Perry Rhodan 3339: Letzte Rettung 4774 - Michelle Stern - E-Book

Perry Rhodan 3339: Letzte Rettung 4774 E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch. Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Mit dem PHOENIX steht ein neuartiges ­Raumschiff zur Verfügung, das als Kurierschiff ­dienen soll. Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie das Brennende Nichts – diese Anomalie wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht. Perry Rhodan fliegt mit dem PHOENIX in die Agolei. Dort findet er Verbündete und neue Freunde, aber auch wankelmütige Helfer und solche mit weitgehend unbekannten Motiven. Er durchdringt sogar die Barriere, die ihn von Bull trennt. Zur gleichen Zeit aber kämpft seine Frau um ihr Leben. Für Sichu Dorksteiger heißt es: LETZTE RETTUNG 4774 …

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3339

 

Letzte Rettung 4774

 

Auf einer Raumstation der Wyconder – eine Medikerin kämpft um Leben

 

Michelle Stern

 

 

 

Heinrich Bauer Verlag KG, Hamburg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Unter Wycondern

2. Unter Wissenden

3. Unter dem Radar

4. Unter besonderen Umständen

5. Unter Zeitdruck

6. Unter Beobachtung

7. Unter Medikern

8. Unter Maschinen

9. Untergang

10. Unter Hoffenden

Epilog

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Reproid

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

 

Gut 4000 Jahre in der Zukunft: Auf der Erde und auf Tausenden von Welten leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Sternenreichen der Milchstraße besteht ein freundschaftlicher Austausch.

Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Mit dem PHOENIX steht ein neuartiges Raumschiff zur Verfügung, das als Kurierschiff dienen soll.

Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie das Brennende Nichts – diese Anomalie wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht.

Perry Rhodan fliegt mit dem PHOENIX in die Agolei. Dort findet er Verbündete und neue Freunde, aber auch wankelmütige Helfer und solche mit weitgehend unbekannten Motiven. Er durchdringt sogar die Barriere, die ihn von Bull trennt. Zur gleichen Zeit aber kämpft seine Frau um ihr Leben. Für Sichu Dorksteiger heißt es: LETZTE RETTUNG 4774 ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Meghan Ontares – Die Medikerin erinnert sich.

Terrybor – Die Oberste Architektin versucht einen gefährlichen Spagat.

Zhobotter – Der Ara geht manchmal über seine Grenzen.

Kavron – Die Novizin steht am Scheideweg.

Sichu Dorksteiger – Die Ator sorgt für Überraschungen.

Die Hoffnung ist das Federding,

das in der Seel' sich birgt

und Weisen ohne Worte singt

und niemals müde wird.

Emily Dickinson

 

 

Prolog

 

Terrybor, die Oberste Architektin der Wyconder, hat ein Raumschiff in eine Sonne geschickt. Sie hat entschieden, dass nichts von dem, was sich darin verbirgt, jemals an die Öffentlichkeit gelangen darf.

Doch es gibt Geheimnisse, die sich der Gluthölle eines Sterns entziehen. Geheimnisse, die längst entkommen und frei sind und in der Dunkelheit vergessener Schächte auf ihre Enthüllung warten.

Ein solches Geheimnis ist die Maschine, deren Wahrnehmungssensoren schneller und gründlicher sind als die Vorsicht der Kommandantin der OBJEKTIV-Besatzung. Die Maschine ist eine Hinterlassenschaft, die unbemerkt an Bord kam – ehe ein Wyconder sie entdecken kann, hat sie bereits den Weg in die Schatten gefunden.

Dort existiert sie nun. Allein. Aber das stört sie nicht. Sie kennt weder Einsamkeit noch weiß sie, was »warten« bedeutet. Alles, was sie versteht, ist Information. Null und Eins. Ein und aus. Etwas und nichts. Getreu ihrer Programmierung erhält sie sich und ist auf Abruf verfügbar. Sobald ein zündender Funke kommt, wird er sie entfachen.

Dann werden alle begreifen, was sie auf die heilige Station der Wissenshüter geholt haben: den Tod.

1.

Unter Wycondern

Meghan Ontares, Privates Log

 

Was ist das Schwerste, das eine Ärztin tun muss? Momentan scheint es mir das Warten zu sein.

Wir schreiben den 27. August 2250 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Seit zehn Tagen ist Perry Rhodan fort. Er hat uns bei den Wycondern zurückgelassen, auf einer Raumstation mitten im ansonsten leeren All. Die Agolei, jenes riesige Sternenband, bietet viel leeren Raum und zugleich immer auch viel Nähe zu den auseinandergezogenen Systemen. Wobei diese Nähe trügerisch ist. Ohne ein Raumschiff sitzen wir fest. Wir sind auf Perry Rhodans Rückkehr angewiesen und auf die Gunst von Terrybor, der Obersten Architektin der Wyconder.

Inzwischen wird Terrybor immer unleidlicher. Die OBJEKTIV-Station hat ihre Position geändert, und die Oberste Architektin gerät unter Zeitdruck. Ihr gehen die Ausreden aus, warum sie länger an Bord bleiben soll. Jeden Tag muss sie sich dem Heiligen Orden der Datenkunde gegenüber rechtfertigen. Deshalb will sie, dass wir verschwinden und Sichu Dorksteiger aufgeben. Natürlich ist das keine Option. Ich kann Terrybors Position verstehen, aber wir sind so knapp davor, einen Durchbruch zu erzielen!

Zhobotter und mir ist es mithilfe der Novizin Kavron gelungen, den rätselhaften Unfall Sichu Dorksteigers und seine Folgen besser zu verstehen. Wir konnten durch Untersuchungen neue Erkenntnisse gewinnen.

Die Novizin Kavron ist ein wahrer Segen. Sie steht uns zur Seite unter dem Vorwand, sich um die verlassene, beschädigte Medostation zu kümmern, die uns als Versteck dient. Es ist ihr gelungen, die Station versiegeln zu lassen. Dafür hat sie die Riten und Gebräuche des Heiligen Ordens der Datenkunde geschickt eingesetzt. Die medizinischen Transmitter in dieser Station sind unglaublich hoch entwickelt, und sie erhalten von den Wycondern besondere Rechte. Es ist fremd für mich, dass technische Geräte ohne positronisches Bewusstsein Rechte haben, als wären sie Personen. Der Orden hat seine ganz eigenen Regeln und verehrt, was mit der Mehrung von Wissen zu tun hat.

Uns bleiben elf wycondrische Tage, ehe die Station freigegeben wird. Bis dahin wacht Kavron über sie, betreut die Transmitter, versorgt uns mit Essen und allem, was wir brauchen.

Zhobotter stellt derzeit sicherheitshalber weitere Nanoroboter her, falls er Terrybor helfen muss, die Energiewerte zu verschleiern, die wir verursachen. Bisher war das unnötig. Die Oberste Architektin kommt zurecht. Kavron hat sicherheitshalber angekündigt, einige Tests zu machen. Das hilft uns, falls wir Aufmerksamkeit erregen. Es ist die perfekte Tarnung.

Eigentlich ist gut für uns gesorgt, doch in der ständigen Anspannung zu leben, von den Wycondern entdeckt zu werden, macht mich fast so unruhig wie der schlechte Zustand meiner entstofflichten Patientin. Ich hoffe auf Perry Rhodan und lenke mich mit der Arbeit an Sichu Dorksteigers Heilung ab.

Seit der Zerstörung des Mentatrons, in dem meine Patientin sich in entstofflichtem Zustand befand, leidet sie an einem hyperphysikalischen Oszillationszustand. Sie entstofflicht sukzessive. Der Grad ihrer Stofflichkeit schwankt und folgt dabei einer – wie ich es nenne – fallenden Sinuskurve. Sichu kreidet mir den Begriff als verkehrt an, sie bezeichnet es als »periodisch gedämpfte Schwingung«. Die korrekte Semantik interessiert mich von allen brennenden Problemen am wenigsten.

Vereinfacht gesprochen: Bei jeder Teilentstofflichung entmaterialisiert sie ein wenig mehr, und bei jeder Rematerialisation wird ein etwas geringerer Teil von ihr wieder stofflich. Am Ende des Prozesses wird sie völlig entstofflicht bleiben. Das wäre gleichbedeutend mit ihrem Tod.

Gerade läuft eine komplexe Simulation in einem wycondrischen Analytikum, dessen Funktionsweise Kavron mir erklärt hat. Was für ein brillantes Gerät! Ich habe es mit allen Daten gefüttert, die ich bekommen konnte. Mit den Ergebnissen der bisherigen Tests, Sichu Dorksteigers Genmaterial ebenso wie mit möglichen Hypothesen und allem, was ich über den Unfall und das Mentatron weiß.

Nun sitze ich am kreisrunden Tisch dieser Station und habe eine energetische Schutzsphäre um mich geschaltet, damit ich Zhobotters nervige Schlafgeräusche ausblenden kann und keiner meine Stimme hört. Zhobotter meint, ich würde zu viel plappern. Der enge Raum tut uns nicht gut, aber wir reißen uns zusammen. Er gibt sich Mühe. Leider passt seine Sozialkompetenz auf die Spitze eines Positronik-Skalpells. Wegen seines Unfalls kann er meine Gefühle nicht nachvollziehen. Da muss ich doppelte Arbeit leisten und Mitgefühl für uns beide aufbringen.

Noch zehn Minuten bis zum Ergebnis der Analyse. Dieses Warten. Ich hasse es. Es wirft meine Erinnerungen an Punkte meiner Vergangenheit, die mich anziehen wie Schwarze Löcher. Der erste dieser Punkte beginnt eigentlich heiter.

Ich weiß noch genau, wie sich die Situation anfühlt, ehe das Grauen einbricht. Es ist wie ein Film, den ich Bild für Bild und Wort für Wort gespeichert habe. Ich bin zehn Jahre alt und in der Schule. Gemeinsam mit vier anderen aus meiner Lerngruppe baue ich eine Projekthöhle. Ich erinnere mich an jeden einzelnen Namen und sehe ihre Gesichter vor mir, als würden sie mit mir auf der OBJEKTIV-Station an einem Tisch sitzen: die schwarzen Augen von Aarav, Li Weis breites Grinsen, Zainabs große, sommersprossige Nase, Kwamas viel zu oft gerunzelte Stirn.

Gerade hat Kwama eine der Aufgaben gelöst: zwei hoch vier. Sie gibt der noch im Raum schwebenden Sechzehn einen Schubs. Die Sensoren reagieren auf die Bewegung, und die Zahl verwandelt sich in einen explodierenden Funkenregen. Sie wird zu einem weiteren Element unseres Holounterschlupfs.

Wir haben an diesem Tag eine Höhle mit Kristallstruktur als Arbeitsziel gewählt und rechnen allein, nur begleitet von einem Lernroboter. Der Raum sieht aus wie ein Dschungel. Er riecht nach nassem Holz, Farnen und süßen Früchten. Im Hintergrund kreischen Affen und Papageien.

Die Kristallhöhle wächst rasch, und Li Wei denkt, wir haben uns eine Pause verdient. Er ist immer derjenige, der die Pausen einleitet.

»Zeit für einen Witz!«, verkündet er.

Aaravs dunkle Augen ziehen sich zusammen, wie es nur Aaravs Augen können. Er kann so argwöhnisch sein. Er fragt: »Kriegen wir dafür Ärger?«

»Nicht für den«, sagt Li.

Li Wei hat drei ältere Schwestern, die ihn manchmal mit zweifelhaftem Material versorgen. »Okay«, lenkt er ein. »Es kommt ein Intimbereich drin vor. Genau genommen zwei.«

Wir verdrehen die Augen. Wir wissen über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern Bescheid.

Li Wei grinst uns an. »Es ist ein Perry-und-Atlan-Witz!«

Jetzt wollen wir ihn alle hören. Wir lieben »Perry und Atlan«-Witze, besonders Zainab, der Halbarkonide ist und Atlan zu seinem persönlichen Helden erklärt hat.

»Schieß los!«, fordert er.

»Also, Perry und Atlan sind am Goshun-See. Es ist heiß. Sie haben keine Badehosen oder Tarnprojektoren dabei und sind im A-Bezirk. Nacktbaden verboten! Sie springen trotzdem ins Wasser. Als sie zurückkommen, hat jemand ihre Einsatzanzüge geklaut. In dem Moment landet ein Gleiter mit Gesandten des Galaktikums. Perry hält sich die Hände vor den Intimbereich. Atlan hält sie sich vor die Augen.

›Was machst du denn da?‹, fragt Perry.

Atlan sagt: ›Ich weiß ja nicht, wie das bei euch Terranern ist, aber auf Arkon erkennen wir uns am Gesicht.‹«

Ich pruste los. Ich muss so sehr lachen, dass meine Wangen feucht werden und mir die Seiten schmerzen.

Das ist der Moment, in dem der Ankündigungs-Gong erklingt. Ein zarter Laut, der uns verrät, dass sich eine Lehrkraft per Holo ankündigt. Es ist Chaltar, eine Ferronin, auf deren blauer Haut ein warmer Schimmer liegt, der mich an Abendrot denken lässt.

»Meghan Ontares?«, fragt sie in den Raum.

Ich trete vor. »Ja! Bin da.« Wo sollte ich auch sonst sein? Ich wische mir über die Wangen.

Chaltars Gesicht erscheint mir gütig und streng in einem. Vielleicht kommt dieser Ausdruck von der vorgewölbten Stirn und den tief liegenden Augen. Sie trägt das volle, kupferrote Haar so kurz, dass ich am liebsten hineingreifen möchte, um herauszufinden, ob ich mich daran steche. »Es tut mir leid, aber du musst sofort zu mir kommen. Dein Lehrer holt dich ab. Für deine Gruppe springt Exan Derr als Vertretung ein.«

Die anderen aus dem Lernteam werfen mir erschrockene Blicke zu. Wir werden selten von Chaltar angerufen. Noch seltener bringen uns Lehrer einzeln irgendwohin. Das ist schlecht.

Mein Magen wird ein Klumpen, und meine Hände ganz kalt. Ich will mich in der fast fertigen Kristallhöhle verkriechen, trotzdem gehe ich tapfer zur Gleittür.

Wenn ich gewusst hätte, was Chaltar mir damals hat sagen wollen, hätte ich mich vielleicht doch in der Höhle verkrochen. So wie ich mich jetzt am liebsten zwischen den Medotransmittern und den Operationseinheiten verkriechen will.

Mir ist kalt, und ich nehme einen Schluck von dem dampfenden, nach Mandelblüten riechenden Tee. Ich habe Angst vor dem, was die Ergebnisse mir sagen werden. Angst, dass unsere bisherigen Forschungen fehlerhaft sind und wir der Lösung für Sichus tödliches Problem um keinen Schritt näher kommen.

Illustration: Dominic Beyeler

 

*

 

Ein leises Schaben riss Meghan Ontares aus ihren Aufzeichnungen. Oder eher ein Trippeln? Es klang wie das Geräusch winziger Füße in der gerundeten Decke über ihr, das schlagartig verschwand. Sie schaltete den Dämpfungsschirm ab, der ihr Privatsphäre erlaubt hatte. Nun konnte sie das Geräusch wieder hören. Es entfernte sich in der Röhrenwölbung, wurde leiser und erstarb.

Zhobotter lag ganz in der Nähe ausgestreckt auf einer Liege und schlief wie ein Toter. Ihn brauchte sie nicht zu fragen, ob er das Schaben gehört hatte. Was könnte dahinterstecken? Ein Tier?

Retetten! Das Wort fiel Meghan wieder ein. Die Novizin Kavron hatte es erwähnt. Es gab Nager an Bord der OBJEKTIV-Station, die sich in den Lüftungsschächten versteckten und vollkommen harmlos waren. Schiffe aus dem Wycosystem hatten sie eingeschleppt. Da die Retetten als Glücksbringer galten, ging man nachsichtig mit der Programmierung der Wartungsroboter um, die sie eigentlich einfangen sollten.

Meghan betrachtete die freundlich eingerichtete Station, die trotz ihrer Kargheit behaglich wirkte. Inzwischen war die Stationswandung repariert worden. Auch die Schäden, die durch den Einschlag einer Sonde entstanden waren, hatte Kavron mithilfe von Wartungsrobotern behoben. Die vorherrschenden Farben waren Weiß und Silber. Es gab keine Ecken, sondern überall Rundungen. Die weichen Kanten der Geräte und Maschinen passten sich dem Gesamtbild an und schmiegten sich elegant in die ringförmige Struktur der kompakten Inneneinrichtung. Auf den ersten Blick waren die Oberflächen schmucklos, doch wenn Meghan sie berührte, spürte sie winzige Symbole, die für Nullen und Einsen standen.

In einer Nische zwischen zwei Transmittern leuchtete das auf einem Tisch stehende Analytikum in einem fahlen, gelben Licht. Wann würde es endlich strahlend orange werden und anzeigen, dass es fertig war? Bisher leuchteten lediglich die unzähligen Anzeigen mit den medizinischen Messdaten, die sich außen am Transmitter befanden.

Meghan schob den halb leeren Teebecher von sich und streckte sich. Sie wäre gerne spazieren gegangen, hinaus in den weiten Ring, der die Zentralkugel der Station umgab und in dem die Medostation lag. Aber selbst im SERUN mit aktiviertem Deflektor wagte sie es nicht.

Über Meghans Armbandgerät öffnete sich automatisch ein Holo. Es zeigte die Novizin Kavron, die sich zwei Räume entfernt mit einem Impulsgeber Zutritt verschaffte. Kavron wollte dabei sein, wenn das Analytikum seine Arbeit beendete, und sie war pünktlich.

Als die Wyconderin mit der schwarzvioletten Haut und der federleichten, silbrigen Kutte eintrat, erwachte Zhobotter. Er setzte sich ruckartig auf und starrte in Kavrons Richtung. Ein anderer Ara wäre danach vielleicht ein wenig in sich zusammengesunken und hätte entspannt gewirkt, doch Zhobotter blieb genau so sitzen, wie er saß.

Seine Steifheit ließ Meghan schaudern. Vielleicht lag es auch am Anblick der abgelösten Fingerkuppen. Drei fehlten derzeit. Offensichtlich waren die Schwärme von Nanorobotern damit beschäftigt, einen kleineren Gegenstand zu umschließen und ihn für die Einbettung in das Kontingent vorzubereiten.

Das Analytikum wechselte die Farbe auf Orange. Erleichtert, etwas zu tun zu bekommen, sprang Meghan auf. Sie hob das Gerät, das kaum größer als ihr Kopf war, vorsichtig hoch und stellte es auf den Tisch. Zu dritt setzten sie sich darum.

Meghan zögerte. Angst ließ ihre Brust kalt werden. Sie schaute zu dem Transmitter, in dem Sichu Dorksteiger entstofflicht war. Ein Stück weiter lag der Leichnam von Botabar ebenfalls entstofflicht in einem anderen Gerät. Plötzlich kam Meghan dieser Umstand wie ein schlechtes Omen vor. Als könnte der tote Datenhirte ihre Patientin anstecken. Ein unwissenschaftlicher Gedanke. Er zeigte Meghan, wie stark die Situation sie belastete.

»Mach schon!«, sagte Zhobotter. Sein ungleiches Gesicht unter dem hohen, spitzen Schädeldach drückte übertriebene Ungeduld aus. Dabei wirkte die immer gleichbleibende Hälfte noch drängender als die alternde.

Kavron nickte ihr auffordernd zu. Ihre roten Augen waren vor neugieriger Erwartung geweitet.

Meghan aktivierte das Analytikum. Ein komplexes Holo voller Werte und Grafiken flammte auf. Sie beugten sich darüber, um die Ergebnisse zu studieren.

2.

Unter Wissenden

 

Terrybor betrachtete unauffällig die vielen Mahnungen zur Demut, die den Raum beherrschten. Eine Ordensdevotionalie reihte sich an die andere. Nullen und Einsen wechselten sich mit vor der Wand schwebenden Zitaten aus den Heiligen Anleitungen ab und beschworen die Bedeutungslosigkeit des Einzelnen vor dem Hintergrund eines Universums, das vor unerschlossenem Wissen überquoll, im Größten wie im Kleinsten. Nichts um Terrybor wies Individualität auf. Wer sich an diesem Ort aufhielt, dem sollten die Leitlinien des Ordens in Fleisch und Blut übergehen. Etwas anderes zählte nicht.

»Warum bist du noch immer an Bord?«, fragte Inathol, die Kommandantin von OBJEKTIV 4774. Sie saß in einem leicht erhöhten Sessel hinter ihrer kargen Arbeitsstation, zu der sie Terrybor zitiert hatte.

Terrybor reagierte mit einem gelassenen Lächeln. »Findest du diese Frage nicht ziemlich undankbar? Immerhin habe ich diese Station zweimal gerettet.«

Die beiden Wyconderinnen starrten einander an. In Inathols Gesicht arbeitete es. Die Gefühle der Obersten wechselten in rascher Folge. Dennoch fiel es Terrybor inzwischen leicht, sie zu deuten: Belustigung, Abwehr, Misstrauen, Ablehnung ...

»Du hast mehrere Leunschiffe vernichtet, die hierher kamen«, bestätigte Inathol. »Dafür bin ich durchaus dankbar. Doch das letzte Schiff, das du zerstört hast, war kein Schiff der Leun, wie wir beide wissen.«

Terrybor hatte dieses Narrativ erfunden. Sie und Inathol hatten vor dem Problem gestanden, Botabars Tod erklären zu müssen. Gleichzeitig war die gewaltige Explosion des fremden, uralten Schiffs von der sensiblen Ortungsphalanx der Station angemessen worden. Also hatte Terrybor sich eine Geschichte ausgedacht, in der er es dem heldenhaften Datenhirten Botabar, einem Orter der Sonderklasse mit einmaligen Fähigkeiten, gelungen war, ein geheimes Leunschiff aufzuspüren. Das Schiff war dank Botabar entdeckt und anschließend zerstört worden – von Terrybor und ihrem Schiff, der RITAKOR. Der talentierte Cheforter Botabar war bei diesem Einsatz tragischerweise ums Leben gekommen.

Die Geschichte lief bisher nur unter vorgehaltener Hand. Inathol hatte nichts Offizielles herausgegeben, womit sie unter ihresgleichen durchkam. Während die Wyconder anarchisch strukturiert waren und Transparenz schätzten, beharrte der altmodische Heilige Orden der Datenkunde auf einem überkommenen Matriarchat. Er klammerte sich an eine toxische Hierarchie, deren oberste Anführerin die Prälatin des Ordens war.

Nach dem Tod der letzten Prälatin setzte Inathol ihre Hoffnung auf diese Position. Es war eine Hoffnung, die Terrybor nährte, um besser mit der Kommandantin zusammenarbeiten zu können. Sie stellte Inathol in Aussicht, sie zu unterstützen.

Ärgerlich war, dass Inathol Terrybor keinen Schritt entgegenkam. Sie behielt die Geheimnisse des Ordens weiter für sich und wich jeder Nachfrage aus. Dabei hatte die Prälatin kurz vor ihrem Tod anklingen lassen, Terrybor wüsste zu wenig, um das Gesamtbild zu verstehen. Wie aber sollte sie dieses Bild erkennen und im Namen aller Wyconder handeln, wenn ihr wichtige Informationen vorenthalten wurden?

Es war die Stationskommandantin Inathol gewesen, die sich an die Prälatin gewandt hatte, ohne Terrybor zu informieren. Deshalb war Terrybor auf diese Station gekommen. Sie hatte gesucht und gefunden, doch das Gefundene ließ Fragen offen.

»Du willst wissen«, sagte Terrybor bedächtig, »warum ich noch hier bin. Kennst du die Antwort nicht?«

»Da hast behauptet, unsere Beziehungen verbessern zu wollen. Den Orden womöglich sogar präsenter im Alltag der Wyconder zu machen, was uns helfen würde, unsere Reihen zu füllen.«

»Ja«, sagte Terrybor leichthin. »Zum Beispiel mit einem Festtag zu Ehren des Geteilten Wissens. Wissen ist schließlich das Einzige, das sich verdoppelt, indem wir es teilen.«

Inathols schwarzes Gesicht versteinerte. »Du hast das Schiff vernichtet, das ich angemessen habe. Damit hast du auch Wissen vernichtet.«