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Das traditionelle Führungsprinzip von Anordnung und Gehorsam funktioniert nicht mehr. Doch ohne die Bereitschaft der Mitarbeiter, bestimmte Arbeiten zu verrichten und sich anzustrengen, kann kein Unternehmen existieren. Mitte der 1990er-Jahre wurde von manchen Theoretikern die Meinung vertreten, Menschen seien durch andere Menschen ohnehin nicht zu motivieren. Das galt als schick und fortschrittlich. Jeder erfahrene Praktiker wird aber bestätigen, dass es in vielen Führungssituationen ohne bewährte und mit Bedacht eingesetzte Leistungsanreize nun mal nicht geht - so sehr man das aus ideologischen Gründen bedauern mag. Nur 14 Prozent der Mitarbeiter arbeiten laut wissenschaftlichen Studien engagiert, jeder fünfte Mitarbeiter hat innerlich gekündigt. Die Ursachen dieser schwindenden Arbeitszufriedenheit sind meist hausgemacht und auf interne Managementfehler zurückzuführen. Das sollte jeder Führungskraft zu denken geben. Anliegen dieses Buches ist es, den Leser mit praxisbewährten Theorien, Techniken und Instrumenten der Mitarbeitermotivation vertraut zu machen. Pragmatisch, umsetzbar, uneitel und mit dem Ziel, dem Leser das in den letzten Jahrzehnten immer schwieriger gewordene Führungsgeschäft zu erleichtern.
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Seitenzahl: 196
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Hartmut Laufer
Praxis erfolgreicher Mitarbeitermotivation
Hartmut Laufer
Techniken, Instrumente, Arbeitshilfen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet unterhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.deUmschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.deUmschlagfoto: Kzenon/fotolia.com
Copyright ©2016 GABAL Verlag GmbH, OffenbachDas E-Book basiert auf dem Buch „Praxis erfolgreicher Mitarbeitermotivation" von Hartmut Laufer, ©2013 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-482-7ISBN epub: 978-3-95623-318-0
www.gabal-verlag.de
Kein Unternehmen ist existenzfähig ohne die Bereitschaft seiner Mitarbeiter, bestimmte Arbeiten zu verrichten und sich dafür anzustrengen. Doch ist diese Bereitschaft alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die meisten Menschen haben eine Berufstätigkeit nicht deshalb aufgenommen, weil sie regelmäßig früh aufstehen und sich den lieben langen Tag – teilweise bis zur Erschöpfung – für irgendwelche Arbeiten abmühen wollen. Wenn das die vorrangigen Bedürfnisse wären, würden sie diese wahrscheinlich viel lieber durch Gartenarbeit, im Sportverein oder beim Durchwandern schöner Landschaften zu befriedigen suchen. Vielmehr sind es überwiegend ganz profane, existenzielle Beweggründe – nämlich sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein möglichst angenehmes Leben zu verschaffen.
Zweifellos gibt es aber auch Menschen, die sich dazu berufen fühlen, etwas für die menschliche Gesellschaft zu leisten oder die ein grundsätzliches persönliches Interesse an bestimmten beruflichen Aufgabenstellungen haben. Sie sind die Glücksfälle für jede Organisation. Mitarbeiter mit einer derartigen Motivationslage zu entsprechenden Tätigkeiten zu veranlassen, ist unproblematisch. Sie sind leicht zu führen und bedürfen lediglich einer gewissen Koordinierung ihrer Aktivitäten.
Was aber macht man mit den zahlreichen Mitarbeitern der erstgenannten Kategorie? Durch sie ergeben sich mitunter folgenschwere Leistungs- und Zusammenarbeitsprobleme. Auch diese Mitarbeiter zu bewegen, sich für die Unternehmensbelange einzusetzen, engagiert zu arbeiten und sich zweckdienlich zu verhalten, ist die Kernaufgabe eines jeden Führungsauftrags. Nicht zuletzt hierfür leisten sich Unternehmen die überdurchschnittliche Bezahlung von Führungskräften.
Etwa seit Mitte der 1950er-Jahre wurde daher von Wissenschaftlern verstärkt danach geforscht, wie sich die Arbeitsmotivation von Beschäftigten steigern lässt. Seither wurden zu diesem Thema unzählige Bücher verfasst, und die entwickelten Motivationstheorien und Führungstechniken wurden zu wesentlichen Bestandteilen der Managementlehre.
Mitte der 1990er-Jahre jedoch wurden die praktizierten Motivationstechniken von manchen Theoretikern wieder infrage gestellt. Es galt als fortschrittlich, die Meinung zu vertreten, dass Menschen andere Menschen ohnehin nicht würden motivieren können. Bei Licht betrachtet zeigt sich allerdings, dass das Thema dabei auf die sogenannte „intrinsische“ Motivation eingeengt wird. Bei einer solchen Betrachtungsweise geht es einseitig um die im jeweiligen Menschen selbst begründeten Handlungsantriebe.
Die ausgelöste kontroverse Diskussion ist demzufolge im Wesentlichen eine Frage der sprachlichen Definition des Begriffs „Motivation“. Umgangssprachlich wird darunter jedenfalls in aller Regel verstanden, einen Menschen (wodurch auch immer) zu einem bestimmten Handeln oder Verhalten zu veranlassen – wozu eben auch von außen auf ihn einwirkende Motivationsfaktoren wie Bezahlung oder auch Druckmittel zählen, was als „extrinsische“ Motivation bezeichnet wird.
Natürlich ist es immer spektakulär, eine Antithese gegen weitgehend Anerkanntes aufzustellen. Es heißt dann plötzlich, der Stein der Weisen sei nun endlich gefunden, und die bisher wohlmeinend praktizierten, aber oft mühevollen und dennoch nicht immer erfolgreichen Führungstechniken seien aufgrund neuer Erkenntnisse überholt. Das mag Wissenschaftlern interessanten Diskussionsstoff liefern, hilft aber im Führungsalltag nicht weiter. Es führt vielmehr zu so manchen Verunsicherungen von Lehrkräften und Führungspraktikern. So mancher ging schon aus einem Führungsseminar eher ratlos hinaus, wenn schon zu Beginn verkündet wurde: „Sie können Ihre Mitarbeiter eigentlich gar nicht motivieren.“ Jeder erfahrene Praktiker wird aber bestätigen, dass es in vielen Führungssituationen ohne bewährte und mit Bedacht eingesetzte Leistungsanreize nun mal nicht geht – sosehr man das aus ideologischen Gründen bedauern mag.
Es ist nicht mein Anliegen, mich mit diesem Buch in den wissenschaftlichen Disput zu begeben. Vielmehr will ich Sie mit einigen grundlegenden praxisbewährten Theorien, Techniken und Instrumenten der Mitarbeitermotivierung vertraut zu machen. Ich bin zuversichtlich, dass Ihnen die gewonnenen Erkenntnisse dabei helfen, das in den letzten Jahrzehnten immer schwieriger gewordene Führungsgeschäft zu bewältigen. Denn das schlichte traditionelle Führungsprinzip von Anordnung und Gehorsam funktioniert nun mal – wenn überhaupt – nur noch in Einzelfällen. Darüber hinaus will ich in Ihnen die Zuversicht wecken, dass Mitarbeiterführung auch unter den heutigen Erschwernissen zu anspornenden Erfolgserlebnissen verhelfen kann – dass Führen auch Spaß machen kann.
Ich werde Ihnen keine Verhaltensweisen oder Führungsmaßnahmen empfehlen, die ich nicht selbst in den drei Jahrzehnten meiner Tätigkeiten in verschiedenen Führungspositionen erprobt hatte. Ich glaube sagen zu können, dass ich in dieser Zeit so ziemlich alle typischen Führungsprobleme erlebt – und manchmal auch durchlitten – habe bzw. dass ich sie in meinen Führungsseminaren von den Teilnehmern habe diskutieren lassen und dabei auch von deren Praxiserlebnissen profitierte.
Im ersten Kapitel des vorliegenden Buches beleuchte ich die derzeit bedenkliche Entwicklung der Mitarbeitermotivation in deutschen Unternehmen. Es ist eine allgemeine, stellenweise auch philosophische Beschreibung der aktuellen Problemsituation. Wenn es Ihnen jedoch ausschließlich um praxisbezogene Lösungsansätze für den individuellen Führungsalltag geht, können Sie dieses Kapitel getrost überspringen.
Zu einigen der vorgestellten Führungstechniken sind Formulare oder Grafiken abgebildet, die Ihnen als Arbeitshilfen dienen können (siehe Anhang A „Arbeitshilfen“). Sofern Sie an den entsprechenden elektronischen Dateien interessiert sind, können Sie sich diese von mir kostenlos zuschicken lassen – es genügt eine E-Mail mit den gewünschten Seitennummern.
Ihr Autor
Dipl.-Ing. Hartmut Laufer
Kontaktdaten:
MENSOR Institut für Managemententwicklung
und systemische Organisationsberatung GmbH
Postfach 303630, 10727 Berlin
Tel.: +49 30 262 9640, Fax: +49 30 262 5977
E-Mail: [email protected]
Website: www.mensor.de
PS: Des Leseflusses wegen habe ich darauf verzichtet, bei Personenbezeichnungen stets beide sprachlichen Geschlechter zu nennen. Mit „dem Mitarbeiter“ als Gattungsbegriff meine ich auch weibliche Beschäftigte und „die Führungskraft“ kann natürlich biologisch gesehen auch männlichen Geschlechts sein.
Dienst nach Vorschrift
Gallup-Studien zum Mitarbeiterengagement
Seit dem Jahr 2001 führt das renommierte Beratungs- und Meinungsforschungsinstitut Gallup in Unternehmen jährlich Befragungen zum Mitarbeiterengagement durch. Im Jahr 2011 ergab die Studie, dass lediglich 14 Prozent wirklich engagiert arbeiten, während zwei Drittel keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit empfanden und sozusagen nur „Dienst nach Vorschrift“ machten.
Die Studien der letzten Jahre ergaben, dass sich die Beschäftigten in deutschen Unternehmen tendenziell immer weniger mit ihrer Arbeit identifizieren.
Jeder fünfte Arbeitnehmer hatte überhaupt keine emotionale Bindung mehr zu seinem Arbeitsplatz – hatte also innerlich gekündigt. Seit dem Jahr 2001 ist der Anteil dieser Beschäftigten von 15 auf 23 Prozent gestiegen – hat sich also nahezu verdoppelt. Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland damit hinsichtlich des Mitarbeiterengagements im unteren Mittelfeld.
Emotionale Bindung ist wichtig
Definiert ist die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber in den Gallup-Studien durch die folgenden Aspekte. Der Mitarbeiter ...
■ weiß, was von ihm erwartet wird,
■ hat ausreichende Arbeitsmittel zur Verfügung,
■ kann tun, was er am besten kann,
■ erhält Anerkennung,
■ wird als Mensch gesehen,
■ erhält Unterstützung,
■ weiß, dass seine Meinung zählt,
■ kann sich mit dem Unternehmen identifizieren,
■ sieht, dass sich seine Kollegen für Qualität engagieren,
■ hat einen guten Freund im Unternehmen,
■ sieht einen Fortschritt,
■ kann lernen und sich weiterentwickeln.
Gallup Engagement Index deutscher Unternehmen 2001–2011
Hoher wirtschaftlicher Gesamtschaden
Das geringe Mitarbeiterengagement hat in den Unternehmen erhebliche finanzielle Folgen durch …
■ erhöhte Fehlzeiten,
■ eine hohe Personalfluktuation,
■ geminderte Leistungsbereitschaft,
■ schleichende Qualitätsverluste und
■ nachlassendes Innovationspotenzial.
Einem Unternehmen mit 1000 Beschäftigten entstehen auf diese Weise jährliche Mehrkosten von etwa 500 000 Euro. Als Gesamtschaden für die deutsche Volkswirtschaft errechnete Gallup eine jährliche Summe von über 120 Milliarden Euro.
Wie die Studien zeigten, haben konjunkturelle Schwankungen keinen nennenswerten Einfluss auf das Mitarbeiterengagement. Nicht einmal die Sorge um den Arbeitsplatz trägt entscheidend dazu bei, dass sich Arbeitnehmer stärker für ihre Arbeitsaufgaben einsetzen. Die Ursachen sind meist unternehmensintern.
Schwindende Arbeitszufriedenheit ist meist hausgemacht und auf interne Managementfehler zurückzuführen.
Offene Kommunikation und ehrliches Interesse
Dabei spielen die persönlichen Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen eine wichtige Rolle. Viele Mitarbeiter vermissen eine offene Kommunikation und ehrliches Interesse an ihren Belangen. Vor allem bemängeln sie, dass …
■ sie zu wenig persönliche Wertschätzung erfahren,
■ ihre Leistungen nicht ausreichend anerkannt werden,
■ ihre Vorschläge und Ideen nicht gewürdigt werden sowie
■ ihre Sorgen und Wünsche nicht gebührend beachtet werden.
Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit
Seit Mitte der 1980er-Jahre wird im Rahmen der Arbeitnehmerbefragung SOEP (Sozio-Oekonomisches Panel) jährlich die Frage gestellt: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeit?“ Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit in Deutschland von 1984 bis 2009 kontinuierlich abgenommen hat. Auf einer Bewertungsskala von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 11 („ganz und gar zufrieden“) ist der Wert stetig, von kurzzeitigen Schwankungen abgesehen, von 7,6 auf 6,8 abgesunken. Im europäischen Vergleich liegt der Wert unter dem Durchschnitt – mit deutlichem Abstand zu den anderen nord- und westeuropäischen Ländern.
Mehrheit nur mittelmäßig zufrieden
Zwar liegt auch der Zufriedenheitswert der letzten Erhebung noch leicht im positiven Bereich, jedoch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Beschäftigten immerhin nur mittelmäßig zufrieden ist mit ihrer Arbeit. Dennoch scheinen die Ergebnisse der SOEP-Befragungen im Widerspruch zu den ausgesprochen negativen der Gallup-Studie zu stehen.
Zufriedenheit mit der Arbeit und emotionale Bindung sind nicht gleichzusetzen.
Zwar ist die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer mit den Rahmenbedingungen der Arbeit nicht unzufrieden. Insbesondere halten sie ihr Einkommen trotz des Wirtschaftsabschwungs der letzten Jahre immer noch für angemessen. Doch bedeutet Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen noch keine Zufriedenheit mit der Arbeit selbst und dem Arbeitsklima im Unternehmen. Das jedoch sind die wichtigsten Voraussetzungen für echtes Engagement der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Arbeitsplatz.
Rechtzeitige Pflege des Betriebsklimas
Unternehmen sollten ein schwindendes Mitarbeiterengagement als Warnsignal verstehen und ihre Humanressourcen rechtzeitig pflegen. Sie sollten sich abzeichnende Motivationsdefizite hinterfragen und erkannte Managementmängel beheben. Es geht nicht an, sich aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit damit zufriedenzugeben, dass „der Laden einigermaßen läuft“. Die Pflege des Betriebsklimas darf nicht als lästige Zusatzaufgabe gelten, die für das operative Geschäft eher hinderlich ist.
Können dann die Motivationsmängel in Krisenzeiten nicht mehr hingenommen werden, ist es meist zu spät. Denn langjährig eingespielte Arbeits- und Verhaltensgewohnheiten lassen sich nicht von heute auf morgen grundlegend ändern.
Rascher Wertewandel in den letzten Jahrzehnten
Seit den 1960er-Jahren haben sich die Bedürfnisse und Wertvorstellungen der meisten Bürger der Bundesrepublik Deutschland tiefgreifend gewandelt. Das bis dahin über viele Generationen gegebene weitgehend statische, in sich geschlossene und überschaubare Wertegefüge wich einem dynamischen Werte- und Bedürfnispluralismus. Dieser rasche Wertewandel überfordert manche Menschen und macht sie zunehmend orientierungslos. Das führt sogar dazu, dass manche Medien regelmäßige Rankings veröffentlichen, was momentan „in“ und was „out“ ist.
Im Zuge der Demokratisierung der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und einer rasanten wirtschaftlichen Entwicklung – dem sogenannten Wirtschaftswunder im Westteil Deutschlands – haben sich die Motivationslagen der Menschen tendenziell von den existenzerhaltenden, überwiegend körperlichen Bedürfnissen in Richtung auf die seelisch-geistigen und sozialen verschoben. Das Streben der meisten Bürger ist heute vom Bedürfnis nach persönlicher Anerkennung und Selbstentfaltung geprägt. Werte wie Gehorsam und Unterordnung sind deutlich zurückgegangen, während Selbstständigkeit und freier Wille an Bedeutung gewonnen haben.
Erziehungsgrundsätze und Bildungsmöglichkeiten
Aber auch geänderte Grundsätze der Kindererziehung spielen eine maßgebliche Rolle. Noch vor einem knappen Jahrhundert kam es den Eltern in erster Linie darauf an, ihre Kinder zu Wohlverhalten und Pflichtbewusstsein zu erziehen. Spätestens seit der 1968er-Bewegung – die unter anderem eine „antiautoritäre Kindererziehung“ als neues Modell propagierte – wird von Eltern zunehmend Wert darauf gelegt, die eigenen Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten zu entwickeln. Damit gehen verbesserte Bildungschancen einher sowie die nahezu grenzenlosen Informationsmöglichkeiten durch das Internet, was ebenfalls zu einem geänderten Selbstverständnis junger Menschen beiträgt. Wobei die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien auch eine Internationalisierung der Wertvorstellungen bewirken (Schlagwort „Globalisierung“).
Abnahme des Stellenwerts von Arbeit
Diese Entwicklungen haben unter anderem dazu geführt, dass der Stellenwert von Arbeit in den allgemeinen Wertvorstellungen im Vergleich zu Freizeit, Familie und Hobby kontinuierlich abgenommen hat. Nicht ohne Grund spricht man heutzutage oft von einer Freizeitgesellschaft, in der wir leben. Dagegen hatte der überwiegende Teil der Werktätigen früherer Zeiten bei einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden und keinem oder nur wenigen Tagen Jahresurlaub kaum Zeit, sich neben dem Beruf anderen Interessengebieten zu widmen. Für viele diente die knappe Freizeit in erster Linie der Nahrungsaufnahme sowie dem Schlaf, um am nächsten Tag bei der Arbeit wieder belastbar zu sein.
Heutzutage aber sehen sogar viele Topmanager nicht mehr den alleinigen Sinn ihres Lebens im beruflichen Erfolg. Spätestens, wenn sie erkennen, dass der Leistungsstress beginnt, sie krank zu machen, oder ihre Lebensqualität dermaßen leidet, dass sie permanent unzufrieden sind oder sogar depressiv werden, nehmen manche von ihnen eine Auszeit oder ändern grundlegend ihre Lebensführung.
Nicht permanent ans Pflichtbewusstsein appellieren
Trotz des beschriebenen Wertewandels sind Unternehmen auf engagierte Mitarbeiter angewiesen, um sich im schärfer gewordenen Wettbewerb am Markt behaupten zu können. Wer sich jedoch heutzutage als Führungskraft darauf beschränkt, permanent an das Pflichtbewusstsein seiner Mitarbeiter zu appellieren, wird von vielen Mitarbeitern nur noch milde belächelt. Eine derartige Grundeinstellung führt zu einem wirklichkeitsfremden Führungsverhalten und zu unwirksamen Führungsmaßnahmen.
Wer erfolgreich führen will, kommt nicht umhin, die aktuellen Wertvorstellungen seiner Mitarbeiter als Gegebenheiten zu akzeptieren und die eigenen Führungsstrategien darauf auszurichten.
Um den Wertvorstellungen der Mitarbeiter gerecht zu werden, können zwei unterschiedliche Wege beschritten werden: die bedürfnisgerechte Arbeitsgestaltung oder die Einflussnahme auf leistungshemmende Wertvorstellungen.
Aufgaben der Organisationsentwicklung
Bedürfnisgerechte Arbeitsgestaltung
Bei der bedürfnisgerechten Arbeitsgestaltung handelt es sich um Maßnahmen, die vorrangig den Bereich der Organisationsentwicklung betreffen. Und zwar gilt es, die Inhalte und Rahmenbedingungen der Arbeit – soweit praktikabel – den Wertvorstellungen und daraus resultierenden Bedürfnissen der Mitarbeiter anzupassen. Auf diesem Weg lassen sich relativ kurzfristig Motivationseffekte erzielen. Allerdings sind derartigen Maßnahmen oft wirtschaftliche oder arbeitsorganisatorische Grenzen gesetzt. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass eine übermäßige Bedürfnisorientierung manche leistungshemmenden Wertvorstellungen (zum Beispiel eine egoistische Anspruchshaltung) langfristig sogar verfestigen kann.
Arbeitsaufgaben werden von Mitarbeitern nur dann mit hohem Engagement erledigt, wenn sie nicht im Wiederspruch zu ihren fundamentalen Wertvorstellungen und persönlichen Bedürfnissen stehen.
Aufgaben der Personalentwicklung
Einflussnahme auf leistungshemmende Wertvorstellungen
Diese der Personalentwicklung zuzurechnende Vorgehensweise erfordert ein intensives Eingehen auf die einzelnen Mitarbeiter und verlangt einen langen Atem. Über viele Jahre gewachsene Grundeinstellungen von Mitarbeitern lassen sich – wenn überhaupt – nur durch stetige bzw. wiederholte Einflussnahme verändern. Dies verlangt von der Führungskraft hohes Engagement und Einfühlungsvermögen. Um in dieser Hinsicht erfolgreich zu sein, sind vor allem folgende Führungseigenschaften erforderlich: Überzeugungskraft und vorbildhaftes Verhalten.
Nur wenn man ein werteorientiertes und verantwortungsbewusstes Verhalten vorlebt, kann man von seinen Mitarbeiten eine ebensolche Arbeitshaltung erwarten.
Dauerhafte Motivationssteigerung
Ganzheitliches Konzept
Dauerhafte Motivationssteigerungen, die sowohl den Unternehmensbelangen als auch den Mitarbeiterbedürfnissen dienen, lassen sich durch eine folgerichtige Vorgehensweise sowie sinnvolle Kombination der vorstehend geschilderten Maßnahmenarten erzielen.
Unterschiedliche Wertetypen
Wertebezogenes Führungsverhalten
Um als Führungskraft die individuellen Wertvorstellungen seiner Mitarbeiter berücksichtigen zu können, bietet die Klassifizierung des Soziologen Helmut Klages hilfreiche Ansätze. Klages hat die Menschen entsprechend ihren typischen Grundeinstellungen in vier Wertetypen eingeteilt. Aufgrund der jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale und der daraus abzuleitenden Grundbedürfnisse empfehlen sich unterschiedliche Arten des Führens, um sie zu motivieren und zu aktivieren.
Selbstzufriedene Anpassung
Der Traditionalist
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zu selbstzufriedener Anpassung, das heißt:
■ Ordnungsliebe
■ relativ unkritisches Pflichtbewusstsein
■ Akzeptanz vorgegebener Regelungen
■ Standhaftigkeit
■ Vorbehalte gegenüber Veränderungen
■ Wahren materieller Werte
■ wenige, aber dauerhafte Kollegenkontakte
■ weitgehende Zufriedenheit bei Normalbedingungen
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein leistungsorientiertes Führen sein, das heißt:
■ Vorgeben detaillierter Ziele
■ klare Verantwortlichkeiten
■ geregelte Arbeitsabläufe
■ Bekanntgeben von Leistungsnormen
■ Appelle an das Pflichtgefühl
■ materielle Leistungsanreize
Kampf um Persönlichkeitsrechte
Der Idealist
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zum Erkämpfen von Persönlichkeitsrechten, das heißt:
■ starkes Selbstentfaltungsstreben
■ Humanzielorientierung
■ geringe Regelungsakzeptanz
■ Infragestellen von Sachzwängen
■ kämpferisches Anprangern von Missständen
■ persönlicher Einsatz für Belange anderer
■ zahlreiche Kollegenkontakte
■ häufiges Enttäuschtsein
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein tolerantes Führen sein, das heißt:
■ Übertragen persönlicher Verantwortung
■ Mitsprachemöglichkeiten
■ umfassende Information
■ Sonderaufträge
■ Verständnis für soziales Engagement
■ Anerkennen der guten Absichten
Kompromisse im Interesse des Gesamtziels
Der Realist
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zu Kompromissen im Interesse des Gesamtziels, das heißt:
■ starke Zielstrebigkeit
■ ausgeprägte Leistungsbereitschaft
■ pragmatisches Denken
■ hohe Risikobereitschaft
■ Akzeptanz unvermeidbarer Sachzwänge
■ Kritik- und Konfliktbelastbarkeit
■ harmonische Kollegenkontakte
■ kritische Zufriedenheit
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein zielorientiertes Führen sein, das heißt:
■ Aufgaben hoher Anforderungen
■ nur Vorgabe der Endziele
■ Übertragen von Eigenverantwortung
■ schnelles Klären von Fragen
■ echte Aufstiegsmöglichkeiten
■ materielle Leistungsanreize
Zweifel und resigniertes Aufgeben
Der Resignierte
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zu Zweifeln und resigniertem Aufgeben, das heißt:
■ Passivität
■ geringes Pflichtgefühl
■ geringe Leistungsbereitschaft
■ keine Risikobereitschaft
■ geringe Konfliktbereitschaft
■ wenige Kollegenkontakte
■ diffuse Unzufriedenheit
■ Gefühl ständiger Benachteiligung
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein verständnisvolles, aber konsequentes Führen sein, das heißt:
■ genaue Zielvorgaben
■ geregelte Arbeitsabläufe
■ Vorgeben konkreter Termine
■ häufiges persönliches Ansprechen
■ Hilfsangebote ohne völlige Entlastung
■ ausdrückliches Anerkennen guter Leistungen
Anteil der Resignierten verringern
Der problematische Wertetyp des Resignierten
Vor allem gilt es, bei den resignierten Mitarbeitern wieder eine optimistischere Haltung zu wecken. Bei größeren Mitarbeitergruppen gibt es meist den einen oder anderen, der dem Typ „Resignierter“ zuzuordnen ist – oder wie man auch sagt: „In jeder Herde findet sich ein schwarzes Schaf.“ Dennoch muss das Ziel sein, den Anteil der Resignierten zumindest zu verringern. Trotz ihrer leistungsmindernden Wertvorstellungen sind sie zu einer für das Unternehmen noch akzeptablen Arbeitserledigung zu veranlassen. Wie dringend notwendig eine Trendwende ist, zeigt der hohe Anteil – nach Expertenschätzung ein Drittel – der Resignierten.
Gemäß Expertenschätzungen ist nahezu ein Drittel der Beschäftigten in deutschen Unternehmen dem Wertetyp des Resignierten zuzurechnen – in einzelnen Unternehmen sogar ein deutlich höherer Anteil.
Diskrepanzen gesellschaftlicher Entwicklungen
Die Gründe für den hohen Anteil von Mitarbeitern mit resignativen Wertvorstellungen dürften vor allem in den Diskrepanzen einiger gesellschaftlicher Entwicklungen in Deutschland während der letzten Jahrzehnte zu suchen sein.
Insbesondere die Entwicklungen der 1960er- bis 1980er Jahre mit stetig steigendem Lebensstandard haben hohe Erwartungen hinsichtlich der materiellen Absicherung geweckt. Andererseits aber machen die rasanten, tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt Zukunftsprognosen schwieriger denn je. Niemand kann heute mehr sicher sein, ob er noch morgen in seinem gewohnten Metier und Umfeld tätig sein kann. Hinzu kommen der wirtschaftliche Abschwung sowie die globale Finanzkrise der letzten Jahre, die das Vertrauen in eine sichere materielle Zukunft erschüttert haben.
Hohe Erwartungen an die Persönlichkeitsentfaltung
Eine tolerante Kindererziehung sowie gestiegene Bildungsabschlüsse haben hohe Erwartungen der jüngeren Generationen an die Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung und Selbstverwirklichung im Beruf wachsen lassen. Der Trend zu automatisierten Arbeitsverfahren, knappen Zeitvorgaben, einengenden betrieblichen oder gesetzlichen Regelungen führt jedoch häufig zur Desillusionierung.
Wohlstandsstreben, kleinere familiäre Wohngemeinschaften, abnehmende Bereitschaft zu ehelicher Bindung sowie die vielfältigen vereinzelnden Unterhaltungsmedien haben vielfach zu Defiziten hinsichtlich menschlicher Zuwendung geführt. Hoffnungen auf einen diesbezüglichen Ausgleich durch Kollegenkontakte am Arbeitsplatz werden jedoch meist enttäuscht: Hohe Leistungsanforderungen und Terminzwänge, vereinzelnde Informations- und Kommunikationstechniken sowie eine zunehmend sachorientierte, anonymisierte Personalführung haben die Gelegenheiten zu persönlichen Gesprächen und gemeinschaftlichen Aktivitäten immer mehr reduziert.
Verantwortlichkeit der Unternehmensleitungen
Naturgemäß hat der gesellschaftliche Wertewandel auch vor den Führungskräften nicht haltgemacht. Demzufolge sind die Unternehmensleitungen in der Verantwortung, eine werteorientierte Führungskultur zu schaffen – für ein Klima, in dem die mancherorts abhandengekommenen fundamentalen ethischen Werte wieder verhaltensbestimmend sind, ein Unternehmensklima, in dem ein sowohl leistungs- als auch menschenorientiertes Führungsverständnis gelebt wird.
Dazu müssen folgende Bedingungen geschaffen werden:
■ ethisch gerechtfertigte Unternehmensziele
■ daran orientierte verbindliche Führungsgrundsätze
■ Bekanntheit der Grundsätze auf allen Führungsebenen
■ darauf basierender, einheitlich akzeptierter Führungsstil
■ Besetzung von Führungspositionen mit Personen geeigneter Grundhaltung
■ rechtzeitige Weiterbildungsmaßnahmen zur Entwicklung der Führungskräftekompetenzen
Unternehmensleitung muss Vorbild sein
Werden keine zweckdienlichen Regelungen geschaffen oder diese von der Unternehmensleitung nicht vorbildhaft praktiziert, macht sich auch bei den nachgeordneten Führungskräften Enttäuschung oder sogar Resignation breit und wirkt sich auf ihr Führungsverhalten aus.
Frustration von Führungskräften schlägt sich meist in einem demotivierenden und konfliktfördernden Führungsverhalten nieder.
Vornehmliche Aufgabe der Führungskräfte eines Unternehmens ist, ein möglichst hohes Leistungsniveau der Mitarbeiter zu gewährleisten, wobei hier die Führungskräfte im ureigensten Sinn gemeint sind. Also Vorgesetzte mit echten Menschenführungsaufgaben. Nicht solche mit reinen Leitungsaufgaben, also vorrangig strategischen und organisatorischen Zuständigkeiten.
Führungskräfte können aber ihre Aufgaben als Motivatoren nur dann optimal erfüllen, wenn sie selber in ein motivationsförderndes System eingebunden sind, das heißt, wenn die gesamte Unternehmenskultur die notwendigen Voraussetzungen dafür bietet. Dazu gehört, dass in allen Führungsbereichen – von der Unternehmensleitung bis zur untersten Führungsebene – Einvernehmen hinsichtlich der motivationsbezogenen Führungsgrundsätze herrscht und diese auch gelebt werden.
Motivierende Führungsgrundsätze
Es ist eine zwischenmenschliche Atmosphäre zu schaffen, die es gewährleistet, dass …
■ man unabhängig von der hierarchischen Position den Persönlichkeitswert des anderen respektiert,
■ man gegenseitig Verständnis zeigt für individuelle sachliche sowie emotionale Bedürfnisse,
■ ein Erfolgswille herrscht, der nicht ausschließlich auf ökonomische Unternehmenserfolge ausgerichtet ist, sondern auch den Mitarbeitern persönliche Erfolgserlebnisse ermöglicht,
■ sich die Mitarbeiter mit ihren Arbeitsaufgaben und dem Unternehmen als Ganzes identifizieren können und
■ das Fachwissen, die Erfahrungen sowie Ideen der Mitarbeiter als wertvollstes Potenzial des Unternehmens anerkannt werden.
Führungsphilosophie hat großen Einfluss
Ganzheitliche Führungskonzeption
Damit eine Organisation als harmonisches Ganzes funktioniert, muss allen Führungsaktivitäten ein einheitliches Führungsverständnis zugrunde liegen. Die Führungsphilosophie ist ein wichtiges Element der gesamten Unternehmenskultur und hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie die Menschen im Unternehmen miteinander umgehen.
Die Impulse dafür müssen von der Unternehmensleitung ausgehen. Sie hat darauf hinzuwirken, dass die Führungskräfte eine entsprechende Grundeinstellung entwickeln und sich diese in ihrem täglichen Führungsverhalten niederschlägt. Außerdem hat sie sicherzustellen, dass den Führungskräften dazu adäquate Rahmenbedingungen gegeben sind. Damit die gewünschte Führungsphilosophie keine bloße Absichtserklärung bleibt, sondern im Unternehmen auch tatsächlich gelebt werden kann, ist eine ganzheitliche, in sich schlüssige Führungskonzeption erforderlich. Dazu gehören die in der folgenden Abbildung gezeigten drei Komponenten.
Zusammenspiel der Komponenten
Der größtmögliche Führungserfolg einer Organisation lässt sich erst durch ein optimales Zusammenspiel aller Komponenten erzielen. Sie müssen aufeinander abgestimmt sein und es muss hinsichtlich ihrer Handhabung zwischen den Führungskräften grundsätzliches Einvernehmen bestehen. Andernfalls kommt es immer wieder zu Irritationen und Zusammenarbeitsproblemen.
Hierzu einige Beispiele:
■ Ein auf Eigenverantwortung der Mitarbeiter ausgerichteter Führungsstil wird durch eine sehr vielstufige, die Handlungsspielräume einengende Führungsorganisation behindert.
■ Werden als Führungsinstrumente überwiegend schriftliche Anweisungen statt Mitarbeiterbesprechungen eingesetzt, so steht auch das im Widerspruch zu diesem Führungsstil.
■ Sieht die Führungsorganisation Gruppenarbeit vor, sind Leistungsprämien für einzelne Mitarbeiter als Führungsinstrumente unpassend, denn gemäß dem Teamgedanken sollte die Gruppenleistung im Vordergrund stehen.
Konfliktpotenzial widersprüchlichen Führungsverständnisses
Besteht im Unternehmen hinsichtlich der Führungsphilosophie kein Konsens, führt das uneinheitliche Führungsverständnis in der Praxis immer wieder zu Konflikten:
Konflikte zwischen Führungskräften