn es so wäre – Rhodan musste dafür sorgen, dass die drei Anomalien auf Terra und Luna verschwanden. Die Existenz des Solsystems stand auf dem Spiel. Nur deshalb hatte er eine Reise von 238 Millionen Lichtjahren auf sich genommen.

Shrell zögerte die Antwort hinaus, doch es tat ihr niemand den Gefallen, erneut nachzufragen. »Wir müssen«, sagte die Leun gewichtig, »durch den Zyklonwall. Nur dann werden wir 5-5-5 erreichen.«

»Zyklonwall ...« Phoenix klang ungewohnt verzagt. »Das klingt gefährlich.«

3.

Hilferuf

Schon während der zurückliegenden fünf Tage war die Stimmung angespannt gewesen. Wo immer Shrell und Gucky aufeinandergestoßen waren, hatte die Luft gebrannt. Nun jedoch meinte Perry Rhodan, die Anspannung als Prickeln auf der Haut zu fühlen. Jeder von ihnen wartete darauf, dass Schiffe der Hiesigen sie entdeckten. Es war eine Frage der Zeit, bis sie sich in den Schutz einer Sonne zurückziehen mussten.

Der PHOENIX war nicht dafür geschaffen, sich schnell innerhalb einer Galaxis zu bewegen. Um voranzukommen, mussten sie den HTP nutzen, den Hypertrans-Progressor. Dazwischen blieben Orientierungsphasen, in denen sie Antigrav- und Gravopuls-Antriebe aktivierten.

Gucky warf Rhodan einen finsteren Blick zu. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie einen anderen Weg eingeschlagen. Vor vier Tagen hatten sie ein Streitgespräch mit Atlan geführt, das Rhodan noch lebhaft vor Augen stand.

»Nutzen wir unsere Möglichkeiten!«, hatte Gucky gefordert. »Shrell ist allein! Was helfen ihr ihre dämlichen Gouvernanten-Schiffe, wenn wir mit dem HTP an einer ganz anderen Stelle herauskommen? Ich kümmere mich um ihren Roboter. Wir nehmen sie gefangen und zwingen sie, die Anomalien zu schließen!«

Ein altes Gefühl erwachte in Perry; eine Kälte, die er selten in Verbindung mit Gucky wahrgenommen hatte. Sie erinnerte ihn daran, wie der mächtige Parabegabte, den alle »Overhead« genannt hatten, zu Tode gekommen war. Sein richtiger Name hatte Clifford Monterny gelautet. Es war Gucky gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass Monternys Schiff an einem Asteroiden zerschellt war.

Wie Shrell war Monterny über Leichen gegangen. Damit hatten beide für Gucky ihr Recht auf Leben verwirkt.

»Zwei Probleme, Kleiner«, hatte Atlan dagegengehalten. »Erstens wissen Shrells Leute, wo wir hinwollen. Sie kennen die Koordinaten und können uns auflauern. Und zweitens ist Shrell fanatisch. Sie zu entführen, heißt, das Solsystem zu opfern. Sie wird lieber sterben, als uns zu helfen, und terranische Leben bedeuten ihr nichts.«

Atlan und Gucky hatten eine Weile diskutiert, ehe der Ilt eingelenkt hatte. Seitdem warf Gucky abwechselnd ihm und Atlan erboste Blicke zu.