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Pranayama ist wesentlicher Bestandteil des Hatha-Yoga und bezeichnet eine der ältesten Atemschulen. Sie lehrt uns, Prana, die kosmische Lebenskraft, bewusst wahrzunehmen und zu lenken und so Körper und Geist zu stärken. Anschaulich, klar und übersichtlich führt die erfahrene Yoga-Lehrerin Gitta Kistenmacher in diese komplexe Atemkunst ein. Viele wertvolle Übungen bereiten auf die verschiedenen klassischen Pranayama-Techniken vor. Gleichzeitig vermittelt die Autorin auch ein umfassendes Hintergrundwissen zum tieferen Verständnis der Pranayama-Praxis. Ihr Buch gilt mittlerweile als Standardwerk in der Yoga-Lehrausbildung.
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Seitenzahl: 145
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Gitta Kistenmacher
Pranayama
Die Atemschule des Hatha-Yoga
Übungsbegleiter zum tieferen Verständnis der Pranayama-Praxis
edition sawitri|Verlag W. Huchzermeyer
Haftungsausschluss
Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für die individuelle Anleitung durch qualifi zierte Yoga-Lehrende oder kompetenten medizinischen Rat, sondern dienen der Begleitung und der Anregung der Selbstheilungskräfte. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne Gewährleistung oder Garantie seitens der Autorin oder des Verlages. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
ISBN 978-3-931172-37-4
www.edition-sawitri.de
1. Auflage 2018
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Kapitel I – Pranayama-Vorbereitung
Voraussetzungen für die Pranayama-Praxis
Einleitung
Essen und Trinken
Die Nase muss frei sein
Duschen, Baden und Sauna
Hitze
Menstruation und Schwangerschaft
Kontraindikationen
Nur für Erwachsene
Atemmechanismus
Mechanik der Atembewegung
Nasenatmung
Äußere und innere Atmung
Vorbereitungsübungen
Atembetrachtung
Atemweg – Atemraum – Atemhülle
Puraka und Rechaka
Samavritti Pranayama
Ujjayi-Pranayama – Die Siegreiche
Atemübungen, die Stress abbauen
Bauch-, Abdominal- oder Zwerchfellatmung
Apanasana – Verdauungsatmung
Reinigungsatmung mit Gähnen und Seufzen
HA-Atmung in Vajrasana
Übungen zur Verlängerung der Ausatmung
Vorbereitung von Anuloma Pranayama durch Rechaka Krama
Ausatmung in Intervallen
Atemübungen zum Kraftauftanken
Wellenatmung oder kombinierte Bauch-Brust-Atmung
Rippen- (Kostal-) oder Flankenatmung
Yogi- oder Vollatmung
Buddhi Mudra Pranayama
Übung zur Verlängerung der Einatmung
Einatmung in Intervallen
Kapitel II – Die Feinstoffphysiologie des Hatha-Yoga
Pancha Kosha – Die fünf Hüllen
Pancha Prana Vayu – Die fünf Manifestationen des Prana
Maha Prana
Apana Vayu
Prana Vayu
Samana Vayu
Vyana Vayu
Udana Vayu
Nadi – Chakra – Kundalini
Nadi
Chakra
Die sieben Chakras
Kundalini
Exkurs – Die Bedeutung der Wirbelsäule im Yoga
Kapitel III – Die Bandhas
Die einzelnen Verschlüsse
Mula Bandha – Wurzelverschluss
Ashvini Mudra – Geste der Stute
Jalandhara Bandha I – Kehl- oder Kinnverschluss
Jalandhara Bandha II – Nackenverschluss
Uddiyana Bandha – Zwerchfellverschluss
Udara Bandha – Bauchverschluss
Purna Uddiyana Bandha – Vollständiger Bauchverschluss
Agni Sari – Das innere Feuer anfachen
Maha Bandha I – Erster großer Verschluss
Maha Bandha II – Zweiter großer Verschluss
Kapitel IV – Die Mudras
Die Bedeutung einiger Mudras
Jnana Mudra – Siegel der Erkenntnis
Vishnu Mudra – Vishnu-Geste
Anjali Mudra – Grußgeste oder Geste des Dankes
Shanka Mudra – Muschelhorngeste
Shanmukhi Mudra – Geste der sechs Kopföffnungen
Kurma Mudra – Schildkrötengeste
Kapitel V – Klassische Pranayamas
Eine Auswahl klassischer Pranayamas
Einleitung
Voraussetzungen für den klassischen Pranayama
Matra
Abhyasa
Samana-betont
Nadi Shodana – Einfache Wechselatmung
Anuloma Viloma Pranayama
Kapalabhati – Das Haupt zum Leuchten bringen
Bhramari Pranayama – Das Bienensummen
Langhana-betont
Shitali Pranayama – Die Erfrischende
Sitkari Pranayama – Die Geräuschvolle
Chandra Bheda – Den Mondkanal durchstoßen
Anuloma Pranayama – Mit dem Strich des Fells
Brmhana-betont
Surya Bheda Kumbhaka – Den Sonnenkanal durch stoßen
Bhastrika Pranayama – Blasebalgatmung
Bhastrika, Kumbhakas und Bandhas
Ajagari – Der Python
Kevala Kumbhaka – Das Geschenk
Kapitel VI – Bedeutung und Ziele des Hatha-Yoga
Wortbedeutung Yoga
Patanjali und die Philosophie des Samkhya
Patanjalis Yogadefinition
Der Hatha-Yoga
Wortbedeutung Hatha-Yoga
Zusammenfassung
Schlussbetrachtung
Glossar
Quellennachweis
von Klaus König
Pranayama ist ein wichtiger Bestandteil der praktischen Umsetzung des Yogaweges. Die heute vorherrschende Asana-Praxis spielte in den klassischen Yogatexten nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wurde dem Pranayama – den Techniken zur Beeinflussung des Atems bzw. des prana – ein großer Raum gegeben.
In den überlieferten Schriften finden sich sowohl Beschreibungen für die reine Betrachtung des Atems im Sinne von Meditation als auch für die Beeinflussung des Atems durch ausgefeilte Übungen. Das Spektrum reicht von der Betonung der Atempause durch langes Halten des Atems bis hin zu einer Regulierung des Flusses der Lebensenergie.
Der Begriff »Pranayama« wurde zum ersten Mal in einzelnen frühen Upanishaden wie der »Chandogya-Upanishad« erwähnt. Deren genaue Datierung ist bis heute nicht exakt gelungen. Es wird vermutet, dass Teile der frühen Upanishaden 2 500 Jahre alt sind.
Im »Yogasutra« des Patanjali, dem aus heutiger Sicht wichtigsten Grundlagentext des Yoga, wird der Umgang mit dem Atem an mehreren Stellen beschrieben. Zunächst wird »das vollständige Ausstoßen und Zurückhalten des Atems« genannt (PYS I.34). Später ist Pranayama eines der Glieder des bekannten achtgliedrigen (ashta-anga) Yoga nach Patanjali. Dieser geht dort ausführlich auf den Atem ein und betrachtet diesen in Bezug auf seine Bestandteile Ein- und Ausatmung sowie die Atempause. Obgleich keine konkreten Techniken beschrieben sind, werden die wesentlichen Punkte erwähnt, die bei der Arbeit mit dem Atem wichtig sind. Der Ort, die Dauer und die Anzahl der Atemzüge werden hier ebenso genannt wie die beiden wichtigsten Qualitäten dirgha (lang) und sukshma (fein).
Hier – wie auch in früheren Textstellen der indischen Tradition, wie den Upanishaden – wird der Atem als Bindeglied zwischen Körper und Geist betrachtet. Noch deutlicher wird dieser Bezug in den Texten des Hatha-Yoga hergestellt.
So heißt es in der »Hathapradipika«: »Wenn der Atem gestört ist, wird auch der Geist gestört« (HYP II.2), und im vierten Kapitel wird wiederholt betont, dass die Kontrolle des Atems und des Geistes sich gegenseitig beeinflussen und voneinander abhängen (HYP IV.21–23).
An diesen Stellen lässt sich leicht erkennen, dass der Hatha-Yoga weit über die bekannten Körperübungen (Asanas) hinausgeht. Der häufig erwähnte Gegensatz zwischen dem Hatha- und dem oft als überlegen dargestellten Raja-Yoga besteht in den ursprünglichen Yogatexten nicht.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Begriffe »Hatha« und »Raja« zu klären. Während wörtlich übersetzt hatha die Bedeutung von »Zwang«, »auf seinen Kopfe bestehen« oder auch »Gewalt, Notwendigkeit« haben kann,1 werden die beiden Silben ha und tha symbolisch sehr unterschiedlich interpretiert.
In der »Hathapradipika« – einem der bedeutendsten Texte des Hatha-Yoga – ist die am häufigsten gebrauchte Bedeutung die von prana und apana – den beiden essenziellen Formen der Lebensenergie. Hatha-Yoga kann folglich als ein Yoga der Beeinflussung dieser Energien betrachtet werden.
Wesentlich unklarer ist die Situation beim Raja-Yoga. Die wörtliche Übersetzung von raja als »König« oder »Herrscher« hilft hier zunächst nicht weiter. Oft wird die auf Patanjalis »Yogasutra« basierende philosophische Weltsicht (darshana) als Raja-Yoga bezeichnet. Swami Vivekananda gab seiner Übersetzung dieses Textes den Titel »Raja-Yoga«. Der Begriff taucht jedoch bei Patanjali selbst nicht auf. Man findet ihn zwar in der »Hathapradipika«, er wird dort aber im Sinne der meditativen Techniken gebraucht, und es wird die enge Verflechtung beider Yogaformen betont. Die Methoden des Hatha-Yoga sollen bei der Vervollkommnung des Raja-Yoga helfen (HYP I.1–2; I.69). Dort heißt es sogar: »Vollendung im Raja-Yoga verlangt Hatha-Yoga-Übung; umgekehrt gilt das Gleiche, deshalb sind beide zu üben!«2
Die Übergänge zwischen den Körperübungen und den Atemübungen des Yoga lassen sich nicht klar definieren. Weil der Atem ein mit dem und im Körper stattfindender Prozess ist, muss jener in jeder Körperhaltung bzw. bei jeder Bewegung berücksichtigt werden.
Im Verlauf des Übens und mit fortschreitender Erfahrung wird die Bedeutung von Empfindungen auf körperlicher Ebene womöglich gegenüber energetisch erfahrbaren Phänomenen in den Hintergrund treten, doch eine Verbindung zwischen den anatomischen Strukturen und den energetischen Prozessen bleibt bestehen.
Auf den überlieferten Texten des Hatha-Yoga bauen letztlich auch alle modernen Pranayamas auf. Hat sich auch der Einsatz der Atemtechniken von einem zentralen zu einem eher ergänzenden Bestandteil des Hatha-Yoga verschoben, so spielt hier aber der bewusste Umgang mit dem Atem nach wie vor eine wichtige Rolle. Innerhalb der Hatha-Yoga-Systeme, die Atemfluss und Bewegung koordinieren (Vinyasa, Flow, Power, Ashtanga-Vinyasa, Karana usw.), wird deshalb auch immer wieder ein direkter Bezug zu diesen ursprünglichen Quellen hergestellt. Meist wird empfohlen, den bei Patanjali erwähnten langen und feinen Atem zu praktizieren oder den Atem mit der in der »Hathapradipika« erwähnten Ujjayi-Atmung zu beeinflussen.
Für die Übungspraxis des modernen (besonders des westlich geprägten) Menschen, der mit den Techniken des Yoga einen Ausgleich bzw. eine Bereicherung für seinen normalen Alltag schafft, spielen die in den Quellentexten beschriebenen Methoden des Pranayama aber nur eine untergeordnete Rolle. Einerseits entstammen diese Methoden unterschiedlichen Zeiten und Kulturen, andererseits wurden diese Texte von und für Menschen entwickelt, für die der Weg des Yoga der Mittelpunkt ihres Lebens war. Würde man den konkreten Anleitungen, beispielsweise denen der »Hathapradipika« oder »Gheranda Samhita«, folgen, müsste bereits eine einzige Atemtechnik mehrere Stunden täglich geübt werden. Es ergibt sich also die Notwendigkeit, in Auswahl und Intensität der Übungspraxis ein angemessenes Maß zu finden. Was für »Vollzeityogis« eine praktikable Methode sein mag, kann nicht für jeden Yogapraktizierenden gelten. Wenn die Techniken des Yoga von Menschen mit normalen Arbeits- und Familienleben angewendet werden sollen, müssen sie angepasst werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Pranayama nicht für den modernen Menschen geeignet wäre.
Das moderne Übungssystem des Pranayama hat seine Grundlage in den überlieferten Texten der Yogatradition, bildet aber nach den Worten Sjomans eine »lebendige Tradition«3, die sich ständig verändert, anpasst und auch neue Impulse integriert.
Pranayama ist ohne Zweifel eine der wirkungsvollsten Methoden, den Geist zu zentrieren. Ob diese nun als Bestandteil eines modernen Fitness- oder Wellnessdenkens oder als vorbereitender Schritt für die Meditation verstanden und praktiziert wird, der den Einstieg in die mehr geistigen Praktiken des Yoga bietet, bleibt letztlich jedem Übenden selbst überlassen.
»Ein kranker oder unruhiger Mensch zerstreut sein prana außerhalb des Körpers, weil Blockaden den Fluss des prana innerhalb seines Körpers behindern. Eine ruhige, gesammelte und gesunde Person kann mehr prana im Körper halten.«1
Der Sanskritbegriff pranayama setzt sich zusammen aus prana (Lebensenergie) und ayama (ausdehnen, verlängern, nicht zerstreuen, auch: regeln, lenken, kontrollieren). Prana manifestiert sich im Atem, d. h., die Atmung ist Träger der Lebensenergie. Diese wird mit Praktiken zur Verlängerung der Aus- und Einatmung und zur Ausdehnung der Atemanhaltephasen Atemfülle und Atemleere unter Einsatz bestimmter Verschlüsse (bandha) auf gewünschte Weise gelenkt und gebündelt.
Verflochten ist diese Prozedur mit der altindischen Vorstellung, dass jeder Mensch in seinem Leben über eine begrenzte Anzahl von Atemzügen verfügt. Somit wurden und werden Atemverlängerung und Atemanhalten auch mit der Aussicht auf Lebensverlängerung praktiziert.2 Die Hatha-Yoga-Texte versprechen in dem Zusammenhang sogar eine verjüngende Wirkung. Jemand mit »langem Atem« gilt als gelassen und belastbar.
Die Basis, auf der Pranayama aufbaut, ist Asana. Das für die Pranayama-Praxis erforderliche lange aufrechte Sitzen mit gekreuzten Beinen wird durch die Asana-Praxis vorbereitet und wesentlich erleichtert. Asana und Pranayama gehören zum yogischen Übungsweg (sadhana), der über physische Abläufe Zugang zum psychisch-mentalen Geschehen erhält.
asana
Yoga-Körperhaltung
Sowohl im etwa 2 000 Jahre alten klassischen achtgliedrigen Yogamodell Patanjalis als auch in den etwa 1 400 Jahre jüngeren Hatha-Yoga-Texten3 werden der Zusammenhang und die Wechselwirkung von Atem und Psyche thematisiert. Sinngemäß heißt es dort: Ein ruhiger Atem besänftigt den Geist, und einem ruhigen Geist folgt ein Stillsein des Atems. Pranayama fördert die innere Ruhe und bereitet damit die vier weiteren meditativeren Glieder des Ashtanga-Yoga vor, womit wir an Patanjalis Eingangs-Sutra anknüpfen können, das Yoga als chitta vritti nirodha definiert, was sich mit »Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen sinnlich-mentaler Aktivität« übersetzen lässt.4
Gibt man auf Wikipedia den Begriff »Pranayama« ein, so wird treffend ausgeführt, Pranayama bezeichne »die Zusammenführung von Körper und Geist durch Atemübungen«. Aber wie genau geht das vor sich?
Der Atem vermittelt zwischen grobstofflichem Leib und feinstofflich-energetischem Netzwerk, das – laut Hatha-Yoga-Konzept – an Ersteren gebunden ist. Aus yogischer Sicht erklären sich somit Anwendungs- und Wirkungsweisen von Yogahaltungen und Atemübungen erst unter Berücksichtigung der Hatha-Yoga-Feinstoffphysiologie (Siehe: S. 58 ff.).
Bei den Übungen geht es zunächst darum, sich von Schlacken, also Unreinheiten (mala), zu befreien, welche den Pranafluss blockieren. Dieser Reinigungsvorgang geht über normale Stoffwechselprozesse des Körpers hinaus, bei denen Abfallprodukte über Ausscheiden (10 %), Ausschwitzen (20 %), Abhusten und Ausatmen (70 %) entsorgt werden. Das System soll ganzheitlich ins Gleichgewicht gebracht werden. Eine Reduktion von mala fördert nicht nur die Gesundheit und steigert somit das Wohlbefinden, sondern schafft auch Raum für die Aufnahme von mehr Lebensenergie. So wird die Entwicklung innerer Kraft unterstützt.
mala
Schlacken, Unreinheiten, psychische Belastungen–alles, was das Wohlbefinden trübt und die Wahrnehmung verschleiert
Wir isolieren Pranayama also nicht aus dem Hatha-Yoga-System. Voraussetzung dafür ist eine regelmäßige Asana-Praxis. Außerdem wird ein pranischer Atem nicht erst mit Pranayama relevant. Bereits in der Asana-, der Vinyasa- und der Karana-Praxis sind wir darum bemüht, den Atem ungehindert fließen zu lassen und einen unruhigen, nach außen gerichteten Geist in die Qualität des Atems einzubeziehen. Zudem wurden im Hatha-Yoga wertvolle Atemübungen entwickelt, welche mithilfe einfacher Bewegungsabläufe im Liegen oder Stehen die unterschiedlichen Pranayama-Funktionen gezielt vorbereiten. Dieses Warm-up ist notwendig, um die Atemorgane nicht zu überfordern.
vinyasa
in besonderer Weise, wohldurchdacht (vi) zusammengestellter (nyasa) fließender Bewegungsablauf
karana
Bewegungsablauf bestehend aus aneinandergereihten Asanas
Klassische Pranayamas hingegen werden immer im aufrechten Sitz praktiziert, der den Geist wach und aufmerksam halten soll. Ein Yogasitz mit überkreuzten Beinen bildet eine Art Energiekreis und schützt vor dem Entweichen des prana.5
Die Kriterien für eine erfolgreiche Pranayama-Praxis benennt Patanjali wie folgt: Sobald der Yogin mühelos aufrecht sitzen kann (sthirasukha) und sein Atem lang, fein und regelmäßig fließt (dirghasukshma), kann mit Pranayama begonnen werden.
sthira
fest, stabil, sicher;
sukha
»süß«, angenehm, mühelos, leicht
sukshma
fein, unangestrengt, auch: regelmäßig;
dirgha
lang, verlängert
Für einen ungehinderten Atem- und Energiefluss ist die Aufrichtung der Wirbelsäule essenziell. Auch bequeme, die Atmung nicht einengende Kleidung und ein gut gelüfteter Raum sind wichtige Voraussetzungen für ein gutes Gelingen.
Zwei Stunden vor der Pranayama-Praxis sollte man nichts Schweres mehr essen. Magen, Darm und Blase sollten leer sein,6 um die Atmung nicht zu behindern, aber auch um den Raum für subtilere Verdauungsvorgänge freizugeben. Demnach sollte streng genommen 30 Minuten vor Übungsbeginn auch nichts mehr getrunken werden. Ein Schluck Tee oder Wasser bei trockener Kehle oder leichtem Hustenreiz (z. B. durch Heizungsluft) ist jedoch sinnvoll.
Eine maßvolle (mitahara) vegetarisch-sattvische Kost kann den Yogin sehr bei der Erreichung seiner Übungsziele unterstützen.7 Hier gibt es aber keine allgemeingültige Diätregel, zumal die Nahrungsmittelempfehlungen in den Quellentexten je nach regionaler Herkunft der Verfasser variieren. Man sollte zwischen Hatha-Yoga-Tradition und neueren ernährungswissenschaftlichen und auch medizinischen Erkenntnissen gut abwägen.
ahara
Nahrung;
mitahara
maßvolle Ernährung
sattva
einer der drei Gunas (Grundeigenschaften der Natur): rein, lichtvoll, harmonisch
Wichtig sind ein ausgewogener Säure-Basen-Haushalt und die Vermeidung von Schweregefühl durch zu fette, reichhaltige Speisen. Desgleichen ist, wenn schon nicht der Verzicht auf Kaffee und Alkohol, so doch ein achtsamer Umgang mit diesen Genussmitteln geboten. Wenn man zurückgezogen oder eine Zeit lang im Ashram lebt, dann lassen sich diese Richtlinien leicht einhalten. Lebt man aber in einer Großstadt, hat Familie und Job, kann das schon schwieriger werden.
sram
»sich anstrengen«;
Ashram
Einsiedelei; spirituelles Zentrum
Man sollte sich deswegen nicht verrückt machen: Nicht Dogma, Zwang oder eine Verordnung von oben führen zu einer yogischen Lebensführung, sondern Einsicht durch Erfahrung und Intuition. Der Yoga hätte sich wohl kaum Tausende von Jahren durch Verbote und rigide Vorschriften gehalten. »Perfektionismus bringt keine Harmonie« war einer der Leitsätze meines ersten Yogalehrers.
Gegen verstopfte Nasengänge und trockene Schleimhäute hilft die yogische Nasenspülung jala neti: Man löst 2,5 g feines Himalaja- oder Meersalz in 250 ml lauwarmem Wasser im Netikännchen (lota) auf und spült damit vom linken zum rechten Nasenloch, indem man den Kopf zur rechten Seite neigt. Während der Spülung darf man nicht schlucken. Danach schnäuzt man ganz sanft die Nasenlöcher nacheinander aus. Mit der gleichen Lösung wird dann von rechts nach links gespült. Nach der Spülung ölt man die Nasenwände vorsichtig mit einem Tropfen Mandelöl oder Kokosfett ein.
Auch die Muschelhorngeste macht die Nase frei (siehe: S. 95).
Unmittelbar nach der Yogapraxis sollte man weder baden oder duschen noch in die Sauna gehen. Ob durch Asana oder Pranayama – Yoga polt den Körper energetisch aus, bringt Balance. Wasser kann den Energiehaushalt wieder durcheinanderbringen, was Energie raubt. Angenehmer ist es, frisch geduscht auf die Yogamatte zu gehen.
Einige Atemübungen können Hitze und Schweißausbrüche verursachen. In diesen Fällen darf der Körper keinen Zug bekommen. Normalerweise wird Körperhitze über die Haut und die Lunge abgeführt. Wird der Atem mit voller Lunge angehalten, so entfällt die Kühlung über die Luftbewegung der Lunge, was zu Schweißausbrüchen führt. Dieser kostbare »Yogaschweiß« gilt als pranisch aufgeladen, man sollte ihn weder gleich nach der Übung abduschen noch abwischen, sondern in die Haut einreiben. Das hat Heilwirkung, weil wir uns damit unser persönliches ausgeschwitztes »toxisches Muster« in homöopathischer Dosis wieder zufügen.8
Wenn eine Erkältung im Anzug ist, wirkt das Anfachen der Körperhitze durch bestimmte Atemtechniken keimtötend und somit krankheitsabwehrend. Man durchläuft die Symptome schneller. Kühlende Atemtechniken bringen eine kurzfristige Symptomlinderung z. B. bei Heuschnupfen, Asthma oder Hitzewallungen in den Wechseljahren. Längerfristig wird aber z. B. der Hormonhaushalt mit der Blasebalgatmung, die stark aufheizt, gestärkt.
Als Vorsichtsmaßnahme rate ich Schwangeren von fortgeschrittenen Pranayamas mit langen Atemverhaltungen ab. Die weiter unten im Buch beschriebenen Vorbereitungsübungen können aber ausnahmslos geübt werden.
Weil apana vayu, eine der fünf im menschlichen Körper wirkenden Lebenskräfte, u. a. für die Ausscheidung von Menstruationsblut zuständig ist, sollten während der Mensis alle Übungen vermieden werden, die apana vayu aufhalten bzw. umlenken, also vor allem mula bandha, der Wurzelverschluss.
apana vayu
»Herab-Atem« (apa-ana); auch: »Mondatem« abgebende, ausscheidende Kraft im unteren Bauchraum