2,49 €
Gut 4000 Jahre in der Zukunft bildet die Erde das Zentrum eines Sternenreiches, das Tausende von Welten umfasst. Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Völkern der Milchstraße und ihren Angehörigen besteht ein freundschaftlicher Austausch. Perry Rhodan hat darüber hinaus eine Vision: Er will die Verbindungen zu anderen Galaxien ausbauen. Das kleine Raumschiff PHOENIX wird als Prototyp eines neuartigen Kurierschiffs entwickelt. Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet Shrell das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – wenn man das Verhängnis nicht stoppen kann, droht beiden Himmelskörpern die Vernichtung. Mit dem PHOENIX und einem kleinen Team beginnt Rhodan seine riskante Mission. In der Agolei erfährt er, dass die negative Superintelligenz LEUN entstehen soll. Die Gruppe um Shrell will sie erzwingen, andere Mächte wollen das verhindern. Es kommt zur ENTSCHEIDUNG AM ZYKLONWALL …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2025
Nr. 3347
Entscheidung am Zyklonwall
Shrell greift nach der Macht – die Terraner stehen vor dem Nichts
Michelle Stern
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Shrell
1. In der Schwebe
2. Im Innersanktum
3. In letzter Sekunde
4. Im Zugzwang
5. In Sprüngen
6. Im Korridor
7. Im Anflug
8. Im Hintergrund
9. Im Verwehen
10. Im freien Fall
11. Im Wycosystem
Epilog: Reginald Bull
Leserkontaktseite
Glossar
Risszeichnung GRAVEN-Hyperrelais
Impressum
Gut 4000 Jahre in der Zukunft bildet die Erde das Zentrum eines Sternenreiches, das Tausende von Welten umfasst. Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Zu den anderen Völkern der Milchstraße und ihren Angehörigen besteht ein freundschaftlicher Austausch.
Perry Rhodan hat darüber hinaus eine Vision: Er will die Verbindungen zu anderen Galaxien ausbauen. Das kleine Raumschiff PHOENIX wird als Prototyp eines neuartigen Kurierschiffs entwickelt.
Doch da taucht eine Fremde namens Shrell auf. Sie fordert von Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er Reginald Bull töten, seinen ältesten Freund. Um diese Forderung zu unterstreichen, zündet Shrell das Brennende Nichts auf der Erde und dem Mond – wenn man das Verhängnis nicht stoppen kann, droht beiden Himmelskörpern die Vernichtung.
Mit dem PHOENIX und einem kleinen Team beginnt Rhodan seine riskante Mission. In der Agolei erfährt er, dass die negative Superintelligenz LEUN entstehen soll. Die Gruppe um Shrell will sie erzwingen, andere Mächte wollen das verhindern. Es kommt zur ENTSCHEIDUNG AM ZYKLONWALL ...
Shrell – Die Wüko steht am Ende ihrer Entwicklung.
Perry Rhodan – Der Terraner will die Vernichtung des Sternwürfels verhindern.
Anzu Gotjian – Die ehemalige Quintarchin soll zum Anker werden.
Gucky
»So wie der Phönix seine Schwingen aus aschgrauer Dunkelheit erhebt, entsteigt jedem Ende ein neuer Anfang.«
Terranisches Sprichwort
Prolog
Shrell
Mein Name ist Thogton'Ta Ym Ta'Shrell MenHada. Ich bin eine Leun, aber ich kann viel mehr sein als das.
Seit LEUN zerbrach, die Superintelligenz, die den Zivilisationen der Agolei den Gleichklang gebracht hatte, habe ich einen Plan. Der Gleichklang muss zurückkehren, und ich werde jene sein, die ihn herstellt.
Um meinen Plan umzusetzen, bediene ich mich der Terraner. Terraner sind simpel gestrickt. Für sie gibt es selten ein großes »Wir«. Es zählen kleine Gruppen und das »Ich«. Der Einzelne ist ihnen wichtig, die Person und die Geschichten, die sie einander über diese Person erzählen. Wie die Geschichten über Perry Rhodan und Reginald Bull.
Was für Personen, die von anderen Terranern verehrt oder gehasst werden!
Ich habe mir ihren Mythos zunutze gemacht, um meinen Plan zu verbergen. Obwohl ich dabei nicht aus freiem Willen gehandelt habe, sondern unter einem Hypnozwang stand, zählt letzten Endes das Ergebnis. Natürlich waren die singulären Milchstraßenvölker dumm genug, zu glauben, dass es mir allein um den großen Perry Rhodan ginge, der seinen besten Freund, Reginald Bull, töten sollte.
Wie gut, dass sie selten in der Tiefe suchen, diese Galaktiker, wie sie sich selbst nennen, als würde es nur eine Galaxis geben – nämlich ihre. Je kleiner ihre Welt ist, desto leichter lassen sie sich manipulieren.
Perry Rhodan soll Reginald Bull töten – das war das Feuerwerk an Aufmerksamkeit, das von dem ablenkte, worum es mir eigentlich ging: dem PHOENIX!
Es ist mir egal, ob Perry Rhodan überlebt oder ob Reginald Bull, der Verräter der Agolei, stirbt. Was scheren mich zwei unbedeutende Leben außerhalb des Gleichklangs? Ich brauche nur PHOENIX! Dieses Schiff – mein Schiff! – musste das Innersanktum des Sternwürfels erreichen. PHOENIX ist die Waffe, die mir zum Sieg verhilft.
1.
In der Schwebe
Gucky schwebte in der Dunkelheit. Der Kampfanzug zeigte ihm auf einem vorgeblendeten Holodisplay, dass im schwerelosen Hangar unter fünfzig Grad Minus herrschten. Als ehemaliger Trampbewohner war Gucky Kälte gewohnt, aber so kalt mochte er es nicht. Er war froh, nicht nur einen dichten Pelz zu haben, sondern auch einen Anzug, der ihn mit Wärme, Luft, Wasser, Helligkeit und Umgebungsdaten versorgte.
Der dünne Strahl, der aus der Lampe an der Unterseite seines linken Arms fiel, war das einzige Licht in diesem Bereich des Robotfrachters.
Um Gucky stapelten sich standardisierte Container, die am Boden und in der Wand eingehakt waren. Der Frachter verfügte über mehrere Materialzonen, zwischen denen der Ilt mithilfe seiner Paragabe hin und her springen konnte. Derzeit war Gucky in der Sektion für wissenschaftliche und technische Ausrüstung. Der Raum zwischen den Containern war eng, und seine Vorräte gingen zur Neige.
Gucky hatte sich auf die Schnelle auf einem Hiesigenschiff ausstaffiert, nachdem er erfahren hatte, wohin Tin gebracht werden sollte: auf die Welt 2 von 6-3-2, wo es eine Kolonie für gefangene Restauraten und Straftäter der Hiesigen gab. Eigentlich hatte er die Zeit der Reise nutzen wollen, um sich zu erholen, doch seine Nase juckte, und die langen Fühlhaare kribbelten, als würden Fliegen darauf tanzen. An Ruhe war nicht zu denken.
Er kam sich beobachtet vor. Obwohl Gucky peinlich genau darauf geachtet hatte, in einen unwichtigen Bereich zu springen, meinte er, die Blicke eines anderen Wesens auf sich zu spüren.
War das Einbildung oder ging sein Plan auf?
Gucky hatte sich spontan entschieden, Tin zu retten. Der Yuit, der sich für ihn eingesetzt hatte, sollte am Ziel seiner Reise zum Tode verurteilt werden. Warum Tin nicht direkt vor Ort auf der GRAVEN-Station hingerichtet worden war, wusste Gucky nicht. Aber es gab ihm die Chance, einzugreifen.
Nervös drehte er sich in dem dunklen Raum. Dank der Augmentierung durch den Anzug erkannte er die Strukturen um sich. Die Container maßen drei auf vier Meter und füllten die Zone nahezu. Sie stapelten sich vom Boden bis zur Decke. Ihr grauer Verbundstoff schimmerte matt, wenn das Licht seiner Lampe es traf.
»Tin finden ...«, murmelte Gucky, »... und dann mit ihm zu den anderen, Shrell aufhalten.« Falls Perry, Bully und Atlan das nicht allein schaffen sollten. Was sie wohl in diesem Moment taten?
Gucky vermisste vor allem Bully schmerzhaft. Er wollte den Freund endlich in die Arme schließen. Da war er den ganzen Weg bis in die möhrenleere Agolei gereist, und nun jagte er Tin nach, anstatt endlich den Dicken zu treffen. Aber Tin war einer der wenigen lebenden Yuit, und er hatte Gucky geholfen. Dabei war er aufgeflogen. Gucky stand in Tins Lebensschuld, so einfach war das. So einfach – und so schwer.
Gucky hatte sich vor zwei Tagen als vermeintlicher Schiffbrüchiger der Gravogischt von einem Hiesigenschiff retten lassen. Dort hatte er dreist behauptet, Tin zu sein. Das hatte die Kommandantin aus der Fassung gebracht. Sie war ohne weitere Nachfrage damit herausgerückt, dass dies unmöglich sei, da sich der Verräter Tin auf einem Raumschiff mit dem Namen MARTU-GOR befände. Auch den Namen der Zielwelt hatte sie rasch preisgegeben.
Die bestehende Waffenruhe hatte Gucky ausgenutzt, um im nächsten Schritt an Bord eines Restauratenraumers zu teleportieren, sobald sie in einem ruhigeren Gebiet waren. Die Militärschiffe beider Parteien lieferten sich seit zwei Tagen ein Wettrennen zum Zyklonwall. Aufgrund der Gravogischt hatten viele ihre Schutzschirme verloren.
Also hatte Gucky Yilad eine Nachricht übermitteln lassen, von einem ziemlich begriffsstutzigen Zha ohne Humor namens Frym. Der vielbeinige Leun mit dem echsenartigen, geschuppten Oberkörper hatte letztlich getan, was Gucky von ihm verlangt hatte. In dem Fall hatte Gucky sich als Coyn ausgegeben, ein delikates Detail, das ihm leidtat. Er wollte Yilads Aufmerksamkeit, selbst um den Preis ihres Zorns.
War die Yuit-Leun ihm gefolgt, wie er es gehofft hatte? Inzwischen musste sie Shrell kennengelernt haben. Das hatte ihr hoffentlich zu denken gegeben.
Sein Magen machte ein Geräusch, das in der Dunkelheit wie das Knurren eines wütenden Monsters klang.
Gucky schwebte nach oben, wo am Rand eines Containers eine kleine Kiste mit seinen Vorräten haftete. Er löste den Magnetverschluss und erwartete, dass ihm eine leunsche Konzentratkugel entgegenschweben würde, die er zusammen mit seiner Ausrüstung aus den Beständen der Sternspitze gestohlen hatte. Doch die Kiste war leer. Statt der schmackhaften Kugel kam ihm in der Schwerelosigkeit ein einzelnes, langes Tasthaar entgegen, das seinen eigenen glich.
Also doch! Er wurde beobachtet! Von der Person, die ihm seine letzte Konzentratkugel gestohlen hatte.
Er knallte die Kiste zu und fuhr herum. »Yilad! Lass die Spielchen! Zeig dich!«
Gespenstische Stille antwortete ihm. Es gab kein Anzeichen dafür, dass die Agentin der Restauraten ihm tatsächlich an Bord gefolgt war. Kam das Haar etwa von ihm? Hatte er die letzte Kugel herausgenommen und es vergessen? Unsinn! Er trug einen Anzug, aus dem nicht einfach Haare herausfielen, und warum sollte er neuerdings unter Vergesslichkeit leiden? Seit er im Mentatron der ELDA-RON gewesen war, hatte er sich erholt. Er konnte seinen Erinnerungen vertrauen. Oder irrte er sich?
Gucky kam es wie eine Ewigkeit vor, seitdem er an Bord des Robotraumers gegangen war. Der Frachter bewegte sich im Schutzbereich eines Gravitationsbrechers, ganz am Ende, hinter drei Passagierschiffen. Die Leun gingen davon aus, dass niemand an Bord war. Immer wieder schlugen die Kräfte der Gravogischt in Andruckspitzen durch. Sie lasteten wie Bleigewichte auf Gucky. Dreimal hatte er bereits die Materialzonen wechseln müssen, um einem quälenden Druck zu entkommen, der dem Anzug zugesetzt hatte. Doch die Verhältnisse waren in den vergangenen Stunden stabil gewesen, und der Anzug schützte ihn vor dem Gröbsten. Das hatte Gucky jedenfalls bisher geglaubt.
Was, wenn die Gravogischt ihm mehr zusetzte, als er gedacht hatte? Vielleicht wirkte sie sich auf seine Psyche aus und machte ihn unkonzentriert. Es gab kein Anzeichen dafür, dass eine andere Person in diesem Hangar war. Egal, wie er die Scans intensivierte: Er schien allein zu sein. Yilad hatte seine Nachricht entweder ignoriert, oder sie reiste auf einem anderen Weg auf Welt 2 von 6-3-2. Vielleicht in einem der Passagierschiffe.
Obwohl Gucky beinahe von diesen Gedanken überzeugt war, versuchte er es ein letztes Mal. »Ich weiß, dass du da bist! Ich kann dich riechen!«
Gucky erstarrte. Genau vor ihm schälte sich aus dem vermeintlichen Nichts der Umriss einer schlanken Yuit-Leun in einem knallroten Kampfanzug. Sie zeigte ihm ihren Nagezahn. Ihre Tasthaare waren gesträubt. Die Hände hatte sie lässig in die Hüften gestützt, neben einer Reihe von befestigten Spezialinstrumenten, darunter einem Signalgeber. Dicht daneben steckte in einer Halterung ein Strahler.
»Hallo, Gucky! Ich dachte schon, du kapierst es nie.«
Gucky unterdrückte den Impuls, zurückzuweichen. Er war der Retter des Universums! Sein Weg ging bestenfalls nach vorne. »Hallo, Yilad. Du hättest dich auch weniger dramatisch bemerkbar machen können.«
»Heißt es nicht, wir Yuit mögen das Spielen? Na ja. Davon verstehst du wenig. Du bist ein ...«
»... Verlorener«, fiel ihr Gucky ins Wort. »Vom verlorenen Zweig deines großartigen Volkes. Du wirst nie müde, es zu erwähnen. Solltest du nicht bei Shrell sein? Der Fanatikerin, der du beim Ausbruch geholfen hast, damit sie alles Leben im Sternwürfel vernichten kann? Rote Augen, mieser Humor, irre? Du erinnerst dich?«
»Sehr lustig. Immerhin warst du es, der mir eine Nachricht geschickt hat. Ich zitiere: ›Du hast einen Fehler begangen. Shrell wird diesen Kampf verlieren. Ich habe Informationen über weitere Schattenhände. Komm zu mir.‹ Um das gleich klarzustellen: Ich glaube dir kein Wort. Du hast keine Informationen über weitere Schattenhände. Das ist ein Bluff.«
»Und warum bist dann gekommen?«
»Weil ich weiß, was du vorhast. Ich möchte sichergehen, dass Tin sein gerechtes Urteil erhält, und zwar, bevor Shrell LEUN restauriert.«
Aus Yilads Stimme klang Hass. Sie hatte mitansehen müssen, wie Tin ihren Geliebten Coyn mit einem Strahler erschossen hatte. Gucky war mit ihr dort gewesen. Er hatte den Hass ebenfalls gefühlt. Was Tin getan hatte, war unverzeihlich. Der Elitesoldat hatte einen Yuit-Leun ermordet. Und doch war Tin kein Feind wie Shrell. Aus seiner Sicht war sein Tun gerechtfertigt. Er hatte eine Chance ergriffen, zu überleben, und als Soldat der Sternspitze einen Befehl befolgt. Für Tin war Coyn der Feind gewesen, ein Restaurat, und Admiralin Foersh eine Vorgesetzte, die Tins Tod angeordnet hatte.
Illustration: Dominic Beyeler
Gucky suchte in Yilads versteinertem Gesicht. Er fand darin keine Regung. Es gab nichts, an das er mit Worten hätte anknüpfen können, also sagte er das Erste, das ihm in den Sinn kam. »Und weil ich Tin helfen möchte, hast du dich an mich gehängt?«
»Ich habe mich an dich gehängt, um dich umzustimmen. Du hast Coyn gekannt, warst mit ihm im Einsatz. Er war dein Kamerad. Hilf mir, Tin zur Strecke zu bringen! Er muss sterben, ehe der Gleichklang beginnt.«
Ein Ruck ging durch Gucky, der auch durch Yilad fuhr. Sie schwebten beide zur Seite, verließen die Zone erhöhter Schwerkraft im Ausläufer der Schutzzone des Gravitationsbrechers. Nun kam sich Gucky plötzlich leicht vor.
Er dachte daran, wie er Coyn vor der entarteten Gravogischt gerettet hatte, die den Sternwürfel destabilisierte. Vor Tin jedoch hatte er Coyn nicht retten können. »Wir sind alle Ilts. Oder meinetwegen Yuit. Und wir sterben aus. Denkst du nicht, es gibt zu wenige von uns, als dass wir einander jagen und töten sollten?«
»Shrell bringt den Gleichklang zurück, um uns zu bewahren. Tin hat es nicht verdient, in LEUN aufzugehen!«
»Wie hast du mich überhaupt so schnell gefunden?«
»Der Robotraumer ist das einzige Schiff, das derzeit nach 2 von 6-3-2 will. Ich bin schon eine ganze Weile an Bord.«
»Und warum hast du bis jetzt gewartet, dich zu zeigen?«
Yilad schwieg. In ihren großen, dunklen Augen erkannte Gucky Schmerz. Vielleicht hatte sie nach dem letzten, anstrengenden Einsatz am Zyklonwall Zeit für sich gebraucht. Ruhe, Schlaf. Vielleicht war es auch tatsächlich ein Spiel für sie, oder sie hatte überlegt, sich gar nicht zu zeigen und stattdessen zu versuchen, ihn umzubringen. Die Möglichkeiten waren zahlreich, und keine gefiel Gucky sonderlich.
Yilad war eine Feindin. Sie war eine Verbündete Shrells und wollte im Gleichklang aufgehen. Für sie bedeutete das, die Yuit für die Ewigkeit zu bewahren. Schließlich waren es die Yuit gewesen, die LEUN ursprünglich erschaffen hatten. Das jedenfalls hatte Yilad behauptet, und Gucky glaubte ihr.
Yilads Augen wirkten riesig. »Tin hat den Tod verdient. Hilf mir!«
»Nein! Nicht dabei. Du weißt, wie selten Yuit sind!«
»Wie du willst!« Yilad ließ die Faust in einer geübten Bryn-Dorsh-Bewegung nach vorn schnellen. Ihr Arm schien sich in eine knochenlose Schlange zu verwandeln, die zubeißen wollte.
Gucky hatte mit einem Angriff gerechnet. Ehe die heranrasende Energiefessel in Yilads Hand ihn erreichte, war er teleportiert – und knallte schmerzhaft in einen Schutzschirm!
Fluchend fand er sich in der Dunkelheit wieder, rechts von Yilad. Warum hatte der dämliche Anzug ihm verschwiegen, dass ein schwacher Schutzschirm um sie geschaltet war?
»Überraschung«, sagte Yilad trocken. »Ich kenne mich mit der Technik der Leun ein bisschen besser aus als du. Vor allem mit deinem Anzug. Ich konnte ihn zwar nicht komplett übernehmen, aber wenigstens täuschen.«
Das also hatte Yilad in den vergangenen Stunden getan: seine Ausrüstung übernommen. Ganz abgesehen davon, dass sie sich an seinen Vorräten bedient hatte.
Gucky stöhnte und blinzelte. Er zwang sich trotz der Schmerzen, in eine aufrechte Position zu kommen. »Hat Shrell dich geschickt, um mich zu töten?«
»Du überschätzt deine Wichtigkeit, Verlorener. Shrell ist auf dem Weg zum Sieg.«
»Sie wird scheitern! Meine Freunde werden den Gleichklang verhindern!«
»Du klingst wie das naive, jammernde Yuitkind, das ich mir sehnsüchtig gewünscht habe. Aber leider haben deine Freunde mir diese Zukunft geraubt. Dein Reginald Bull hat sich für einen fremden Außenseiter entschieden, statt für mich. Ihr habt mir die Unsterblichkeit gestohlen! Coyn und ich hätten vielleicht eine Lösung gefunden, die Yuit zu retten. Wir hätten dafür sorgen können, unser Volk zu stärken, falls Shrell den Gleichklang nicht restaurieren kann. Womöglich wäre ich dann sogar zu den Hiesigen übergelaufen, um mit meinen Kindern im Sternwürfel zu leben. Aber Coyn ist tot! Mit ihm ist meine Zukunft gestorben. Du schuldest mir deine Hilfe.«
»Durch Rache änderst du gar nichts.«
Yilad fuhr zu Gucky herum und warf erneut die Energiefessel nach ihm. Mit einem winzigen, wohldosierten Sprung innerhalb des Schutzschirms entkam Gucky dem Zugriff. Er versuchte einen eigenen, körpernahen Schirm zu aktivieren, doch der Anzug meldete einen Fehler.
Yilad schoss wie eine Kanonenkugel vor, warf sich gegen ihn und rammte ihn in die Innenseite des Schutzschirms. Die Energiefessel fand sein rechtes Handgelenk.
Nahezu im gleichen Moment spürte Gucky eine seltsame Leichtigkeit, die ihn ergriff. Verblüfft starrte er auf seinen Arm. Er wurde durchscheinend. Hinter ihm erkannte Gucky die gewebten Bodenrillen im schmalen Gang zwischen den gestapelten Containern.
Yilad hielt inne. Sie riss die Augen auf. Ihre dunkle Nase zuckte. »Es beginnt!«
Gucky wollte fragen, was sie meinte, als er es begriff: der Gleichklang! Natürlich! Er zog die durchscheinende Hand aus der Energiefessel, als hätte er sich verbrannt. Shrell! Sie war im Begriff, den Gleichklang herzustellen! Das bedeutete, dass alle Lebewesen im Sternwürfel entstofflicht wurden. Sie würden in LEUN aufgehen. Er war dabei, ins Brennende Nichts geholt zu werden, obwohl er es gar nicht berührte. Wie hatte Shrell das geschafft?
Gleichzeitig schlug die Gravogischt unbarmherzig zu. Grelle Lichter flackerten im Hangar auf. Offenbar war das ein Alarm. Der Raumer musste das sichere »Fahrwasser« des Gravobrechers verlassen haben. Es driftete aus der Schutzzone.
Es knirschte und knackte. Mehrere Greifklammern brachen, und ein Dutzend Container machte sich selbstständig. Die schweren Behälter krachten, von einer unsichtbaren Kraft gepackt, gegen die Decke. Einer fuhr haarscharf an Gucky vorbei.
In Guckys Kopf ertönte Shrells befehlsgewohnte Stimme: Kommt! Kommt zu mir!
Ein Reißen ging durch ihn. Er meinte, zerteilt zu werden. Mit aller Kraft wich er mental zurück. Der Wunsch war so stark, dass er es sogar körperlich tat und von Yilad fortschwebte. Sie dagegen glitt nach vorn. Sie wollte Shrell folgen, wie viele andere, die in diesem Moment von Shrell gerufen wurden.
»Es ist zu spät!«, behauptete Yilad. »Shrell schenkt uns den Gleichklang. Endlich erfüllt der Sternwürfel seinen wahren Zweck!«
Gucky hörte ein raues, mentales Gelächter. Er hörte Shrell in seinen Gedanken. Ihre tiefe Stimme donnerte wie das Meer, das sich an Felsen brach. Macht euch bereit und frohlockt! Der Gleichklang naht!
»Nein!« Gucky kämpfte sich zu Yilad vor und griff nach ihr, doch seine durchsichtige Hand fuhr durch ihren transparenten Arm.
Kommt!, lockte Shrell. Kommt in den Gleichklang! Werdet zu mehr! Folgt dem Ruf der Ewigkeit!
Entsetzen schüttelte Gucky. Es war zu spät. Shrell war am Ziel ihrer Wünsche. Sie hatte ihren Willen durchgesetzt.
Es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
2.
Im Innersanktum
»Du wirst scheitern!«, höhnte Shrells Holo im Innersanktum. »Du warst mein Werkzeug, eine geistlose Puppe, die mich auf dem Weg zum Ziel unterhalten hat!«
