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Welche Rolle spielte die Deutsche Physikalische Gesellschaft in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, welche Position nahm sie im Prozess der wissenschafts- und forschungspolitischen Neuorientierung ein und was war ihre Funktion im politischen Macht- und Handlungsgefuge des Dritten Reiches? Welchen Einfluss hatten die Vertreter der so genannten "Deutschen Physik" in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und in der damaligen Physik generell? Welche Handlungsspielraume hatten die Physiker im Dritten Reich, sich der Vereinnahmung durch ein totalitares und verbrecherisches Regime zu entziehen?
Eine Gruppe namhafter Autoren versucht Antworten auf diese Fragen zu finden und beleuchtet die wissenschaftsimmanenten Aspekte sowie die gesellschaftspolitischen Zusammenhange, die die Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft wahrend des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen politischer Anpassung und wissenschaftlicher Autonomie bestimmt haben.
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Seitenzahl: 1021
Veröffentlichungsjahr: 2012
Inhalt
Geleitwort
Vorwort
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im nationalsozialistischen Kontext Mark Walker
Die Naturforscherversammlung in Nauheim im September 1920
Rahmenbedingungen und Autoritäten der Physikergemeinschaft im Dritten Reich Richard H. Beyler
Historiographie des Skeptizismus
Historiographie der Kapitulation
Historiographie des Widerstands
Die Laue- Stark-Konfrontation
Der Kampf um die »Deutsche Physik« als Kommunalpolitik
Ramsauer als Vorsitzender der DPG 47)
Die Geschichte der DPG und die Geschichte lokaler Gemeinschaften im Dritten Reich
Die Ausgrenzung und Vertreibung von Physikern im Nationalsozialismus
Die Reaktionen der DPG auf die Entlassungen durch die nationalsozialistische Gesetzgebung
Das Verhältnis der Emigranten zur DPG
Die Satzungsänderung
Die Nachkriegszeit: verschiedene Sensibilitäten
Das Angebot zum Wiedereintritt in die Berufsorganisation der deutschen Physiker
Schlussbemerkungen
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die »Deutsche Physik« Michael Eckert
Testfall: Sommerfeld-Nachfolge
DPG-interne Diskurse über die »Deutsche Physik«, 1935–1940
Der Anteil der DPG am Niedergang der »Deutschen Physik«
Vergangenheitsbewältigung I: die DPG-Version
Vergangenheitsbewältigung II: die Version der »Gegenseite«
Die Ramsauer-Ära und die Selbstmobilisierung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Dieter Hoffmann
Die verzögerte Gleichschaltung der DPG
Carl Ramsauer
Ramsauer als Leitfi gur der Selbstmobilisierung
Ramsauer als Repräsentant des militärisch-industriellen Komplexes
Die Verbündeten im OKW und RLM
Die Mobilisierung letzter Reserven
Das Dilemma der Selbstmobilisierung
Götterdämmerung
Die Planck-Medaille Richard Beyler, Michael Eckert und Dieter Hoffmann
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die Forschung Gerhard Simonsohn
Die Jahrestagungen und die Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Die Veranstaltungen der regionalen Verbände (Gauvereine)
Die Physikalischen Berichte
Die Zeitschrift für Physik
Die Zeitschrift für Astrophysik
Die Annalen der Physik
Die Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft
Die Zeitschrift für technische Physik
Die Physik in regelmäßigen Berichten
Die Physikalischen Blätter
Forschung in den Kriegsjahren
Schlussbemerkungen
Misstrauen, Verbitterung und Sentimentalität Zur Mentalität deutscher Physiker in den ersten Nachkriegsjahren Klaus Hentschel
Einleitung
Zu den benutzten Quellen
Die Außenperspektive auf Wissenschaftler in Deutschland
Das gespannte Verhältnis zu den Alliierten
Unterschwellig: mentale Reserven und Misstrauen
Abwehr gegen Entnazifi zierung
Russenangst
Das Gefühl der Isoliertheit und die Klage über die Zersplitterung Deutschlands
Verbitterung über »Gelehrtenexport«
Selbstmitleid, Sentimentalität und Selbstsüchtigkeit
»Propagandafreier, phrasenloser Alltag« und Politikverdrossenheit
»Wenn wir leben wollen, müssen wir aufbauen«
Zusammenfassung
»Sauberkeit im Kreise der Kollegen« Die Vergangenheitspolitik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Gerhard Rammer
Regionale Reorganisationen der DPG
Suche nach einem geeigneten Vorsitzenden
Funktionen der Physikertagungen
Internationalismus
Vergangenheitspolitik
Öffentliche Kritik
Persönliche Motive und berufsständische Bedingungen der Kritikäußerung
Reaktion der DPG
Von Laues vergangenheitspolitische Haltung
Fazit
Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung im Dritten Reich: Fachpolitik im Netz der nationalsozialistischen Ideologie Volker R. Remmert
Die Krisenjahre der DMV: 1933 bis 1935
Konfl ikte der DMV mit Ludwig Bieberbach und seinen Anhängern
Wilhelm Süss: Wahl zum Vorsitzenden und die versuchte Reintegration von Bieberbach
Die Reorganisation des mathematischen Zeitschriftenwesens und der Referateorgane
Die »Judenfrage« in der DMV
Internationale Beziehungen im Spiegel der Politik
Mathematische Kriegsforschung und Gründung des Reichsinstituts für Mathematik in Oberwolfach
DMV und DPG: gemeinsame Sorge um die Kriegsforschung
Schlussbemerkung: die DMV im Wandel
»Dem Duce, dem Tenno und unserem Führer ein dreifaches Sieg Heil«.: Die Deutsche Chemische Gesellschaft und der Verein deutscher Chemiker in der NS-Zeit Ute Deichmann
Kurze Geschichte der DChG und des V.d.Ch. bis 1933
Der V. d. Ch. 1933–1945
Die DChG 1933–1945
Jüdische wissenschaftliche Redakteure von Zeitschriften
In wissenschaftlichen Redaktionen tätige jüdische Angestellte der DChG
1936–1938: die Präsidentschaft Alfred Stocks
1938–1945: die Präsidentschaft Richard Kuhns
Die Entwicklung der DChG in der Ära Kuhn
Kritik nach dem Krieg
Kuhns Stellungnahme zur politischen Anpassung der DChG
Unerwarteter Widerspruch: die chemischen Vereinigungen und die Fritz-Haber-Gedächtnisfeier 1935 59)
Vergleich mit der DPG
Abbildungen
Dokumentenanhang
Albert Einstein, Max von Laue und Johannes Stark
Außenpolitik
Die Haber-Feier 1935
Gleichschaltung
Die Planck-Medaille
Selbstmobilisierung
Nachkriegszeit
Häufig verwendete Abkürzungen
Siglen
Autorenverzeichnis
Namenregister
Bildnachweis
200 Jahre Wiley – Wissen für Generationen
Jede Generation hat besondere Bedürfnisse und Ziele. Als Charles Wiley 1807 eine kleine Druckerei in Manhattan gründete, hatte seine Generation Aufbruchsmöglichkeiten wie keine zuvor. Wiley half, die neue amerikanische Literatur zu etablieren. Etwa ein halbes Jahrhundert später, während der »zweiten industriellen Revolution« in den Vereinigten Staaten, konzentrierte sich die nächste Generation auf den Aufbau dieser industriellen Zukunft. Wiley bot die notwendigen Fachinformationen für Techniker, Ingeni-eure und Wissenschaftler. Das ganze 20. Jahrhundert wurde durch die Interxnationalisierung vieler Beziehungen geprägt – auch Wiley verstärkte seine verlegerischen Aktivitäten und schuf ein internationales Netzwerk, um den Austausch von Ideen, Informationen und Wissen rund um den Globus zu unterstützen.
Wiley begleitete während der vergangenen 200 Jahre jede Generation auf ihrer Reise und fördert heute den weltweit vernetzten Informationsfluss, damit auch die Ansprüche unserer global wirkenden Generation erfüllt werden und sie ihr Ziel erreicht. Immer rascher verändert sich unsere Welt, und es entstehen neue Technologien, die unser Leben und Lernen zum Teil tiefgreifend verändern. Beständig nimmt Wiley diese Herausforderungen an und stellt für Sie das notwendige Wissen bereit, das Sie neue Welten, neue Möglichkeiten und neue Gelegenheiten erschließen lässt.
Generationen kommen und gehen: Aber Sie können sich darauf verlassen, dass Wiley Sie als beständiger und zuverlässiger Partner mit dem notwendigen Wissen versorgt.
William J. Pesce
President and Chief Executive Officer
Peter Booth Wiley
Chairman of the Board
Herausgeber
Prof. Dr. Dieter Hoffmann
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Boltzmannstr. 22 D-14195 Berlin
Prof. Dr. Mark Walker
Dept. of History Union College Schenectady, NY 12308-3107 USA
Redaktion
Uwe Hank, Ralf Hahn
Titelbild
Hundert Jahre Deutsche Physikalische Gesellschaft, 18.1.1945, v.l.n.r.: C. Ramsauer, A. Esau, E. Brüche, H. Hartmann, A. Axmann, Bundesarchiv, Bild: J31223 RPK III/280, Fotograf: Hoffmann
1. Aufl age 2007
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung
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Gedruckt auf säurefreiem Papier.
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Geleitwort
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), hervorgegangen aus der bereits 1845 gegründeten Physikalischen Gesellschaft zu Berlin, ist die älteste und größte physikalische Fachgesellschaft der Welt. Ihre Entwicklung ist von Anfang an durch eine stete Zunahme der Mitgliederzahl und einen Zuwachs an wissenschaftlicher Reputation gekennzeichnet. Besonders sichtbar wird diese Entwicklung in den Jahrzehnten um 1900, als die physikalische Forschung in Deutschland auf vielen Gebieten eine weltweit führende Rolle einnahm. Die DPG wurde in diesen Jahrzehnten durch Präsidenten wie Emil Warburg, Max Planck und Albert Einstein geleitet, die zugleich Symbole für physikalische Exzellenz darstellten. Darüber hinaus zählten Planck und Einstein zu den am weitesten herausragenden Forschern des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Das Jahr 1933 beendete diese Blütezeit der Physik und führte zu einschneidenden Veränderungen. Die nationalsozialistische Diktatur verfolgte politische Gegner und Andersdenkende und entzog jüdischen Intellektuellen und Wissenschaftlern ihre Existenzgrundlage. Ihre rassistische Ausgrenzungs- und Repressionspolitik hatte den teilweisen Niedergang der physikalischen Forschung in Deutschland zur Folge. Welche Rolle die DPG in diesem Prozess spielte, wurde bisher nur unzureichend behandelt. Eine Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der deutschen Physikgeschichte fand lediglich im Rahmen von Biographien und bei der Behandlung allgemeiner physikhistorischer Entwicklungen statt. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft ist sich dieses Defizits bewusst.
Dieses Forschungsdesiderat vor Augen, regte Dieter Hoffmann, DPG-Fachverbandsvorsitzender »Geschichte der Physik«, im Vorfeld der Vorbereitungen zum Jahr der Physik 2000 an, die Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Dritten Reich einer speziellen Untersuchung zu unterziehen. Diese Initiative wurde sofort und vorbehaltlos vom damaligen DPG-Präsidenten Alexander Bradshaw aufgegriffen, denn es war ebenfalls ein besonderes Anliegen der DPG, ihre Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Aus diesem Grund wurde eine Kommission des Vorstands damit beauftragt, die nötigen Voraussetzungen für die Aufarbeitung der DPG-Geschichte zu klären. Als Ergebnis dieses Klärungsprozesses wurde dem Vorstandsrat im Frühjahr 2001 vorgeschlagen, ein von der DPG finanziertes Forschungsprojekt ins Leben zu rufen und den amerikanischen Wissenschaftshistoriker Mark Walker mit dessen Leitung zu betrauen. Dabei ging man von der Erwartung aus, dass dieses Forschungsprojekt auch die in der DPG vorhandenen Kompetenzen einbezieht. In Abstimmung mit Mark Walker erfolgte die Einsetzung von Dieter Hoffmann zum Co-Direktor des Projektes. Der ehemalige Präsident der DPG, Theo Mayer-Kuckuk, wurde vom DPG-Vorstand mit der Kommunikation zwischen DPG und Herausgebern beauftragt. Eine international zusammengesetzte, unabhängige Autorengruppe beschäftigte sich in den folgenden Jahren mit den unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der DPG im Dritten Reich. Die Ergebnisse werden nun im vorliegenden Sammelband präsentiert.
Für die geleistete Arbeit möchte ich den beiden Herausgebern, Mark Walker und Dieter Hoffmann, sowie allen anderen Beteiligten im Namen unserer Gesellschaft großen Dank aussprechen. Diese Arbeit ist mehr als eine zusammenhängende Dokumentation und Analyse der Geschichte der DPG und der Physik in Deutschland – sie ist eine Arbeit gegen das Vergessen. Denn wie sich die Zukunft entwickeln wird, hängt ganz entscheidend von unserer Fähigkeit ab, sich immer wieder der eigenen Geschichte zu stellen und aus ihr zu lernen.
Würzburg, 29. Oktober 2006
Eberhard Umbach
Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Vorwort
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Fachgesellschaften Deutschlands. 1845 gegründet, erfuhr sie in den folgenden Jahrzehnten einen stetigen Zuwachs in ihrer Mitgliederzahl und an wissenschaftlicher Reputation. Dies gründete sich nicht zuletzt auf der Tatsache, dass die physikalische Forschung in Deutschland in den Jahrzehnten um 1900 auf vielen Gebieten den Weltstandard bestimmte. Das Jahr 1933 bedeutete für diese physikalische Hochkultur einen gravierenden Einschnitt, da die nationalsozialistische Diktatur nicht nur politische Gegner und Andersdenkende verfolgte, vielmehr entzog die rassistische Ausgrenzungs- und Repressionspolitik auch jüdischen Intellektuellen und Wissenschaftlern ihre Existenzgrundlage und zwang sie vielfach in die Emigration. Als Symbol für diese Vertreibung des Geistes aus Deutschland gilt vielfach die Emigration Albert Einsteins, die zugleich den partiellen Niedergang der physikalischen Forschung in Deutschland deutlich machte. Zu diesem Phänomen sind in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe interessanter und differenzierender Studien entstanden – angefangen mit Allan Beyerchens Pionierarbeit Wissenschaft unter Hitler(1977 über die umfangreiche Heisenberg Biographie Uncertainityvon David Cassidy (1992) bis zu Klaus und Ann Hentschels (leider nur auf englisch publizierten) Anthology Physics and National Socialism(1996), die wichtige Dokumente aus dieser Zeit zusammenfasst. In diesen und den vielen anderen verdienstvollen Publikationen zum Phänomen Physik im Dritten Reich wird die Deutsche Physikalische Gesellschaft – wenn überhaupt – nur am Rande und im Rahmen der allgemeinen physikhistorischen Entwicklungen behandelt. Über ihre spezifi sche Funktion im wissenschaftspolitischen Handlungsgefüge und den politischen Machtkonstellationen des Dritten Reiches weiß man indes nur wenig; dies trifft im Übrigen generell für die Rolle wissenschaftlicher Gesellschaften als Mittler zwischen Forschung und Politik zu.
Dieses Forschungsdesiderat versucht die vorliegende Publikation zu schließen. Eine international zusammengesetzte Autorengruppe hat sich in den zurückliegenden Jahren mit den unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der DPG im Dritten Reich beschäftigt. Die Ergebnisse der Forschungen fasst der vorliegende Sammelband zusammen. Mosaikartig versucht er, zentrale Aspekte der Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zu analysieren, um so zu einem exemplarischen Gesamtbild ihrer Geschichte im Dritten Reich zu kommen. Mark Walker (Schenectady) macht in seinem Einleitungsbeitrag die allgemeinen politischen Zusammenhängen deutlich und ordnet die Geschichte der Gesellschaft in den nationalsozialistischen Kontext jener Zeit ein. Paul Forman (Washington, D.C.) rückt die spektakuläre 86. Naturforscherversammlung in Bad Nauheim in den Mittelpunkt seines Beitrags und zeigt an diesem Beispiel, wie die zeitgenössischen Naturwissenschaften und speziell die Physik von den politischen und weltanschaulichen Strömungen der Weimarer Zeit beeinfl usst wurden und die Konfl ikte der Physiker im Dritten Reich teilweise bereits dort ihre Wurzeln haben. Richard Beyler (Portland) untersucht unter allgemeinen Gesichtspunkten den in Teilen erfolgreichen Versuch der DPG, ihre Autorität und Autonomie auch unter den repressiven Bedingungen des NS-Staates zu bewahren. Stefan Wolff (München) beschäftigt sich mit der Physikeremigration im Dritten Reich und was dies für die DPG bedeutete bzw. welche Rolle die DPG bei der gesellschaftlichen Ausgrenzung jüdischer Kollegen gespielt hat. Michael Eckert (München) setzt sich kritisch mit dem Verhältnis von DPG und Deutscher Physik und dem in der Nachkriegszeit so vehement reklamierten beharrlichen Kampf der DPG gegen die »Parteiphysik« auseinander. Die Ramsauer-Ära, die mit der Kriegszeit zusammenfällt und durch die partielle Selbstmobilisierung der DPG gekennzeichnet war, wird im Beitrag von Dieter Hoffmann (Berlin) detailliert beschrieben. Der Planck-Medaille, der höchsten Auszeichnung der DPG, ist eine spezielle Analyse von Richard Beyler, Michael Eckert und Dieter Hoffmann gewidmet, weil sich an ihrer Verleihungspraxis im Dritten Reich exemplarisch das Verhältnis von Autonomie und Anpassung der DPG in jenen Jahren aufzeigen lässt. Gerhard Símonsohn (Berlin) gibt einen detailreichen Überblick zu damaligen Themen physikalischer Forschung – gespiegelt in den Physikertagungen und anderen wissenschaftlichen Aktivitäten der DPG sowie zeitgenössischen Publikationsorganen. Zwei Beiträge widmen sich im Sinne des Aufzeigens von Kontinuitäten und Diskontinuitäten der DPG-Geschichte der Nachkriegszeit. Klaus Hentschel (Bern/Stuttgart) versucht in einer dichten Beschreibung, den Mentalitäten der Physiker in den ersten Nachkriegsjahren auf die Spur zu kommen, und Gerhard Rammer (Göttingen/Wuppertal) geht dem institutionellem Neuanfang der DPG nach 1945 und ihrer »Vergangenheitspolitik/-bewältigung« nach. Den Abschluss bilden die Aufsätze von Volker Remmert (Mainz) und Ute Deichmann (London/ Köln), die in vergleichender Perspektive die mathematischen und chemischen Schwestergesellschaften der DPG im Dritten Reich behandeln. Ein umfangreicher Anhang mit relevanten Dokumenten zur Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im Dritten Reich versucht die Authentizität der einzelnen Beiträge zu erhöhen und rundet den Sammelband ab.
Die eben gegebene Zusammenfassung zeigt, dass das vorliegende Buch zwar auf die Geschichte der DPG in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft fokussiert ist, doch diese in einer vergleichenden Perspektive diskutiert wird. Dabei bezieht sich der Vergleich einerseits auf die zeitliche Dimension, wodurch die Jahre vor und nach der Nazi-Diktatur eine angemessene Berücksichtigung finden und zugleich die Frage nach den Kontinuitäten und Diskontinuitäten der DPG-Geschichte thematisiert wird. Andererseits wird die Geschichte der DPG im Dritten Reich nicht isoliert behandelt, sondern in die allgemeinen politischen Kontexte und wissenschaftshistorischen gestellt und mit dem Verhalten anderer wissenschaftlicher Gesellschaften im Dritten Reich verglichen.
Drei Workshops trugen in den Jahren 2001 bis 2003 dazu bei, die nötigen thematischen Diskussionen und Klärungsprozesse zwischen den Autoren zu fördern. Darüber hinaus waren diese Zusammenkünfte immer offene Diskussionsforen, an denen sich nicht nur die eigentlichen Teilnehmer des Forschungsprojektes beteiligten, sondern auch andere kompetente Fachvertreter und interessierte Mitglieder der DPG teilnehmen und Anregungen einbringen konnten. Insbesondere der erste Workshop im Dezember 2001 fand eine rege Resonanz und versammelte im Berliner Magnus-Haus fast 50 Kollegen.
Leider haben die vielfältigen Belastungen von einem der Herausgeber dieses Bandes bei der Vorbereitung und Durchführung des Einstein-Jahres 2005 dazu geführt, dass das geplante Erscheinen des Buches zum Weltjahr der Physik erheblich verzögert wurde. Für die Nachsicht und Geduld, mit der Autoren und Verlag die ungebührlich lange Drucklegung hingenommen haben, sei an dieser Stelle nochmals gedankt. Dennoch hoffen wir, dass auch die verspätete Publikation des Buches das Interesse an diesem problembehafteten Thema nicht behindert oder gar reduziert hat.
Abschließend möchten wir all jenen herzlich danken, die zum Entstehen des Buches maßgeblich beitrugen. Zu danken ist insbesondere der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die das Forschungsprojekt und die Drucklegung des Buches nicht nur fi nanziell großzügig ausgestattet, sondern es auch vorbehaltlos und mit großem Engagement unterstützt hat – ein spezieller Dank gilt ihren beiden Alt-Präsidenten Alexander Bradshaw (München) und Theo Mayer-Kuckuk (Berlin) für ihr großes Interesse und Engagement am Fortgang des Forschungsprojektes. Den Hauptgeschäftsführern der DPG Volker Häselbarth und Bernhard Nunner sowie ihren Kolleginnen in der Geschäftsstelle in Bad Honnef haben wir ebenfalls für so manchen konstruktiven Vorschlag bei der Überwindung praktischer Engpässe und Hürden Dank zu sagen. Großen Dank schulden wir nicht zuletzt den zahlreichen Archiven und Bibliotheken, speziell dem Archiv der Deutschen Physikalischen Gesellschaft selbst. Sie halfen bereitwillig, ihre vielfach noch ungehobenen Schätze zur DPG-Geschichte für unsere Forschungen zu erschließen.
Herr Uwe Hank (Berlin) hat mit großem Engagement und Umsicht die Mehrzahl der Beiträge redigiert, wobei die abschließende Redaktion sowie die Erstellung der druckfertigen Form von Ralf Hahn (Berlin) besorgt wurde; er half ebenfalls bei den Bildrecherchen. Last but not least ist dem Verlag Wiley-VCH, namentlich Frau Esther Dörring und Herrn Alexander Grossmann, für die geduldige und aufgeschlossene Zusammenarbeit bei der Drucklegung zu danken.
Berlin/Schenectady, im Sommer 2006
Dieter Hoffmann/Mark Walker
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im nationalsozialistischen Kontext
Mark Walker
Die Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) istkeine und kann keine Geschichte der Physik im Nationalsozialismus sein.1) Obwohl viele Physiker Mitglieder der Gesellschaft waren, hatte dies – wenn überhaupt – wenig Einfluss auf die Handlungsweise dieser Wissenschaftler in der Zeit zwischen .1933 und 1945. Die meisten dieser Physiker waren darüber hinaus mehrfach eingebunden: eine Anstellung an einer Universität, einer Forschungseinrichtung oder einer Privatfirma, vielleicht eine Mitgliedschaft in einer wissenschaftlichen Akademie oder sie waren Mitherausgeber einer Zeitschrift etc.
Max von Laue ist hierfür ein Beispiel, trug er doch viele »verschiedene Hüte«. Er war Professor an der Berliner Universität, Vizedirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für Physik, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften (PAW), Berater der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR), Referent der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (später umbenannt in Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG)2), Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften und natürlich sowohl Mitglied als auch Amtsinhaber in der DPG.
Viele der in Deutschland gebliebenen Wissenschaftler, die weiterhin Mitglieder der DPG blieben, spielten keine aktive Rolle in der Gesellschaft. Andere, darunter einige der berühmtesten wie Werner Heisenberg3) und Carl Friedrich von Weizsäcker4), spielten in der Gesellschaft ebenfalls nur eine marginale Rolle. Einige Mitglieder waren nicht einmal Physiker, wie z. B. der Radiochemiker Otto Hahn, dessen Arbeiten zur Kernspaltung ebenso wie seine Erfahrungen im Nationalsozialismus als Direktor des KWI für Chemie für die Geschichte der DPG nicht besonders relevant sind.5) Pascual Jordan wurde erst Mitglied, als er die Max-Planck-Medaille, die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der DPG, erhielt. Dieses Buch wird sich erstmals genauer mit der DPG beschäftigen, einem vielfältigen Themenkomplex, der interessante und wichtige Aspekte der Geschichte der Physik und der Wissenschaft im Nationalsozialismus beleuchtet.
Die deutsche Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine vielschichtige Zeitperiode, deshalb sollen zur Einführung einige Marksteine zur Geschichte des Dritten Reichs aufgeführt werden, um die Geschichte der DPG unter Hitler in den gesellschaftspolitischen Kontext einzubetten.
1933: Nationalsozialistische Machtergreifung
1933: Säuberung des öffentlichen Dienstes
1934: Röhm-Putsch – Hitler wird »Führer«
1935: Nürnberger Rassengesetze
1936: Wiederbewaffnung und Vierjahresplan
1938: Reichspogromnacht
1939: Beginn des Zweiten Weltkriegs
1941: Deutscher Überfall auf die Sowjetunion
1941: Ende des Blitzkriegs und Kriegseintritt der Vereinigten Staaten
1943: Deutsche Niederlage in Stalingrad
1945: Bedingungslose Kapitulation Deutschlands
1945: Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen
1949: Gründung zweier deutscher Staaten
1953: Vollständige Souveränität der Bundesrepublik Deutschland
Nicht jedes der hier aufgeführten Ereignisse hatte einen erkennbaren Einfluss auf die Geschichte der DPG im Nationalsozialismus, und wenn es einen Einfluss gab, so war er manchmal unerwartet.
Die Ernennung Adolf Hitlers zum deutschen Kanzler und die folgende damit schrittweise einhergehende Konsolidierung des Machtmonopols durch die nationalsozialistische Bewegung veränderten die alltäglichen Geschäfte der DPG bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs kaum; selbst die wenigen wichtigen Ausnahmen hatte nur wenig Einfluss auf die Handlung oder Handlungsweise der Gesellschaft. Solche Ausnahmen waren:
1) die Eröffnungsreden zu den Physikertagungen durch die DPG-Präsidenten, die häufig den »Führer« lobten und sich teilweise der nationalsozialistischen Sprache in dieser Zeit6) bedienten, die Victor Klemperer Lingua Tertii Imperii (LTI)7) nannte;
2) der formale Ausschluss der jüdischen Mitglieder im Jahre 1938;8)
3) das politische Eintreten für die Militarisierung der physikalischen Forschung während des Kriegs.9)
Die durch das nationalsozialistische Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verursachten Säuberungen im öffentlichen Dienst im Frühjahr 1933 hatten tief greifende Folgen für die Physiker in Deutschland, da die überwiegende Zahl der außerhalb der Industrie beschäftigten Wissenschaftler Beamte waren.10) Viele Physiker verloren entweder ihre Anstellung oder sahen keine Zukunft mehr in Deutschland und verließen das Land.11) Dieses hatte jedoch für ihre DPG-Mitgliedschaft keine unmittelbaren Konsequenzen. Im Gegensatz zu den Berufsverbänden der Chemiker, Ingenieure und Mathematiker, die in den Anfangsjahren des Dritten Reichs ihre jüdischen Mitglieder hinausdrängten, bemühten sich die DPG und ihre Vertreter um Normalität und versuchten, den Anschein zu erwecken, als sei nichts geschehen.12) Es gab daher unter den DPG-Mitgliedern auch nur wenige deutsche Emigranten oder ausländische Kollegen, die aus der Gesellschaft austraten. Vielmehr stellten diejenigen, die das Land verlassen hatten, lediglich die Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge ein, so dass sie einfach in aller Stille aus dem Mitgliedsverzeichnis gestrichen wurden; mitunter geschah nicht einmal das.
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