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Richard Oldfield

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Beschreibung

Meine Rache wird schmerzlich sein und der Pfad dorthin ein blutiges Spiel... Der abgelegene Hafenort Pineview wird von einer grausamen Mordserie heimgesucht. Als in der Nähe des Pineview Creek eine junge Frau, bestialisch gefoltert, mit einem abgetrennten Herz in der Hand und einem Code auftaucht, ahnen die verschwiegenen Bürger der Stadt noch nicht, was sie ereilt. Detective Tom Kelligen, gerade erst vom Dienst suspendiert, bewegt sich zusammen mit einer geheimnisvollen Journalistin auf den Spuren des »Zahlenspielers«, der seinen Verfolgern tödliche Rätsel aufgibt. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die tiefen Abgründe des Ortes, die bis auf den Grund des Sees reichen. Wird die Gerechtigkeit siegen oder enden die Fäden dieses perfiden Spiels in einem blutigen Gemetzel?

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Thriller

Impressum

Texte: © 2024 Copyright by Julian Mann

Umschlag:© 2024 Copyright by Laura Newman – lauranewman.de

Verantwortlich

für den Inhalt:Julian Mann

14167 Berlin

[email protected]

Druck:epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Für meine Eltern, die mich in allen Lebenslagen unterstützen. Für meine Freundin, die mir selbst im größten Zweifel einen Lichtblick schenkt und der ich für ihre bedingungslose Liebe danke.

In Gedenken an diejenigen, die nicht mehr unter uns weilen...

Prolog

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Epilog

Prolog

Sie riss sich los. Endlich, nach mehreren Versuchen des Zerrens und der immensen Kraftanstrengung, die für ihre zierlichen Hände notwendig waren, konnte sie sich befreien. Gefangen wie ein Tier. Eingesperrt und weggeschlossen, ohne Aussicht auf Erlösung. Da war nichts als nackter Stein, der ihr die Wärme entzog und sie nach Stunden des Zitterns in kalte Trance watteweich verpackte. Die feuchten Haare klebten im Gesicht. Die Arme und Knie bereits zerschlissen und aufgerieben. Ihr blieb nicht viel Zeit. Er würde wiederkommen, würde ihr noch mehr von ihren Kräften nehmen und sie vermutlich noch schlimmeren Dingen aussetzen als zuvor. Sie wusste es, tief in ihr drin, da wo noch der letzte Funken Wille ihren Antrieb entfachte, da rührte sich ein Lebenszeichen. Es gab nur einen Ausweg. Die Tür am Ende dieser hölzernen Treppe. Er wartete. Dort oben, mit seinem widerlichen Blick und seiner fetten Visage. Hinterlistig vor dem Keller. Jegliches Zeitempfinden war wie ausgelöscht, doch es mussten bereits Tage vergangen sein. Nichts ließ sie die Orientierung darüber behalten. Sie erinnerte sich kaum noch an den Beginn dieses schrecklichen Albtraums. Nach und nach hat sich sein Verhalten geändert. Anfangs war es nur sein gekränkter Hass, doch nun war da noch die Sehnsucht nach dem Ende. Der Ruf eines schnellen Todes. Die Abstände wurden länger, in denen er sich nicht mehr blicken ließ. In den ersten Stunden war sein Trieb ungebremst und er hätte sie am liebsten bis an ihre Grenzen gebracht, nur um zu sehen, wie sie wimmernd aufgab. Dann ignorierte er sie immer mehr. Ihre Haut war kalt. Die feinen Härchen stellten sich in Reih und Glied auf. Da war keine Kleidung, kein Fetzen Stoff, der ihr hätte Wärme spenden können. Alles wurde ihr genommen, halb ohnmächtig, überfallen und ausgezogen. Ihre Augen haben sich bereits nach all' der langen Eingewöhnung mit der bedrängenden Dunkelheit angefreundet. Nur wenn er reinkam und das Licht einschaltete, brannte es wie Messerstiche in den Augäpfeln. Fast so, als würde einem die Netzhaut wegätzen. Mal so angetrunken, dass er es mit seinem schaudernden Gelächter untermalt hat. Sie wollte das nicht mehr, kein Licht und keine Kälte. Nie wieder leiden, nicht für ihn. Ihre Finger strichen zart über die rau abgeplatzte Wand, spürten die Unebenheiten unter den Nägeln. Kauernd suchte sie sich ihren Weg durch den Raum. Sie kroch auf allen Vieren, um die Schmerzen auszugleichen und auf ihren Gliedmaßen das Gewicht gleichmäßig zu verteilen. Viel konnte sie mit bloßem Auge nicht erkennen, doch ihr Erinnerungsvermögen ließ ihr die Bilder im Kopf aufflackern. Dreckig und heruntergekommen. Wie lang muss ich noch leiden? Ihre Hände spürten den nassen Boden, fühlten jeden noch so kleinen Stein und jedes Sandkorn, als sie blindlinks ihrem inneren Ruf nach Freiheit folgte. Alles schmerzte, besonders die Fußgelenke, so stark aufgerieben, dass die obersten Hautschichten bereits das Blut durchließen. Aufgeschürft und verkrustet. Er hatte sie ihr anfangs so fest zugeschnürt, dass sie nicht gehen konnte. Sie durfte nicht raus und musste brav dort unten bleiben, bis er kam, um mit ihr sein Spiel zu treiben. Die Nächte, die sie kaum mehr von den Tagen unterscheiden konnte und so einsam, dass jedes anfängliche Schreien um Beistand, nun schon nicht einmal einem Husten gleichkam. In diesen Momenten besuchte er sie. Mit diesem selbstsüchtigen Grinsen und der Hand in der Hose, als könne er sich alles nehmen, was er wollte. Ein gebrochener Mann, der wusste, dass man ihn an den Eiern hatte und nun seinen Frust an ihrer Wehrlosigkeit ausließ. Entführt und verschleppt, weit weg von neugierigen Blicken, die ihn, als das entlarvt hätten, was er in Wirklichkeit war. Jede Treppenstufe war ein Gipfelaufstieg unter all' dem Schmerz. Die blauen Flecken, die sie daran erinnerten, wenn sie nicht hörte und nicht tun wollte, was er forderte. Dann ein Splitter. Ein Geschenk dieser quietschenden Treppe, die er immer rauf und runter ging. Es wurde gegen Ende zu einem beißenden Kreischen, das in jede noch so kleine Wunde seine Zähne reinschlug. Sie musste weitermachen, es blieb ihr nichts anderes übrig. Entweder der Tod dort draußen oder die Qualen hier unten in der Dunkelheit. Alles in ihr schrie »Gib auf!«, doch der Wille zu überleben war noch zu stark. Schritte. Dumpfe, schwere Schritte stampften über die Dielen auf der oberen Etage. Jedes Knarzen jagte ihr einen Schauer über den geschundenen Rücken, wo die puderroten Striemen bereits den bleichen Hautton annahmen. Die Schritte kamen näher, wurden lauter. Er war an der Tür, drehte am Schloss. Nein! Die Tür sprang auf und da stand er, überrascht von ihrem armseligen Fluchtversuch. Ohne ein Wort zu sagen, stieg er zu ihr hinunter, griff sie fest am Arm und zog sie die letzten Stufen entlang nach oben. Ihr Kiefer schlug ein oder zweimal hart auf, dass allein das Knacken sie fast schon ohnmächtig gemacht hätte. Dann schliff er sie durch das Wohnzimmer. Es war Tag und das Licht war viel zu grell. Er warf sie abtrünnig auf den harten Holzboden. Überließ sie ihrem Leid und ihrer Verwirrung. Er verschwand. Ihr verschwommener Blick starrte verloren in der Gegend herum, auf der Suche nach Rettung. Rustikale Wände. Auszeichnungen gerahmt aneinandergereiht. Sie versuchte sich aufzurichten. Ihr Kopf pochte und der Schwindel ließ in ihr die Übelkeit aufsteigen. Dann nahm sie ihre letzte Kraft zusammen, stemmte sich hoch, sodass ihre Muskeln schlotterten. Humpelnd lief sie zur Tür, rüttelte am Schloss herum, während ihr die feuchten, fettigen Haare im Gesicht hingen und die Zähne sich angestrengt aufeinanderpressten.

»Tu es nicht! Wenn du jetzt dort rausgehst, dann schwöre ich dir, wird es keinen Menschen auf dieser gottlosen Erde geben, der dich retten kann!«, drohte der fette Kerl, den sie durch das Klingeln ihrer panischen Angst in den Ohren zu spät bemerkte.

Er richtete die Waffe auf sie, schnaufend vor Anspannung. Der Blick eisern nach vorne gerichtet. Mit ihr im Visier, wie auf einer Treibjagd. Sie stand vor ihm, nackt und verstört.

»Mein Kind, ich kann dich nicht gehen lassen. Es ist schon zu viel passiert. Dir wird ohnehin keiner mehr Glauben schenken!«

Ihr rollten die Tränen die weichen Wangen hinab, schluchzend und mit klappernden Zähnen. Sie blutete an ihrem Kopf. Pochend, wo sie der Sturz am härtesten traf und sie dadurch benommen taumeln ließ.

»Sie Bastard! Sie elendiges Schwein!«, schrie sie ihn mit heiserer Stimme unerbittlich an.

Die junge Frau schnappte sich eine Blumenvase, die im Augenwinkel neben ihr aufleuchtete, wie ein Neonschild und warf sie gegen den Entführer. Sie traf seine Hand, ein Schuss löste sich gegen die Decke, als sie die Tür aufriss und hinaus in Richtung See stürmte. Er schüttelte sich und spurtete hinterher mit einer Platzwunde am Handrücken. Blutend über den Revolver. Ihre Beine waren schwach und ihr Fuß schmerzte höllisch. Die Lungen pumpten Unmengen an Luft in sie hinein, wie bei einem Marathonlauf. Am Anlieger sprang sie in das Boot, versuchte das Tau abzubekommen. Er kam näher. Wütend und so hasserfüllt. Gepeinigt, dass er sie entwischen ließ. Ihr ganzer Körper zitterte, der herbstlichen Kälte ausgesetzt. Ihr Blick richtete sich immer wieder auf ihn. Er war gleich da. Dann löste sich der Knoten und sie konnte auf den See treiben. Weg von ihm. Die Knie gebeugt, versuchte sie auf dem Boot die Balance zu behalten. Sie schaute ihn an. Er zielte.

»Komm' zurück!«

Einige Augenblicke vergingen, dann passierte es...

1

Bittere Süße machte sich auf der Zunge breit, als der Nebel vor den verquollenen Augen allmählich vorüberzog. Eine nasskalte Schwärze legte sich wie ein Schleier um die Schultern und drückte mich hinunter. Ich bin ein Bote. Ein Überbringer dessen, was meiner Sehnsucht Befriedigung verschafft. Nichts brannte so sehr in meiner Seele, wie der Gedanke an die zufriedenen Blicke rechtschaffender Menschen, wenn ich ihrer Aufforderung Genüge getan habe. Das harte Holz unter meinen Knochen sticht auf meiner Haut, wie die peitschenden Winde auf der rauen See. Jeder zarte Schnitt durch meine Adern wäre ein Befreiungsschlag aus diesem Abgrund, der sich als heulendes Wimmern in der Nacht im Kopf breit machte. Doch ich habe eine Aufgabe, die sich nicht aufschieben lässt. Diese Stimme hallt immerfort in meinen Ohren, wie ein Sirenengesang. Ich bekomme sie nicht los. An meiner bleichen Haut soll sich das Blut derer ergießen, die des Leids würdig sind. Die schon zu lange vom Leben zehren und alles verderben. Ein spürbar endloses Netz aus Zorn verwandelt mich in dieses Scheusal. Ich kämpfe dagegen an, doch man wird nicht gnädig sein. Ich kann nichts tun, außer mich zu beugen. Ein Traum. Ein realer Traum, sodass jedes Haar sich der salzigen Seeluft beugt. So real, dass der stinkende eisenhaltige Geruch in meine Nase einzieht und sich mit perverser Faszination einbrennt. Ich blicke auf meine Arme hinab und entdecke im Schein des diffusen Lichts die natürliche Schönheit von perfekt verlaufenden roten Tropfen und Linien auf meiner Haut. Hinab auf den Grund fliehend. In kleinen Seen verschlungen mit dem morschen Gebälk. Es ist, als würde ich des Wahns verfallen sein. Die Blicke wandeln hinüber, vollkommen und gewiss, dass ein Moment der letzten Zweisamkeit angebrochen ist. Denn dort lag sie. Weder die Antwort auf all' meine Fragen, noch die meiner sehnsüchtigsten Wunschvorstellungen. Nur ein Pflasterstein, angekratzt und glitschig von einem unnützen Leben, das einfach weggeworfen wurde, wie ein verwestes altes Stück Fleisch. Ich konnte sie nicht gehen lassen, jetzt nicht mehr. Es wäre zu spät, um dafür einen gnadenvollen Ausweg zu finden. Diese unvorstellbar warme, herzliche und zugleich makabere Vertrautheit. Niemand würde es verstehen oder mir glauben. Man würde mich erbarmungslos aus der Welt schaffen. Doch ich habe ein Herz. Gefühlvoll schlagend in meiner schwachen Brust. Dieses perfekte, makellose Stück Menschlichkeit, das nun vor mir lag. Es war berauschend. Von den langen wunderschönen natürlichen Haaren bis hinunter zu den fleischlichen Beinen und wohlgeformten Füßen. Sie lag nur da. Zappelnd. Dumpfe Schreie, wie ein Engelschor. Ich verlor einen inneren Kampf. Mit jeder Sekunde wurde diese Szenerie süßer und einnehmender. Es musste ein Ende finden. Bald würde man mich auffinden und meine Taten sühnen. Ich bin weder böse noch unmenschlich. Ich bin menschlicher als die meisten Menschen, die hier ihrem täglichen, verlogenen Leben nachgehen. Sie hörte mir gar nicht zu. Zu sehr beschäftigt mit dem Zappeln. Die Ketten waren fest, rostig, aber ausreichend. Das Licht flackerte in diesem hypnotisierenden Rhythmus. Dieses schuldige Flehen in den Augen. Von dem Tisch gegenüber nahm ich ein Messer. Ein etwas abgegriffener Schaft mit scharfer, handgewetzter Klinge. Eiche. Das Herz schlug so schnell. Es raste, wie vom Tod getrieben, dröhnte im Galopp durch ihre erhobene Brust. Meine Hände vibrierten. Dann stachen mir blitzartig Erinnerungen in den Sinn. Es war nicht das erste Mal. Das hier ist alles schon einmal passiert. Ich bin gefangen. Gefangen in diesem Körper. Es gibt keinen Ausweg. Ich näherte mich ihr langsam an, behutsam wie ein friedliebender Mensch es tun würde. Nicht so stumpf und kalt wie der Rest dort draußen, draußen vor meiner Tür. Nicht so unbarmherzig, wie er es immer wollte und sie leiden ließ. Ich hasse ihn. Es musste geschehen. Die Zeit drängte. Ich beugte mich über sie und sah ihr in die Augen, in ihre bildschönen glasklaren blauen Augen. Sie flehte so sehr nach Vergebung. Zusammen mit mir stand sie diesen Akt der Erlösung durch. Mein Kopf legte sich sanft auf sie. Das Pochen glich einem Donnerhall in meinen Ohren. Es vibrierte bis in die tiefsten Abgründe meiner Seele. Fest umklammernd fuhr meine Hand hinauf und setzte an. Ich drückte die Klinge gegen ihre Rippen und fühlte den Schmerz in ihrem Blick, spürte wie die Haut unter dem Messer pulsierte und wir uns dabei endlich ohne Maske ansehen konnten. Etwas mehr Druck und das Blut quoll aus der Wunde. Dampfend und ohne Nachlass. Die Schreie wurden lauter. Ich zog das Messer bis zu ihrem weichen Bauch. Es musste perfekt werden. Ich griff zur Säge. Es war so barbarisch. Ich kann nicht sagen, wie lang sich dieser zuckersüße Traum hingezogen hatte. Wie lange ich damit zugebracht habe, ihr Innerstes zu erfühlen und jedes unbrauchbare Stück Fleisch aus ihr herauszuholen. Sie war so warm. Bleiche Knochen. Alles musste weg. Ich wollte am liebsten kotzen. Der ganze Boden und die Wände waren voll mit dieser ekelhaften Ansammlung menschlicher Verlogenheit. Sie musste ja alles versauen, versuchen zu verschwinden und sich nicht in meine vertrauensvollen Hände zu begeben. Völlig teilnahmslos ertrank sie in ihrem Blut, mit den glasigen Augen eines ausgenommenen Fisches. Vor Entlastung glitt mir die Säge aus den Händen hinab auf den Boden. Das klebrige Blut spritzte dabei bis an mein Bein. Es sollte ein Meisterwerk werden. Es fühlte sich richtig an, um endlich Ruhe zu finden. Doch man musste es sehen. Jeder musste es sehen, sonst hat das alles hier doch gar keinen Sinn. So war das schon immer. Ich werde ihnen zeigen, was ich für ein Mensch bin. Ein guter Mensch, ohne Schuld. Bis man mich aufsucht...

Ein heftiger Atemzug durchdrang ihre Lungen, als sie sich in ihrem Bett wiederfand. Das Gesicht war schweißgetränkt und der Herzschlag wummerte in einem rasanten Tempo. Sie war allein. Um sie herum war niemand, nichts. Kein einziges Lebenszeichen. Mit ihren weichen Handflächen hielt sie ihre Augen zu und versuchte auch nur einen Moment der Ruhe zu finden. Jede Nacht aufs Neue. Einmal intensiver, dann nur wenige Fetzen von Bildern, die sie bis in die hintersten Winkel ihres Lebens verfolgten. Es fühlte sich so real an, so unvorstellbar klebrig. Haftend, wie eine alte Wunde, deren Narbe nie verheilt. Sie richtete sich auf und lief auf nackten Füßen hinüber ins Badezimmer. Um sie herum herrschte Stille, eine beklemmende Form. In der Dunkelheit erfühlte sie den Lichtschalter und kippte ihn mit leichtem Druck nach unten. Sie trat vor den Spiegel, betrachtete ihren verschlafenen Ausdruck und warf sich darauf einen kalten Schwall Wasser ins Gesicht. Die Tropfen rannten entlang der reinen Haut über den Hals, bis sie vom leicht zerknitterten Shirt aufgefangen wurden. Ihre Haare waren zu einem Dutt zusammengebunden. Sie stützte sich kurz auf dem Waschbeckenrand ab, um sich zu sammeln. Von draußen drang der kaum wahrnehmbare Lärm des nächtlichen Straßenverkehrs an ihr Ohr. Beruhigend, dass es noch etwas anderes gab als nur sie und diesen Ort. Verrichteter Dinge machte sie sich zu ihrem Bett auf, trat aus dem Bad heraus, während ihre Hand über den Lichtschalter rutschte. Ohne auch nur einen Blick der Vernunft zu riskieren, wandelte sie los.

Dann packte sie etwas von der Seite, drückte ihren Torso ohne Mühen und mit Kraft in Richtung des Betts. Das schwache einfallende Licht der großen Fenster gegenüber umrahmte eine dunkle Person, zu dunkel, um ein Gesicht auszumachen. Sie wehrte sich, suchte mit beiden Händen nach Angriffspunkten. Die Fingernägel krallten sich in die Arme. Ihr Hals wurde mit einem starken Griff abgeschnürt und das Atmen fiel immer schwerer. Sie trat um sich, versuchte einen Ausweg zu finden. Mit letzter Mühe griff sie ein Glas auf ihrem Nachttisch und schleuderte es gegen den Kopf des Angreifers. Ein von Stöhnen begleitetes Wegrollen vom Bett verschaffte ihr eine Chance. Sie rannte, so schnell sie konnte und die Füße rutschten über das Parkett bis zur Wohnungstür. Man folgte ihr, unerbittlich. Ihre Angst kletterte Stufe um Stufe auf ihren nervenzerfetzenden Höhepunkt. Sie wurde wieder gepackt und in die Wohnung zurückgezogen, über das Parkett gezerrt, wie ein Wischlappen. Sie rief um Hilfe, laut, flehend. Im Wohnzimmer angekommen trat sie weiter um sich, doch man hatte sie fest im Griff. Man warf sie auf den großen Tisch. Schmerzend krümmte sich ihr Rücken, nach Linderung ringend. Mit den Armen fuchtelte sie zwischen der Dekoration herum, bis ein Behältnis umflog. Ein Brieföffner. Festdrückend, stach sie auf die Person ein. Einmal. Zweimal. Dreimal. Der Gegner ging halb zu Boden, warf sich zurück. Er versuchte sich aufzurichten. Sie ging auf ihn los. Die Schuhe quietschten auf dem Belag und im Hausflur verschwand das fluchtartige Geräusch. Sie sah sich um und es herrschte wieder Ruhe. Kein Lebenszeichen. Erschöpft ließ sie sich gegen die Wand fallen und sackte zusammen. Es war vorbei. Endlich war es aus. Ausdrucklos starrte sie durchs Fenster, versunken in einsamer Stille. Eine Hand berührte das Parkett und wischte, noch hypnotisiert von den Erlebnissen, in einigen Blutstropfen herum. Sie wusste, dass es irgendwann wieder dazu kommen würde und dennoch war es ein Schock, der ihr die restliche Nacht nahm. Nach einigen Minuten des Herunterfahrens, raffte die junge Frau sich auf und schaltete die Musikanlage an, die zur beruhigenden Untermalung eine klassische Klaviersonate abspielte. Erschöpft trugen sie ihre Beine zum Bett zurück, auf dessen zum Fenster gerichtete Kante sie sich setzte und mit schweren Augen starr in die Ferne der umgebenen Wolkenkratzer schaute. Innerlich suchten die Gedanken nach einem Ausweg, während die Hände wärmend über die Arme fuhren. Doch die einzige Frage, die sich fortwährend in ihrem Kopf in den Mittelpunkt drängte, war das Warum. Die sanften Klänge der Musik verstummten und alleingelassen auf dem Boden der düsteren Tatsachen, blieb ihr einzig und allein die Erinnerung an die Vergangenheit. Sie wachte auf...

2

Es fielen die ersten Tropfen vom ergrauten Himmel hinab. Rund um den alten Steg bildeten sich ausufernde Ringe auf dem Wasser und versiegten dann zu einer glatten Oberfläche. Die nahen umliegenden Fichtenwälder rauschten und raschelten im Wind, die Kronen wiegten mit jedem Zug umher. Massive Holzpfähle hielten die Planken des Stegs mehrere Meter über dem See. Man merkte ihnen ihr Alter an und die rauen Tritte pflasterten den Pfad in unregelmäßigen Abständen. Der Blick auf das Wasser war ein beruhigendes Schauspiel, welches einem in poetischer Manier ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte. Es lag eine derartige Magie auf diesem Ort, der so abgeschottet von jeder Zivilisation war, dass selbst die Stille dieser fast naturbelassenen Szenerie unnachahmlich schön war. Manch' einer würde gar eine gewisse Spiritualität hineindichten, sollte man an einem sommerlichen Abend am Ufer stehen und auf den Sonnenuntergang hinaussehen. Feine Wellen und Strömungen, wie mit einem Pinsel gemalt, zeichneten sich auf dem Wasser, während der Wind sanft hinüber strich. Fest am korkigen Ende gehalten, holte er mit der Angel zum letzten Wurf aus und schleuderte den befestigten Haken weit auf den See, wo er in die Tiefe sank. Ein früher Morgen, noch recht dunkel und vom Regen mit Feuchtigkeit geküsst. Dicke Wolken zogen vorüber und der Duft der umgebenen Bäume schlich sich friedlich ins Bild hinein. Der Mann, bekleidet von einem alten abgetragenen Mantel und Filzhut, saß am kantigen Ende des langen Stegs und ließ unbeschwert die Beine hinabbaumeln, als er euphorisch die Leine einholte. Die Schnurrolle raste förmlich durch seine knochigen Hände und holte doch nur, widererwarten, eine Ansammlung von Algen aus dem Wasser. Sein ausgeblichenes, abgetragenes Kleidungsstück umhüllte den, für sein fortgeschrittenes Alter, fitten Körper und ein verwegener Bart bedeckte das zerschlissene Gesicht. Als hätte er seit Monaten keinen Schlaf gefunden und versuchte doch mit restlichem Willen, ohne einen Anflug von Müdigkeit, das Angeln fortzusetzen. Ein gelassener Seufzer stieß hervor, während er die Landschaft verabschiedend einfing. Seit Jahren kam er nicht mehr dazu, genau an einem solchen Ort Rast zu finden. Die kühle Luft sog sich in seine Lungen, erfrischte jeden Atemzug. Ein letzter Blick auf die zerkratzte Armbanduhr und ohne einen Verriss seiner stummen Mine, richtete der Mann sich auf, packte seine Tasche samt Angel zusammen, um dann den Weg zu seinem Wagen zu suchen. Unter den kniehohen Anglerstiefeln ächzte der Steg. Ein blaues Coupé mit einer Motorhaube, die ebenso lang, wie der Rest des Autos schien, parkte leicht versetzt in der Nähe zum eingefahrenen Pfad. Es war ein Klassiker aus den Siebzigern, der an einigen Stellen Rost statt Farbe zeigte, aber dessen Motor selbst nach all der Zeit, ohne zu murren ansprang. Seine Habseligkeiten verfrachtete er in den Kofferraum, der mit einer Wolldecke ausgelegt war, um jedes weitere ätzende Tröpfchen Feuchtigkeit abzuhalten und stieg halb durchgeweicht in den Wagen. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte kräftig daran und ließ den röhrenden Motor aufheulen. Das Gebläse der Klimaanlage drückte ihm einen warmen Schwall Luft entgegen. Der Mann betrachtete noch etwas den herabprasselnden Regen, der auf die Windschutzscheibe fiel, bevor er mit einem Stupser den Schaltknüppel betätigte und zurücksetzte. Beim Gas geben schleuderten die Reifen etwas aufgeweichten Boden unter sich zurück. Wasserlachen sammelten sich auf dem Asphalt. Der Wagen beschleunigte, nachdem sich der Fahrer umgesehen hatte und legte einige Meter bis hinter die Kurve um die Waldschneise zurück, wo der Straßenabschnitt etwas für ihn bereithielt. Zu groß, um nicht aufzufallen und zu klein, um aufgehalten zu werden. Dennoch ungewöhnlich auffällig. Er hielt den Wagen mit quietschenden Bremsen an. Die gelben Scheinwerfer leuchteten die Kurve aus. Mit einem Ruck stieß er die Fahrertür auf, schnappte sich seinen Hut und begab sich nach draußen in den strömenden Regen. Die dicken Tropfen klatschten auf die breiten Schultern. Ein Stein. Ein großer Klumpen mit weißem Pfeil drauf, der in Richtung Ufer verwies, etwas versetzt vom Anglersteg. Bei diesem Wetter wohl nicht gerade lange hier draußen, sonst wäre die Aufschrift wohl bereits unkenntlich abgewaschen. Der ältere Mann sah sich um, in der Annahme, dass sich hier noch ein Wagen auf der Straße seinen Weg entlangbahnte. Er setzte mit mulmigem Gefühl einen Fuß vor den anderen in Richtung Geäst. Leichte Übelkeit machte sich im Magen breit und die Augen suchten umher, in Vorahnung, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Eine Art Intuition für heikle Momente. Hinüber durch den Matsch, tauchte im lichteren Gebüsch etwas auf. Er trampelte behutsam einiges von den entblätterten Ästen und Gestrüpp zur Seite.

Ein leichenblasser Körper. Nackt und von oben bis unten mit blauen Flecken und Wunden durchtränkt, wie nach einer harten Barschlägerei. Der Brustkorb war unsauber zugenäht, sodass ein ekelhaft fischiger Gestank aus ihm hervorging. Die Nase schien gebrochen und angetrocknetes Blut befand sich im Gesicht. Der Kopf muss hart aufgeprallt sein, denn die zu erkennenden rot-blonden Ansätze wurden immer mehr vom Blut eingenommen. Ein Arm war derartig angewinkelt und verstellt, dass er gebrochen sein musste. Eine Frau, vielleicht um die dreißig, vielleicht etwas älter. Der Mann trat näher heran und wagte einen Blick ins Innere. Mit einem Ast stieß er leicht gegen die Nahstelle, um diese etwas zu lösen.

Statt menschlicher Organe war der Körper vollgefüllt mit Fisch-Innereien, die dem Geruch zu urteilen, schon einige Tage alt sein mussten. Es roch schlimmer, als der Anblick vermuten ließ. Er sah sich um, schaudernd vor Beklemmung. Sonst war keiner in der Nähe. Nur die starren, fast schon farblosen toten Augen des Opfers brannten ihm ein Bild in den Schädel. Ihr Mund war leicht geöffnet und Blut hing in den Winkeln. Eine Hand war zu einer Faust zusammengeballt, als hielte sie etwas fest. Er wühlte in seiner Manteltasche, auf der Suche nach einem Tuch. Damit zog er den Inhalt vorsichtig aus der steifen Hand heraus. Ein durchsichtiger Plastikbeutel mit einer Karte darin. Er wendete ihn und starrte entsetzt hinein. Das Herz, vermutlich das des Opfers und eine Scheckkarte, nicht größer als eine Kreditkarte, beschriftet mit einer Nummer.

»6c.6f.7fe9 - Mgxjtkx Xugj bc«

Er griff zum Handy. Kein Netz. Verdammt! Er begab sich zurück in Richtung Straße, um dort geeignete Hilfe zu finden. Es trat der Fall ein, dass ein Lastwagenfahrer ihm entgegenfuhr, der die mehreren Meilen stadteinwärts noch vor sich hatte. Der Angler holte seine Marke aus der Manteltasche und gab dem Fahrer das Signal anzuhalten. Dieser ließ das Fenster runterfahren.

»Sir, ich bin Detective Tom Kelligen, Sie müssen in der Stadt sofort das Sheriff-Department informieren! Hier liegt eine Leiche im Wald!«

3