Pippa, die Elfe Emilia und das Heißundeisland - Barbara van den Speulhof - E-Book

Pippa, die Elfe Emilia und das Heißundeisland E-Book

Barbara van den Speulhof

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein neues Pippa-Emilia-Abenteuer mit noch mehr Sprachwitz, Humor und Überraschungen für Mädchen ab 8 Die kleine Elfe Emilia ist nicht zu bremsen, wenn sie von ihrer Heimat Island schwärmt: von Feuerbergen, einer unterirdischen Pupsmaschine, von Längs-, Quer- und Kreiswindböen und von den dreizehn Weihnachtsmännern! Pippa ist sich ganz sicher, dass Emilia mal wieder schummelt. Aber als die ganze Familie mit Oma Dotti in den Osterferien nach Island fliegt, macht Pippa sich Sorgen. Wird ihre kleine Elfenfreundin wieder mit nach Hause kommen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 147

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Barbara van den Speulhof

Pippa, die Elfe Emilia und das Heißundeisland

Mit Bildern von Regina Kehn

FISCHER E-Books

Inhalt

[Motto]EinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehn

Bücher kann man überall lesen. Auch in der Badewanne.

Pippa, 10 Jahre

 

Manche Bücher sind Musik für die Seele. Lang lebe der Rock ’n’ Roll!

Oma Dotti, 81 Jahre

 

Lieber barfuß als ohne Buch.

Isländisches Sprichwort

Eins

Sturmfreier Buchladen

»Egal, ob Geburtstag, Ostern oder Weihnachten. Ein Buch muss immer zu den Geschenken gehören.« Mama setzte sich neben Papa aufs Sofa und wedelte geheimnisvoll mit einem Briefumschlag vor unseren Nasen herum.

»Und zwar für jeden«, fügte Papa grinsend hinzu.

Meine drei Brüder und ich platzten fast vor Neugierde. Nach einer halben Ewigkeit überreichte mir Mama einen Umschlag, den sie mit einem dunkelblauen Nachthimmel, gelben Sternen und einem halben Mond bemalt hatte.

»Das ist für uns alle«, verkündete sie feierlich.

»Da soll ein Buch für jeden drin sein?!«, rief mein Bruder Jannik, und Julius, sein Zwilling, sagte: »Wahrscheinlich sind die mit Zauberstaub auf Briefmarkengröße geschrumpft worden!«

»Zauberstaub? Wo gibt’s denn so was?«, fragte Papa.

»Kann man übers Internet bestellen. Direkt vom Weihnachtsmann«, antwortete Julius.

»Nun mach schon auf, Kleine!« Mein ältester Bruder Paul knuffte mich in die Seite und guckte so, als ob er mir den Umschlag am liebsten aus der Hand reißen würde.

Weil ich es als Jüngste in der Familie nicht immer leicht habe und oft von meinen Brüdern geärgert werde, nutze ich jede Gelegenheit, sie zurück zu ärgern und mich für ihre kleinen Gemeinheiten zu rächen. Also machte ich den Umschlag nicht gleich auf. Ich drehte und wendete ihn zwischen meinen Fingern und bewunderte in aller Seelenruhe das Bild, mit dem Mama den Umschlag verziert hatte.

»Los jetzt!«, meckerte Julius.

»Mach auf!«, meckerte Jannik.

»Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!«, begann ich zu singen und wedelte mit dem verschlossenen Umschlag in der Luft herum. Ich habe bis heute nicht verstanden, was der Text eigentlich bedeutet, aber wir singen dieses Lied in unserer Familie, solange ich Weihnachten kenne. Und dieses Jahr war schon mein neuntes Fest. Wäre ich ein paar Wochen früher zur Welt gekommen, wäre es sogar mein zehntes Fest.

»Du kannst so fies sein, Pippa.« Julius schüttelte den Kopf.

Und ich sang weiter.

Nachdem ich das Lied mit allen Strophen zu Ende gesungen hatte, beschloss ich, dass meine Brüder genug gelitten hätten. Ich schob meinen Finger unter die eine Ecke des Umschlags und knispelte die Klappe vorsichtig auf. In Zeitlupe zog ich die Karte heraus, auf deren Vorderseite Mama stapelweise Bücher gemalt hatte. Alle Augen waren auf mich gerichtet, als ich die Karte aufklappte und vorlas:

Sturmfreier Buchladen.

Am vorletzten Tag im alten Jahr.

Von acht Uhr bis Mitternacht.

Im Umschlag steckten noch Gutscheine im Wert von je fünfzig Euro. Sechs Stück. Für jeden einen.

»Hä? Nachts im Buchladen? Nach acht?« Paul kapierte genauso wenig wie wir anderen Kinder.

»Das ist ja das Schöne!«, antwortete Mama. »Sandra lässt uns in dem Laden alleine, und wir können stöbern und uns neuen Lesestoff aussuchen.«

»Coole Sache das!«, nickte Jannik, und Julius reckte den Daumen hoch. »Kann man sich drauf einlassen«, meinte Paul und fing an, eine Wunschliste zu schreiben.

Und ich? Ich freute mir die Locken kringelig! Neben Backen, Fahrradfahren und Geschichten aufschreiben, gehört Lesen nämlich zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.

Nach dieser Überraschung packten wir die anderen Geschenke aus. Auch Oma Dotti, die Oma, die ich adoptiert hatte, hatte Päckchen vorbeigebracht. Dicke selbstgestrickte Wollsocken für jeden. Nach dem Auspacken roch es im Wohnzimmer wie auf einer Schafsweide. Mama meinte, das käme von der naturbelassenen Wolle. Die würde die Füße besonders warm halten. Mir hatte Oma Dotti außerdem noch ein leeres rotweiß gepunktetes Buch geschenkt. Das war mein drittes. Die ersten beiden hatte ich schon vollgeschrieben. Das war eine heimliche Abmachung zwischen Oma Dotti und mir. An dem Tag, an dem sie mir Emilia geschenkt hatte, hatte sie mir auch das erste Buch geschenkt und gesagt, ich soll alles aufschreiben, was ich zusammen mit Emilia erleben würde.

Und das habe ich gemacht. Im ersten Buch habe ich aufgeschrieben, wie Emilia und ihre Katze Zimtundzucker zu mir kamen und was danach alles Aufregendes passierte. Zum Beispiel, dass die kleine Katze entführt wurde und wie wir den Fall schließlich gelöst haben. Damit war das erste Buch vollgeschrieben.

Im zweiten habe ich geschrieben, dass es zwischen Inga, einem Mädchen aus meiner Klasse, und mir Krach gab, und dass der in einer Käsekuchenschlacht endete.

Und jetzt lag das dritte Buch vor mir. Leer. Mit welchem Abenteuer ich dieses Buch füllen würde, wusste ich noch nicht.

 

Aber nun erst mal der Reihe nach:

Oma Dotti ist nicht meine echte Oma. Ich nenne sie nur so, weil ich sie genauso lieb habe wie meine richtigen Omas. Außerdem ist Oma Dotti auch längst alt genug, um eine Oma sein zu können. Nämlich 81 Jahre alt. Genau genommen könnte sie auch Uroma sein.

Ich habe Oma Dotti bei einem Malkurs kennengelernt, den meine Mutter im Altersheim gegeben hat. Ich mochte sie gleich, und sie mochte mich. Als der Kurs zu Ende war, hat sie mir eine Puppe mit dem Namen Emilia geschenkt. Erst später zu Hause habe ich gemerkt, dass sie gar keine Puppe ist, sondern eine lebendige Elfe. Und in dem Koffer, den sie mitgebracht hatte, war eine reinrassige Elfenkatze. Aber das ist noch immer ein Geheimnis. Nur Oma Dotti und ich wissen davon. Alle anderen denken, sie wäre eine Puppe.

Emilia ist schon 741 Jahre alt. Behauptet sie zumindest. Man weiß allerdings nie so genau, ob es stimmt, was Emilia erzählt. Sie schummelt manchmal. Das kann sie richtig gut. So gut, dass ich ihr meistens glaube. Was sie noch gut kann, ist, sich in eine Puppe zu verwandeln. Immer dann, wenn jemand kommt, der ihr Elfengeheimnis nicht kennt. Seit sie bei mir lebt, stellt sie mein Leben ganz schön auf den Kopf. Manchmal zwingt sie mich dazu, Dinge zu tun, die ich mich ohne sie niemals trauen würde. Und das ist kein Geheimnis.

Das merkten auch Jannik und Julius, die Zwillinge. Sie beschwerten sich sogar bei Mama und Papa, dass ich mich neuerdings nicht mehr so leicht ärgern lasse. Jannik und Julius sind elf Jahre alt und sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Deshalb nennen wir sie auch die Jottjotts. Wir hätten sie auch die Eieis nennen können, weil sie einander gleichen wie ein Ei dem anderen. Aber Mama war dagegen, weil sie den beiden einen so peinlichen Namen ersparen wollte.

Paul, von uns auch Pillepalle gerufen, ist dreizehn und mittendrin in der Pubertät. Das ist die Zeit, in der man nicht mehr klein und noch nicht groß ist. Ich sage Pickeltät dazu, weil er in dieser komischen Zeit das Gesicht voller Pickel hat. Das ist nicht schön, gerade weil er neuerdings auch Mädchen interessant findet und nicht nur Autos und Motoren.

Papa heißt Fredo und ist Lehrer von Beruf. Das ist nicht so schlimm, wie man als Kind vielleicht denkt. Er ist an einer anderen Schule als wir Kinder, und er gibt uns auch keine Nachhilfestunden, wenn wir etwas nicht verstehen. Bei uns müssen sich die Kinder gegenseitig Nachhilfestunden geben. Paul hilft denn Jottjotts. Und die Jottjotts helfen mir. Ich muss niemandem helfen, weil ich die Jüngste bin. Das ist einer der wenigen Vorteile, die ich habe.

Mama heißt Lissy und ist Kunstmalerin. Sie hat ein eigenes Atelier im Garten, wo sie ihre Bilder malt. Manchmal gibt sie eben auch Malkurse. Zum Glück macht sie das. Denn sonst hätte ich Oma Dotti niemals kennengelernt. Sandra, die Buchladenbesitzerin, hat Mama einmal angerufen und gefragt, ob sie vielleicht eine Ausstellung ihrer Bilder im Laden machen möchte. Dabei wurden sie zu Freundinnen. Das war sehr praktisch, denn so kamen wir alle zu unserem ganz besonderen Weihnachtsgeschenk.

Zwei

Alles echte wache Wirklichkeit

Am vorletzten Tag im Jahr, abends um kurz vor acht, stellten wir unseren Wagen auf dem Parkplatz am Anfang der Fußgängerzone ab. Ich setzte Emilia eine Mütze auf und band ihr den Schal um. Obwohl ich wusste, dass sie das nicht mochte.

»Elfen frieren nicht«, hatte sie behauptet, als ich ihr zu Weihnachten die Anziehsachen geschenkt hatte. Aber jetzt, wo meine Familie dabei war, konnte sie nicht mit mir schimpfen, sondern musste so tun, als wäre sie eine Puppe. Nur ich bemerkte das wütende Funkeln in ihren Augen, als ich sie warm einpackte.

Es musste aber sein. Denn eine gesunde Elfe ist schon anstrengend genug. Ich mochte mir gar nicht ausdenken, wie Emilia sich benehmen würde, wenn sie mit Husten und Schnupfen im Bett liegen würde.

Als ich sie so dick eingemummelt auf den Arm nahm, kam ich mir ein bisschen vor wie Mama. Sie ließ uns im Winter auch nie ohne Mütze und Schal aus dem Haus gehen.

Krk, krk, krk.

Die Jottjotts hatten ihre neuen Winterstiefel angezogen und liefen voraus. Schon vor Stunden hatte es wieder angefangen zu schneien. Dicke Flocken schwebten lautlos vom Himmel und ließen die Schneedecke auf der Straße immer höher werden.

Krkkk, krkkk, krkkk.

Ich hüpfte von einem Fußabdruck zum nächsten. Einmal in den rechten von Jannik und einmal in den linken von Julius. Immer abwechselnd. Bis wir endlich vor dem Buchladen standen.

Bücher, Bücher. Und mehr

stand auf der Leuchttafel über dem Eingang.

Die Lichterkette im Verkaufsraum war eingeschaltet, beide Schaufenster waren noch festlich dekoriert. Große rote und grüne Papiersterne strahlten gegen das helle Licht der Straßenlaternen an. Außer uns war niemand unterwegs. Aus vielen Fenstern im ersten und zweiten Stock der Häuser in der kleinen Fußgängerzone flackerte bläuliches Licht.

»Die Leute hängen voll vor der Glotze ab, Mann«, meinte der eine Jott.

»Ja, voll krass«, gab ihm der andere recht und schnappte mit offenem Mund nach ein paar Schneeflocken.

»Aber wir haben die Liveshow!«, rief der Erste. »Wir machen Büchercasting!«

Papa wollte gerade etwas sagen, als ihn Mama mit hochgezogenen Augenbrauen streng anschaute. »Mach jetzt nicht den Fehler und schlag ihnen vor, sich ein gutes Grammatikbuch auszusuchen. Das geht schief.«

Papa klappte den Mund wieder zu, ohne etwas gesagt zu haben.

Dann drehte sich Mama zu Jannik und Julius um. »Und ihr gebt mal nicht so an wie eine Tüte Mücken. Wenn wir nicht hier wären, würdet ihr spätestens Viertel nach acht auch vor der Glotze hängen.«

Die Jottjotts sagten nichts mehr. Es war ihnen peinlich, weil Mama recht hatte. Ich gab mir alle Mühe, nicht zu grinsen. Sonst hätte ich mir vielleicht eine Kopfnuss eingefangen. Kopfnüsse, muss man wissen, sind das beliebteste Obst in unserer Familie.

Sandra kam aus dem hinteren Teil des Ladens angelaufen. Sie schloss die Tür auf und ließ uns herein.

»Frohe Weihnachten und herzlich willkommen!« Sie schüttelte jedem von uns die Hand und führte uns dann vom vorderen großen Raum in einen kleineren, weiter hinten gelegenen. Darin waren zwei alte Ohrensessel, ein Schaukelstuhl und ein rotes Oma-Sofa. Auf dem Tisch in der Mitte stand ein großer Teller mit Keksen, eine Karaffe mit Fruchtpunsch und eine mit Rhabarbersaftschorle. Über den halbhohen Bücherregalen hingen die Bilder von Mama, die noch nicht verkauft worden waren.

»Fühlt euch wie zu Hause«, sagte Sandra und deutete auf Sessel und Sofa. Das machte ich. Es war ja fast wie zu Hause. Mamas Bilder hingen hier. Nachdem uns Sandra eine Musik-CD eingelegt hatte, zog sie ihre dicke Daunenjacke an.

»Na denn. Viel Spaß euch allen beim Stöbern. Wenn irgendwas ist, ruft mich an. Ansonsten bin ich um Mitternacht wieder da.«

Sie schloss die Ladentür von innen zu und ging durch den Hinterausgang nach draußen.

Jetzt waren wir ganz allein. Der Laden gehörte für die nächsten vier Stunden uns.

Ich schaute mich um. Pillepalle saß auf dem Boden vor einem Regal mit Fotobüchern. Die Jottjotts standen auf der anderen Seite bei den Büchern ab 12 Jahren. Papa stand vor einem Tisch mit Krimis. Und Mama stand neben mir.

»Ich suche noch ein Geschenk für Oma Dotti. Fällt dir etwas ein, das ihr Freude machen könnte, Pippa?«

Ich überlegte.

Wir hatten Oma Dotti für Heiligabend zu uns eingeladen, doch sie wollte lieber mit Herrn Siebenborn feiern. Die beiden hatten sich bei uns kennengelernt und waren seither miteinander befreundet. Na ja, sogar ein bisschen mehr als befreundet. Ich glaube, sie sind sogar ineinander verliebt. Ich dachte, das geht nicht mehr bei alten Leuten. Aber Mama sagt, man kann sich immer verlieben. Egal, wie alt man ist.

»Wie wäre es mit einem Liebesroman?«, schlug ich deshalb vor.

Mama kicherte. »Ich glaube, Oma Dotti und Börni schreiben sich gerade ihren eigenen Liebesroman, die beiden Turteltäubchen.«

»Stimmt«, giggelte ich mit. »Dann vielleicht ein Buch über Tiere?«

Die Idee fand Mama nicht so gut. Ich dachte weiter nach. Mir fielen die Schafwollsocken wieder ein.

»Wie wäre es mit einem Buch über Stricken?«

»Sie kann doch stricken. Außerdem habe ich gesehen, dass sie jede Menge Bücher zum Thema Stricken und Häkeln hat.«

Ältere Menschen zu beschenken ist echt nicht einfach. Entweder sagen sie, dass sie alles haben, was sie brauchen. Oder sie können schon alles.

Dann hatte ich den zündenden Einfall.

»Island! Wir schenken ihr ein Buch über Island!«, rief ich. »Da kommt sie doch her. Und sie war so lange nicht mehr da. Vielleicht hat sie manchmal Heimweh.«

Mama guckte ein bisschen komisch, ließ sich dann aber doch überzeugen.

Warum sie so komisch guckte, verstand ich erst ein paar Tage später.

Wir suchten in einem Regal, über dem stand »Die Welt entdecken« und fanden einen großen Bildband, der gerade erst erschienen war. Damit konnten wir ziemlich sicher sein, dass sie das Buch noch nicht hatte.

Danach suchte sich Mama ihre Bücher aus und ich meine. Ich verzog mich aufs Sofa und begann zu lesen. Irgendwann wurden meine Augenlider schwer wie Blei …

 

Doing.DOING.DOINGGGG!

Mit den letzten drei der zwölf Glockenschläge der Kirchturmuhr schlug ich meine Augen wieder auf.

»Schau mal!«, rief der eine Jott. »Unsere Kleine ist aufgewacht!«

»Pünktlich zur Geisterstunde!«, grinste der andere Jott.

»Huhuhu!«, riefen beide und wedelten mit den Händen in der Luft herum.

Papa saß in einem der Sessel, las und knabberte Kekse. Dann klappte er sein Buch zu. »Lasst eure Schwester in Ruhe. Sonst werde ich zum Geist. Und zwar zu einem bösen Geist«, schimpfte er.

Mama streichelte mir übers Haar. Mein Kopf war auf ihren Schoß gerutscht und Emilias Kopf auf meinen. Ich setzte mich auf und zog meinen Zeigefinger aus dem Buch. Den hatte ich, bevor ich eingeschlafen war, zwischen Seite 24 und 25 eines Märchenbuchs eingeklemmt. Jetzt war er eingeschlafen.

Ich hatte noch den Schleier vor den Augen, der zwischen Schlaf und Wachsein hängt.

Ich hatte geträumt, dass das Haus, in dem der Buchladen untergebracht war, von Schneemännern hochgehoben und auf einen großen Teppich gesetzt worden war. Darauf war das Haus in ein fremdes Land geflogen. Es war sehr, sehr kalt dort, aber weil jeder von uns in einem selbstgestrickten Schafwollsocken steckte, der von den Füßen bis zum Hals und zu den Händen reichte, hatten wir nicht gefroren. In unseren Ganzkörpersocken waren wir von unserem Landeplatz aus in ein Dorf gehüpft. In der Mitte des Dorfs hatte eine Uhr gestanden, die so hoch war wie ein Haus. Die Uhr hatte genauso ausgesehen wie die Standuhr in Der Wolf und die sieben Geißlein. Als die Uhr zwölf schlug, war nicht ein Geißlein, sondern viele kleine Elfen herausgesprungen. Sie waren auf mich zugelaufen und hatten mehr geflüstert als gesungen: »Wir müssen dir ein Geheimnis verraten!« Eine der Elfen war an meinem Socken hochgeklettert bis zu meinem Ohr. Und sie hatte gesagt: »Was ich dir jetzt erzähle, darfst du niemandem verraten. Versprichst du das?« Ich hatte genickt, und gerade als sie anfangen wollte, war ich aufgewacht.

Ich rieb mir die Augen, um schneller vom Schlafland ins Wachland zu kommen.

»Ihr Blödmänner, ihr blöden!«, rief ich den Jottjotts zu. »Ihr seid Traumräuber! Jetzt weiß ich nicht, was mir die Elfe erzählen wollte!«

Mama strich mir eine Locke aus dem Gesicht. »Ärgere dich nicht. Die Jottjotts sind unschuldig. Du bist von alleine aufgewacht«, sagte sie zartleise. »Du kannst morgen weiterlesen und erfahren, was die Elfe gesagt hat.«

»Kann ich nicht!«, murrte ich. »Das war keine Geschichte aus einem Buch. Das war echt!«

Dass Mama daraufhin nur mild lächelte, machte mich nur ärgerlicher.

»Du nimmst mich nicht ernst!«, schmollte ich. »In meinem Traum war alles echte, wirkliche Wachheit, äh, ich meine, echte wache Wirklichkeit.«

Ärgerlich darüber, dass ich nicht die richtigen Worte fand, schob ich Mamas Hand zur Seite und hüpfte vom Sofa.

»Du hast recht«, gab Mama nach. »Man sollte seinen Träumen Glauben schenken. Besonders, wenn es schöne Träume sind.«

»Wer hat hier schöne Träume? Außer mir natürlich!«, hörte ich Sandras Stimme, und kurz darauf kam auch der Rest von Sandra ins Zimmer.

»Tut mir leid, ich bin ein wenig zu spät. Ich bin zu Hause auf dem Sofa eingeschlafen.« Sie ließ sich neben mich auf das Sofa fallen und zog den Reißverschluss ihrer Daunenjacke auf.

»Puh, jetzt hab ich mich aber beeilt«, schnaufte sie und schaute uns an. »Sieht so aus, als hättet ihr mich nicht vermisst.«

»Nein«, rief Jott, und der andere Jott gab ihm recht.

»Wir hätten noch die ganze Nacht hierbleiben können.«

»Ja, ja. Die ganze Nacht«, grinste Pillepalle und gab beiden eine Kopfnuss. »Ihr meint wohl, ihr hättet hier die ganze Nacht weiterschlafen können.«

Jetzt kapierte ich. »Aahhh, nee oder?! Ihr habt also auch geschlafen?«

Die Jottjotts schauten bedröppelt zu Boden.

»Klar haben sie«, meinte Pillepalle. »Sie sind eine Minute vor dir aufgewacht.«

»Keinen Streit, bitte!«, versuchte uns Papa zu beschwichtigen. »Das verdirbt nur die gute Laune.«