Pferdeflüsterer-Academy, Band 13: Taminos Entführung (berührende Pferde-Reihe im wilden Kanada ab 10 Jahren) - Gina Mayer - E-Book

Pferdeflüsterer-Academy, Band 13: Taminos Entführung (berührende Pferde-Reihe im wilden Kanada ab 10 Jahren) E-Book

Gina Mayer

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Beschreibung

Im wilden Kanada steht ein weißes Schloss: Snowfields. Auf dem Internat werden die weltbesten Reiter ausgebildet und verletzte Pferdeseelen geheilt. Zoes neue Mitschülerin Mika ist allen ein Rätsel. Sie lässt niemanden an sich heran und verstummt bei Fragen über ihre Vergangenheit. Als eines Nachts das wertvolle Jungpferd Tamino aus dem Stall verschwindet, gerät sie sofort in den Kreis der Verdächtigen. Doch Zoe will ihr eine Chance geben und findet schnell heraus, dass Mika nicht die Einzige in Snowfields ist, die etwas zu verbergen hat … Entdecke alle Abenteuer an der "Pferdeflüsterer-Academy": Band 1: Reise nach Snowfields Band 2: Ein geheimes Versprechen Band 3: Eine gefährliche Schönheit Band 4: Verletztes Vertrauen Band 5: Zerbrechliche Träume Band 6: Calypsos Fohlen Band 7: Flammendes Herz Band 8: Zoes größter Sieg Band 9: Cyprians Rückkehr Band 10: Die dunkle Wahrheit

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Seitenzahl: 183

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2024

Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag

© 2024 Ravensburger Verlag

 

Text: Gina Mayer

Vermittelt durch die Literaturagentur Arteaga, Berlin

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung von Bildern von

© Mike Pellinni / Shutterstock (Landschaft),

© Parfonovaluliia / iStock (Gesicht Mädchen),

© Izabela Magier / Shutterstock (Körper Mädchen),

© AnetaZabranska / Shutterstock (Pferd)

© Abramova Kseniya / Shutterstock (Pferd Rücken)

© dimpank / Shutterstock (Mond)

Pferdevignette: © jutka5 / iStock

 

Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durchRavensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.

ISBN 978-3-473-51217-1

 

ravensburger.com

Was passiert denn jetzt mit dir?“, fragt Megis und sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. „Du hast doch niemanden, der sich um dich kümmert.“

Die Frage richtet sich nicht wirklich an mich, Megis weiß ganz genau, dass ich auch keine Antwort darauf habe.

Ich versenke meine Hände tief in den Taschen. Die Finger meiner Rechten stoßen auf den Mondstein, den mir meine Mutter gegeben hat, kurz bevor sie gestorben ist. Es ist ein magischer Stein, er nimmt alle schlimmen Gefühle in sich auf, Hass, Wut und Verzweiflung. Ich finde, dass er in den letzten Tagen viel schwerer geworden ist.

„Ich schaff das schon“, sage ich zu Megis. „Ich bin doch kein kleines Kind mehr.“

Megis lächelt traurig. Dreizehn Jahre. Das ist zu jung, um für sich selbst zu sorgen. Diesen Gedanken spricht sie nicht aus, aber ich weiß, dass sie das denkt.

Megis ist unsere Nachbarin. Sie hat sich in letzter Zeit viel um mich gekümmert, doch das kann nicht ewig so weitergehen, das ist mir klar. Und mir ist genauso klar, dass ich nicht ins Waisenhaus will.

Ich will hierbleiben und ich will Flake behalten. Ich darf ihn nicht auch noch verlieren.

„Heute Nacht kommst du erst mal mit zu uns“, sagt Megis.

Der Winter hatte von einem Tag auf den anderen begonnen. Gestern war es noch sonnig gewesen und so warm, dass Zoe beim Ausreiten nur die leichte Daunenjacke gebraucht hatte.

Heute blies ihr ein eisiger Wind ins Gesicht, als sie aus dem Hinterausgang des Schlosses trat. Ihr Atem ballte sich vor ihrem Mund zu einer weißen Wolke zusammen.

„Ich hab ganz vergessen, wie kalt es hier werden kann“, sagte Isaac, der hinter ihr aus der Tür kam. Er wickelte die Enden seines Schals noch mal um seinen Hals. „Cyprian wartet schon auf uns.“

Er wies mit dem Kopf auf die hochgewachsene Gestalt, die in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war. Cyprian stand auf dem schmalen Weg, der am Internatsgebäude entlangführte. Im gelben Licht der Laternen sah Zoe, wie er fröstelnd von einem Fuß auf den anderen trat.

„Guten Morgen“, sagte er. „Was ist mit Cathy?“

„Die war nicht wach zu kriegen“, sagte Zoe. „Ich hab’s versucht, aber selbst ein nasser Waschlappen hat nichts gebracht.“

„Wundert mich das?“, fragte Cyprian.

„Aoife* ist auch nicht aufgekreuzt“, erwiderte eine helle Mädchenstimme mit einem unverkennbar französischen Akzent. „Guten Morgen, ihr drei.“

Zoes Freundin Isabelle trat jetzt aus der Dunkelheit und lächelte in die Runde. Isabelle war Kanadierin, genau wie Zoe, allerdings stammte sie aus Quebec im französischsprachigen Teil des Landes. Mit ihren dunklen mandelförmigen Augen und dem seidig glänzenden Haar war sie das schönste Mädchen, das Zoe kannte.

Die vier Freunde begegneten keinem Menschen, als sie zu den Koppeln liefen, um ihre Pferde zu holen. Es war sieben Uhr am Sonntag – das Internat lag um diese Zeit noch im Tiefschlaf. Die Sonne würde erst in anderthalb Stunden aufgehen.

Zoe war jedoch eine passionierte Frühaufsteherin und seit sie in der Snowfields Academy war, nutzte sie die frühen Stunden am Wochenende, um auszureiten. Ihr Freund Isaac war zum Glück ebenfalls kein Langschläfer und begleitete sie auf ihren Runden über die Wiesen oder durch den Wald.

Bei ihren letzten Wochenendausritten waren sie regelmäßig Cyprian und Isabelle begegnet und danach hatten sie den Weg zu viert fortgesetzt. Deshalb hatten sie sich gestern beim Abendessen direkt mit ihnen verabredet.

Cathy und Aoife hatten das mitbekommen und beschlossen, sie zu begleiten. Obwohl die zwei nun wirklich zur Langschläferfraktion gehörten, die bis zum Mittag im Bett blieb. Cathy tat sich schon schwer damit, pünktlich zum Unterrichtsbeginn aufzukreuzen, und Aoife war ebenfalls eine Nachteule.

Zoe vermutete, dass die Freundinnen nur deshalb mitkommen wollten, weil die Ausritte vor Sonnenaufgang von der Schulleitung überhaupt nicht gerne gesehen wurden. Und alles, was verboten oder zumindest nicht richtig erlaubt war, übte auf Cathy und Aoife einen unwiderstehlichen Reiz aus.

Zoe blieb mit Shaman auf dem Weg stehen, während ihre Freunde ihre Pferde an der Stange vor der Sattelkammer festmachten. Sie musste den schwarzen Mustang nicht satteln – im Gelände ritt sie ihn ohne Sattel und nur mit dem Halsring. Auch das stieß bei der Schulleitung auf keine große Begeisterung, aber es wurde geduldet.

Inzwischen war es Viertel nach sieben. Cathy und Aoife waren immer noch nicht aufgetaucht, obwohl sie sich für sieben Uhr verabredet hatten.

„Soll ich Aoife mal anrufen?“, überlegte Zoe laut.

„Kannst du machen“, sagte Isaac, während er den Sattel auf den schokoladenbraunen Rücken seines Hengstes Nadir legte. „Aber ob sie das Klingeln hört? Vermutlich weckst du nur ihre Mitbewohnerinnen …“

Er unterbrach sich, weil plötzlich leise Hufschläge zu hören waren.

„Da kommen sie!“, rief Zoe. „Wunder geschehen immer wieder.“

Doch im selben Moment erkannte sie die Frau, die jetzt mit einem Pferd am Halfter ins Laternenlicht trat.

„Siri“, murmelte Zoe überrascht.

„Hallo, Zoe!“ Siri Goldberg schien genauso erstaunt zu sein, sie zu sehen. „Guten Morgen.“ Nun hatte die Lehrerin auch die anderen entdeckt. Siri arbeitete seit Anfang des Schuljahres im Internat und hatte es in der kurzen Zeit geschafft, zur beliebtesten Lehrerin der Schule zu werden. Sie war lustig, interessiert und eine tolle Reiterin – im Moment war sie allerdings vor allem total nervös. „Na, so was. Was wollt ihr denn hier um diese Zeit?“ Sie schob eine lange dunkle Haarsträhne unter ihren Helm, die sofort wieder in ihr Gesicht fiel.

„Ausreiten“, sagte Zoe. „Wie immer am Wochenende.“

Hinter ihr erklangen die Schritte eines weiteren Pferdes. Zoe wechselte einen schnellen Blick mit Isabelle, die die Hufschläge ebenfalls gehört hatte und die Augen verdrehte.

Bei ihren Ausritten wurde Siri fast immer von Mrs. de Cesco begleitet. Die stellvertretende Direktorin der Snowfields Academy hatte überhaupt erst dafür gesorgt, dass Siri Goldberg hierhergekommen war. Niemand verstand so recht, was die gnadenlos strenge Ellen de Cesco und Siri miteinander verband, aber die beiden kannten sich seit langer Zeit und waren sogar einmal ein Paar gewesen.

„Ich bin fertig. Sollen wir mal los?“ Isaac löste Nadirs Halfterstrick von der Stange. Genau wie Zoe und Isabelle hatte er überhaupt keine Lust auf eine Begegnung mit Mrs. de Cesco. Sie gingen schließlich alle in die Pferdeflüsterer-Klasse und jeder von ihnen war schon etliche Male mit Ellen de Cesco aneinandergeraten.

Die stellvertretende Direktorin hatte sich damals mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als in dem renommierten Reitinternat eine Spezialklasse für Natural Horsemanship eingerichtet worden war. Ihrer Meinung nach hatte dieses Fach an einer Eliteschule wie Snowfields nichts verloren. Schließlich war es der Sinn und Zweck der Schule, Nachwuchsreiterinnen und -reiter auf eine Karriere im internationalen Turniersport vorzubereiten. Und eine Kuscheltherapie mit Pferden – wie Mrs. de Cesco das Natural Horsemanship verächtlich nannte – half einem dabei garantiert nicht weiter.

„Unbedingt“, sagte Isabelle, während sie sich hastig auf den Rücken ihrer Stute Chenoa schwang. „Ich hab Aoife eine Nachricht geschrieben. Cath und sie können ja nachkommen, wenn sie das lesen, bevor wir zurück sind.“

Cyprian saß bereits im Sattel und auch Zoe stemmte sich nun an Shamans Seite nach oben. Sie würden den hinteren Steg über den Schlossgraben nehmen, auf diese Weise mussten sie nicht an Mrs. de Cesco vorbei.

Während Shaman sich nach Chenoa einreihte, drehte Zoe sich noch einmal kurz zu ihrer Lehrerin um. Und bemerkte zu ihrer Überraschung, dass es gar nicht Mrs. de Cesco war, die auf den Sattelplatz trat, sondern ihr Lehrer Caleb Cole.

„Hallo, Caleb.“ Isaac hatte ihren Lehrer ebenfalls bemerkt.

„Morgen.“ Caleb, der die Stute Fire am Halfter führte, war auf dem Weg stehen geblieben. Er nickte ihnen zu und fummelte dann an Fires Halfter herum. Er war eindeutig verlegen!

Es war ein offenes Geheimnis an der Schule, dass sich der Pferdeflüsterer genau wie Mrs. de Cesco sehr für Siri Goldberg interessierte. Auch Caleb und Siri waren einmal für kurze Zeit ein Paar gewesen, aber nach Calebs Reitunfall mit Shaman war ihre Beziehung zerbrochen.

Dass die beiden im Morgengrauen miteinander ausritten, war hingegen neu.

„Yippie!“, jubelte Isabelle, als sie kurz danach über die Wiesen in Richtung Wald galoppierten. Der Mond stand wie eine große blassgelbe Frisbeescheibe zwischen den Gipfeln der schneebedeckten Berge, die Snowfields den Namen gegeben hatten, und tauchte seine Umgebung in fahles silbernes Licht. Über den Bergkuppen verfärbte sich der Himmel jedoch bereits rötlich. Allzu lange würde es nicht mehr dauern, bis die Sonne aufging. „Ich glaube, jetzt hat es endlich zwischen den beiden gefunkt.“

„Das wäre echt super“, sagte Zoe, während sie Shaman neben Chenoa lenkte.

„Hast du gesehen, wie aufgeregt Siri war? Und Caleb auch!“, erwiderte Isabelle, ohne dabei langsamer zu werden.

Siri war schon lange in Caleb verliebt, das wusste Zoe. Aber diesmal würde sie sich sicher nur auf den Pferdeflüsterer einlassen, wenn er es ernst meinte.

Den gemeinsamen Ausritt durfte man jedenfalls nicht überbewerten. Isabelle und Cyprian ritten schon seit über einem Monat jedes Wochenende zusammen aus und waren trotzdem kein Paar. Dabei passten sie perfekt zueinander – genau wie Caleb und Siri.

Zoe hatte mehrmals versucht, aus ihrer Freundin herauszubekommen, wie die Dinge zwischen ihr und Cyprian standen. Aber sie hatte nur kurze, ausweichende Antworten erhalten.

„Das Kapitel ist für mich abgeschlossen“, hatte Isabelle einmal erwidert.

Zoe verstand, dass Isabelle die Sache mit Petter immer noch nachging. Isabelle und ihr ehemaliger Mitschüler hatten eine kurze, aber ziemlich heftige Beziehung gehabt – bis Petter von der Schule geflogen war und Isabelle begriffen hatte, dass er sie die ganze Zeit nach Strich und Faden belogen hatte. Kein Wunder, dass sie jetzt die Nase voll von der Liebe hatte.

Und Cyprian war das vermutlich ganz recht. Zoe war selbst eine Zeit lang mit ihm zusammen gewesen und hatte dann einsehen müssen, dass sie als Freunde einfach besser funktionierten.

 

*  Ausgesprochen wird der Name wie „I-fa“.

Die mächtigen Buchen und Ahornbäume am Waldrand hatten schon vor Wochen ihr Laub abgeworfen. Durch die kahlen Zweige schien der Mond und so war es relativ hell auf den Wegen.

Cyprian, der die Gruppe auf seinem Appaloosa-Hengst Eclipse anführte, setzte gerade über einen dicken Baumstamm hinweg, der quer über dem Weg lag. Isaac sprang mit Nadir hinterher und Chenoa folgte dem Hengst, ohne zu zögern.

Als Letzter stieß Shaman sich von der Erde ab und wie immer, wenn der Mustang lossprang, hatte Zoe das Gefühl, dass er sich gleich in die Lüfte erheben und nie mehr auf dem Boden aufkommen würde. Sie lehnte sich weit nach vorn, sodass ihr Oberkörper ganz dicht an dem nachtschwarzen Pferdehals lag. Und hatte das Gefühl, dass in ihrer Brust ein Feuerwerk explodierte – vor lauter Glück.

Die Freunde trabten jetzt hintereinander auf einem schmalen Waldpfad, der über und über mit raschelndem Laub bedeckt war. Der Sonnenaufgang hatte eingesetzt und der Himmel über dem Wald leuchtete rot und violett.

Zoe sah, wie Isabelle ihr Handy aus der Tasche zog und einen schnellen Blick auf das Display warf.

„Cathy und Aoife sind wach!“, rief sie. „Cath ist sauer, dass wir ohne sie losgeritten sind.“

„Die hat sie ja wohl nicht alle.“ Cyprian, der immer noch vorn ritt, drehte sich um und zog eine Braue hoch. „Es ist fast halb neun und wir waren für sieben verabredet.“

„Was – schon halb neun?“, fragte Isaac. „Kein Wunder, dass ich tierischen Hunger habe. Wir sollten mal langsam zurück.“

„Dann müssen wir da vorne nach rechts“, sagte Zoe. „Das ist der kürzeste Weg zum Schloss.“

Sie hatte die Wildnis, die die Snowfields Academy umgab, von Anfang an geliebt. Sobald sie in das Zwielicht unter den hohen Baumkronen eintauchte, hatte sie das Gefühl, nach Hause zu kommen.

Ihrem Freund Isaac, der aus Neuseeland kam, ging es genauso und auch Cyprian und Isabelle liebten den Wald. Aber keiner von ihnen kannte sich so gut darin aus wie Zoe. In ihrem ersten Sommer in Snowfields war sie mit Shaman aus dem Schloss geflüchtet und hatte mehrere Tage mit ihm in der Wildnis verbracht. Das Abenteuer hätte Zoe fast das Leben gekostet, dennoch hatte sie sich nie mehr so frei gefühlt wie damals.

Der Pfad, den sie jetzt einschlugen, war breiter, nun konnten zwei Pferde nebeneinander traben.

Zoe lenkte Shaman neben Chenoa. Der kraftvolle schwarze Hengst und die feingliedrige Schimmelstute hätten unterschiedlicher nicht sein können, aber Gegensätze zogen sich bekanntlich an – Shaman hatte von Anfang an Chenoas Nähe gesucht.

„Hast du schon was für das Politikreferat gemacht?“, fragte Zoe Isabelle.

„Bin noch nicht dazu gekommen.“ Ihre Freundin zog eine Schnute. „Du?“

„Ich auch nicht. Aber wir sollten mal langsam anfangen. Wir haben nur noch eine Woche.“

Zoe und Isabelle sollten gemeinsam einen Vortrag über den Klimawandel halten – besonders im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Wälder in Kanada. Das Thema war total interessant, wenn sie nur mehr Zeit gehabt hätten, sich damit zu beschäftigen.

Neben den normalen Fächern und dem Unterricht in Natural Horsemanship standen für die Pferdeflüsterer schließlich auch zahlreiche Reitstunden auf dem Stundenplan. Genau wie die Schüler der anderen Klassen mussten auch sie Springreiten, Dressur und Geländereiten lernen. Als Pferdetrainer und -therapeuten wären sie schließlich ihr Leben lang mit dem professionellen Reitsport verbunden. Je mehr sie darüber wussten, desto besser.

Und für Zoe gab es neuerdings noch eine zusätzliche Herausforderung. Seit Kurzem war sie eine der Schülerinnen in der frisch gegründeten Eventing-Klasse von Kiano Zwane. Eventing – die Kombination aus Springreiten, Dressur und Geländeritt – war ein neuer Schwerpunkt im Ausbildungsspektrum der Snowfields Academy. In den letzten Monaten war dafür am Rand des Schulgeländes eine professionelle, große Military-Anlage errichtet worden.

Kiano Zwane, der extra für den Eventing-Unterricht eingestellt worden war, hatte als Military-Reiter schon viele internationale Pokale und Auszeichnungen gewonnen und trat auch heute noch bei Eventing-Turnieren an.

Als Mr. Zwane Zoe vorgeschlagen hatte, in seine Klasse zu kommen und parallel dazu als Pferdeflüsterin weiterzumachen, war sie überzeugt gewesen, dass Caleb das niemals akzeptieren würde. Aber zu ihrer Überraschung hatte der Pferdeflüsterer eingewilligt.

Seitdem hatte Zoe fünf Stunden Eventing-Unterricht in der Woche, dafür fielen zwei Theoriestunden bei Caleb weg, die sie allerdings allein nachholen musste. Ihr Stundenplan war also wirklich bis zum Bersten gefüllt. Jede zusätzliche Aufgabe – wie zum Beispiel das Politikreferat – wurde zur Feuerprobe.

„Wie sieht’s bei dir morgen Nachmittag um halb vier aus?“, fragte Zoe jetzt. „Ich hätte nach Eventing eine Stunde Zeit. Kannst du da auch?“

Isabelle schob eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht und stopfte sie unter den Reithelm. „Ich hab Caleb versprochen, ihm nachmittags im Round-Pen zu helfen.“

Zoe spürte sofort wieder einen vertrauten Stich in der Brust. Es war eine unangenehme Mischung aus Eifersucht und Neid – und dem Gefühl der Unterlegenheit.

Caleb Cole hatte nur eine halbe Stelle als Lehrer in der Snowfields Academy. In der übrigen Zeit therapierte er Pferde, die von ihren verzweifelten Besitzern aus der ganzen Welt in den Nordwesten Kanadas gebracht wurden, damit Caleb sie von ihren Macken und Zwängen befreite. Seine Erfolge waren so groß, dass die Pferdebesitzer die weite Anreise gerne in Kauf nahmen und Calebs Warteliste immer länger wurde.

Wenn er mit einem Pferd im Round-Pen arbeitete, ließ er sich meist von einem der Schüler assistieren. Cyprian und Isabelle hatten ihn von Anfang an unterstützt, beide waren mit Pferden aufgewachsen und hatten ein unglaubliches Gespür für verstörte und traumatisierte Tiere. Auch Isaac ging Caleb oft zur Hand und manchmal fragte Caleb sogar Cathy, die im Umgang mit Pferden ebenfalls super war, aber leider auch chaotisch und unzuverlässig.

Nur Zoe hatte Caleb noch kein einziges Mal um Hilfe gebeten. Und das hatte seine Gründe.

Bevor Zoe nach Snowfields gekommen war, war sie Musikerin gewesen. Als Wunderkind an der Querflöte war sie schon als Zehnjährige weltberühmt gewesen und hatte Konzerte in ausverkauften Opernhäusern und Konzertsälen auf allen Kontinenten gegeben. Mit dreizehn hatte sie dann einen Burn-out erlitten, von einem Tag auf den anderen war plötzlich nichts mehr gegangen.

Damals war sie durch Zufall Shaman begegnet, der genauso durcheinander gewesen war wie sie selbst. Zoe hatte zu der Zeit keine Ahnung von Pferden gehabt und von Natural Horsemanship – wie das Pferdeflüstern offiziell genannt wurde – noch weniger. Dennoch hatte Shaman ihr von Anfang an vertraut. Der Mustang und sie hatten sich gegenseitig zurück ins Leben gebracht.

Caleb Cole, dem Shaman eigentlich gehörte, war Zoe so dankbar dafür, dass er ihr den Hengst danach überlassen hatte. Er selbst ging manchmal mit dem Rappen spazieren, doch obwohl Shaman ihn inzwischen wieder auf seinem Rücken akzeptierte, ritt er ihn so gut wie nie.

Zoe war nun schon seit über zwei Jahren in der Pferdeflüsterer-Klasse, aber sie verstand nach wie vor viel weniger von Pferden als ihre Klassenkameraden, die allesamt mit vier oder fünf Jahren mit dem Reiten begonnen hatten. Und diesen Vorsprung würde sie niemals aufholen – zumindest in Calebs Augen nicht.

Es war ungerecht, fand Zoe. Sie hatte doch schon so viel gelernt. Es kränkte sie, dass Caleb das einfach nicht anerkannte. Vielleicht war das der eigentliche Grund, warum sie Kianos Angebot akzeptiert hatte, in seine Klasse zu kommen.

Der Vielseitigkeitsreiter war neu an der Schule, er hatte Zoes holprigen Einstieg nicht mitbekommen und sah nur das, was sie heute konnte. Und davon war er begeistert.

„Ich hätte morgen nach dem Abendessen Zeit“, sagte Isabelle.

„Das geht auch“, sagte Zoe. „Vielleicht schaff ich es ja vorher schon, ein bisschen was vorzubereiten.“

„Das wäre super“, erwiderte Isabelle. „Caleb hat übrigens eine neue Schülerin in unsere Klasse aufgenommen“, wechselte sie dann das Thema.

„Echt?“, fragte Zoe. „Wann kommt sie?“

„Ach, guck mal da!“, rief im selben Moment Isaac, der neben Cyprian vor ihnen trabte. „Die Murmeltiere haben ausgeschlafen.“

Am Ende des Weges waren nämlich Cathy und Aoife aufgetaucht. Die beiden Freundinnen galoppierten auf ihren Pferden auf sie zu. Im Wald war es inzwischen so hell, dass das gefahrlos möglich war.

„Warum habt ihr nicht auf uns gewartet?“, zischte Cathy, während sie ihren Wallach Summer zügelte. Ihre Haare flackerten in einem wütenden Orangerot. Cathy hatte sie erst vor Kurzem gefärbt – sie wechselte die Haarfarbe wie andere Leute ihre Unterwäsche. Ihre Freundin Aoife verzichtete dagegen ganz auf eine Frisur. Sie hatte ihr Haar neulich raspelkurz rasiert. Wenn sie nicht gerade einen Reithelm trug, konnte man ihre helle Kopfhaut sehen. „Ihr seid echt rücksichtslos!“

Zoe und Isabelle wechselten einen amüsierten Blick. Cathys Vorwurf war einfach zu absurd. Cathy selbst machte immer genau das, was sie wollte. Dabei trampelte sie oft auf den Gefühlen der anderen herum, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Regeln und Vorschriften im Internat spielten für sie ebenfalls keine Rolle. Deshalb war sie schon mehrmals fast von der Schule geflogen.

„Komm schon, Cath, das ist jetzt unfair.“ Aoife legte eine Hand auf den Unterarm ihrer Freundin. „Wir waren einfach viel zu spät dran.“

Cathy durchbohrte erst ihre Freundin mit einem Blick, dann richtete sie die schwarz umrandeten Augen auf Zoe. „Du hast dich doch auf Zehenspitzen aus dem Zimmer geschlichen, damit ich nicht wach werde“, fauchte sie.

Zoe lächelte sonnig, das war ihre Antwort. Sie kannte Cathy lang genug, um zu wissen, dass jeder Widerspruch zwecklos war. Cathy musste erst Dampf ablassen, bevor man mit ihr reden konnte.

„Wir drehen mal eine Runde durch den Wald.“ Aoife klang wie eine Mutter, die ihr brüllendes Kind vom Süßigkeitenregal im Supermarkt wegzieht. „Bis später, Leute!“

Sie grinste entschuldigend, während sie ihre Stute Poppy an den Freunden vorbeilenkte.

Mit einem lauten Schnauben warf Cathy den Kopf in den Nacken, dann folgte sie ihrer Freundin.

„Man sollte Aoife ein Therapeutenhonorar zahlen“, sagte Zoe, als die beiden außer Hörweite waren. „Sie macht das echt toll.“

„Cathy-Flüstern“, sagte Isaac. „Könnte man auch als neues Fach in der Schule einführen.“

„Das überlass ich dann aber euch“, sagte Cyprian. „Für mich ist das zu schwer.“

Die ganze Nacht lang lasse ich meine Trauer in den Mondstein fließen und bete um Rettung.

Am Morgen schlüpfe ich in das schwarze Kleid, das Megis mir zurechtgelegt hat. Es ist sehr eng, ich kann kaum darin atmen.

Pater Ambrose erwartet uns in der Friedhofskapelle, hinter ihm steht Moms Sarg, auf dem Kränze liegen.

Pater Ambrose schüttelt mir die Hand. Er macht ein Gesicht, als ob seine Mutter gestorben wäre und nicht meine. Aber bevor er etwas sagen kann, geht die Tür auf und eine alte Frau betritt die Kapelle. Sie ist sehr groß und trägt ein buntes weites Kleid über einer ziemlich dreckigen Jeans.

„Lily-Ann!“, ruft sie. „Meine arme Lily-Ann.“ Sie wankt auf den Sarg zu, wirft sich darauf und fegt dadurch einen der Kränze zu Boden. Dann schluchzt sie laut und hemmungslos.

Lily-Ann – das war Moms Name. Aber wer ist diese Frau? Was will sie hier?

Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, dennoch kommt sie mir auf eine unangenehme, beunruhigende Weise vertraut vor.

Ich blicke zu Pastor Ambrose. Er zieht die Mundwinkel nach oben. Es sieht aus, als würde er die Zähne fletschen.

„Mein Kind“, sagt er. „Das ist deine Großmutter.“

Seit Anfang des Monats galt in Snowfields der Winterstundenplan. Am Vormittag hatten die Schüler nur drei Stunden Unterricht, dann war bis um halb fünf Zeit für Reitstunden und Ausritte. Am Abend gab es dann noch mal drei oder vier Stunden Theorie-Unterricht. Dadurch konnte zumindest ein Teil der Reitstunden bei Tageslicht und im Freien stattfinden.

Zoe kam gerade vom Eventing, nun hatte sie eine Dreiviertelstunde Freizeit. Sie überlegte kurz, ob sie die Zeit nutzen sollte, um das Politikreferat vorzubereiten. Keine Lust, stellte sie fest. Es war ein klarer, sonniger Tag und in einer halben Stunde würde es dunkel werden, sie wollte sich jetzt nicht ins Studierzimmer setzen.