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Der vorliegende Band versammelt aktuelle Beiträge zur linguistischen Sprachkritik. Diese verfolgt das Ziel, systematisch die linguistischen Dimensionen sprachkritischer Untersuchungsgegenstände sowie die komplexeren Handlungs- und Diskurszusammenhänge aufzuarbeiten, in denen diese Gegenstände als kontroverse Bindeglieder zwischen Sprache und Gesellschaft zutage treten. Die linguistische Sprachkritik unterscheidet sich von laienlinguistischer Sprachkritik darin, dass sie ihre Beurteilungskriterien ausgehend von einer systematischen Analyse des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes formuliert. Ihr Hauptziel ist die Ausbildung von Sprachbewusstsein und die Reflexion des eigenen Sprachgebrauchs im Hinblick auf das Kriterium der Angemessenheit. Angemessenheit ist dabei insbesondere im Hinblick auf situative, kontextuelle und kulturelle Faktoren zu beurteilen. Die Beiträge in diesem Band spiegeln die Vielfalt der Faktoren und Zusammenhänge wider, die für linguistische Sprachkritik eine Rolle spielen. Sie zeigen, dass sprachkritische Praktiken an gesellschaftlich brisanten und relevanten Diskursen ihren Anteil haben, dass sie aber auch in situierten alltäglichen und institutionellen Kontexten umgesetzt werden, sei es in den neuen Medien oder in der Face-to-face-Interaktion. Darüber hinaus diskutieren die Beiträge aber auch die didaktischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die damit verbunden sind, den Themenkomplex Sprachkritik in Schul- und Hochschulkontexten zum Unterrichtsgegenstand zu machen. Das Buch richtet sich an Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler sowie Lehrerinnen und Lehrer, ist aber auch interessant für Laien, die an linguistischer Sprachkritik interessiert sind.
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Seitenzahl: 426
Veröffentlichungsjahr: 2015
Der vorliegende Band stellt eine Sammlung von Beiträgen dar, die im März 2012 auf der„Arbeitstagung Linguistische Pragmatik (ALP)“zum Rahmenthema „Sprachwandel und Sprachkritik“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität präsentiert worden sind.Er vereint Beiträge, die an aktuelle sprachwissenschaftliche Diskussionen im Themenbereich „Sprachkritik“ anschließen. Der Band kann zwar keine vollständige Zusammenschau der gegenwärtig äußerst facettenreichen Fachdebatte um das Thema Sprachkritik präsentieren, möchte aber dazu beitragen, einige Aspekte des Forschungsbereiches linguistische Sprachkritik zu vertiefen und zu erweitern.
Wir möchten uns ganz herzlich bei all denen bedanken, die diesen Band möglich gemacht haben. Das sind zunächst einmal die Beiträger und Beiträgerinnen des Bandes sowie die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der ALP 2012. Bei den Reihenherausgebern Heiko Girnth und Sascha Michel bedanken wir uns für die Aufnahme des Bandes in die Reihe Perspektiven Germanistischer Linguistik, und Valerie Lange vom ibidem-Verlag danken wir für die stets gute und unkomplizierte Zusammenarbeit. Darüber hinaus gilt unser Dank aber auch allen, die den 2011 gegründeten Verein „Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik“ (ALP e.V.) in den vergangenen Jahren mit Interesse und Engagement unterstützt haben (Informationen zum Verein finden sich auf der Seitehttp://www.alp-tagung.de). Der ALP-Verein verfolgt das Ziel, den Austauschüber Erkenntnisse im Hinblick auf Sprachgebrauchin seinen situativen, sozialen, medialen und kulturellenKontextenzu fördern, und die Publikation des vorliegenden Bands wurde vonseiten des Vereins finanziert.Schließlich möchten wir uns herzlich bei der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) bedanken: Seit 1997 findet die ALP-Tagung am Vortag und am Tagungsort der DGfS-Jahrestagung statt, und sie wurde dabei in organisatorischer Hinsicht von der DGfS stets sehr großzügig unterstützt.
Münster und Dublin, im Oktober 2014
Jörg Bücker, Elke Diedrichsen & Constanze Spieß
Jörg Bücker, Elke Diedrichsen&Constanze Spieß
1Formen und Gegenstände linguistischer Sprachkritik
Sprachkritik als Reflexion über Sprache ist eine anthropologische Konstante, die nicht nur eine lange historische und kulturübergreifende Tradition hat (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe 2010: 18f), sondern auch das kommunikative Handeln des Menschen in alltagsnahen und institutionellen Kontexten begleitet und beeinflusst. In der philosophischen Sprachkritik, die die wissenschaftsgeschichtlich längste Tradition vorweisen kann, geht es vorwiegend um die zeichen- und erkenntnistheoretischen Dimensionen sprachlicher Einheiten, insbesondere einzelner Wörter. Eines der bekanntesten und frühesten Beispiele dürfte Platons Dialog „Kratylos“ sein, in dessen Auseinandersetzung über die ontologische Basis des Zeichencharakters von Wörtern sich bereits die Demarkationslinien der scholastischen Universalienproblematik abzeichnen.
Auch die sprachpflegerisch motivierte Sprachkritik hat häufig einzelne Wörter zum Gegenstand, etwa in der Fremdwortkritik. Die einzelnen Erscheinungsformen sprachpflegerisch motivierter Sprachkritik unterscheiden sich dabei im Hinblick auf den Grad ihrer Einbettung in fachwissenschaftliche Diskurse einerseits und ihre Kriterien der Bewertung sprachlichen Handelns andererseits. Einige Ausprägungen sprachpflegerisch motivierter Wortkritik vertreten ihre sprach- und gesellschaftskritischen Positionen weitgehend jenseits sprachwissenschaftlicher oder zeichen- und erkenntnistheoretischer Diskurse. Eines der medial besonders präsenten Beispiele stellen die Kolumnen und Buchveröffentlichungen des Journalisten Bastian Sick dar, in denen eine Vielzahl an Beispielen für mutmaßlich „schlechten“ Sprachgebrauch kritisiert wird, ohne dass dabei Bezüge zu relevanten fachwissenschaftlichen Diskussionen hergestellt werden (vgl. u.a. Sick 2004). Eine weitere, öffentlichkeitswirksame Form von Sprachkritik, der es um Sprachkultiviertheit geht, ist die Aktion „Unwort des Jahres“, die erklärtermaßen das Ziel verfolgt, Sprachgebräuche, die gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder euphemistisch, verschleiernd und irreführend sind, zu untersuchen.[1]Neben linguistischen Gesichtspunkten spielen damit auch die KriterienDemokratieundMenschenwürdeeine wichtige Rolle. Diese Form von Sprachkritik zielt auf der Basis der genannten Kriterien auf die Sensibilisierung der Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber für einen reflektierten, sachlich angemessenen und verantwortungsvollen Sprachgebrauch.
Der Linguistik begegnet die popularisierende sprachkritische Beschäftigung mit sprachlichen Einheiten insbesondere dort, wo sie Texte und Diskurse beleuchtet, die dezidiert sprach- und wortkritisch um den Wert und die Leistung sprachlicher Einheiten kreisen (vgl. beispielsweise Spitzmüller 2005 zum Anglizismendiskurs). Auch die Untersuchungen kontroverser „Schlüsselwörter“ (Stötzel/Wengeler 1995) können sprachkritische Diskurse berühren.
Der linguistischen Sprachkritik geht es in der Regel nicht darum, wie die philosophische Sprachkritik die zeichentheoretischen Dimensionen sprachlicher Einheiten erkenntniskritisch in den Blick zu nehmen, um etwa im Sinne des Wittgensteinschen Diktums „Alle Philosophie ist ‚Sprachkritik‘.“ (Tractatus logico-philosophicus, 4.0031, vgl. Wittgenstein 1984: 26) philosophische Probleme als sprachliche Probleme identifizieren und entlarven zu können. Von der popularisierenden laienlinguistischen Sprachkritik wiederum unterscheidet sie sich dadurch, dass sie nicht isolierte Wörter zu präskriptiv nutzbaren Projektionsflächen gesellschaftlicher Ideologien und Wertvorstellungen macht. Stattdessen analysiert und rekonstruiert sie systematisch die linguistischen Dimensionen der Gegenstände von Sprachkritik sowie die komplexeren Handlungs- und Dis-kurszusammenhänge, in denen diese Gegenstände als kontroverse Bindeglieder zwischen Sprache und Gesellschaft manifestiert werden. So hat die diskurslinguistische Aufarbeitung der Anglizismenkritik gezeigt, dass die Fremdwortproblematik neben einer gründlichen systemlinguistischen Standortbestimmung (zum Beispiel Eisenberg 2011) auch einer Rekonstruktion der gesamtgesellschaftlichen Diskurse bedarf, in denen die Fremdwortkritik jeweils situations-, kontext- und textsortengebunden realisiert wird (vgl. dazu u.a. Spitzmüller 2005). In dieser Hinsicht erweist sich linguistische Sprachkritik als eine Schnittstelle, an der sowohl systemlinguistische als auch text-, gesprächs- und diskurslinguistische Konzepte und Methoden gefragt sind und kohärent aufeinander bezogen werden müssen. Das schließt die Möglichkeit einer kontroversen Beurteilung der Formen und Funktionen sprachkritischer Diskurse ein, wie die Auseinandersetzung zwischen Meinunger (2008), Rinas (2011) und Niehr (dieser Band) zeigt, die sich an Bastian Sicks populären sprachkritischen Beobachtungen und Standpunkten entzündet hat.
Die linguistische Sprachkritik umfasst sehr unterschiedliche und vielfältige Formen und Ansätze. Sie kann sich auf die Untersuchung sprachkritischer Äußerungen und Diskurse beziehen im Sinne einer Linguistik„sprachkritischer Kommunikation“, sie kann aber auch als ein spezifischer (kritischer) Zugriff auf das Sprachmaterial begriffen werden. Linguistische Sprachkritik zielt dabei u.a. auf die Ausbildungvon Sprachbewusstseinund die Reflexion des eigenen Sprachgebrauchs im Hinblick auf das Kriterium der Angemessenheit, und zwar Angemessenheit im Hinblick auf situative, kontextuelle und kulturelle Faktoren (vgl. u.a. Kienpointner 2005, Arendt/Kiesendahl 2013 und Fix 1995). Fragen nach der Angemessenheit des Sprachgebrauchs sind dabei im Zusammenspiel von „‚langue‘, Normen und ‚parole‘“ und vor dem Hintergrund eines pragmatischen Sprachbegriffs zu beantworten (Kilian/Niehr/Schiewe 2013, 303f). Im Rahmen der kritischen Diskurslinguistik zielt Sprachkritik darüber hinaus auf Gesellschaftskritik und die Offenlegung der eigenen ideologischen Voraussetzungen (Reisigl/Wodak 2009).
Die Mehrzahl der Ansätze linguistischer Sprachkritik nimmt zu ihren Untersuchungsgegenständen keinen dezidiert ideologiekritischen Standpunkt im Sinne einer moralisch-ethischen oder explizit gesellschaftskritischen respektive politischen Stellungnahme ein, sondern ihr geht es um die Rekonstruktion sprachkritischer Sprachgebräuche im Sinne einer „Linguistik sprachkritischer Kommunikation“ (vgl. dazu auch die Beiträge in diesem Band). Linguistische Erscheinungsformen wertender Diskurs- und Sprachkritik (sowie mehr oder minder deutlicher Gesellschaftskritik) finden sich demgegenüber u.a. in der feministischen Sprachkritik[2]oder in den verschiedenen diskurskritischen Ansätzen. Zu nennen wären hier für den deutschsprachigen Raum z.B. die Duisburger Schule (vgl. Jäger 2005) oder die Wiener Schule (vgl. Reisigl/Wodak 2009), für den angelsächsischen Raum die Critical Discourse Analysis (CDA) im Anschluss an Fairclough (vgl. Fairclough 2001). Die verschiedenen Formen linguistischer Sprachkritik analysieren also insgesamt auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlicher Intensität das Wechselspiel gesellschaftlicher und kommunikativer Prozesse, nehmen dabei aber immer eine linguistisch begründete Position zu ihren Gegenständen ein. In der Folge werden die Beurteilungskriterien anders als in der laienlinguistischen Sprachkritik ausgehend von einer systematischen Analyse des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes formuliert.[3]
Wenn also von Sprachkritik als einem linguistischen Untersuchungsfeld die Rede ist, so geht es um einen weiten und vielgestaltigen Bereich, der auf unterschiedliche Ebenen, aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Zielsetzungen erschlossen werden kann. Darüber hinaus schließt linguistische Sprachkritik insbesondere in ihren ideologiekritischen Ausprägungen immer auch an je eigene Sprachideologien und Sprachnormen an, die bei der Analyse reflektiert werden müssen. Vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit von Sprachkritik haben folgende Fragestellungen besondere Relevanz für die linguistische Auseinandersetzung mit Sprachkritik:
-Was kann als sprachkritischer Diskurs gelten und zum Gegenstandsbereich einer „Linguistik sprachkritischer Kommunikation“ zählen und was nicht? Zählen beispielsweise Selbst- und Fremdkorrekturen sprachlicher Fehler schon zu den Erscheinungsformen sprachkritischen Diskurses oder nicht (vgl. dazu auch Arendt/Kiesendahl in diesem Band)?
-Auf welchen sprachanalytischen Ebenen und auf Basis welcher Daten sollte ein sprachkritischer Diskurs rekonstruiert werden (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe 2010)? Wie können zum Beispiel die bisher noch wenig untersuchten lokalen Erscheinungsformen und Ausprägungen sprachkritischer Äußerungen in dialogischer Kommunikation erschlossen werden? (vgl. König in diesem Band)
-An welcher Stelle und in welcher Form kann eine „linguistisch begründete Sprach- und Ideologiekritik“ ihre argumentativen und diskursiven Standards gegenüber den popularisierenden Erscheinungsformen laienlinguistischer Sprachkritik zur Geltung bringen?
Der Ausgangspunkt linguistisch fundierter sprachkritischer Untersuchungen ist, wie oben bereits erwähnt, das Kriterium der Angemessenheit. Das bedeutet, dass eine linguistische begründete Sprachkritik anders als die Mehrzahl der laienlinguistisch-sprachkritischen Positionen auch und gerade da, wo sie selber ideologiekritisch Stellung bezieht, eine pauschalisierende Bereinigung der Gegenstände sprachkritischer Reflexion von variationslinguistischen, kontextuellen und textsorten-/gattungsbezogenen Faktoren ablehnt (vgl. Kienpointner 2005, Fix 1995, Kilian/Niehr/Schiewe 2010).
Ein solcher Zugang zum Konzept der Kritik über das Kriterium der Angemessenheit lässt sich wie folgt provisorisch in die oben formulierten Fragen integrieren:
-Zum Gegenstandsbereich einer linguistischen Sprachkritik zählen die metakommunikativen, mehr oder minder expliziten Bearbeitungen für relevant erachteter und sanktionierbarer Angemessenheitsdimensionen sprachlichen Handelns. Solche Praktiken finden sich sowohl in der Mündlichkeit (zum Beispiel in der Unterrichtskommunikation, in Streitgesprächen und in Vorwurfsinteraktionen) als auch in der Schriftlichkeit (zum Beispiel in Stilratgebern, Diskussionsforen, Leserbriefen etc.), und sie können unterschiedliche Grade an Formalität bzw. Informalität haben.
-Sprachkritisches kommunikatives Handeln erfordert eine linguistische Herangehensweise, die über die traditionellen linguistischen Beschreibungsebenen hinausgeht. Das liegt zum einen daran, dass die Angemessenheitsdimensionen sprachlichen Handelns, die im sprachkritischen Diskurs konstituiert und bearbeitet werden, eng mit komplexen regionalen und sozio-kulturellen Faktoren sprachlicher Variation verbunden sind. Darüber hinaus ist aber auch die Zweckhaftigkeit sprachkritischen kommunikativen Handelns ohne eine genaue Berücksichtigung der sozio-kulturellen Umstände seiner Realisierung nicht rekonstruierbar. Gesprächs-, text- und diskurslinguistische Konzepte können hier Aufschluss darüber geben, an welche kontextuellen und soziokulturellen Gegebenheiten sprachkritische Beiträge als kommunikative Beiträge anschließen.
-Wenn Verletzungen der Angemessenheitsdimensionen sprachlichen Handelns nicht nur linguistisch rekonstruiert, sondern auch ideologiekritisch bewertet werden sollen, ist neben einer präzisen linguistischen Bestimmung des Gegenstands der Kritik auch eine sehr sorgfältige Berücksichtigung seiner varietätenlinguistischen Dimensionen erforderlich. Jenseits einer solchen Verortung lassen sich Angemessenheitsverstöße nicht in einem für eine „linguistisch begründete Sprach- und Ideologiekritik“ erforderlichen Maße an Präzision postulieren. Um das komplexe Spannungsverhältnis zwischen Variation und Norm zu erfassen, in dem sich sprachliche und kommunikative Angemessenheit manifestiert, kann sowohl an varietätenlinguistische Begriffsbestimmungen wie zum Beispiel Ammon (1986) und Auer (2012) als auch an Gloys (2004) und Dürscheids (2012) Unterscheidungen zwischen statuierten und subsistenten Normen bzw. System, Norm1und Norm2angeschlossen werden.
2Tendenzen gegenwärtiger linguistischer Sprachkritik
Im Zuge der Ausdifferenzierung, die die linguistische Pragmatik seit der sogenannten „kommunikativ-pragmatischen Wende“ (Helbig 1990) erfahren hat, sind auch die linguistischen Gegenstandsbereiche und Zugänge zur Sprachkritik vielfältiger geworden, und eine Vielzahl an Publikationen belegen das aktuelle Interesse an sprachkritischer Kommunikation (vgl. u.a. Kilian/Niehr/Schiewe 2013, Dieckmann 2012, Kilian/Niehr/Schiewe 2010, Arendt/Kiesendahl 2011, Diekmannshenke/Niehr 2013). Die gegenwärtigen Tendenzen in der Entwicklung der linguistischen Sprachkritik erweitern dabei einerseits ihren Gegenstandsbereich und ihr Forschungsprogramm, festigen andererseits aber auch ihre traditionellen Gegenstandsbereiche. Im Resultat läuft das auf eine methodologische und theoretische Konsolidierung hinaus, im Zuge derer die linguistische Sprachkritik zunehmend als ein eigenständiger, aber auch hochkomplexer linguistischer Gegenstandsbereich Konturen gewinnt. Zu den gegenwärtigen Schwerpunkten dieses linguistischen Arbeitsfelds zählen u.a.:
-Untersuchungen zu sprachkritischen Praktiken als Teil spezifischer gesellschaftlich brisanter und relevanter Diskurse (z.B. Spieß 2011; vgl. auch Petterson in diesem Band)
-Untersuchungen zu sprachkritischen Praktiken als Teil diskurs- und kulturgeschichtlich spezifischer Lebenswelten (z.B. Linke 1996, Wengeler 2003; vgl. auch die Beiträge von Kremer, Bahlo und Meier in diesem Band)
-Untersuchungen zur Umsetzung sprachkritischer Praktiken in situierten alltäglichen und institutionellen Kontexten, sei es in den neuen Medien oder sei es in der Face-to-Face-Interaktion (z.B. Kiesendahl 2012; s. auch Arendt/Kiesendahl und König in diesem Band, vgl. Posch 2011)
-Diskussion der didaktischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die damit verbunden sind, den Themenkomplex Sprachkritik in Schul- und Hochschulkontexten ggf. unter Berücksichtigung curricularer Vorgaben zum Unterrichtsgegenstand zu machen (z.B. Schiewe 2009, Kilian 2009, Niehr/Funken 2009; s. dazu auch Weber in diesem Band)
-Kritische Reflexion der argumentativen und diskursiven Standards, die popularisierende gesellschaftliche Praktiken und Erscheinungsformen laienlinguistischer Sprachkritik kennzeichnen (z.B. Meinunger 2008; s. dazu auch Niehrund Schütte in diesem Band)
3Vorstellung der Beiträge im Sammelband
Die Beiträge in diesem Sammelband vermitteln einen Eindruck von der Vielfalt, die die linguistischen Sprachkritik gegenwärtig kennzeichnet. Sie lassen sich im Hinblick auf ihre Fragestellungen, Zielsetzungen und Daten grob in vier Abschnitte gliedern.
Im ersten Abschnitt analysieren die Beiträge von Niehr und Schütte die Formen und Funktionen sprachkritischer Beiträge an der Schnittstelle zwischen fachwissenschaftlicher und populärer Sprachkritik.Thomas Niehrsetzt sich in seinem Beitrag „Von„Fachidioten“,„Gutmenschen“und politisch korrektem Verhalten.“ mit Karsten Rinas‘ (2011) „Kritik der deskriptiven Linguistik“ auseinander. Niehr rekonstruiert zum einen kritisch Karsten Rinas‘ Argumentationsgang mit dem Ziel, terminologische und argumentative Schwächen offenzulegen. Zum anderen setzt er Rinas‘ Klage über das „das Elend des Deskriptivismus“ (Rinas 2011:57) ein Plädoyer für eine deskriptiv orientierte Sprachwissenschaft entgegen. Dabei betont Niehr insbesondere die Notwendigkeit, eine deskriptiv fundierte Perspektive auf das komplexe Gefüge kommunikativer Anforderungen zu eröffnen, das Interaktionssituationen kennzeichnet, um darauf aufbauend die funktionale Angemessenheit verwendeter sprachlicher Mittel reflektieren zu können.
Der Beitrag vonChristian Schüttemit dem Titel „Zur Funktion von Emotionen insprachkritischer Argumentation:EineAnalyse von Beiträgen aus der „Deutschen Sprachwelt““ beschäftigt sich mit der Frage, welche rhetorische Rolle Emotionsbekundungen in sprachkritischen Argumentationen spielen. Schüttes Daten entstammen dem Periodikum „Deutsche Sprachwelt“, das vom Verein für Sprachpflege e.V. herausgegeben wird. Die argumentativen Funk-tionen, die Emotionsbekundungen in seinen Beispielen übernehmen können, rekonstruiert Schütte dabei in syllogistischer Form. Zu diesen Funktionen zählen zum Beispiel Verweise auf das Sprachgefühl oder die „Liebe zur Muttersprache“ als maßgebliche Entscheidungsinstanzen. Schütte kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass Emotionsbekundungen eine wichtige argumentative Rolle in sprachkritischen Beiträgen spielen und aus einer um rhetorische Konzepte angereicherten linguistischen Perspektive strukturiert rekonstruiert werden können.
Im zweiten Abschnitt des Sammelbands befassen sich Kremer, Pettersson Ängsal und Meier mit Sprachkritik als Spiegel einer je sozial- und kulturgeschichtlich geprägten Lebenswelt.Magnus P.ÄngsalsBeitrag mit dem Thema „Personenbezeichnungen mit Unterstrich und geschlechtsneutrale Pronomen:Zur queerfeministischen Sprachkritik in Deutschland und Schweden“ hat die unterschiedlichen Möglichkeiten zum Gegenstand, die in der deutschen und schwedischen Sprachöffentlichkeit diskutiert werden, um sexistischem Sprachgebrauch entgegenzuwirken. Ängsals Beitrag konzentriert sich dabei auf die Argumentation der queerfeministischen Sprachkritik, der es darum geht, der (schrift)sprachlichen Tradierungdes „Zweigeschlechtsmodells“ durch alternative Versprachlichungsstrategien zu begegnen. Zu den Versprachlichungsmöglichkeiten, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, zählen der Unterstrich zur Trennung männlicher und weiblicher Formen im Deutschen und das geschlechtsneutrale Pronomenhenim Schwedischen. Ängsal berücksichtigt in seinem Beitrag auch die Frage der Entwicklung dieser „genderneutralisierenden“ Versprachlichungsoptionen zu festen Bestandteilen des jeweiligen Sprachsystems.
Simon MeiersBeitrag „Gesprächskritik? Normative Gesprächsreflexion als Gegenstand der Kommunikationsgeschichte – am Beispiel der GesprächsformDiskussion“ untersucht aus einer historischen Perspektive Formen gesprächskritisch-normativer Reflexion über die Gesprächsform „Diskussion“ in drei Zeiträumen zwischen 1930 und 1970. Meier stützt sich dabei auf ein Korpus von Texten aus verschiedenen philosophischen, linguistischen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, in denen die Gesprächsform „Diskussion“ zum Thema gemacht wird. Auf der Grundlage dieser Daten kann Meier den stetigen Wandel in der Konzeptionalisierung und Bewertung der Gesprächsform „Diskussion“ herausarbeiten. Im Resultat plädiert Meier dafür, sich in der linguistischen Sprachkritik noch stärker als bisher mit der kulturellen und kulturgeschichtlichen Einbettung unterschiedlicher Gesprächsformen und ihrer Bewertung zu beschäftigen.
Arndt Kremergeht in seinem Beitrag „Deutsch(land) schafft sich ab?Das Ende der Kulturnation in Thilo Sarrazins Sprach- und Migrationskritik“aus einer sprachkritischen Analyseperspektive auf den gesellschaftlichen Diskurs um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ ein. Er arbeitet heraus, dass dieser Diskurs keineswegs neu ist, sondern historische Vorläufer hat: Das von Sarrazin beschworene Szenario einer Verdrängung der deutschen Sprache und damit auch der deutschen Kultur und nationalen Identität schließt, so Kremer, an Diskurse zur Identität von Sprache und nationaler Zugehörigkeit an,die sich bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen.
Im dritten Abschnitt des Sammelbands widmen sich die Beiträge von Arendt &Kiesendahl, Bahlo und König auf je unterschiedliche Weise dem Bereich situierter sprachkritischer Praktiken in der Interaktion. In ihrer Untersuchung „Sprachkritische Kommentare in der Forenkommunikation – Form, Funktion und Wirkung“ legenBirte ArendtundJana Kiesendahleine Studie zu sprachkritischen Äußerungen in Internet-Kommentarforen und Social Networks vor. Arendt und Kiesendahl verfolgen dabei das Ziel, sprachkritische Äußerungen von Laien in der Online-Kommunikation als einen eigenen Forschungsgegenstand in der linguistischen Sprachkritik zu etablieren. Zu diesem Zweck stellen sie ein Modell vor, in dem sowohl formale als auch funktionale Aspekte sprachkritischer Äußerungen umfassend beschrieben werden können. Die Möglichkeiten ihres Modells erörtern sie auf Grundlage einer Analyse verschiedener sprachkritischer Äußerungen aus ihren Daten.
Katharina KönigsBeitrag trägt den Titel „Sprachkritik in der Interaktion – Zur kollaborativen Hervorbringung sprachkritischer Äußerungen über Praktiken migrationsbedingter Mehrsprachigkeit“. Sie untersucht darin sprachkritische Äußerungen bilingualer Sprecher und Sprecherinnen zu „Codemixing“. Ihre Daten entstammen einem Korpus mit sprachbiographischen Interviews, die sie mit den mehrsprachigen SprecherInnen geführt hat.
In ihrer Analyse zeigt König, dass sprachkritische Äußerungen in Interaktion mit dem Interviewpartner dialogisch und kollaborativ hervorgebracht werden. Sie stellt darüber hinaus fest, dass die Sprachkritik der SprecherInnen sich an einer Sprachideologie als Bezugsnorm orientiert, die in der Debatte zum Thema „Mehrsprachigkeit“ häufig ist. Zu den normativen Elementen dieser Sprachideologie gehören insbesondere der „Mythos von Deutschland als einem einsprachigen Land“ und ein Ideal „sprachlicher Reinheit“.
Nils Bahlogeht in seinem Beitrag „Reflexionen über Sprache am Beispiel sexualisierter Jugendsprache:Sprachwissenschaftliche Analyse authentischer Daten und pädagogische Überlegungen“ auf den Problembereich der Sexualisierung und Pornografisierung von Jugendsprache ein. Bahlo untersucht sowohl Aufnahmen spontaner mündlicher Gespräche zwischen Jugendlichen als auch später eingeholte Kommentare dieser Jugendlichen zu ihren Äußerungen. Auf dieser Grundlage arbeitet Bahlo unterschiedliche Funktionen sexualisierten Sprechens wie zum Beispiel Provokation und Abgrenzung heraus, zeigt aber auch, wie Jugendliche über ihr sexualisiertes Sprechen reflektieren. Damit ist Bahlos Untersuchung nicht nur in sprachwissenschaftlicher, sondern auch in pädagogischer Hinsicht aufschlussreich.
Im vierten Abschnitt des Sammelbands zeigtTilo Weberin seinem Beitrag „Orthographie als Anlass didaktischer Sprachnormkritik“, dass die Einübung von Sprachkritikkompetenz eine wichtige Rolle in Lehrprozessen einnehmenund ein wichtiges Anliegen der Sprachdidaktik sein sollte. Weber unterbreitet den Vorschlag, den Unmut und die Emotionalität, die Schüler und Schülerinnen den Themen Rechtschreibnorm und insbesondere Rechtschreibreform entgegenbringen, zum Anlass zu nehmen, Sprachkritik zum Unterrichtsthema zu machen. Dabei betont er, dass das erklärte Ziel eines solchen Unterrichts die Herausbildung von „Sprachreflexionskompetenz“ (Weber) sein sollte: Die Schüler sollen in die Lage versetzt werden, Grundlagen und Bestandteile vorgefundener Regeln zu verstehen und die Regeln hinsichtlich ihrer Funktionalität zu reflektieren. Weber veranschaulicht seinen Ansatz am Beispiel der für viele Sprachbenutzer schwierigen Schreibung komplexer Präpositionalphrasen des Typs „aufgrund / auf Grund“, und er plädiert dafür, Schülern und Schülerinnen eine „Forscherperspektive“ auf die Dynamik sprachlicher Regeln und Normen zu eröffnen.
Literatur:
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Arendt, Birte/Kiesendahl, Jana (2011) (eds.):Sprachkritik in der Schule. Theoretische Grundlagen und ihre praktische Relevanz. Göttingen: V&R Unipress.
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Auer, Peter (2012): „Sprachliche Heterogenität im Deutschen. Linguistik zwischen Variation, Varietäten und Stil.“, in:Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik42/166, 7-28.
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[1]Vgl. hierzuauchdie Ausführungen auf der Homepage der Aktion: http://www.unwortdesjahres.net/[zuletztabgerufen am 01.09.2014]
[2]Vgl.zum Beispieldie Auseinandersetzungen um das Generische Maskulinum zwischen Kalverkämper und Trömel-Plötz, die kritische Analyse von männlichem und weiblichem Gesprächsverhalten und die Analyse verschiedener Kennzeichnungsmöglichkeiten von Geschlechtsidentitäten im Deutschen(Kalverkämper 1979, Trömel-Plötz 1978, Ayaß 2008, Pettersson 2011). Einen Überblick über die Geschichte der feministischen Sprachkritik geben Ayaß (2008) oder Spieß/Günthner/Hüpper (2012).
[3]Es gibt über die genannten Arbeitenlinguistischer Sprachkritikhinaus weitere Untersuchungen und Ansätze, die sich auf unterschiedliche Gegenstandsbereiche beziehen. Dazu zählen z.B. Arendt/Kiesendahl (2011), Heringer (1988), Holly (1985), Kilian (2001, 2003, 2009), Kilian/Niehr/Schiewe (2013), Roth (2004), Spieß (2014) und Wimmer (1986, 2009).Auchdie diskursorientieren lexikalischen Analysen öffentlich-politischen Sprachgebrauchsim Umfeld derDüsseldorfer Schulekönnen dazu gezählt werden(vgl.z.B.Stötzel/Wengeler1995,Spieß2012a).Weitere Ansätze stellenschließlichdie feministische Sprachkritik(Ayaß 2008, Posch 2011, Petterson in diesem Band), die Genderlinguistik (Günthner/Spieß/Hüpper 2012, Spieß 2012b), die politolinguistische Diskurskritik (Spieß 2012a)unddie Kritische Diskurslinguistik(Wodak/Meyer 2009)dar.
Thomas Niehr
1Einleitung[1]
Das Verhältnis von deskriptiver Sprachwissenschaft und populärer Sprachkritik bzw. Sprachpflege ist lange Zeit bestenfalls durch das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen bzw. Ignorieren der jeweils anderen Position gekennzeichnet gewesen. Wenn Sprachwissenschaftler sich in den letzten Jahren mit populärer Sprachkritik auseinandergesetzt haben, dann mussten sie meist feststellen, dass es eine ungebrochen populäre sprachkritische Traditionslinie gibt, die mit zahlreichen Sprachkritikern des 19. Jahrhunderts teilweise explizit, teilweise implizit den Sprachkonservativismus zum Programm erhebt. Damit einher geht meist eine Auffassung, die jegliche Art von Sprachwandel mit Sprachverfall gleichsetzt. Vielen aktuellen sprachkritischen Positionen, die eine sprachliche Orientierung an den sog. klassischen Autoren fordern, liegt eine solche Haltung zugrunde, die undifferenziert, d.h. ohne Berücksichtigung funktionaler Angemessenheitskriterien, ältere Sprachzustände zum scheinbar allgemeingültigen Maßstab erhebt. Das Verhältnis einer großen Zahl von Sprachwissenschaftlern zu einer solchen Art von Sprachkritik ist mindestens als ambivalent zu bezeichnen, meist herrscht eine eindeutige Ablehnung solcher Positionen vor. Viele Linguisten, die sich der deskriptiven Sprachwissenschaft verschrieben haben, halten die unverhohlen normativen Bemerkungen der laienlinguistischen Sprachkritik in vielerlei Hinsicht für problematisch.
Auf die linguistische Kritik an laienlinguistischer Sprachkritik soll an dieser Stelle jedoch nicht mehr im Detail eingegangen werden. Sie ist sehr gut dokumentiert, und man kann sie beispielsweisebei Corr (2013),Eisenberg (1999, 2006), Maitz/Elspaß (2007), Meinunger (2009), Niehr (2002, 2006, 2009), Pfalzgraf (2006), von Polenz (1973, 2005), Sanders (1988/2011), Schneider (2005, 2009) und Spitzmüller (2005) oder zusammenfassend bei Kilian/Niehr/Schiewe (2010) nachlesen.
Eine derartig deskriptiv-linguistisch ausgerichtete Kritik an normativer Sprachkritik sieht sich nun allerdings einer Metakritik ausgesetzt, die ebenfalls von linguistischer – insbesondere auslandsgermanistischer – Seite vorgebracht wird. Konzentriert findet sich diese Kritik in einer Publikation von Karsten Rinas, einem habilitierten Sprachwissenschaftler, der an der Palacký-Universität in Olmütz lehrt (vgl.http://www.karstenrinas.com/; 09.04.2013). Unter dem Titel „Sprache, Stil und starke Sprüche. Bastian Sick und seine Kritiker“ hat Rinas im Jahr 2011 eine überaus polemische Abrechnung vorgelegt, die deskriptiven Linguisten kein gutes Zeugnis ausstellt. Sie wird von der renommierten Wissenschaftlichen Buchgesellschaft vertrieben und verspricht bereits im ersten einleitenden Kapitel eine erfrischend neue Sicht der Dinge. So begibt man sich als Leser mit Rinas zu einer kritischen Sichtung der von deskriptiven Linguisten vertretenen Positionen. So sehr dieses Anliegen des Autors prinzipiell zu begrüßen ist, so gründlich ist es allerdings misslungen. Da sich der Verfasser des hier vorliegenden Aufsatzes durch Rinas‘ Kritik (mit) angesprochen fühlt, möchte er im Folgenden die von Rinas vorgebrachten Argumente einer kritischen Prüfung unterziehen, mithin eine Meta-Meta-Kritik versuchen. Diese ist auch deshalb dringend geboten, weil Rinas in seinem Buch immer wieder den Eindruck erweckt, dass die von ihm verhandelten Probleme von der deskriptiven Linguistik bislang nicht wahrgenommen wurden bzw. dass die Mehrheit der deskriptiven Linguisten sich weigere, sprachkritische Themen wie die Fremdwortdiskussion überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Diese Position aber sollte nicht unwidersprochen bleiben, weil sie eine Fülle linguistischer Literatur ignoriert, die im letzten Jahrzehnt zu diesem Themenkomplex erschienen ist. Diese von Rinas nicht berücksichtigte Literatur dokumentiert das ernsthafte Bemühen der Linguistik um eine Klärung sprachkritischer Fragestellungen.
2Das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Meta-Kritikers
Der Untertitel von Rinas‘ Buch lautet „Bastian Sick und seine Kritiker“, und insbesondere André Meinungers Kritik an Bastian Sick (Meinunger 2009) hat offenbar den besonderen Zorn des Autors geweckt. Deshalb ist es naheliegend, der Frage nachzugehen, welche Argumente Rinas gegen Meinunger bzw. die deskriptive Linguistik vorbringt und wie diese Argumente zu bewerten sind.
Zuvor sind jedoch einige wenige Bemerkungen zum Stil unerlässlich. „Bescheidenheit ist eine Zier – doch weiter kommt man ohne ihr,“ sagt der Volksmund. Und auch Rinas scheint sich diese Weisheit sehr zu Herzen genommen zu haben. Dies zeigt sich bereits in der Einleitung seines Buches, das Rinas selbst als „Streitschrift“ (7) charakterisiert. Drei Passagen aus dieser Einleitung können stellvertretend für den Duktus des gesamten Buches stehen:
Man sollte annehmen, dass gerade Sprachwissenschaftler in der Lage seien, sich zu den von Sick angesprochenen Fragen besonders fundiert zu äußern. In bestimmten Fällen trifft dies auch zu. Doch gerade wenn es um grundsätzliche Fragen nach Sinn und Wert der Sprachkritik geht, weisen die aktuellen Äußerungen von sprachwissenschaftlicher Seite zuweilen eine Schlichtheit auf, die an Dummheit grenzt. (7)
Neben der angesprochenen Schlichtheit, die Rinas Sprachwissenschaftlern hier attestiert, ist es v.a. die mangelnde Kenntnis der Geschichte ihres eigenen Faches, die von ihm immer wieder akzentuiert wird:
Wenn sich ein moderner Linguist für ein bestimmtes Phänomen interessiert, ist es für ihn am wichtigsten, die allerneuesten Beiträge hierzu zu studieren, selbst wenn diese nur in Form von ,Papers‘ als Konferenzbeiträge vorliegen. Hingegen interessiert es ihn nicht, ob sich etwa ein Grammatiker des 18. Jahrhunderts oder gar ein Rhetoriker der Spätantike bereits hierzu geäußert hat. Mit anderen Worten: Moderne Linguisten sind typischerweise ausgesprochen traditionsblind. (8)
Mein Erstaunen wuchs bei der Lektüre angesichts solch allzu pauschaler Ressentiments. Spätestens angesichts der folgenden Passage kann man sich als Leser fragen, welche Argumentationsstrategie der Autor verfolgt:
Der typische moderne Linguist ist so etwas wie ein Ingenieur, ein hoch spezialisierter Theoriekonstrukteur, der sich für tiefere philologische Grundlagen nicht interessiert, mit einem Wort ein Fachidiot. Daran gibt es eigentlich auch gar nichts auszusetzen, solange solche Linguisten unter sich bleiben und sich mit Fragen befassen, für deren Beantwortung sie qualifiziert sind. Eine derartige Selbstbescheidung ist aber nicht eines jedes Linguisten Zier. Manche Linguisten wagen sich mit der Attitüde des Experten auch in Bereiche vor, für die ihnen die erforderlichen Kenntnisse fehlen, und gerade die Sprachkritik ist ein solcher Bereich. (10)
Wie bereits aus diesen wenigen Zeilen unschwer zu erkennen ist, mangelt es Rinas jedenfalls keineswegs an linguistischem Selbstbewusstsein. Dass er davon ausgeht, selbst über hervorragende Kenntnisse der Linguistik im Allgemeinen, der Sprachkritik im Besonderen zu verfügen, darf man aus dieser Äußerung und seinem gesamten Buch schlussfolgern.
Und man darf ebenfalls davon ausgehen, dass Rinas sich selbstverständlich von der Traditionsblindheit, dem Fachidiotentum, der Dumm- und Schlichtheit der von ihm so genannten Mainstream-Linguisten ausnimmt. Letzteren unterstellt er nicht nur, dass sie für Sprachkritik etwa so ausgewiesen seien „wie ein Mikrobiologe im Hinblick auf Fragen der Hundehaltung“ (8). En passant bescheinigt er ihnen auch noch ,eine gehörige Portion Gutmenschentum‘ (vgl. 11). Man mag aufgrund dieser Vokabel bereits eine bestimmte politische Ausrichtung des Autors erahnen,[2]doch mag Rinas es gern überdeutlich und belässt es keineswegs bei Andeutungen. Vielmehr möchte er auch dem letzten seiner Leser unmissverständlich klar machen, welche politischen Positionen er für indiskutabel hält. So werden in einer hier nicht weiter zu analysierenden Invektive der von Rinas als „Schwulen-Lobbyist“ titulierte Grünen-Politiker Volker Beck und der Sprachwissenschaftler André Meinunger kurzerhand zu „zwei BrüderInnen im Geiste“ abqualifiziert (145). Wie Rinas also die sprachkritischen Bemühungen um einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch einschätzt, ist nicht schwer zu erraten. Seine selbstgefälligen, gehässigen Ausfälle dazu (vgl. 132-145) sollen hier weder zitiert noch kommentiert werden. Dass Linguisten, die eine andere Meinung als er vertreten, auch gleich im Lager „der Linken“ (91) verortet werden, scheint vor diesem Hintergrund kaum mehr verwunderlich.
Rinas selbst übrigens vertritt die Position, dass Ärger ein „zwar durchaus brauchbarer Schreibanlass“ sei, aber die „Ausgeglichenheit der Darstellung“ nicht gerade fördere (11). Dieser These ist unbedingt zuzustimmen. Deshalb soll im Folgenden – trotz des bei der Lektüre unentschiedenen Verhältnisses zwischen Belustigung und Ärger – eine faire Auseinandersetzung mit den linguistisch-sprachkritisch relevanten Teilen von Rinas‘ Äußerungen versucht werden. Diese ist am ehesten durch eine Analyse und Bewertung der von Rinas vorgebrachten Argumente möglich.
Bevor jedoch auf einzelne Argumente eingegangen wird, ist zunächst generell etwas zu Rinas‘ Argumentationsweise anzumerken. Sie ist dadurch charakterisiert, dass der Autor meist wenig differenziert und seine Argumentationsversuche durch unsachgemäße Vergröberungen wenig plausibel erscheinen. Dies deutet sich bereits in der pauschalisierenden Lexik an. So ist etwa im Zusammenhang mit dem von Rinas gescholtenen Deskriptivismus die Rede von einer „Mainstream-Linguistik seit Jacob Grimm“ (57).An anderer Stelle moniert Rinas „die unzulängliche Berücksichtigung von Sprachvarietäten seitens der Sprachwissenschaft“ (66) und merkt süffisant an, „dass gerade die Fachsprachenforschung die Möglichkeit wohlfeiler Studien bietet und dass sie sich deshalb mittlerweile zu einem Sammelbecken für intellektuelle Dünnbrettbohrer entwickelt hat“ (80). Rinas empört sich über eine Monographie, „in welcher allen Ernstes das ,Werbedeutsch‘ zum Gegenstand der Untersuchung gemacht wurde“ (79), und betont in diesem Zusammenhang, dass er auf genaue Nachweise verzichte, „da es nicht nötig ist, die Autoren dieser Beiträge bloßzustellen“ (174, Fußnote 38). Mir scheint nicht nur die Form dieser Kritik völlig inakzeptabel. Derartige Totschlag-Argumente sind darüber hinaus inhaltlich dürftig. Dass sie nicht zu einer problemorientierten Auseinandersetzung beitragen, sei nur nebenbei bemerkt: Für jeden dieser derart undifferenziert vorgetragenen Kritikpunkte ließen sich ohne große Mühe zahlreiche Gegenbeispiele anführen.[3]Ohne sich mit einer pauschalen Verteidigung der von Rinas‘ gescholtenen Phänomene auf dessen Argumentationsniveau zu begeben, sei zumindest darauf hingewiesen, dass Rinas‘ pauschale Abqualifizierungen kaum dazu angetan sind, die notwendige Debatte zwischen Sprachwissenschaft und Sprachkritik zu befördern. Dabei wird keineswegs übersehen, dass auch innerhalb der Sprachwissenschaft verschiedene Paradigmen herrschen. Doch auch hier gilt: Eine an der Sache orientierte Auseinandersetzung ist unverzichtbar und hilfreicher als pauschale Verurteilungen oder Verteidigungen im Stile Rinas‘. Eine solche Auseinandersetzung bedarf freilich einer differenzierteren Argumentation. Sie verträgt sich allerdings schwerlich mit Rinas‘ arrogant-überheblicher Hau-drauf-Rhetorik, der zwar ein Frechheits-Effekt, jedoch kein argumentativer Mehrwert attestiert werden kann.
3Die Argumentation des Meta-Kritikers
Durch die bislang vorgestellten Zitate kann ein falscher Eindruck von der Intention entstehen, die Rinas mit seinem Buch verfolgt. Denn Rinas bemüht sich durchaus auch um argumentative Absicherung seiner Thesen. Im Folgenden soll deshalb auf einige zentrale Argumente eingegangen werden, die Rinas gegen die deskriptive Linguistik ins Feld führt. Diese beschäftigen sich mit der „Geschichtsvergessenheit“ von Linguisten, dem „Deskriptivismus“ der Linguistik und einem populären Thema der Sprachkritik, der Fremdwortverwendung.
3.1Geschichtsvergessenheit
Den Vorwurf der Geschichtsvergessenheit macht Rinas mit wenigen Ausnahmen der gesamten Zunft der Linguistik, insbesondere aber André Meinunger. So wirft er Meinunger nicht nur vor, „dass er seinen historischen Standpunkt nicht reflektiert“ (48), sondern bescheinigt ihm auch, dass er „von der Geschichte seines Faches nicht viel weiß“ (49). Nun ist dies eine Behauptung, die in unterschiedlicher Weise von Rinas genutzt werden könnte. Sie könnte einerseits dazu dienen, den Autor Meinunger schlicht abzuqualifizieren. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die These von der Geschichtsvergessenheit nicht durch Argumente belegt würde bzw. belegt werden könnte. Diese Absicht soll Rinas nicht unterstellt werden, da er immer wieder zahlreiche Autoren aus dem 19. Jahrhundert zur argumentativen Untermauerung seiner These anführt.
Zu fragen bleibt allerdings, in welcher Weise das Argument der Geschichtsvergessenheit dazu taugen könnte, die Kritik Meinungers an Sicks Thesen zu entkräften. Schaut man sich das entsprechende Kapitel 6 in Rinas Buch an, so stellt man etwas Interessantes fest. Es geht nun gar nicht bzw. nicht mehr in erster Linie darum, die Argumente Meinungers einer kritischen Prüfung zu unterziehen, sondern anscheinend darum, sie auf ihre Originalität zu testen. Nur vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, einen pedantischen Abgleich von Meinungers Argumenten mit denen von Autoren aus dem 19. und 20. Jahrhundert durchzuführen. In diesem Kontext trumpft Rinas dann seitenweise mit seiner Belesenheit gegen die angebliche Geschichtsvergessenheit Meinungers auf, indem er v.a. solche Autoren anführt, die offensichtlich bereits ähnliche Argumente wie Meinunger vorgebracht haben. Dies sei an zwei Beispielen erläutert.
Meinunger plädiert in seiner Auseinandersetzung mit Sick für eine „nicht regulativ eingreifende, sondern die Vielfalt möglicher Sprachvarianten ohne Wertung kodifizierende Sicht der ,Deskriptiven Linguistik‘“ (Meinunger 2009:46). Nun hat anscheinend auch Rinas gegen dieses Plädoyer nichts einzuwenden, möchte es aber nicht unkommentiert lassen. Und so lesen wir:
Abermals propagiert er [Meinunger, Th.N.] hierbei längst Etabliertes: Bekenntnisse zur deskriptiven Ausrichtung sind natürlich auch in der älteren Literatur häufig; vgl. etwa Minor (1892: 15) und Roedder (1904: 82 f.). Eine Orientierung am Sprachgebrauch fordern sehr nachdrücklich Kaerger (1892: 8, 10, 15 u.ö.), Tappolet (1898: 2 f., 23-25) und ebenso Minor (1892: 15, 23-28), welcher daraus auch die Einbeziehung statistischer Erhebungen und Korpusuntersuchungen ableitet und eine solche Erhebung auch selbst praktiziert. Ähnliches findet sich auch bei Behaghel (1894: 254-273) (55).
Dass der argumentative Mehrwert solch einer fleißigen Auflistung für die Debatte zwischen Meinunger und Sick allerdings gegen null tendiert, scheint Rinas übersehen zu haben. Noch deutlicher findet sich dieses argumentative Nullsummen-Spiel in einer Passage, in der es um das korrekte Verständnis des TerminusPerfektgeht. Der Sprach-Entertainer Bastian Sick fasstPerfektals „vollendete Gegenwart“ mit „Bezug zur Gegenwart“ auf (Sick 2008: 262). Meinunger führt gegen diese (bekanntlich auch in der Schulgrammatik verbreitete) Sicht an, dass Sick hier wohl englischen Grammatikschreibern oder der Etymologie des WortesPerfektfolge (vgl. Meinunger 2009: 93). Rinas bemerkt zu diesem Argument: „Das ist blanker Unsinn.“ (49) Als Beleg führt er nun diverse Autoren vom 17. bis 20. Jahrhundert an, die das Perfekt ebenso falsch wie Sick gedeutet haben. Mithin – so Rinas knapp – „bedurfte [es] hier weder einer Entlehnung aus englischen Grammatiken noch einer falschen etymologischen Deutung“ (49). Sick stehe hier vielmehr „in einer uralten Tradition der deutschen Grammatikschreibung, die sich von der lateinischen Grammatik herleitet“ (49).
Mir scheint, dass Rinas‘ dürftige Argumentation, die immer wieder mittels einer breitschultrigen Wortwahl verstärkt werden soll, hier (wie übrigens an zahlreichen anderen Stellen) nicht dazu ausreicht, Meinungers These als „blanken Unsinn“ abzuqualifizieren. Denn es bleibt ja auch nach Rinas‘ Argument offen, woher Sick seine Weisheit in diesem Falle bezieht. Eine alte englische oder deutsche Schulgrammatik kommt hier genauso in Betracht wie Sicks eigene etymologisierende Deutung. Dies scheint schließlich auch Rinas zu sehen, wenn er anmerkt: „Es kommen somit viele Quellen in Betracht, aus denen Sick geschöpft haben kann.“ Die sich anschließende Behauptung Rinas‘: „Um seine eigene (Lehn-)Schöpfung handelt es sich gewiss nicht,“ (49) ist zumindest argumentativ nicht belegt, und sie ist wohl auch nicht zu belegen. Weiterhin fällt auf, dass Rinas auch hier eine polemische Auseinandersetzung auf einem Nebenkriegsschauplatz führt: Entscheidend dürfte doch sein, dass Bezeichnungen für Tempora lediglich als Namen aufzufassen sind, die eben nicht in einer wie auch immer zu verstehenden wörtlichen Bedeutung aufzufassen sind. Woher Sprachkritiker wie Sick ihre jeweilige (falsche) Sicht der Dinge beziehen, scheint dagegen vergleichsweise nebensächlich, zumal Meinunger und Rinas in der Sache ja offensichtlich gleicher Meinung sind.
Bei weiteren sprachlichen Phänomenen, die Meinunger bei Sick kritisiert (so etwa die Kritik an Zeitangaben des Typsin 2011oderan der Behandlung von Fugenelementen) pflichtet Rinas Meinunger in der Sache bei, weist jedoch immer wieder in oberlehrerhafter Manier darauf hin, dass auch ältere Autoren derartiges bei Wustmann kritisiert hätten. Nur werden dadurch Meinungers Argumente ja keineswegs entkräftet. Über weite Strecken liest sich Rinas Buch daher wie ein Wettstreit mit Meinunger um die Frage: Wer kennt den frühesten Beleg, in dem das jeweils zur Diskussion stehende sprachliche Phänomen diskutiert wurde? Dementsprechend kann Rinas es sich auch nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass auch von Polenz keineswegs der erste war, der sich mit Funktionsverbgefügenbeschäftigt hat. Vielmehr gebe es auch hier schon Vorläufer aus dem 19. Jahrhundert (vgl. 97).
Meinunger (2012: 227) selbst wertet diese Art von Argumentation überaus freundlich als Missverständnis:
Zugegebenermaßen habe ich bis auf Wustmann keinen der Angegebenen gekannt. Allerdings muss zu meiner und auch Sicks Verteidigung gesagt werden, dass unsere Textsorte eine andere ist, als Rinas unterstellt und einfordert. Weder Sick noch ich waren angetreten, die sprachkritische oder sprachwissenschaftliche Diskussion unter traditioneller Perspektive, das heißt jeweils mit Bezug auf bereits Geleistetes, systematisch weiterzuentwickeln. [...] Beide Ansätze verstehen sich nicht als systematische Auseinandersetzung mit dem vorliegenden sprachpflegerischen oder linguistischen Fundus an Arbeiten.
Es gibt nun allerdings in diesem Zusammenhang eine erstaunliche Bemerkung von Rinas. Er nimmt nämlich einige Linguisten ausdrücklich von der beklagten Geschichtsvergessenheit aus, wenn er schreibt:
Es sei betont, dass es auch heute noch Sprachwissenschaftler mit einem ausgeprägten historisch-philologischen Bewusstsein gibt. Hierzu gehören beispielsweise Harald Weinrich, Helmut Glück, Ludwig Jäger und Rudi Keller. (10)
Die vier hier genannten Linguisten können sich also glücklich schätzen, dem Verdikt Rinas‘ noch einmal entgangen zu sein und aus seinem berufenen Munde vom Verdacht des Fachidiotentums und der Geschichtsvergessenheit befreit zu werden. Nun sind mir die beiden letztgenannten aus meiner Beschäftigungszeit an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf (1994 bis 2004) und aus der Zeit, in der ich an der RWTH Aachen den Lehrstuhl von Ludwig Jäger vertreten habe (2004 bis 2009), bestens bekannt. Rinas‘ Bemerkungen kann ich also in diesem Punkt ohne Abstriche bestätigen. Allerdings evoziert diese Passage mindestens zwei Fragen.
1)Wenn die ausdrückliche Nennung von Namen einen argumentativen Mehrwert in der von Rinas angefachten Auseinandersetzung haben soll, dann wäre es gut, einen Blick in die einschlägigen Arbeiten der genannten Kollegen zu werfen. Bei Keller käme hier an erster Stelle sein Sprachwandel-Buch infrage (Keller 2003), das ja wichtige Argumente gegen die von zahlreichen Sprachkritikern (und auch von Meinunger) verfochtene organistische Sprachauffassung präsentiert, indem es dafür plädiert, Sprache als Phänomen der 3. Art aufzufassen, dessen Wandel nicht von Sprechern bzw. Sprachkritikern intentional herbeigeführt werden kann. Weiterhin äußert Keller sich auch sonst explizit und deutlich ablehnend zu sprachlichen Untergangsszenarien, in denen die Bedrohung der deutschen Sprache durch Fremdwörter heraufbeschworen wird (vgl. Keller 2006). Dies alles erwähnt Rinas jedoch nicht, sondern zitiert lediglich Kellers Buch zur Sprache von Geschäftsberichten als positives Beispiel für Sprachkritik, das allerdings – wen wundert es bei der Belesenheit des Autors? – „wenig Neues zu bieten hat“ (153).
2)Auch die Verdienste Ludwigs Jägers um die historische Sprachwissenschaft müssen hier nicht besonders betont werden – ich erwähne lediglich summarisch seine wegweisenden Saussure-Studien (z.B. Jäger 2010) wie auch seine Überlegungen zu Synchronie und Diachronie (Jäger 1998) oder zur Sprachevolution (Jäger 2008). In der Debatte um Sprachkritik hat Ludwig Jäger sich meines Wissens jedoch nie zu Wort gemeldet. Von daher kann man zumindest erstaunt sein, seinen Namen in diesem Kontext zu finden. Als Beispiel für LinguistInnen mit „historisch-philologischem Bewusstsein“ ließen sich zweifelsohne weitere sprachhistorisch ausgewiesene KollegInnen nennen – nur fragt sich auch hier, welchen argumentativen Mehrwert ein Name-Dropping dieser Art haben soll.
3.2Deskriptivismus
Das zweite Argument, das Rinas wiederholt betont, ist der so genannte Deskriptivismus oder – um einer Formulierung Rinas‘ die Ehre zu geben – das „Elend des Deskriptivismus“ (57). Damit wendet er sich gegen die Position Meinungers, der sich in der Tat scharf gegen Sprachnormierer ausspricht und seinerseits unzulässig verallgemeinernd über „Sick, Duden und Co.“ (2009: 46) schreibt.[4]Andererseits erkennt Meinunger die Notwendigkeit präskriptiver Grammatiken durchaus an und erteilt ihnen explizit eine „Existenzberechtigung“ (ebd.), da „die Menschen ein Bedürfnis nach Verbindlichkeit, nach konkreten Vorgaben“ hätten:
Der Sinn der normativen Grammatik sollte sein, wesentliche Aussagen über eine verbindliche Verwendung von Sprache zu machen. Es sollten Hinweise gegeben werden, was als angemessen anzusehen ist, wenn Sprache im öffentlichen Leben verwendet wird [...] (Meinunger 2009: 47)
Gegen diese Sichtweise scheint mir wenig einzuwenden zu sein. Und auch die in diese Richtung weisenden Bemerkungen von Maitz und Elspaß, wonach es Aufgabe der Linguistik sei, „Vielfalt und Wandel als natürliche Eigenschaften von Sprache bewusst zu machen und den angemessenen, toleranten Umgang mit ihnen zu fördern“ (2007; zit. nach Rinas 90), scheint mir nachvollziehbar. Ich kann darin auch nicht erkennen, dass Maitz und Elspaß „mit Feuereifer die geltende Norm [...] verdammen“ (Rinas 91). Die entscheidende Frage, die Rinas allerdings gar nicht zu sehen scheint, besteht in diesem Zusammenhang darin, welchen Stellenwert sprachliche Normen haben und wie sie ermittelt und beschrieben werden können. Das haben Linguisten wie D. Busse (2006), Dürscheid (2012), Gloy (2004), Hundt (2002, 2005, 2009), Schneider (2013) und viele andere ausführlich diskutiert. Und selbstverständlich greift die von Rinas immer wieder angeführte Unterscheidung vondeskriptivundnormativzu kurz, zumindest wenn mandeskriptivundnormativals kontradiktorische Gegensätze auffasst. Denn – anders als Rinas immer wieder fälschlich unterstellt –geht es deskriptiven Linguisten ja keineswegs darum, Normativität grundsätzlich abzulehnen. Die entscheidende theoretische Frage richtet sich hingegen darauf, wie die Formulierung von Normen linguistisch zu legitimieren ist. Eine weitere interessante Frage in diesem Zusammenhang ist die nach dem Verhältnis von Sprachsystem und Sprachnorm. Ähnlich wie die von populären Sprachkritikern gern gemachte Unterscheidung vonrichtigundfalschin sprachlichen Fragen häufig zu kurz greift, so tut dies jedenfalls auch die simple Entgegensetzung vonnormgemäßundnormwidrig.[5]
Rinas hingegen beschränkt sich darauf, die Existenz sprachlicher Normen generell zu verteidigen. Und mit seiner rhetorischen Frage „Warum sollten für sorgfältig geplante sprachliche Äußerungen nicht teilweise andere Formulierungsmaximen gelten können als für spontan gesprochene“ (65) kann er nicht einmal glaubhaft insinuieren, dass ernstzunehmende Linguisten den Unterschied zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit nicht ausführlich gewürdigt hätten.
Insgesamt zeigen auch diese Ausführungen, dass Rinas immer wieder ad hoc argumentiert, auch wenn sich dabei Widersprüche ergeben. So konstatiert er einerseits eine „unzulängliche Berücksichtigung von Sprachvarietäten seitens der Sprachwissenschaft“ (66), meint aber wenige Seiten später kritisieren zu müssen, „wie stark in der heutigen Linguistik die Tendenz zur Etablierung von Sprachvarietäten ist“ (79).
Derartige Ad-hoc-Argumentationen und Vergröberungen führen bei Lesern, die die Auseinandersetzung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachkritik nicht im Detail kennen, möglicherweise zu verzerrten Vorstellungen von dem, wie Linguisten, die sich kritisch zu einer bestimmten Art von populärer Sprachkritik äußern, tatsächlich argumentieren. In diesem Zusammenhang zitiert Rinas die Linguisten Helmut Henne und Walther Dieckmann. Letzterer hat prognostiziert, dass bestimmte sprachkritische „Ladenhüter“ den „Sprachkritikern auch in Zukunft erhalten bleiben, und mit ihnen die Dummen, über die sich auch die Leser und Leserinnen erheben können“ (zit. nach Rinas 75). Der sonst von Rinas geschätzte (vgl. 109, 153-154) Willy Sanders (1992: 5-6) schreibt in diesem Zusammenhang treffend von einem „reichhaltigen Sortiment sprachkritischer Musterstücke“ und meint damit Wortpaare wiedas Gleiche/dasselbe,schwer/schwierig, völlig/vollkommen, die in der sprachkritischen Literatur immer wieder in belehrender Weise aufgegriffen werden. Linguisten wie Dieckmann und Sanders aufgrund der zitierten Aussagen das Argument in den Mund zu legen, dass sprachkritische Vorschläge allein deshalb schon überflüssig seien, weil sie nicht allgemein befolgt würden (vgl. 75), zeugt entweder von einer böswilligen Unterstellung oder aber mindestens von einer mangelnden intellektuellen Durchdringung ihrer Argumente.