PERRY RHODAN-Storys: Bestellter Tod - Michelle Stern - E-Book

PERRY RHODAN-Storys: Bestellter Tod E-Book

Michelle Stern

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Beschreibung

Was passiert in der Zeit, bevor die Cairanische Epoche anbricht? Wie verändert sich die Milchstraße, was geschieht mit ihren Bewohnern? Sechs Kurzromane, sechs Schauplätze, sechs Hauptpersonen: Die verlorenen Jahrhunderte werden in diesen Texten zum Leben erweckt. An der Seite von Atlan erlebte Fitzgerald Klem unglaubliche Abenteuer. Der junge Mann vom fernen Planeten Cessair reiste in die Milchstraße und war mit dabei, als die Geheimnisse um die Gemen gelöst wurden. Danach kehrte er in die Heimat zurück, zu seinem Volk, den Menes. Nun ist er am Ende eines langen Lebens angekommen, mit einem guten Gefühl kann er darauf zurückblicken. Doch wer soll zum Erben seiner Dynastie werden, wer eine Tradition in die Zukunft führen? Als ein Geheimbund zuschlägt, muss Klem sich für künftige Generationen entscheiden … Was es für einen Menschen bedeuten kann, besonders lang zu leben, ist ein wichtiges Thema in der Science Fiction – so auch in Michelle Sterns Kurzroman: Science Fiction mit einem Hauch von Melancholie und viel Humanismus …

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Bestellter Tod

von Michelle Stern

Cover

1.

2.

3.

4.

5.

Die verlorenen Jahrhunderte im Überblick

Impressum

Was du suchst, wirst du nicht finden, denn als die Götter den Menschen erschufen, behielten sie die Unsterblichkeit für sich.

Sumerisch

1.

Er war unermesslich reich und dennoch der ärmste Mann auf ganz Cessair. Fitzgerald Klem musste die Augen nicht schließen, um das Familiengrab vor sich zu sehen, in dem seine Großmutter Skadi Klem begraben lag – und nicht nur sie.

Über dreihundert Jahre lebte Klem nun schon – dank des Amuletts, das seine Familie vor ewigen Zeiten von einem Boten der Superintelligenz ES erhalten hatte. Der eisgraue Anhänger aus gefrorener Eiris baumelte unter dem Hemd auf seiner Brust. Er fühlte sich kalt auf der Haut an, wie etwas, das aus der Einsamkeit des Alls geborgen worden war, sich auf einem Planeten jedoch nicht heimisch fühlte. In diesem Augenblick schien er mehr zu wiegen als sonst. Die Kette schnitt Klem in die Nackenmuskeln.

Klem hob das Handgelenk, an dem er eine schlichte, silberne Uhr trug. Sie war aus Weißgold gefertigt und zeigte keine Uhrzeit an, sondern nur einen Countdown. Eine römische Zehn stand darauf. Noch zehn Tage.

Klem suchte, ohne hinzuschauen, nach seinem Füllfederhalter, einem edlen Stück aus dem Familienerbe, das ebenso alt wie wertvoll war. Seine Finger tasteten über den Schreibtisch, fanden jedoch nichts.

Ärgerlich blickte er auf, zum zweiten Arbeitsplatz im Raum. Klem teilte sich das Büro mit Gadurn, einem Berater der GIBA. Seit vierundvierzig Jahren war Gadurn inoffiziell in hoher Position für die Gesellschaft für Informationsbeschaffung und -auswertung tätig. Nach außen vermittelte der Geheimdienst GIBA indes den Eindruck, Gadurns Posten sei unwichtig. Denn die Lage im GAM war angespannt. Das Gemeinwesen aller Menes schätzte die Gemeni weit weniger als früher – was auch Klems Verdienst war. Dennoch nahm ihm Gadurn das nicht übel.

Der Gemen gehörte zu den Nodhkaris, war ein hervorragender Techniker und hatte eine ureigene, erfrischende Sichtweise auf die Dinge. Wie sein Äußeres mit dem helmartigen Kopfaufsatz, aus dem Hörner ragten, und den vier tiefblauen Augen, die in zwei Paaren übereinanderstanden, war auch sein Geist ungewöhnlich. Angefangen damit, dass Gadurn einen Individualnamen gewählt hatte und nicht als anonymer Teil einer Nodhkari-Dreiergruppe bei Nacht und Nebel durch den Großen Wald schlich, eingehüllt in einen Kapuzenmantel, als wolle er kleine Kinder entführen, um sie an eine Insektenhorde Speis zu verfüttern. Gadurn kam dem am nächsten, was Klem als echten Freund in seinem Leben bezeichnet hätte, doch der Gemen hatte auch nervtötende Angewohnheiten.

»Wo ist er?«, fragte Klem mürrisch.

Gadurn hob den schlanken Füllfederhalter von seinem Schreibtisch und rollte ihn in den Greiflappen. Der vertikale Spalt in seiner Gesichtsmitte weitete sich vor Vergnügen.

»Meinst du den?« Gadurns wispernde, leicht knisternde Stimme erinnerte Klem an ein knackendes Kaminfeuer. »Ich habe ihn mir vor fünfzehn Minuten genommen. 246 zu 301 für mich.«

»Was bedeutet, dass ich noch immer vorn liege!« Klem stand auf und holte sich sein Familienerbstück zurück. Damit waren große Teile der Chronik geschrieben worden, Testamente und Abschiedsbriefe.

547-mal hatte sich Gadurn bereits an diesem Diebstahl auf Zeit versucht. Seit über vierzig Jahren ging das nun so. Damals hatte Gadurn gewettet, er könne Klem den Füller vom Arbeitspult nehmen, ohne dass der es bemerkte. Für Gadurn war es ein wissenschaftliches Experiment, das sich um Klems Aufmerksamkeit drehte. In den letzten Jahren gelang es ihm zunehmend besser, sich den Stift anzueignen.

Eigentlich musste Klem nicht mit Gadurn in einem Büro sitzen. Er war der Leiter dieser Organisation, führte den Geheimdienst schon seit einer Ewigkeit aus dem Verborgenen heraus. Kaum jemand kannte seine falsche Identität und erst recht nicht seinen echten Namen. Wenn Klem gewollt hätte, hätte er allein arbeiten können – aber Klem wollte nicht. Ein wenig Gesellschaft tat gut, und Gadurn war ein hervorragender Zuhörer.

Der Gemen senkte den Kopf mit den hörnerartigen Aufsätzen. »Du siehst müde aus.«

»Ich bin satt. Satt vom Leben. Es wird Zeit, das Amulett abzulegen.« Als wolle Klem seine Worte unterstreichen, öffnete er den Verschluss und ließ die Kette auf den Tisch sinken. Doch das Gewicht, das um seinen Hals hing, meinte er nach wie vor zu spüren.

»Weißt du schon, was du damit tun wirst?«

Klem schwieg. Er war unsicher. Nur zwei Eingeweihte auf Cessairs Welt wussten, dass es dieses spezielle Amulett gab. Gadurn war einer davon. Sarah Brydon, die stellvertretende Leiterin der GIBA, war die zweite.

Gadurn richtete den Blick seines unteren Augenpaars auf den Füllfederhalter, als überlege er, ob er gleich den nächsten Versuch starten sollte. »Was ist mit Minett? Ihr seid sehr oft zusammen.«

»Sie ist eine meiner besten Agentinnen. Ihr Talent muss gefördert werden.«

»Da ist mehr.« Unter den Gemen war Gadurn recht einzigartig. Andernfalls hätte er sich nicht entschieden, bei der GIBA zu arbeiten, als Mittler zwischen Gemeni und Menes in dieser wichtigen Organisation. Er kannte die Menes, verstand sich darauf, in ihr Inneres zu schauen.

»Du weißt, was da nicht ist, oder?«

Gadurn nickte, wie es auch ein Menes getan hätte. »Gewiss. Aber ich spreche nicht von deinen sexuellen Vorlieben. Du magst diese junge Frau und redest weit öfter mit ihr, als es für den Dienst nötig wäre. Und du hast keine Erben. Warum vermachst du das Amulett nicht ihr?«

»Das Amulett ist nicht nur ein Segen. Überhaupt ... das Vererben ...« Klem verstummte.

Ihm fiel eine alte Geschichte ein, die seine Großmutter ihm einmal erzählt hatte. Eine aus dem Sagenschatz der Menes, der gemeinsam mit seinen Vorfahren in einem Raumschiff von der fernen Erde bis in diese Galaxis gereist war.

»Es soll einmal einen unsagbar reichen und mächtigen Herrscher in der alten Heimat gegeben haben«, erzählte er. »Einen Kaiser. Er hatte keinen eigenen Sohn, jedoch einen treuen und liebenden Neffen, der viele Schlachten für ihn gewann. Dieser Neffe sollte der Erbe des mächtigen Reiches werden. Aber dann verstarb die Frau des Kaisers, und der Herrscher heiratete wieder. Die neue Frau gebar ihm einen Sohn. Nun fürchtete der Kaiser, dass Krieg ausbrechen könnte. Sein Neffe kommandierte die Armee. Er hätte sie gegen das eigene Reich führen oder den jungen Kaisersohn ermorden lassen können.« Klem machte eine kurze Pause.

Dann fuhr er fort: »Damit dies nie geschah, forderte der Kaiser ein, was ihm gehörte. Jedenfalls sah man das damals so. Er verlangte das Leben seines Neffen, der zugleich sein Untertan war, und trug ihm auf, sich für das Wohl des Reiches zu opfern. Der Neffe tat, wie ihm geheißen. Er ging in einen wundervollen Raum, ausgestattet mit den schönsten Gemälden und Blumen, kniete sich auf den Boden und stieß sich einen Dolch durch den Bauch ins Herz, damit der Neugeborene eines Tages Kaiser werden konnte, ohne sich vor der Armee oder Meuchelmördern fürchten zu müssen.«

»Eine grausame Geschichte, wenn man bedenkt, wie wichtig euch Menes das Leben ist. Und rätselhaft. Für uns Gemeni wäre es vollkommen gleich, wer die Erbfunktionen erfüllt. Das Konzept des Todes und der nichtidentischen Nachfahren befremdet mich.«

»Die Geschichte geht noch weiter. Als der Junge ...«

Ein grelles Blinken unterbrach Klem. Die Bildschirmwand an der Raumseite, die den Gang vor dem Büro sowie mehrere sensible Bereiche zeigte, erlosch automatisch. Auf dem Boden vor den beiden Schreibtischen veränderte sich die Farbe. Eine kreisrunde, weiße Fläche von einem Meter Durchmesser erschien. In ihrer Mitte senkte sich der Marmor um mehrere Zentimeter ab.

Eine Linse schob sich wie ein schwarzes Auge hervor, die jedoch sofort von einem dreidimensionalen Bild überstrahlt wurde, das den Großteil des Büros verschluckte, als wäre es ein gefräßiger Jungspei aus Licht und Farben.

Sarah Brydon, die nach Klem ranghöchste GIBA-Mitarbeiterin, wuchs in die Höhe. Wobei Höhe relativ war. Gegen Gadurn mochte die 1,60 Meter große, in einen schwarzen Umhang gehüllte Frau groß sein, doch im Vergleich zu den meisten Menes war sie klein. In den vergangenen dreihundert Jahren waren die Menes durchschnittlich fünfzehn Zentimeter größer geworden, weshalb selbst Klem inzwischen eher schmächtig wirkte.

»Klem? Gut, dass du da bist.« Brydon duzte ihn schon seit Langem. Sie verzichtete auf die umständliche Anrede »Sird Fitz«.

»Was ist los?«

Unter Brydon tosten Wassermassen. Ein hohes, hell aufblitzendes Gebäude mit einer Vielzahl an Säulen und Türmen ragte hinter ihr auf. Die Architektur der aufstrebenden Konstruktion wirkte fragil, als hätte ein wahnsinniger Schmied Dutzende aufrecht stehender Gigantenschwerter miteinander verschmolzen, um den Mond Áine damit aufzuspießen. Über hundert Fenster blitzten im Abendlicht, warfen Rot, Orange und Rosa zurück.

Es gab keinen Zweifel, wo Brydon sich aufhielt: über den Heselting-Fällen auf dem Kontinent Siluria, im Sitz der Zentrale der Nodh-Hüter. Der Gebäudekomplex war mitten im Fluss errichtet und wurde von Wasser umspült, direkt an der Abbruchkante des größten Katarakts, wo sich silberweiße, dick geballte Wasserstränge in die Tiefe warfen. Brydon stand auf der Plattform vor dem Gebäude, die über die donnernden Fluten hinausragte.

»Wir haben einen Coper festgenommen, der an der Silgrube war.«

Coper, so nannten sie die Leute, die versuchten, sich Kopien ohne Genehmigung anzufertigen. Es war nichts Besonderes, dass jemand sich in den Großen Wald schlich, um sich Duplikate von irgendetwas zu machen. Die Gemeni hatten dort mehrere Fakturgruben, die technische Geräte und Waffen nach einer Vorlage vervielfältigen konnten. Auf diese Weise ließen sich aus einem Strahler leicht zehn oder zwanzig machen, ehe die Grubenkapazität für mehrere Stunden oder Tage erschöpft war.

»Na und? Das passiert alle zwei Wochen. Normalerweise sind die Nodh-Hüter dafür zuständig. Was hat die GIBA damit zu tun?«