Pferdeflüsterer-Mädchen, Band 4: Das kleine Wunder - Gina Mayer - E-Book

Pferdeflüsterer-Mädchen, Band 4: Das kleine Wunder E-Book

Gina Mayer

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Beschreibung

Auf den Klippen am Meer steht ein alter Hof – die Ocean Ranch. Hier lernt Ruby die Sprache der Pferde. Wenn Rubys Freundin Emily sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie so schnell nicht locker. Ihr neuester Wunsch: ein Blindenpferd, das sie ständig begleitet. Kaum hat sie Rubys Reitlehrer, den Pferdeflüsterer Patrice, davon überzeugt, ein Blindenpferd für sie auszubilden, steht es auch schon auf dem Hof. Doch ob sich der winzige, überaus schreckhafte Bruno für diese große Aufgabe eignet? Die neue Pferdeflüsterer-Reihe von Bestseller-Autorin Gina Mayer für Kinder ab 8 Jahren Entdecke alle Abenteuer der Reihe: Band 1: Rubys Entscheidung Band 2: Ein großer Traum Band 3: Das verbotene Turnier Band 4: Das kleine Wunder

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Seitenzahl: 98

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2022Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag© 2022 Ravensburger VerlagText © Gina MayerVermittelt durch die Literaturagentur Arteaga, BerlinIllustrationen © Florentine PrechtelCoverzeichnungen: Florentine PrechtelUmschlaggestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg, unter Verwendung von Bildern folgender Fotografen bei Shutterstock:© Daisy Shakespeare (Pferd); © Andrey_Arkusha (Mädchen);© djgis (Landschaft, Berge); © Olha Rohulya (Blumenwiese);© ValekStudio Download (Textur 1, Lichter); © Paladin 12 (Textur 2); © LightFieldStudios Download (T-Shirt); © BestPhotoStudio (Mädchenkörper); © Oleksii Nedolia (Pferdeaugen)Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.ISBN 978-3-473-51105-1www.ravensburger.de

Über dem blauen Meer tanzten die Möwen und stießen schrille Freudenschreie aus. Die Wiese neben dem Weg war weiß gesprenkelt von Gänseblümchen und auf den Hängen am Bach blühten gelbe Himmelschlüssel.

Ruby brachte Fantasy in einen schnellen Galopp und stob an Amir und Simon vorbei. Die Sonne schien ihr hell und warm ins Gesicht.

Frühling, dachte sie. Endlich Frühling!

Der Winter hatte sich schrecklich hingezogen. In den letzten Wochen hatte es fast durchgehend geregnet. Jedes Mal wenn sie ausgeritten oder mit den Pferden spazieren gegangen waren, waren sie vollkommen durchnässt zurückgekommen.

Heute Mittag waren die Temperaturen zum ersten Mal über fünfzehn Grad geklettert. Ruby war von der Schule nach Hause gerannt, hatte ihren Rucksack und die Winterjacke in die Ecke gepfeffert und ihre Reitsachen angezogen. Die Hausaufgaben würde sie nach dem Abendessen machen.

Der Weg schlängelte sich zwischen Ginsterbüschen hindurch nach oben. Nun hatte sie die höchste Stelle auf den Klippen erreicht.

Ruby ließ Fantasy anhalten und klopfte den silberweißen Hals der Stute. „Kurze Pause, meine Süße.“ Dann richtete sie sich wieder auf und atmete tief durch.

Die Aussicht machte sie jedes Mal aufs Neue schwindlig. Man konnte die halbe Küste Cornwalls überblicken, die Sandstrände, die wie Perlmutt in der Sonne glitzerten, und die steil abfallenden hellen Felsen, die sie umgaben.

„Irgendwann schießt du übers Ziel hinaus und landest im Meer“, sagte Simon.

Amir und er hatten die Plattform jetzt ebenfalls erreicht. Simon lenkte Dottie neben Fantasy. Das mit schwarzen Punkten gesprenkelte Fell der Stute war nass geschwitzt. Auch die dunkelbraune Chocolate, auf der Amir saß, hatte Schaum vor dem Maul. Dabei waren die beiden Pferde nicht annähernd so schnell galoppiert wie Fantasy, die überhaupt kein bisschen erschöpft wirkte.

„Vielleicht probieren wir das im Sommer mal aus“, erwiderte Ruby auf Simons Bemerkung. „Im Moment ist mir das Wasser noch zu kalt.“

Amir lachte. Seine schwarzen Augen richteten sich auf den Horizont, über den ein paar winzige Schiffe glitten. „Das ist so krass schön. Bin ich froh, dass ich hier wohne.“

„Und ich erst“, sagte Ruby.

Ihre Mum und sie hatten früher in Berlin gelebt. Im letzten September waren sie in die Kleinstadt Bickerick gezogen, in der Rubys Mutter auch geboren war. Der Anfang hier war für Ruby nicht ganz einfach gewesen, aber inzwischen konnte sie sich kein anderes Leben mehr vorstellen.

„Sollen wir noch runter in die kleine Bucht?“, fragte Simon.

„Klar“, sagte Amir. „Ich hab heute Zeit bis um sechs.“

Ruby wollte ebenfalls zustimmen, als ihr etwas Schreckliches einfiel.

„O nein!“, rief sie so laut, dass Fantasy irritiert den Kopf nach hinten drehte.

„Was denn?“ Simon sah sie überrascht an.

„Ich hab total vergessen, dass ich Emily gestern versprochen habe, mit ihr zu reiten.“

„Aber sie hat doch heute ohnehin schon Reitunterricht“, sagte Amir.

„Eben nicht. Miyu hat keine Zeit.“

Ruby holte ihr Handy aus der Tasche. Es zeigte vier Anrufe in Abwesenheit. Alle von Emily. Ruby hatte sie nicht gehört, weil sie das Telefon auf stumm gestellt hatte.

Sie waren für vier verabredet gewesen, inzwischen war es halb fünf.

Sie versuchte, Emily zurückzurufen, aber diesmal ging ihre Freundin nicht dran. Vielleicht war sie schon wieder auf dem Nachhauseweg.

„Ihr müsst allein weiterreiten“, rief Ruby den Jungen zu. „Ich muss sofort zurück.“

Sie wendete Fantasy und Sekunden später galoppierten sie den Weg wieder nach unten.

Die Ocean Ranch, die am Anfang der Klippen lag, bestand aus einem alten Farmhaus mit einem buckligen Reetdach. Daneben lagen eine kleine Reithalle, eine Scheune und ein moderner Pferdestall. Hinter den beiden Pferdekoppeln sollte bald noch eine zweite, größere Reithalle gebaut werden.

Als Ruby und Fantasy den Hof endlich erreicht hatten, stürmte ihnen Arthur entgegen, der Schäferhund der Ranchbesitzer Patrice und Kelly. Er sprang begeistert an Ruby hoch, als sie sich aus dem Sattel schwang.

Mit seinem massigen Schädel und den spitzen Zähnen sah er wirklich furchterregend aus, aber er war der gutmütigste Hund der Welt. Deshalb war er bei seiner Ausbildung zum Polizeihund ja auch ziemlich schnell ausgemustert worden. Arthur eignete sich nicht zur Verbrecherjagd, man hatte ihn einfach nicht scharf bekommen.

Ruby wuschelte ihm kurz durch das struppige Fell. Abgesehen von einer Handvoll Hühner, die vor der Scheune auf dem Boden scharrten, war niemand zu sehen. Laut Handy war es Viertel vor fünf, anscheinend war Emily wirklich schon abgeholt worden.

Wieder versuchte Ruby, sie anzurufen und erreichte nur die Mailbox.

„Mist!“, entfuhr es ihr.

Ruby beschloss, Fantasy erst mal abzuzäumen, aber als sie die Schimmelstute zum Sattelplatz führte, fuhr ein schwarzer Mercedes in den Hof. Der Wagen parkte vor der Reithalle und Emilys Mutter stieg aus.

„Hi, Ruby!“ Mrs Sullivan schob ihre große Sonnenbrille nach oben in die blonden Haare und winkte Ruby zu. „Du bist ja doch da. Emily hat gesagt, dass du sie versetzt hast.“

„Hab ich auch.“ Ruby band Fantasy an der Holzstange des Sattelplatzes fest. „Ich dachte, sie ist schon wieder zu Hause.“

„Sie hat mich angerufen, aber ich war noch beim Einkaufen.“

Mrs Sullivan war eigentlich Anwältin, genau wie ihr Mann. Aber sie hatte ihren Beruf aufgegeben, als Emily vor ein paar Jahren eine seltene Krankheit bekommen hatte, die sie langsam erblinden ließ.

Es hatte Emilys Eltern einiges an Überwindung gekostet, ihre Tochter zum Reiten auf die Ocean Ranch zu schicken. Sie waren so besorgt um ihr Kind und in einem Reitstall lauerten schließlich unendlich viele Gefahren für ein blindes Mädchen.

„Vielleicht ist sie in der Reithalle“, sagte Ruby.

„Das hoffe ich doch.“ Mrs Sullivan klang nervös. „Nicht, dass ihr irgendwas zugestoßen ist.“

Ruby trat als Erste in die kleine Halle, in der Kelly gerade mit dem achtjährigen Sebastian arbeitete. Sebastian, der das Downsyndrom hatte, trabte auf Marlons Rücken über die Reitbahn. Er machte das richtig gut.

Kelly stand in der Mitte der Fläche und hielt das Ende der Longe locker in der Hand. Die Ranchbesitzerin trug eine Jeanslatzhose und hatte die Haare im Nacken zu einem unordentlichen Knoten zusammengesteckt.

Kelly war Reittherapeutin und hatte sich auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert. Auch Emily war zuerst als ihre Patientin in die Ocean Ranch gekommen. Noch vor ein paar Monaten hatte das blinde Mädchen ihre Familie mit ihren Tobsuchtsanfällen in ständige Alarmbereitschaft versetzt. Seit sie mit dem Reiten begonnen hatte, war sie viel ausgeglichener und fröhlicher geworden.

Emily kam inzwischen nicht mehr zur Therapie, sondern nahm Reitunterricht bei der Trainerin Miyu Tanaka. Aber die war ja heute verhindert.

Emily saß auf der vordersten der Bankreihen, die die Reitfläche umgaben. Ihre schönen grünen Augen blickten ins Leere, ihr Gesicht war finster.

„Hi!“ Ruby huschte möglichst lautlos zu ihr, um die Therapiestunde nicht zu stören, und ließ sich neben ihr auf die Bank sinken. „Ich hab unsere Verabredung total vergessen. Tut mir voll leid. Vielleicht können wir ja jetzt noch …“

Sie verstummte, weil Emily den Kopf schüttelte und sich abrupt erhob. Emily griff nach ihrem Blindenstock, der neben ihr auf der Bank lag, und bewegte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit in Richtung Ausgang, wo ihre Mutter stehen geblieben war. Dabei konnte Emily Mrs Sullivan doch noch gar nicht bemerkt haben.

„Warte mal!“ Ruby hastete ihr nach.

Kelly schaute unwillig über die Schulter. Sie hasste Ablenkungen bei ihren Therapiesitzungen.

„Hallo, Ruby!“ Sebastian freute sich dagegen sehr, Ruby zu sehen. Er winkte ihr begeistert zu und verlor dadurch fast das Gleichgewicht.

„Hi, Sebastian!“ Ruby winkte kurz zurück und warf Kelly einen entschuldigenden Blick zu, die sie in Richtung Ausgang scheuchte wie eine lästige Fliege.

Emily hatte ihre Mutter inzwischen erreicht.

„Emily!“ Mrs Sullivan streckte die Hand aus und berührte sie sanft an der Schulter. „Ich bin hier.“

„Dann können wir ja jetzt nach Hause fahren“, erklärte Emily mit wütender Stimme.

„Nun sei doch nicht sauer auf mich.“ Ruby folgte ihrer Freundin nach draußen.

„Ihr könnt gern noch ein bisschen reiten“, sagte Mrs Sullivan. „Ich mach einen kleinen Spaziergang, bis ihr fertig seid. Das Wetter ist so herrlich.“

„Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Emilys Stimme war jetzt richtig laut. „Ich will nach Hause – und zwar sofort!“

„Mann, Emily.“ Ruby trat neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde.

Denn nun fuhr Emily zornig zu ihr herum, sie ließ den Stock fallen und fegte Rubys Hand von ihrer Schulter.

„Lass mich los!“, schrie sie so schrill, dass Pfau Luzifer, der gerade um die Hausecke bog, entsetzt den zerfledderten Schwanz einzog und wieder kehrtmachte. „Ich will nach Hause! Ich will, dass wir jetzt fahren!“ Ihre Stimme gellte in Rubys Ohren. Emily ballte die Fäuste, ihr sonst so hübsches Gesicht war wutverzerrt. Sie stampfte mit dem Fuß auf, legte den Kopf in den Nacken und brüllte: „Hau ab, Ruby! Verzieh dich!“

„Emily, Schätzchen!“ Mrs Sullivan fummelte mit hektischen Bewegungen den Autoschlüssel aus der Hosentasche und öffnete den Wagen mit der Fernbedienung. „So beruhige dich doch, wir fahren ja schon.“ Ihr Lächeln wirkte halb verlegen, halb panisch.

„Ich hasse euch alle!“ Emily bückte sich und suchte nach ihrem Stock.

Als sie ihn nicht sofort fand, geriet sie noch mehr in Wut und schrie wie am Spieß.

„Hey!“ Neben ihnen tauchte plötzlich Patrice auf. Über Emilys lautem Geschrei hatte Ruby ihn gar nicht kommen hören.

Der Ranchbesitzer hinkte ein bisschen, er hatte sein rechtes Bein nämlich vor ein paar Jahren bei einem Reitunfall verloren.

Er trat neben Emily, die ihren Stock gerade nach oben riss. Fast hätte sie ihn damit im Gesicht getroffen.

„Whooaa!“ Patrice wich ihr geschickt aus, dann packte er das Ende des Stockes und nahm ihn ihr entschlossen ab.

„Lass mich, geh weg!“, kreischte Emily, aber Patrice dachte gar nicht daran. Seine kraftvollen Arme umfassten sie und hielten sie fest.

Er hatte einen dunklen Vollbart, seine langen Haare hatte er wie immer zu einem Knoten hochgebunden.

„Ruhig“, sagte er.

Patrice arbeitete mit traumatisierten und verstörten Pferden. Er kaufte Tiere auf, die von ihren Besitzern misshandelt wurden oder eingeschläfert werden sollten. Und danach brachte er sie mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen dazu, wieder Vertrauen zu den Menschen zu gewinnen.

Die gelassene Art, mit der er nervöse Pferde beruhigte, wirkte auch bei Emily. Sie war zwar immer noch angespannt, aber zu Rubys Erleichterung schrie sie wenigstens nicht gleich wieder los.

„Entschuldigung“, sagte Mrs Sullivan nervös. „Emily hat heute keinen guten Tag. Ich denke, wir fahren jetzt mal ganz schnell nach Hause.“

Patrice beachtete sie nicht und auch Emily reagierte nicht auf die Bemerkung. Sie hielt den Kopf leicht gesenkt und atmete schwer.

„So geht das nicht, Emily“, sagte Patrice ruhig. Er stammte aus Quebec, das im französischsprachigen Teil Kanadas lag, und hatte einen unüberhörbaren französischen Akzent. „Wir haben hier hochsensible Pferde auf dem Hof. Da kannst du nicht so rumkreischen.“

Emilys Schultern verspannten sich. Sie hob den Kopf und Ruby wartete nur darauf, dass sie wieder losbrüllte.

„Emily hat das nicht so gemeint.“ In Mrs Sullivans Stimme schwang jetzt ein neuer Ton mit. Sie klang verärgert. „Sie müssen Verständnis für sie haben, Patrice, ihre Situation ist schließlich sehr speziell.“

„Ich habe alles Verständnis der Welt“, erwiderte Patrice, ohne den Blick von Emily zu wenden. „Aber das hier ist mein Hof und hier wird nicht geschrien.“

„Der Hof gehört auch Kelly“, sagte Emily wütend.

„Natürlich. Und sie wird dir das Gleiche sagen. Auf der Ocean Ranch gibt es kein Rumgebrülle.“

Emily schob die Unterlippe nach vorn. „Mummy“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich will nach Hause.“