Perry Rhodan-Extra: Das Stardust-Attentat - Frank Borsch - E-Book

Perry Rhodan-Extra: Das Stardust-Attentat E-Book

Frank Borsch

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Beschreibung

Seit drei Jahren kämpfen die Terraner bereits gegen ihren bisher mächtigsten Feind - die Terminale Kolonne TRAITOR, die von den Mächten des Chaos aufgestellt wurde. So groß ist die von TRAITOR ausgehende Gefahr, dass die Superintelligenz ES den Bewohnern des Solsystems ein ganz besonderes Angebot macht: die Evakuierung der Menschheit in die "Fernen Stätten", ein ihnen bislang unbekannter Teil der Mächtigkeitsballung von ES. Über achthundert Millionen Menschen folgen dem Rat der Superintelligenz und fliehen vor TRAITOR ins Stardust-System, wo ihnen mehrere Planeten eine neue Heimstatt bieten sollen; die genaue Lage kennen sie nicht, lediglich den Namen des das System umgebenden Sternhaufens: Far Away. Und sie wissen, dass es ihnen unmöglich sein wird, Kontakt mit Terra zu halten. Das Stardust-System bietet viele Geheimnisse: Weltraumwesen, die Hyperkristalle liefern, die fischmenschlichen Indochimi, in der Gegenwart gestrandete Zeitreisende aus dem Volk der Rokinger, wandernde Städte, verbotene Zonen und ein neues "Galaktisches Rätsel", das demjenigen, der es löst, zwei Unsterblichkeit verheißende Zellaktivatoren in Aussicht stellt. Doch ehe die Stardust-Menschheit sich richtig einleben und die neuen Wunder genießen kann, geschieht DAS STARDUST-ATTENTAT ... Ergänzungen grafischer Natur liefert wieder Swen Papenbrock: Der PERRY RHODAN-Titelbildkünstler präsentiert auf acht Farbseiten seine Sicht der neuen Welten. Die amphibischen Ureinwohner der Wasserwelt Zyx, humanoide Hünen vom Planeten Katarakt und die Hauptstadt Stardust City.

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EXTRA

Das Stardust-Attentat

804 Millionen Menschen wollen eine neue Welt aufbauen – doch ein blutiges Attentat erschüttert ihre neue Heimat

von Frank Borsch

Cover

Vorspann

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

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Impressum

Seit drei Jahren kämpfen die Terraner bereits gegen ihren bisher mächtigsten Feind – die Terminale Kolonne TRAITOR, die von den Mächten des Chaos aufgestellt wurde. So groß ist die von TRAITOR ausgehende Gefahr, dass die Superintelligenz ES den Bewohnern des Solsystems ein ganz besonderes Angebot macht: die Evakuierung der Menschheit in die »Fernen Stätten«, einen ihnen bislang unbekannten Teil der Mächtigkeitsballung von ES.

Über achthundert Millionen Menschen folgen dem Rat der Superintelligenz und fliehen vor TRAITOR ins Stardust-System, wo ihnen mehrere Planeten eine neue Heimstatt bieten sollen; die genaue Lage kennen sie nicht, lediglich den Namen des das System umgebenden Sternhaufens: Far Away. Und sie wissen, dass es ihnen unmöglich sein wird, Kontakt mit Terra zu halten.

Das Stardust-System bietet viele Geheimnisse: Weltraumwesen, die Hyperkristalle liefern, die fischmenschlichen Indochimi, in der Gegenwart gestrandete Zeitreisende aus dem Volk der Rokinger, wandernde Städte, verbotene Zonen und ein neues »Galaktisches Rätsel«, das demjenigen, der es löst, zwei Unsterblichkeit verheißende Zellaktivatoren in Aussicht stellt. Doch ehe die Stardust-Menschheit sich richtig einleben und die neuen Wunder genießen kann, geschieht DAS STARDUST-ATTENTAT ...

13. November 1346 NGZ

Die Teletrans-Weiche ist erloschen.

Es gibt kein Zurück mehr. Weder für mich noch für die anderen Millionen.

Ich gehe nach draußen und sehe hinauf in den Himmel von Zyx. Die Nacht ist warm, wie es sich für das Paradies gehört. Durch die Zweige sehe ich die Sterne von Far Away. Sie sind fremd. Sie sind jetzt meine Heimat.

Ich rauche eine letzte Zigarette.

Dann gehe ich nach drinnen und hole den Strahler. Ich richte ihn auf die Zigarettenschachtel, anschließend auf das Trivideogerät, das Kommunikatonsmodul des Gleiters, die Containerpositroniken.

Nacheinander gehen sie in Flammen auf.

Ich sehe in die Feuer, atme den beißenden Rauch und bin glücklich.

Das hier ist das Paradies.

Mein Paradies.

PS: Ein Gemüsebeet angelegt.

1.

10. Mai 1347 NGZ

»Da ist sie!«

Sharud erblickte die Stadt als Erster. Der junge Rokinger mit den scharfen Augen war an der Bordwand der NEW GOOD HOPE hinaufgeklettert, klammerte sich an Leitungsbündel, die entlang der stählernen Wandung verliefen, und streckte den Kopf den warmen Winden Avedas entgegen. Die Prallfeldkuppel des SKARABÄUS war abgeschaltet, seine Dachfläche glich einem offenen Boot.

Ein Aufschrei der Besatzung antwortete dem Ausruf des Rokingers, und wie ein Mann stürmten die acht Männer und Frauen zu Sharud. Wäre nicht die Positronik gewesen, die NEW GOOD HOPE hätte sich unter der plötzlichen Gewichtsverlagerung zur Seite gelegt.

Doch Timber F. Whistler jr., Eigner des SKARABÄUS-Raumschiffs und vormals einer der reichsten Männer des Solsystems, nun, seit einigen Monaten reichster Mann von Stardust, nahm seiner Mannschaft die Disziplinlosigkeit nicht übel – im Gegenteil: Er nahm an ihr teil.

Whistler folgte den Männern und Frauen, die längst seine Kameraden geworden waren, und drängte sich zwischen sie. Seine tastenden Hände fanden ein starkes Kabelbündel, und er zog sich hoch. Vergeblich. Seine Sohlen fanden keinen Halt, er rutschte ab ...

... und plötzlich griff eine kräftige, übermenschlich große Hand nach ihm. Zwei Finger drangen unter seine linke Achsel, zwei weitere schlossen sich um seine Schulter. Ein Ruck, und Whistler fand sich in Augenhöhe mit Sharud wieder. Das lange Gesicht des Rokingers war gerötet vor Aufregung und Hitze und zeigte ein zutiefst verwegenes Lächeln, das sich der Junge in den letzten Wochen bei der Crew der NEW GOOD HOPE abgeschaut hatte.

»Komm, das musst du sehen!«, rief Sharud und warf den Kopf herum, um Whistler die Richtung zu zeigen.

Und dann sah Whistler die Stadt. Sie schälte sich langsam aus dem morgendlichen Dunst des Ashawar-Deltas, während die Positronik den SKARABÄUS in einem weiten Bogen an der Stadt entlangführte, als fühle der seelenlose Computer, nach welchem Anblick die Seelen der Menschen dürsteten.

Stardust City.

Whistler erkannte die Stadt kaum wieder. Vier Wochen lang war er mit seinen Kameraden auf Kristalljagd gewesen, hatten sie zwischen den Bahnen der beiden innersten Planeten des Stardust-Systems gekreuzt. Als lebende Köder hatten sie Howanetze angelockt, Energiewesen, die ein Boot wie die NEW GOOD HOPE innerhalb von Augenblicken zu vernichten mochten.

Zu vernichten – oder seine mutige Besatzung reich zu machen. Die Energiewesen schieden Hyperkristalle aus, die Grundlage jeder fortgeschrittenen Technik der Stardust-Menschheit, die Grundlage ihres Überlebens insgesamt, auf sich allein gestellt im Sternhaufen Far Away.

Whistler und seine Kameraden hatten sich als flinker und klüger als die Howanetze erwiesen. Sie kehrten mit einer Ladung von Hyperkristallen zurück, die jeden freien Fleck innerhalb der NEW GOOD HOPE ausfüllte, und mit wertvollen Erfahrungen, die der Stardust-Menschheit den Verlust vieler Leben ersparen und zahllose Möglichkeiten eröffnen sollten. Die Hyperkristalle und nicht der Fels, der unter der Humusschicht verborgen war, stellten das eigentliche Fundament der wundersamen Stadt dar, die sich zu ihren Füßen erstreckte.

Stardust City war gewachsen in den vergangenen Wochen. Nein, das war nicht der passende Ausdruck: Sie war förmlich explodiert. Wo sich vor kurzer Zeit noch Grasland und Wälder befunden hatten, fanden sich jetzt lange Reihen von Wohncontainern wieder. Sie waren entlang der Straßen aufgereiht, die kilometerweit aus der Stadt reichten und sich verästelten, als wollten sie das Delta des Ashawar nachahmen oder sogar übertreffen. Sie waren die Linien, an denen entlang die Stadt wachsen würde, Zufallsprodukte für das menschliche Auge, aber tatsächlich sorgfältig geplant und den Gegebenheiten des Geländes angepasst.

Whistler mutete es an, als wäre er jahrelang auf Fahrt gewesen. Nicht zu Unrecht: Hier, im Stardust-System, begann die Geschichte der Menschheit von Neuem – in einem stürmischen Tempo, in dem einige Wochen einem ganzen Zeitalter entsprachen.

Die NEW GOOD HOPE schwenkte herum, nahm in diesem Augenblick Kurs auf das Stadtzentrum.

Sharud keuchte. »Sieh nur die Türme!«, brüllte er. Seine Worte waren so laut, dass sie Whistler in den Ohren schmerzten. »Sind sie nicht ...« Dem jungen Rokinger fehlten die Worte.

... unglaublich!, führte Whistler den Satz in Gedanken zu Ende.

Stardust City war in die Höhe gewachsen. Unterhalb des Plateaus, auf dem Whistler eigenhändig vor Monaten den Mast mit der Flagge der Liga Freier Terraner in den Boden gerammt und diese gehisst hatte, zu Füßen der Stardust-Felsnadel, war ein Meer von Türmen entstanden. Sie ähnelten der Felsnadel, von der die Stadt ihren Namen hatte. Die Häuser glichen Raketen. Ihre Dächer mündeten in schlanke, nadelgleiche Spitzen. Aus den Seiten ihrer Rümpfe ragten Deltaflügel, ihre Fundamente waren breit und rund.

Whistler wurde an eine Flotte von Schiffen erinnert, bereit dazu, im nächsten Augenblick die Fesseln des Planeten abzuschütteln und in das Unbekannte aufzubrechen, in das Abenteuer.

Sein Herz schlug schneller, als die NEW GOOD HOPE in den Landeanflug ging. Inmitten der Raketenhäuser war ein freier Fleck geblieben. Auf den ersten Blick erschien er als eine Brache, ein vergessener Ort, an dem sich die Baumeister dieser Stadt all dessen entledigt hatten, was sie für ihre himmelstürmenden Pläne nicht hatten gebrauchen können. Ein Sammelsurium von schmutzigen und in der Sonne längst ausgebleichten Containern breitete sich über das Gelände aus.

Diese Container bildeten das Hauptquartier der Whistler-Stardust & Co., der mächtigsten und einflussreichsten Firma der Stardust-Menschheit, und ihre jämmerliche Erscheinung betrübte ihren Eigner nicht im Geringsten. Sie hatte auf seine ausdrückliche Anordnung Bestand. Whistler sah sich selbst als Pionier – und Pioniere verschwendeten ihre Zeit und Energie nicht auf Äußerlichkeiten, ganz gleich, wie sehr ihm der Anblick der aufblühenden Stadt imponieren mochte.

»Was ist da los?«, riss ihn Sharud aus den Gedanken. Der junge Rokinger war noch höher geklettert. Er hatte den langen Oberkörper über die Bordwand gestreckt, die er und Blaine Fishbaugh stets »Reling« nannten, und sah senkrecht nach unten. Ein Mensch hätte an seiner Stelle längst das Gleichgewicht verloren, aber der starke Rokinger hielt sein Gewicht mühelos.

»Was soll da los sein?«, entgegnete Whistler. Der Tonfall des Rokingers riss ihn aus seiner freudigen Erwartung. Whistler zog sich hoch, folgte dem Beispiel seines Freundes, wenn auch vorsichtiger. Er war nur ein Mensch.

Whistler sah nach unten. Man erwartete sie. Tausende erwarteten sie. Die Landefläche unter ihnen war mit Menschen übersät. Dicht an dicht standen sie, sahen der landenden NEW GOOD HOPE entgegen und ...

Vom Rand der Menschenmenge löste sich fauchend ein Strahl aus grellem Licht und Rauch. Er kam direkt auf das Kleinraumschiff zu – und verfehlte es.

Knisternd entstand der HÜ-Schirm des Raumers, stabilisierte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils und bildete eine nahezu undurchdringliche Barriere aus Energie um die NEW GOOD HOPE. Mit einem Ruck drehte der SKARABÄUS ab, von der Positronik aus dem Gefahrenbereich gebracht.

Mit ganzer Kraft an die Bordwand geklammert, verfolgte Whistler, wie dem ersten Strahl, der in den Himmel schoss, ein Dutzend weitere folgten. Es waren Raketen, ungefähr so groß wie ein Mensch. Sie ritten auf Feuerstrahlen an dem Kleinraumschiff vorbei und explodierten über den Köpfen der Crew am Himmel. In gleißender Helligkeit, die spielend diejenige der Sonne ausstach, explodierten sie und schrieben riesige Buchstaben in den Morgenhimmel.

»Ein herzliches Willkommen unserem zukünftigen Administrator!«

Verblüfft las die Crew der NEW GOOD HOPE die Botschaft, verarbeitete sie – und brach ebenfalls in Jubel aus.

Whistler, hin- und hergerissen zwischen Fassungslosigkeit und Empörung über diesen Unfug, schüttelte den Kopf und flüsterte der Positronik zu: »Landen! So schnell wie möglich!«

*

Sharud ließ es sich nicht nehmen, die NEW GOOD HOPE eigenhändig hinunterzubringen. Mit einem wilden Aufschrei, so freudig, als hätte Whistler ihm befohlen, in dieser Nacht in der Kältekammer des Raumers zu übernachten, machte er sich von der Reling los. Mit ein paar großen Sprüngen war er im Kommandomodul der NEW GOOD HOPE und nahm der Positronik die Steuerung ab.

Whistler ließ ihn machen. Es hatte wenig Zweck, mit seinem jungen Freund zu diskutieren, hatte er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt. Und Technik hatte es dem Rokinger angetan. Aufgewachsen in einer – künstlich in diesem Zustand gehaltenen – Primitivgesellschaft, war Sharud eine unerschöpfliche Freude an allem Technischem zu eigen.

Gab es einen Knopf zu drücken, drückte ihn Sharud. Gab es ein Gerät, das man auseinandernehmen konnte, nahm es Sharud auseinander und versuchte es wieder zusammenzubauen. Und gab es die Gelegenheit, ein Raumschiff zu steuern, nahm es der Rokinger in die Hand.

Zuerst geschah nichts. Die NEW GOOD HOPE schwebte über der Menschenmenge, während über ihnen die glühenden Buchstaben der Willkommens-Botschaft ausbrannten. Dann, am Himmel stand nur noch ein einsames »Administrator!«, ging es los.

Das Kleinraumschiff sackte durch.

Geistesgegenwärtig klammerte sich Whistler an die Bordwand. Neben ihm fluchte Yulanda Tatis, die Kommandantin der NEW GOOD HOPE, als sie gegen den Stahl knallte und sich eine blutende Nase einhandelte.

Rasend schnell fielen sie dem Boden entgegen. Whistler blickte in Tausende weit aufgerissene Augen, in Tausende offene Münder, und er glaubte über das Brausen des Fahrtwinds hinweg tausendfache Rufe der Überraschung und des Entsetzens zu hören.

Als er schon das Weiße in den Augen der Menschen sah, kam plötzlich Bewegung in die Menge. Wie die Glieder eines einzigen Körpers stoben die Menschen nach allen Seiten davon. Eine freie Fläche entstand ...

... und Sharud setzte die NEW GOOD HOPE zentimetergenau in ihrer Mitte auf. Ein einziger, glühend heißer Schubstoß der Antigravtriebwerke genügte, um die Fahrt aufzuzehren. Das Kleinraumschiff setzte mit einem kaum merklichen Ruck auf.

Stille lag über dem Platz, untermalt nur von einem fernen Grollen, dem Echo der tosenden Impulstriebwerke, zurückgeworfen und verfremdet vom Labyrinth der Raketenhäuser. Die Menschen verharrten in der Bewegung, die Rücken der NEW GOOD HOPE zugewandt, zusammengekauert oder nach vorne gebeugt, die Arme um die Köpfe geschlungen, um sich vor dem heißen Sturm zu schützen, den die Impulstriebwerke entfacht hatten.

Ein Teil von Timber F. Whistler hätte in diesem Augenblick alles dafür gegeben, dem Planeten und seinen Menschen, der Zivilisation von Stardust den Rücken zu kehren, sich wieder in das Abenteuer zu stürzen.

Doch ein anderer Teil hielt ihn zurück. Auch wenn ihm die Aufmerksamkeit, ja die Verehrung der Menschen unangenehm war, musste er sich eingestehen, dass sie nicht aus der Luft gegriffen war. Er hatte die Stardust-Menschheit quasi erschaffen. Er war mutig vorangegangen. Und er würde es auch jetzt tun. Er ließ sich an der Bordwand hinabgleiten.

»Aussteigen!«, rief er seinen Kameraden zu, die sich auf dem Deck des Raumschiffs versammelt hatten.

Yulanda machte den Anfang. Sie zog sich an einem Kabelbündel hoch, ließ sich über die Reling kippen und fiel. Die übrigen Männer und Frauen folgten. Den Abschluss machte Blaine Fishbaugh, der Orter und Funker. Er winkte dem Rokinger, der aus dem Kommandomodul zurückgekehrt war, lässig zu, dann war er über die Reling verschwunden.

Blaine und Sharud verband eine Freundschaft, die über die Kameraderie der übrigen Crew hinausging. Blaine war ein geborener Geschichtenerzähler – und Sharud, der sein kurzes Leben in einer engen, primitiven Stammesgemeinschaft auf dem kalten Planeten Katarakt verbracht hatte, der perfekte Zuhörer. Die Bereitschaft des Rokingers, dem Funker zu lauschen, schien unerschöpflich, ebenso wie der Vorrat an Geschichten, die Blaine zu erzählen wusste.

Sharud spann sie weiter – wie etwa die Geschichten von den Wikingern. Die Vorstellung von starken Männern, die in der Kälte hausten und nur auf ihren Mut und ihre schnellen Boote gestützt hinaus in die Welt fuhren, entzückte den Rokinger. Er versuchte ihnen nachzueifern, und es war seine Idee gewesen, die NEW GOOD HOPE mit ausgeschaltetem Prallschirm in den Landeanflug auf Stardust City zu bringen. Keine üble Idee, wie sich herausgestellt hatte, sogar eine hervorragende, wie Whistler fand, der immer noch den warmen Fahrtwind in den Haaren zu spüren glaubte.

Doch gelegentlich musste man den jungen Rokinger bremsen. Whistler legte Sharud eine Hand auf den Arm, bevor er sich über die Reling wuchten konnte.

»Sharud«, sagte er. »Beherrsch dich, ja?«

»Natürlich«, kam die Antwort. »Was denkst du von mir?« Dann machte sich Sharud los.

Whistler folgte ihm. Er zog sich an der Bordwand hoch, brachte den Oberkörper über die Reling und ließ sich nach vorne kippen. Die Positronik fing ihn mit einem Traktorstrahl auf und setzte ihn beinahe zwanzig Meter tiefer sicher auf dem Boden ab.

Die Crew der NEW GOOD HOPE bildete einen schützenden Kreis um Whistler. »Los!«, befahl er. »Noch sind die Leute benommen.«

Sie setzten sich in Bewegung, dem Container entgegen, der Whistlers Büro beherbergte. Es war eine Strecke von knapp hundert Metern – ihnen versperrt von mehreren tausend Leibern.

Anfangs kamen sie mühelos voran. Sharud machte die Spitze. Sanft, aber nachdrücklich schob der riesenhafte Rokinger die Menschen zur Seite. Sie ließen es mit sich geschehen, der vermeintliche Absturz der NEW GOOD HOPE hatte sie zu sehr geschockt.

Aber dann, Whistler und seine Crew hatten vielleicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt, verblasste der Schock.

»Whistler!«, rief ein Mann aus der Menge. »Wann gibst du deine Kandidatur offiziell bekannt?«

Whistler reagierte nicht.

»Whistler!«, brüllte eine Frau. »Wieso beteiligst du dich nicht am Wahlkampf?«

»Whistler!«, brüllte eine weitere Stimme. »Sprich zu uns!«

Yulanda, die sich ein Tuch vor die blutige Nase hielt, warf ihm einen fragenden Blick zu. Er schüttelte den Kopf.

Sie arbeiteten sich weiter durch die Menge. Die einzelnen Fragen gingen in ein vielstimmiges Gebrüll über. Whistler konnte nur noch Fetzen heraushören. Egal. Sollten sie sich einen anderen suchen, um ihn zu verehren. Es kümmerte ihn nicht.

Im Gegensatz zu Sharud.

Der junge Rokinger liebte Geschichten, doch Gerede und Menschenmengen konnte er nicht ausstehen. Whistler verfolgte, wie die Bewegungen Sharuds mit jedem Schritt fahriger wurden, wie der Rokinger sich zu beherrschen versuchte.

Es gelang ihm – bis jemand den Fehler machte, sich ihm in den Weg zu stellen.

Ein einzelner Mann, das Logo auf seiner Brust wies ihn als Reporter einer Trivid-Station aus, wollte nicht weichen.

»Timber!«, rief der Mann. »Die Stardust-Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Pläne du ...«

Weiter kam er nicht.

Sharud blieb vor dem Mann stehen.

Er war der größte und schwerste Angehörige der Crew der NEW GOOD HOPE – und der furchterregendste. Whistler war manchmal an einen irdischen Gorilla erinnert. Nur dass der junge Rokinger perfekt gerade stand, kein einziges Haar am Körper hatte, mit seinen über zwei Metern Größe jeden Gorilla überragte, noch weiter wachsen würde und er lauter brüllte.

Viel lauter.

Sharud stieß einen Schrei aus. Es war, als hätte er den Mann vor ihm mit seinen Schaufelhänden geschlagen. Der Mann kippte nach hinten weg, blieb einen Augenblick wie gelähmt liegen, dann sah er zu, dass er dem Ungeheuer entkam, und kroch davon. Eine Schneise in der Menge öffnete sich vor Whistler und seinen Kameraden.

»Weiter!«, befahl Whistler, der ihre Chance erkannt hatte, unbehelligt bis zum Büro zu gelangen.

Sie rannten los. Niemand wagte es mehr, sich ihnen entgegenzustellen, bis auf einen Roboter, der sich unmittelbar vor der Tür zu Whistlers Büro aufgebaut hatte.

»Whistler!«, rief er. »Bist du für eine starke Stardust-Menschheit?«