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Das Standardwerk der Psychotraumatologie Dieses Standardwerk erleichtert den Einstieg in die Psychotraumatologie und sorgt für einen schnellen Überblick. Es bietet kompaktes, praxisrelevantes und rasch in den Berufsalltag übertragbares psychotraumatologisches Grundwissen. Die Autorinnen sind ausgewiesene Expertinnen auf diesem Gebiet. Julia Schellong leitet das Referat Psychotraumatologie der DGPPN. Traumafolgestörungen erkennen und behandeln - Entstehung und Symptomatik von Traumafolgestörungen - verschiedene Traumafolgestörungen und ihre Komorbiditäten - Umgang mit Traumafolgestörungen in verschiedenen medizinischen Kontexten - anschauliche Darstellung durch zahlreiche Fallbeispiele - vernetzte und interdisziplinäre Arbeitsweise - weiterführende Hilfeangebote und rechtliche Aspekte - Aspekte der interkulturellen Kompetenz Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung. Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.
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Seitenzahl: 595
Julia Schellong, Franziska Epple, Kerstin Weidner
Christina Alliger-Horn, Mareike Augsburger, Martin Bohus, Kirsten Böök, Sebastian Burchert, Stephanie Dannemann, Doris Denis, Ruth Ebbinghaus, Franziska Epple, Monika Equit, Yesim Erim, Ulrich Frommberger, Ursula Gast, Rebekka Gehringer, Sabine Gehrke-Beck, Jochen Gensichen, Ekaterini Georgiadou, Anett Große, Susanne Hampe, Hildegard Hellbernd, Constanze Höhne, Ljiljana Joksimovic, Juliane Junge-Hoffmeister, Ralph Kipke, Anke Kirsch, Birgit Kleim, Christine Knaevelsrud, Volker Köllner, Lilly Kozerski, Christoph Kröger, Cornelia Küsel, Maria Lenk, Silvia Mader, Andreas Maercker, Helga Mattheß, Britta Menne, Tanja Michael, Eva Morawa, Michaela Neumann-Frank, Julia Poch, Kathlen Priebe, Helmut Rießbeck, Kerstin Rießbeck, Judith Ellen Rohde, Rita Rosner, Ingo Schäfer, Julia Schellong, Christoph Schilling, Andrea Schleu, Konrad Schmidt, Anne Deborah Scholz-Hehn, Katrin Schröder, Sebastian Trautmann, Johanna Unterhitzenberger, Kerstin Weidner, Gustav Wirtz, Wolfgang Wöller, Peter Zimmermann
22 Abbildungen
ACE-Studie
Adverse Childhood Experiences Study
ADNM
Adjustment Disorder – new Module
AICD
Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (Automatic Implantable Cardioverter-Defibrillator)
AMDP
Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie
APA
American Psychiatric Association
ARDS
akutes Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome)
AufenthG
Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet
AWMF
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
BSL-23
Kurzversion der Borderline-Symptom-Liste
BVB
Bundesversorgungsgesetz
CATS
Child and Adolescent Trauma Screening Questionnaire
CBASP
Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy
CGT
Complicated Grief Treatment
COPD
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (Chronic-obstructive pulmonary Disease)
DBT
Dialektisch-Behaviorale Therapie
DeGPT
Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie
DES
Dissociative Experiences Scale
DESNOS
Disorder of Extreme Stress not Otherwise Specified
DGP
Deutsche Gesellschaft für Psychologie
DGPPN
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
DGUV
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
DSM
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
EMDR
Eye Movement Desensitization and Reprocessing
EMDRIA
Fachverband für Anwender der psychotherapeutischen Methode der Eye Movement Desensitization and Reprocessing
FDS
Fragebogen zu dissoziativen Symptomen
GdB
Grad der Behinderung
GdS
Grad der Schädigungsfolgen
GG
Grundgesetz
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
HHG
Häftlingshilfegesetz
HIV
humanes Immunschwächevirus
IBS-KJ
Interview zu Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
ICD
Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)
ICF
Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health)
ICG
Inventory of Complicated Grief
IPDE
International Personality Disorder Examination
IRRT
Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy
IRT
Imagery Rehearsal Therapy
ISSTD
International Society for the Study of Trauma and Dissociation
ISTSS
International Society of Traumatic Stress Studies
ITT
Integrative Testimonialtherapie
JVEG
Justizvergütungsgesetz
KOVVfG
Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
MBT
Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (Mentalization-Based Treatment)
MdE
Minderung der Erwerbsfähigkeit
NCPTSD
National Center for Post-traumatic Stress Disorder
NCTSN
National Child Traumatic Stress Network
NSAR
nicht steroidale Antirheumatika
ODIN
Outcomes of Depression International Network
OEG
Opferentschädigungsgesetz
OPK
Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer
ORRG
Opferrechtsreformgesetz
PCL
Posttraumatic Stress Disorder Checklist
PE
Prolonged Exposure
PEP
Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie
PG-13
Prolonged Grief-13
PICS-F
Postintensive-Care Syndrome – Family
PMR
Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
PSNV
Psychosoziale Notfallversorgung
PsychoPbG
Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
PTBS
Posttraumatische Belastungsstörung
PTSD
Posttraumatic Stress Disorder (englische Bezeichnung für PTBS)
REM
Rapid Eye Movement
SGB
Sozialgesetzbuch
SGG
Sozialgerichtsgesetz
SKID-II
Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV Achse II
SKID-D
Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV für Dissoziative Störungen
SSRI
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors)
STAIR
Skills-Training zur affektiven und interpersonellen Regulation
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
StrRehaG
Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz
SVG
Soldatenversorgungsgesetz
TF-KVT
traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie
TRE
Tension Relaxation Exercices
WHO
World Health Organisation
Die Bedeutung potenziell traumatischer Lebensereignisse für die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen wurde über viele Jahrzehnte deutlich unterschätzt. Entwickelten Menschen nach Misshandlungen, sexuellem Missbrauch, Unfällen, Kriegserlebnissen u.a. eine psychische Symptomatik, so wurde dies häufig als Ausdruck einer nicht ausreichend starken Konstitution und Persönlichkeitsstruktur verstanden. Sowohl aufgrund klinischer Erfahrungen als auch auf dem Boden zahlreicher wissenschaftlicher Studien hat sich in den vergangenen 30 Jahren aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass traumatische Lebensereignisse erhebliche Auswirkungen auf die psychische und körperliche Entwicklung haben können.
Kein anderes Thema hat die Theorie und Praxis der Psychotherapie in den letzten Jahrzehnten mehr verändert als diese Erkenntnis. Die Erforschung der Auswirkungen potenziell traumatischer Lebenssituationen hat unser Verständnis für die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen erheblich erweitert. Sie hat auch das Verständnis für die Probleme beim Aufbau einer hilfreichen therapeutischen Beziehung mit traumatisierten Patienten geschärft. Neue therapeutische Strategien und Techniken wurden entwickelt und in die psychotherapeutischen Verfahren integriert.
Mit der fortschreitenden Erforschung der Traumafolgestörungen zeichnet sich aber auch ein zunehmend differenziertes Bild. Traumatische Lebensereignisse können relativ spezifische Reaktionen im Sinne einer Belastungsreaktion, einer Anpassungsstörung oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung hervorrufen. Sie können eine wesentliche Rolle u.a. in der Entwicklung von Depressionen, Ängsten, Sucht oder Persönlichkeitsstörungen spielen. Schwere psychische, sexuelle und Bindungstraumatisierungen können erhebliche Folgen für die Entwicklung der psychischen Struktur, aber auch für die physische Gesundheit haben. Veränderungen der Hirnstruktur und der neurobiologischen Regulationswege sowie epigenetische Reaktionen bis hin zu einem erhöhten Risiko für Diabetes und koronare Herzerkrankungen können sich nach schwerster Traumatisierung entwickeln. Dabei ist die Interaktion im medizinischen Kontext sehr komplex. Traumatisierte Patienten suchen oftmals Hilfe bei ihrem Arzt. Die zwischenmenschlichen Probleme, insbesondere das Misstrauen infolge der Traumatisierung, erschweren jedoch vielfach eine gute Kooperation zwischen Patient und Arzt und manche medizinische Behandlungssituation wie z.B. die Intensivstation kann selbst eine traumatisierende Wirkung ausüben.
Schließt man die Auswirkungen von Traumata an die ätiologische Behandlung an, so geht es nicht um die Wiederbelebung eines monokausalen Verständnisses, um die Entwicklung psychischer und psychosomatischer Störungen oder auch um die Überbewertung singulärer Ereignisse. Vielmehr erweitert die Traumaperspektive ein komplexes Verständnis der multifaktoriell bedingten Entwicklung und der Behandlung psychischer und psychosomatischer Störungen auf dem Boden der psychotherapeutischen Verfahren und schafft neue Behandlungsoptionen. Daher sollte sich jeder ärztliche und psychologische Psychotherapeut, Psychosomatiker und Psychiater, aber auch jeder Allgemeinmediziner, Gynäkologe und andere primär somatisch tätige Arzt mit psychotraumatologischen Fragen auseinandersetzen.
Julia Schellong, Kerstin Weidner und Franziska Epple bereiten in ihrem „Praxisbuch Psychotraumatologie“ dieses Wissen für die Praxis auf. Sie geben eine klinische Orientierung im praktischen Umgang und brechen dies auf unterschiedliche medizinische und soziale Situationen herunter. So kann die Integration der Traumaperspektive in die psychotherapeutische und psychosomatische Arbeit gelingen. Über viele Jahrzehnte wurde diese Perspektive in weiten Bereichen der Versorgung von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Störungen nicht ausreichend beachtet. Dieses Buch bietet einen wichtigen Anstoß, die diagnostische und therapeutische Praxis zu erweitern. Dabei wünsche ich dem Buch viel Erfolg.
Gießen, im Februar 2018
Prof. Dr. med. Johannes Kruse
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie [DGPM] e.V.
Über die Hälfte aller Menschen erlebt Ereignisse mit Potenzial zur Traumatisierung. Traumatische Erfahrungen können gravierende seelische und körperliche Auswirkungen – auch lebenslang – haben und zu sozialmedizinischen Einschnitten führen. Ein frühzeitiges Erkennen traumaassoziierter Symptome und die Einleitung gezielter Intervention und Therapie können Heilung ermöglichen, Chronifizierung verhindern und Lebensqualität fördern. Andererseits wird der Begriff „Traumatisierung“ auch inflationär und missbräuchlich eingesetzt. Um die Begrifflichkeiten „Trauma“, „Traumatisierung“, „Traumaauswirkungen“ sowie „traumaassoziierte Krankheitsbilder“ einschließlich der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ rankt sich viel Unsicherheit, teils auch Uneinigkeit zwischen verschiedenen Professionen.
Dieses Praxisbuch greift zahlreiche Fragen zu Epidemiologie, Traumaursachen und -auswirkungen, traumaassoziierten Krankheitsbildern und Frühinterventionen verschiedener Berufsgruppen in verschiedenen Berufsfeldern und medizinischen Disziplinen zum einen, sinnvolle spezifische Therapien und Besonderheiten im Umgang mit traumatisierten Menschen sowie Vernetzung zum anderen auf. Es will einen ersten Überblick für Einsteiger in die Thematik geben. Für bereits mit der Materie Vertraute soll es als Gesprächsbasis zur interdisziplinären Vernetzung dienen. Es war uns daher ein Anliegen, den Zugang zu und den Umgang mit traumatisierten Patienten aus verschiedenen Perspektiven aufzuzeigen, aber auch den eigenen seelischen Umgang mit diesen oft ergreifenden und schwer auszuhaltenden Themen zu beleuchten.
Das vorliegende Buch ist ein Herausgeberwerk: Die einzelnen Beiträge wurden nach einem transparenten Musterleitfaden von den Herausgeberinnen unabhängig begutachtet; von den Autoren wurden Empfehlungen zur Anpassung und Veränderungsvorschläge in einem Review-Prozess eingearbeitet. Entstanden ist ein Praxisbuch für den Schreibtisch, ein Nachschlagewerk für den alltäglichen Gebrauch. Das „Praxisbuch Psychotraumatolgie“ richtet sich an Ärzte mit verschiedenen somatischen, psychosomatisch-psychotherapeutischen-psychiatrischen Schwerpunkten, Psychologen, Sozialarbeiter, Spezialtherapeuten, Hebammen, Pflegekräfte, Juristen, Angehörige und Interessierte. Typisch für ein Herausgeberwerk hat jeder Autor seine eigenen Schwerpunkte gesetzt, aber auch eine fokussierte Literaturempfehlung abgegeben. Der Praxisleitfaden soll einen möglichst umfassenden Überblick geben, Anspruch auf Vollständigkeit kann das Buch jedoch nicht erheben. So sind wir gespannt auf Ihre Rückmeldungen, um diese ggf. in den kommenden Auflagen zu berücksichtigen. Wir hoffen, dass mit dem Praxisbuch ein Nachschlagewerk entstanden ist, das praxisrelevant und übersichtlich Verständnis für verschiedene Reaktionen oder Störungsbilder und für professionsspezifische Aspekte ermöglicht, aber auch Handlungsoptionen aufzeigt.
Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für die wertvollen Beiträge und beim Georg Thieme Verlag für die konstruktive Zusammenarbeit in allen Phasen der Projektplanung, -entwicklung und -ausführung. Vor allem bedanken wir uns aber bei Ihnen für Ihr interessiertes Lesen und hoffen auf Rückmeldungen. Wir wünschen Ihnen Interesse, spannende Erkenntnisse oder auch Bestätigung und Erfolg bei der Anwendung!
Dresden, im März 2018
Julia Schellong
Franziska Epple
Kerstin Weidner
Praxisbuch Psychotraumatologie
Abkürzungen
Geleitwort
Vorwort
Teil I Basiswissen Trauma und Traumafolgestörung
1 Definition psychisches Trauma
1.1 Einleitung und Begriffsdefinition
1.2 Traumatische Erlebnisse
1.3 Historischer Exkurs
1.4 Traumatisierung in den Klassifikationssystemen
1.5 Fazit
1.6 Weiterführende Literatur
1.7 Zitierte Literatur
2 Traumafolgen auf Körper- und Verhaltensebene
2.1 Einleitung
2.2 Verarbeitung auf den Körperebenen
2.2.1 Ebene I: Kortikale Verarbeitung
2.2.2 Ebene II: Limbische Verarbeitung
2.2.3 Ebene III: Stressachse
2.2.4 Ebene IV: Hormone und Botenstoffe
2.3 Verarbeitung auf der Verhaltensebene
2.4 Fazit
2.5 Weiterführende Literatur
2.6 Zitierte Literatur
3 Traumalangzeitfolgen: Schutz- und Risikofaktoren
3.1 Langzeitfolgen von Traumatisierung
3.2 Risikofaktoren
3.3 Schutzfaktoren
3.3.1 Resilienz
3.3.2 Posttraumatische Reifung
3.4 Fazit
3.5 Weiterführende Literatur
3.6 Zitierte Literatur
4 Traumainformierte Gesprächsführung
4.1 Einleitung
4.2 Voraussetzungen bei Behandlern
4.3 Elemente traumainformierter Betreuung
4.3.1 Schlüsselsymptome
4.3.2 Erzählen lassen
4.3.3 Psychoedukation
4.3.4 Dokumentation
4.3.5 Krisenintervention
4.3.6 Sicherheitsstatus und soziale Unterstützung
4.3.7 Beratung zu Therapiemöglichkeiten
4.3.8 Weitervermittlung
4.4 Kommunikationsprinzipien traumainformierter Gesprächsführung
4.5 Traumainformierte Betreuung als Netzwerkaufgabe
4.6 Traumainformierte Betreuung im Team
4.7 Fazit
4.8 Weiterführende Literatur
4.9 Zitierte Literatur
Teil II Psychische Traumafolgen
5 Akuttraumatisierung und akute Belastungsreaktion
5.1 Einleitung
5.2 Klinik
5.3 Diagnostik und Anamnese
5.3.1 Erfassung des psychischen Befunds
5.3.2 Einschätzung der äußeren Sicherheit
5.3.3 Exploration von Risikofaktoren
5.3.4 Einsatz von Screening-Instrumenten
5.4 Therapie
5.4.1 Patient-Therapeut-Beziehung
5.4.2 Psychoedukation
5.4.3 Ressourcenaktivierung
5.4.4 Selbstbeobachtung (Monitoring)
5.4.5 Medikation
5.4.6 Traumafokussierte Psychotherapie
5.4.7 Traumafokussierte Verhaltenstherapie
5.4.8 Andere Verfahren und Techniken
5.4.9 Psychosoziale Notfallversorgung
5.5 Weiterführende Literatur
5.6 Zitierte Literatur
6 Posttraumatische Belastungsstörung
6.1 Klinik
6.2 Diagnostik und Anamnese
6.2.1 Inhaltlich und qualitativ geeignetes Trauma
6.2.2 Charakteristische Symptome
6.2.3 Geforderte Zeitfenster
6.3 Therapie
6.3.1 Psychoedukation
6.3.2 Exposition
6.3.3 Ressourcenaktivierung
6.3.4 Weitere Therapieoptionen bei speziellen Problemfeldern
6.3.5 Medikation
6.3.6 Empfehlungen für den weiteren Verlauf
6.4 Fazit
6.5 Weiterführende Literatur
6.6 Zitierte Literatur
7 Anhaltende Trauerstörung
7.1 Einleitung
7.2 Definition
7.3 Prävalenz
7.4 Diagnostik
7.5 Komorbidität
7.6 Therapie
7.7 Fazit
7.8 Zitierte Literatur
8 Anpassungsstörung
8.1 Einleitung
8.2 Epidemiologie
8.3 Neues diagnostisches Konzept
8.4 Interventionsansätze
8.5 Fazit
8.6 Weiterführende Literatur
8.7 Zitierte Literatur
9 Andere Traumafolgestörungen und Komorbiditäten
9.1 Depressive Störungen
9.1.1 Depressive Störungen im Kontext von Traumatisierung
9.1.2 Behandlungsempfehlungen
9.1.3 Fazit
9.2 Angststörungen
9.2.1 Einleitung
9.2.2 Klinik
9.2.3 Diagnostik
9.2.4 Therapie
9.2.5 Fazit
9.3 Somatoforme Störungen
9.3.1 Klinik
9.3.2 Epidemiologie
9.3.3 Therapie
9.3.4 Fazit
9.4 Sucht
9.4.1 Epidemiologie
9.4.2 Zusammenhänge
9.4.3 Therapie
9.4.4 Fazit
9.5 Psychose
9.5.1 Klinik
9.5.2 Praktische Implikationen
9.5.3 Diagnostik
9.5.4 Therapie
9.5.5 Fazit
9.6 Dissoziation
9.6.1 Klinik
9.6.2 Epidemiologie
9.6.3 Implikationen für die Praxis
9.6.4 Fazit
9.7 Borderline-Persönlichkeitsstörung
9.7.1 Einleitung
9.7.2 Klinik
9.7.3 Diagnostik
9.7.4 Epidemiologie
9.7.5 Therapie
9.7.6 Fazit
9.8 Komplexe Traumafolgestörung
9.8.1 Klinik
9.8.2 Implikationen für die Praxis
9.8.3 Fazit
9.9 Weiterführende Literatur
9.10 Zitierte Literatur
Teil III Behandlungs-Setting
10 Ambulante traumaspezifische Behandlung
10.1 Einleitung
10.2 Zugangswege zur Versorgung
10.2.1 Traumaambulanzen für Opfer von Gewalttaten nach Opferentschädigungsgesetz
10.2.2 Ambulante Psychotherapie als Krankenkassenleistung
10.2.3 Psychiatrische Institutsambulanzen
10.2.4 Ambulante Psychotherapie nach Psychotherapeutenverfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
10.3 Fazit
10.4 Weiterführende Literatur
10.5 Zitierte Literatur
11 Stationäre traumaadaptive und traumaspezifische Behandlung
11.1 Einleitung
11.2 Stationäre psychiatrisch-psychosomatische Akutbehandlung
11.3 Stationäre psychotherapeutische (psychosomatische) Krisenbehandlung
11.4 Stationäre psychotherapeutische (psychosomatische) traumafokussierte Behandlung
11.5 Stationäre Intervalltherapie
11.6 Fazit
11.7 Zitierte Literatur
12 Mediengestützte Therapieformen
12.1 Überblick mediengestützter Behandlungsansätze
12.2 Wirksamkeit mediengestützter Verfahren
12.3 Anwendungsmöglichkeiten
12.4 Internet-basierte Schreibtherapie bei Posttraumatischer Belastungsstörung
12.5 Mobile Health
12.6 Fazit
12.7 Zitierte Literatur
13 Adjuvante Verfahren
13.1 Einleitung
13.2 Meditation
13.3 Akupunktur
13.4 Kunsttherapie
13.5 Musiktherapie
13.6 Körpertherapie
13.7 Fazit
13.8 Weiterführende Literatur
13.9 Zitierte Literatur
14 Rehabilitation
14.1 Definition
14.2 Beantragung
14.3 Möglichkeiten und Grenzen der Rehabilitation in der Traumatherapie
14.4 Geeigneter Zeitpunkt in der Traumatherapie
14.5 Fazit
14.6 Weiterführende Literatur
14.7 Zitierte Literatur
15 Vernetzte Versorgung
15.1 Einleitung
15.2 Fallbezogene Vernetzung
15.2.1 Vernetzung im Bereich Akuttraumatisierung
15.2.2 Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb der psychotraumatologischen Behandlungskette
15.2.3 Fallführende Behandlung (Case-Management)
15.3 Fallunabhängige Vernetzung
15.4 Fazit
15.5 Zitierte Literatur
Teil IV Traumatisierte Patienten in verschiedenen medizinischen Kontexten
16 Traumatisierte Frauen im Kontext von Schwangerschaft und Geburt
16.1 Einleitung
16.2 Gewalt im Kontext der Schwangerschaft
16.3 Geburt als Trauma
16.3.1 Geburt als primäre Traumatisierung
16.3.2 Geburt als sekundäre Traumatisierung
16.4 Diagnostik und Therapie
16.5 Fazit
16.6 Weiterführende Literatur
16.7 Zitierte Literatur
17 Traumatisierte Patienten in der Zahnarztpraxis
17.1 Erkennen traumatisierter Patienten
17.2 Zahnbehandlungsangst
17.2.1 Komorbidität oder Begleitsymptom
17.2.2 Fallbeispiele
17.2.3 Diagnostik
17.2.4 Therapie
17.3 Fazit
17.4 Zitierte Literatur
18 Gewaltbetroffene Patientinnen in der Hausarztpraxis
18.1 Einleitung
18.2 Ausmaß und Folgen von Gewalt gegen Frauen
18.2.1 Prävalenz
18.2.2 Gesundheitliche Folgen
18.3 Arztpraxen als niedrigschwellige Orte der Unterstützung
18.4 Ersthilfe bei Gewalt in Paarbeziehungen und bei sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung
18.4.1 Ersthilfe „LIVES“ als Interventionsminimum
18.4.2 Medizinische Versorgung nach sexueller Gewalt
18.4.3 Weitere Versorgung der psychischen Gesundheit
18.5 Fazit
18.6 Weiterführende Literatur
18.7 Zitierte Literatur
19 Traumatisierte Patienten nach Intensivtherapie
19.1 Einleitung
19.2 Diagnostik
19.3 Therapie
19.4 Fazit
19.5 Zitierte Literatur
20 Körperliche Erkrankung als potenzielles Trauma
20.1 Einleitung
20.2 Psychische Traumafolgestörungen: Prävalenz und Diagnostik
20.2.1 Akute Belastungsreaktion
20.2.2 Posttraumatische Belastungsstörung
20.2.3 Anpassungsstörung
20.3 Prädiktoren
20.4 Verlauf
20.5 Traumaauslösende körperliche Erkrankungen
20.5.1 Transplantations- und Intensivmedizin
20.5.2 Kardiologie
20.5.3 Onkologie
20.5.4 Frauenheilkunde und Geburtshilfe
20.6 Angehörige lebensbedrohlich Erkrankter
20.7 Therapie
20.8 Fazit
20.9 Weiterführende Literatur
20.10 Zitierte Literatur
Teil V Interkulturelle Aspekte in der Psychotraumatologie
21 Trauma im Kontext von Migration und Flucht
21.1 Einleitung
21.1.1 Personen mit Migrationshintergrund
21.1.2 Geflüchtete
21.1.3 Kulturelle Adaptation
21.2 Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Migranten und Geflüchteten
21.3 Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Geflüchteten
21.3.1 Empfehlungen für die Praxis
21.3.2 Besonderheiten der Behandlung geflüchteter Personen
21.4 Fazit
21.5 Weiterführende Literatur
21.6 Zitierte Literatur
22 Kultursensibilität in der Behandlung
22.1 Notwendigkeit von Kultursensibilität
22.2 Therapeutische Beziehung, Übertragung und Gegenübertragung
22.3 Psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten
22.4 Fazit
22.5 Zitierte Literatur
23 Besonderheiten der dolmetschergestützten Gesprächsführung
23.1 Kostenübernahme
23.2 Dolmetschersuche
23.3 Durchführung der dolmetschergestützten psychotherapeutischen Behandlung
23.4 Fazit
23.5 Zitierte Literatur
Teil VI Traumatisierte Patienten in verschiedenen sozialen Kontexten
24 Trauma und Familie
24.1 Einleitung
24.2 Epidemiologie
24.3 Traumatisierte Menschen als Eltern
24.3.1 Feinfühligkeit als basale elterliche Kompetenz
24.3.2 Auswirkungen von Traumafolgestörungen auf Eltern und Kind
24.4 Therapie
24.5 Fazit
24.6 Weiterführende Literatur
24.7 Zitierte Literatur
25 Trauma und Alter
25.1 Einleitung
25.2 Posttraumatische Belastungsstörung in der höheren Lebensdekade
25.2.1 Epidemiologie
25.2.2 Ausprägungsformen
25.2.3 Entwicklungsverläufe
25.3 Klinik und Diagnostik
25.3.1 Symptomatische Besonderheiten
25.3.2 Implikationen für die Praxis
25.4 Therapie der PTBS im Alter
25.4.1 Lebensrückblicktherapie
25.4.2 Integrative Testimonialtherapie
25.5 Fazit
25.6 Weiterführende Literatur
25.7 Zitierte Literatur
26 Trauma und Kindheit
26.1 Klinik
26.2 Epidemiologie
26.3 Diagnostik
26.4 Kognitives Modell
26.5 Therapie
26.6 Fazit
26.7 Weiterführende Literatur
26.8 Zitierte Literatur
27 Trauma und Beruf
27.1 Einleitung
27.2 Epidemiologie
27.3 Risiken und Ressourcen
27.4 Prävention und Rehabilitation
27.4.1 Primärprävention
27.4.2 Erstbetreuung durch Laienhelfer
27.4.3 Frühinterventionen
27.4.4 Umgang mit einer Traumafolgestörung
27.4.5 Rehabilitation und weiteres Verfahren
27.5 Fazit
27.6 Weiterführende Literatur
27.7 Zitierte Literatur
28 Trauma und Militäreinsatz
28.1 Spezifische Besonderheiten der Psychotraumatologie im militärischen Kontext
28.1.1 Epidemiologie
28.1.2 Moralische Verletzung
28.1.3 Persönlichkeit als Einflussfaktor
28.2 Prävention psychischer Erkrankungen in militärischen Streitkräften
28.2.1 Primärprävention
28.2.2 Sekundärprävention
28.3 Therapie einsatzbedingter psychischer Erkrankungen
28.3.1 Behandlungs-Settings
28.3.2 Traumakonfrontative Verfahren
28.3.3 Behandlung moralischer Verletzungen
28.3.4 Stigmatisierungsängste
28.4 Soziales Entschädigungsrecht und Begutachtungen bei einsatzbedingten psychischen Erkrankungen
28.5 Fazit
28.6 Weiterführende Literatur
28.7 Zitierte Literatur
29 Trauma und Behinderung
29.1 Einleitung
29.2 Traumasensibilität bei Menschen mit Behinderung
29.3 Opferstigmatisierung
29.4 Entwicklungsaspekte
29.5 Grundverständnis und Therapieprinzipien
29.6 Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen
29.7 Menschen mit Intelligenzminderung
29.7.1 Behinderungsbedingte Risikofaktoren
29.7.2 Traumatisierende Lebenserfahrungen
29.7.3 Traumafolgen
29.8 Menschen mit Mehrfachbehinderung
29.9 Fazit
29.10 Weiterführende Literatur
29.11 Zitierte Literatur
30 Trauma und Recht
30.1 Einleitung
30.2 Trauma im Strafprozess
30.3 Therapeut und Therapie im Strafprozess
30.4 Begutachtung
30.5 Opferentschädigung
30.5.1 Ansprüche gegen den Täter (Adhäsionsverfahren)
30.5.2 Opferentschädigungsgesetz
30.6 Fazit
30.7 Weiterführende Literatur
30.8 Zitierte Literatur
31 Traumazentrierte Begutachtung
31.1 Einleitung
31.2 Relevante Rechtsgebiete und Fragestellungen
31.2.1 Finale Begutachtung
31.2.2 Kausale Begutachtung
31.2.3 Andere Fragestellungen: aufenthaltsrechtliche Verfahren
31.3 Grundsätze der traumazentrierten Begutachtung
31.4 Begutachtungsschritte
31.4.1 Vorbereitende Arbeiten
31.4.2 Durchführung der Untersuchung
31.4.3 Diagnostische Klassifizierung
31.4.4 Kausalitätsprüfung
31.4.5 Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen
31.5 Anforderungen an die Qualifikation der Gutachter
31.6 Weiterführende Literatur
31.7 Zitierte Literatur
Teil VII Weiterführende Hilfeangebote für traumatisierte Patienten
32 Spezialisierte Beratungsstellen
32.1 Einleitung
32.2 Beratung in Krisensituationen, Krisendienste
32.3 Beratung für Opfer von Straftaten
32.4 Beratung nach Trauerfällen, Trauerbegleitung
32.5 Beratung für traumatisierte Geflüchtete bzw. Folteropfer
32.6 Beratungsstellen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt
32.6.1 Zielgruppe Kinder und Jugendliche
32.6.2 Zielgruppe Frauen und Mädchen
32.6.3 Zielgruppe Männer
32.7 Andere Opferthemen
32.8 Sozialpsychiatrischer Dienst
32.9 Sucht- und Drogenberatungsstellen
32.10 Täterberatung
32.11 Fazit
33 Psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
33.1 Einleitung
33.2 Opfer und Strafverfahren
33.2.1 Opfer von Straftaten als Beweismittel
33.2.2 Angst vor dem Unbekannten
33.2.3 Traumasensibilität im Gericht
33.3 Psychosoziale Prozessbegleitung
33.3.1 Entstehung und Qualifikation
33.3.2 Rechtlicher Rahmen und besondere Schutzbedürftigkeit
33.3.3 Grundsätze
33.3.4 Aufgaben
33.4 Fazit
33.5 Weiterführende Literatur
33.6 Zitierte Literatur
34 Selbsthilfegruppen
34.1 Einleitung
34.2 Modellhafte Selbsthilfegruppe für Betroffene von sexualisierter Gewalt
34.2.1 Zugang zur Gruppe und Regeln
34.2.2 Rahmenbedingungen
34.2.3 Arbeit
34.2.4 Ziele
34.2.5 Herausforderungen
34.3 Fazit
34.4 Zitierte Literatur
35 Opferentschädigung
35.1 Opferentschädigungsgesetz
35.2 Ergänzendes Hilfesystem für Opfer sexualisierter Gewalt
35.2.1 Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich
35.2.2 Fonds Sexueller Missbrauch im institutionellen Bereich
35.2.3 Antragstellung
35.2.4 Leistungen
35.3 Fazit
35.4 Weiterführende Literatur
36 Suche nach Traumatherapeuten
36.1 Einleitung
36.2 Psychotherapeuten
36.3 Psychotherapeuten mit Zusatzqualifikation „Psychotraumatologie“
36.4 Fazit
36.5 Weiterführende Literatur
36.6 Zitierte Literatur
37 Ratgeberliteratur und hilfreiche Internet-Seiten für Traumatisierte
37.1 Einleitung
37.2 Funktionen
37.3 Auswahl
37.4 Nebenwirkungen
37.5 Fazit
37.6 Weiterführende Literatur
Teil VIII Herausforderungen für Professionelle
38 Schädigung in der Psychotherapie durch Grenzverletzungen und Empathieversagen
38.1 Einleitung
38.2 Abstinenz und Karenz
38.3 Traumatisierte Patienten als besondere Risikogruppe für Reviktimisierung
38.3.1 Traumatische Übertragung und Gegenübertragung
38.3.2 Schmaler psychotherapeutischer Korridor
38.4 Vermeidung ungewollter Schädigungen und Grenzverletzungen
38.5 Fazit
38.6 Zitierte Literatur
39 Psychohygiene
39.1 Einleitung
39.2 Empathie und Mitgefühl
39.3 Im Patientenkontakt
39.3.1 Verankerung in der Gegenwart
39.3.2 Ressourcenorientierung
39.3.3 Imagination von Schutz
39.3.4 Positiver Ausgleich
39.4 Allgemeine Arbeitsgestaltung
39.4.1 Stärkung positiver Emotionen und Schwächung negativer
39.4.2 Begeisterung als „Dünger“ für das Gehirn
39.4.3 Glück in Abhängigkeit von der eigenen Bewertung
39.4.4 Hinterfragen eigener Bewertungen
39.4.5 Arbeit an den eigenen Einstellungen
39.4.6 Förderung des Flow-Erlebens
39.5 Zusammenfassung
39.6 Fazit
39.7 Weiterführende Literatur
39.8 Zitierte Literatur
Teil IX Anhang
40 Diagnostische Instrumente
40.1 Zitierte Literatur
41 Internet-Adressen
41.1 Fachgesellschaften
41.2 AWMF-Leitlinien
41.3 Unterstützung für Betroffene (und Informationen für Professionelle)
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum
1 Definition psychisches Trauma
2 Traumafolgen auf Körper- und Verhaltensebene
3 Traumalangzeitfolgen: Schutz- und Risikofaktoren
4 Traumainformierte Gesprächsführung
Julia Schellong
Unter einem „psychischen Trauma“ wird eine schwelende seelische Wunde verstanden, konkreter eine Verarbeitungsstörung einer psychischen Verletzung mit Nachwirkungen auf die Lebensführung sowie auf die körperliche und die psychische Stabilität. Verursacher dieser Verletzung ist ein kurz oder lang anhaltendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ▶ [3]▶ [4]▶ [9].
Oft wird bei nachwirkenden seelischen Erschütterungen nicht zwischen dem Ereignis selbst und dessen Folgeerscheinung differenziert. Traumatisch im Sinne eines seelischen Schocks oder psychischen Nachhalls wird das Erlebnis durch die individuelle Reaktion darauf. So ist das Beschwerdebild der PTBS (der Posttraumatischen Belastungsstörung) definiert durch die Kombination des stattgehabten Ereignisses mit dem nachfolgenden spezifischen Beschwerdesyndrom, das manchmal auch erst verzögert nach dem Erlebnis eintreten kann.
Merke
Nicht das Ereignis bestimmt das Krankheitsbild der Traumafolgestörungen, sondern erst das Zusammentreffen von erlebtem Ereignis und spezifischem Beschwerdesyndrom.
In der Alltagssprache werden die Begriffe „traumatisiert“ und „Trauma“ sehr weitgreifend genutzt, um eine persönliche Erschütterung durch ein aversives Erlebnis zu verdeutlichen. Potenziell traumatisch im medizinischen Sinne sind jedoch extreme Ereignisse wie folgende ▶ [3]:
Angriffe auf die Integrität des Selbst
Bedrohung von Leib und Leben wie schwere körperliche Verletzungen oder sexuelle Gewalt
mit ansehen zu müssen, wie jemand anderer in seinem Leben akut bedroht ist oder bedroht wird
Der weiter gefasste umgangssprachliche Gebrauch des Begriffs „Trauma“ unterschlägt zudem, dass selbst nach einem potenziell traumatischen Erlebnis nur ein kleinerer Teil der Betroffenen ein solches Erlebnis traumatisch verarbeitet und an einer PTBS erkrankt. Dies ist abhängig von Vorbelastung, Art und Anzahl der erlebten Ereignisse ▶ [6]▶ [8]▶ [11]. Über alle Traumaarten und Regionen der Welt hinweg beträgt die Häufigkeit, eine PTBS zu entwickeln, nach der jüngsten Studie der WHO (der World Health Organisation) lediglich 4%, wobei 70% eine oder mehrere potenziell traumatische Erfahrungen gemacht haben ▶ [8].
Merke
Nicht jeder entwickelt im Anschluss an ein potenziell traumatisierendes Erlebnis eine Traumafolgestörung. Art und Ausmaß der Traumatisierung sowie individuelle Reaktion und Vorerfahrungen beeinflussen die Entwicklung des Krankheitsbilds.
Fallbeispiel
Fallbeispiel 1.1
Albert A., 36-jähriger Sachbearbeiter, fährt morgens wie immer mit seinem Auto zur Arbeit. In einer unübersichtlichen Kurve kommt ihm ein weißer Lieferwagen frontal entgegen. Herr A. hat keinerlei Gelegenheit zu reagieren, er sieht sein Ende gekommen. Den Aufprall überlebt er schwer verletzt.
Fallbeispiel
Fallbeispiel 1.2
Birgit B., 45-jährige Erzieherin, geht mit einer Gruppe 10-jähriger Kinder wandern. In einem unbeobachteten Moment klettern die Kinder über die Absperrung. Ein Mädchen rutscht ab und stürzt vor den Augen von Frau B. in die Schlucht.
Fallbeispiel
Fallbeispiel 1.3
Christine C., 23-jährige Krankenschwester, wird frühmorgens auf dem Weg vom Nachtdienst nach Hause angesprochen. Völlig verschreckt meldet sie sich Stunden später bei ihrer Freundin. Diese bringt sie zur Notaufnahme. Die Rechtsmediziner finden Hinweise für eine Vergewaltigung.
Alle 3 in den Fallbeispielen geschilderten Ereignisse waren durch massives persönliches Stresserleben geprägt. Diese Stressreaktion kann sofort oder auch verzögert auftreten. Über diese traumaspezifischen Reaktionen und deren Behandlungsmöglichkeiten berichten ▶ Kapitel 5 und ▶ 6. Die 3 Fallbeispiele erzählen jeweils von einem einzelnen traumatischen Erlebnis im Erwachsenenalter. Folgendes ist jedoch für die Ausbildung einer Traumafolgestörung erheblich:
Welches Ereignis wurde erlebt?
Wurden die gefährdenden Situationen einmalig oder mehrfach erlitten?
Zu welchem Zeitpunkt im Leben fand das psychisch schädigende Ereignis statt?
Wurden zusätzlich andere potenziell traumatische Ereignisse erlebt?
Bestand eine Vorbelastung?
All diese Bedingungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine psychische Folgestörung zu entwickeln.
Verschiedene Ereignisse wirken unterschiedlich pathogen: Von Menschen zugefügte Gewalt, sog. intentionale Gewalt, führt wesentlich häufiger zu psychischen Folgestörungen als eine einmalige Gefährdung durch z.B. eine Naturkatastrophe oder einen schweren Verkehrsunfall. Sexualisierte Gewalt verstärkt diese Vulnerabilität noch markanter. Vergewaltigungsopfer beispielsweise entwickeln je nach Untersuchung in 17 ▶ [8], 46 ▶ [6] und bis zu 52% der Fälle ▶ [11] eine PTBS. Nach lang anhaltenden, wiederholten sog. sequenziellen Traumatisierungen durch Kriegs- und Foltererlebnisse oder innerfamiliäre Gewalt entwickeln sich besonders häufig Traumafolgestörungen mit zusätzlicher hoher Komorbiditätsrate und Chronifizierungsneigung ▶ [5]. Ursache und Reaktion können als sog. Delayed Onset zeitlich weit auseinander liegen und dennoch aneinander gekoppelt sein ▶ [3]. Manchmal ist erst das Erleben einer erneuten Traumatisierung der Auslöser für eine Traumafolgestörung, die dann in ihrem komplexen Zusammenhang verstanden und behandelt werden muss; siehe dazu auch das Unterkapitel zur ▶ komplexen Traumafolgestörung und die anderen Unterkapitel zu den Komorbiditäten in ▶ Kapitel 9. Auch prägende Vorerfahrungen, soziale Bedingungen oder Beistand nach der potenziellen Traumatisierung haben Einfluss darauf, ob und wie jemand erkrankt ▶ [11]▶ [14].
Fallbeispiel
Fallbeispiel 1.4
Daniela D., 21-jährige Studentin, hat viel Gewalt in der Kindheit erlebt und war zudem vom 9.–12. Lebensjahr sexuellen Übergriffen ihres Stiefvaters ausgesetzt. Zwar hat sie durchaus Freunde und Freundinnen, aber ganz vertraut sie niemandem. Manchmal fehlt ihr ein Stück Erinnerung im Laufe des Tages. Deshalb nimmt sie auch keine Drogen und trinkt nahezu nie Alkohol. Nach einer Party findet sie sich mit eindeutigen Zeichen wieder, dass jemand mit ihr sexuellen Kontakt gehabt haben muss.
Ein Versuch, die Komplexität von potenziell traumatischen Erlebnissen zu erfassen, ist der Vorschlag von Lenore Terr, eine Einteilung nach Art und Anzahl der Traumata vorzunehmen ▶ [13]. „Typ-I-Traumatisierungen“ sind dabei einem einmaligen Ereignis zuzuordnen. Als „Typ-II-Traumatisierungen“ werden mehrfache und/oder lang andauernde Gewalterlebnisse bezeichnet. Zusätzlich wird ein akzidentelles Trauma von einem interpersonellen Trauma abgegrenzt ( ▶ Tab. 1.1) ▶ [9]▶ [13].
Tab. 1.1
Klassifikation traumatischer Erfahrungen
▶ [9]
▶ [13]
.
Traumatypen
Akzidentelles Trauma
Interpersonelles Trauma
Typ-I-Trauma
(Einzelereignis, lebensbedrohlich, unerwartet)
Autounfall
Arbeitsunfall (Polizei, Rettung)
Industrieunfall
kurz dauernde Naturkatastrophe
kriminelle Gewalt
sexueller Übergriff
bewaffneter Raub
häusliche Gewalt, einmalig
Typ-II-Trauma
(wiederholt, lang andauernd, unvorhersehbar)
lang andauernde natürliche Katastrophen und ihre Folgen
technische Katastrophen (Nuklearunfall)
kindlicher sexueller oder körperlicher Missbrauch, emotionale Vernachlässigung
emotionaler Missbrauch
andauernde häusliche Gewalt
Krieg, Kampf, Folter
Geiselnahme, Gefangenschaft
Die Begriffe „Trauma“ und „traumatisch“ für menschliche Erschütterungen und deren psychische Nachwirkungen zu verwenden, hat erst 1980 Eingang in das Klassifikationssystem DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und 1991 in das des ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) gefunden. Die Verwendung des Begriffs „Trauma“ für eine psychische Verletzung wurde in ihrer 150-jährigen Geschichte heterogen und kontrovers diskutiert. Eine sehr schöne Zusammenstellung findet sich in der Dissertation von Katrin Lehmacher ▶ [7] und bei Seidler ▶ [12].
Die Zuschreibung eines Erlebnisses als „traumatisch“ war von Beginn an eng mit kulturellen sowie gesundheits- und sozialpolitischen Gegebenheiten verwoben. Opferentschädigungsrechte knüpften (und knüpfen) sich an die sozialpolitischen Einordnungen der Zeit und die Malignität, die einem Agens zugeschrieben wird. So wurden psychische Folgen von Eisenbahnunfällen im Jahr 1889, 5 Jahre nach der erstmaligen Einführung einer allgemeinen Unfallversicherung unter Bismarck, als entschädigungspflichtig anerkannt, Unfälle durch Kutschen hingegen nicht.
Eine wesentliche Bedeutung in der Auseinandersetzung um traumabedingte Folgestörungen hatte auch die Bewertung des Einflusses äußerer Reize auf das Krankheitsverständnis psychischer Störungen. Im psychiatrischen Diskurs galt lange Zeit als gegeben, dass Folgeerkrankungen nach potenziell traumatischen Erlebnissen einer organischen Voraussetzung bedürfen. So war dies Mitte des 19. Jahrhunderts bei der sog. traumatischen Neurose (Oppenheim) die Erschütterung der Wirbelsäule durch die Eisenbahnverletzung. Hingegen war es selbst nach dem Holocaust die sog. Hungerdystrophie der Opfer, die für die beobachteten Beschwerden verantwortlich gemacht wurde. Andererseits wurde postuliert, die sog. traumatische Hysterie der Kriegszitterer des Ersten Weltkriegs hinge vom „Wesen und Willen“ des Betroffenen ab. Diese Einschätzung wurde verstärkt durch die Befürchtung einer Schwächung der Wehrkraft und einer Überschwemmung durch Versorgungsanträge (Rentenneurose). Ab 1926 galten dann auch nervöse Störungen, denen keine nachweisbare organische Ursache zugrunde gelegt werden konnte, nicht mehr als entschädigungspflichtig. In der Wehrmacht wurden psychische Folgereaktionen regelrecht verboten oder drastische Behandlungsmethoden für „abnorme seelische Reaktionen“ verabreicht. Falls erfolglos, waren sie mit der Gefahr verbunden, Opfer der T4-Aktion zu werden, der systematischen Ermordung von mehr als 70 000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland von 1940–1945. Erst in den späten 1950er-Jahren in der Auseinandersetzung mit psychischen Schäden bei Überlebenden der Konzentrationslager regte sich in Deutschland der Verdacht, dass menschliches Leid an Grenzen des Ertragbaren stoßen könnte. Allerdings mussten Betroffene trotz der 1956 beschlossenen Bundesentschädigungsgesetzgebung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung noch jahrelange entwürdigende und beschämende Auseinandersetzungen mit Gutachtern über sich ergehen lassen. In den USA war die Versorgung der Vietnamrückkehrer der Motor für die Einführung des Krankheitsbilds „PTBS“ im Jahr 1980.
Psychische Folgen von Kindesmisshandlung und -missbrauch wurden bereits früh beschrieben. Doch bis zur Anerkennung als Entität mit pathogenem Krankheitswert bedurfte es erst der wiederholten Wellen mit Eröffnungen Betroffener und der neurowissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre.
Mittlerweile hat sich der Blick auf psychische Traumafolgen deutlich gewandelt. Die neue Ausgabe der im angloamerikanischen Sprachraum gebräuchlichen Fassung des DSM-5 reserviert stressbedingten Störungen ein eigenes Kapitel. Für die für 2018 geplante 11. Revision der ICD ist dies ebenso vorgesehen ▶ [10]. Eine Flut von Veröffentlichungen informiert mittlerweile über physiologische Stressreaktionen, stressbedingte Langzeitfolgen, Epidemiologie und diagnostische Einschätzungen. Für das klar abgegrenzte Krankheitsbild der PTBS stehen nun gut evaluierte Behandlungsverfahren mit hoher Evidenz und ausgezeichnetem Behandlungserfolg zur Verfügung.
Aktuelle medizinische Klassifikationssysteme grenzen die Umstände streng ein, die zu einer PTBS führen können. ICD-10 ▶ [4] und DSM-5 ▶ [3] beschreiben eine psychische Traumatisierung als Folge von Erlebnissen existenziellen Ausmaßes, als reale (oder drohende), mit schwerer Verletzung oder Todesangst verbundene Erlebnisse. Als traumatisch gelten nach ICD-10 kurz oder lang anhaltende Ereignisse bzw. Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würden. Die subjektive Komponente wurde in der Definition des DSM-5 wieder fallen gelassen. Konkret benannt werden nun aber die Stressereignisse, die zu einer PTBS führen können:
drohender Tod
aktuelle oder drohende schwere Verletzung, die direkt selbst oder als Zeuge erlebt wird
aktuelle oder drohende sexuelle Gewalt, die direkt selbst oder als Zeuge erlebt wird
Als Auslöser gilt nach DSM-5 auch die indirekte Exposition in Form einer Mitteilung, dass ein naher Angehöriger oder enger Freund gewalttätig oder unerwartet ums Leben gekommen ist bzw. in Todesgefahr war. Wiederholte oder extreme indirekte Expositionen mit aversiven Details oder Ereignissen sind eingeschlossen. Diese stehen meist in Zusammenhang mit beruflichen Notwendigkeiten, z.B. bei Ersthelfern oder bei Berufsgruppen, die Leichenteile einsammeln oder wiederholt Dokumente zu sexuellem Missbrauch ansehen müssen. Nicht eingeschlossen ist jedoch indirektes, nicht berufliches Ausgesetztsein über elektronische Medien, Fernsehen, Filme oder Bilder. Tab. 1.2 fasst die unterschiedlichen Kriterien zusammen, einschließlich derjenigen des DSM-IV und der geplanten Version nach ICD-11 ▶ [10].
Tab. 1.2
Traumabegriff in den aktuellen Klassifikationssystemen.
Klassifikationssysteme
Traumabegriff nach Klassifikation
Subjektive Komponente
DSM-IV
Bedrohung durch Tod, ernsthafte Verletzung oder Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer
heftige Angst, Hilflosigkeit, Entsetzen
DSM-5
Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, tatsächlicher oder drohender ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt in einem oder mehreren Bereichen:
direktes Erleben des traumatischen Ereignisses bzw. der traumatischen Ereignisse
persönliches Beobachten, wie traumatische Ereignisse anderen widerfahren
Erfahren, dass ein traumatisches Erlebnis bzw. traumatische Erlebnisse einem engen Familienangehörigen oder Freund passiert sind (tatsächlicher oder angedrohter Tod muss Gewalt oder Unfall inkludieren)
wiederholtes Erleben oder extreme Konfrontation mit aversiven Details von einem traumatischen Erlebnis bzw. von traumatischen Erlebnissen (z.B. Flüchtlingshelfer im Erstkontakt; Polizisten, die wiederholt mit Kindesmissbrauch konfrontiert werden); gilt nicht für Konfrontation durch elektronische Medien, Fernsehen, Filme oder Bilder, wenn die Konfrontation nicht arbeitsbezogen ist
keine
ICD-10
Die Betroffenen waren einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, […]
[...], das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde.
ICD-11
Die Betroffenen waren einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt.
keine
Zu traumatischen Erlebnissen, die eine Traumafolgestörung auslösen können, gehören schwere Unfälle, Raubüberfälle, Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch, (häusliche) Gewalt, Misshandlungen, Naturkatastrophen, Erlebnisse wie Krieg, Folter oder Flucht sowie die Zeugenschaft derartiger Ereignisse. Diese belastenden Ereignisse können sowohl kurz- als auch langfristig sein. Meist sind sie von so außergewöhnlich bedrohlicher oder katastrophaler Natur, dass sie dauerhaften Leidensdruck in fast jeder Person auslösen könnten. Das Spektrum der psychischen Folgestörungen von Stresserleben reicht weit, von der direkten Reaktion im Anschluss an das Geschehen (akute Belastungsreaktion) über den klar definierten Symptomkomplex der PTBS bis zu subsyndromalen Ausprägungsformen (Anpassungsstörung) oder Sonderformen wie dem dissoziativen Subtyp oder zu anderen traumaassoziierten psychischen Störungen.
[1] Frommberger U Angenendt J Berger M. Posttraumatische Belastungsstörung – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Dtsch Arztebl Int 2014; 111 (5): 59–65. doi: 10.3238/arztebl.2014.0059
[2] Maerker A. Posttraumatische Belastungsstörungen. 4. Aufl. Berlin: Springer; 2013
[3] American Psychiatric Association (APA). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM-5®). Arlington, VA: American Psychiatric Association Publishers; 2013
[4] Dilling H, Freyberger HJ. WHO: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Bern: Huber; 2006
[5] Felitti V, Anda R, Nordenberg D. Relationship of childhood abuse and household dysfunction to many of the leading causes of death in adults. Am J Prev Med 1998; 14
[6] Kessler RC, Sonnega A, Bromet E et al. Posttraumatic stress disorder in the National Comorbidity Survey. Arch Gen Psychiatry 1995; 52 (12): 1048–1060
[7] Lehmacher K. Trauma-Konzepte im historischen Wandel: ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der Posttraumatic-Stress Disorder in Deutschland (1980–1991) [Dissertation]. Bonn: Universitäts- und Landesbibliothek; 2013
[8] Liu H, Petukhova MV, Sampson NA et al. Association of DSM-IV posttraumatic stress disorder with traumatic experience type and history in the World Health Organization World Mental Health Surveys. JAMA Psychiatry 2017; 74 (3): 270–281
[9] Maercker A. Posttraumatische Belastungsstörungen. 4. Aufl. Berlin: Springer; 2013
[10] Maercker A, Brewin CR, Bryant RA et al. Proposals for mental disorders specifically associated with stress in the International Classification of Diseases-11. Lancet 2013; 381 (9878): 1683–1685
[11] Perkonigg A, Kessler RC, Storz S et al. Traumatic events and post-traumatic stress disorder in the community: prevalence, risk factors and comorbidity. Acta Psychiatr Scand 2000; 101 (1): 46–59
[12] Seidler GH. Verletzte Seelen: Möglichkeiten und Perspektiven einer historischen Traumaforschung. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2005
[13] Terr LC. Childhood traumas: an outline and overview. Focus 2003; 1 (3): 322–334
[14] Werner EE. Children and war: risk, resilience, and recovery. Dev Psychopathol 2012; 24 (2): 553–558
Britta Menne, Ulrich Frommberger
Grundsätzlich gehört das Erleben gefährlicher, schwieriger bzw. problematischer Situationen zum normalen Erfahrungsbereich des Menschen. Wir sind geübt darin, solche Erfahrungen erfolgreich zu bewältigen, aus ihnen zu lernen und sie als Verhaltensmuster (Ressourcen, Schemata) abzuspeichern. So können wir notfalls rasch zur erneuten Problemlösung auf sie zurückgreifen. Mit jedem erneuten und erfolgreichen Einsatz werden diese Bewältigungsmuster stabilisiert und können umso leichter und schneller abgerufen werden. Es gibt aber auch Fälle, in denen Belastungen subjektiv nicht als Ressource, sondern als ein „vitales Diskrepanzerlebnis“ zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Solche Belastungen gehen mit Lebensbedrohung, tiefgreifender, existenzieller Angst, Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Ohnmacht einher ▶ [21]. Dadurch entsteht eine sog. traumatische Zange ▶ [26], die die Anpassungsfähigkeit des Organismus überfordert. Freud formulierte dies als „Durchbruch des Reizschutzes“ ▶ [23].
Heute wissen wir, dass das Gehirn auf diesen „Durchbruch“ intensiv reagiert. Diese Reaktionen stehen im Dienste des Überlebens ▶ [25]▶ [29]▶ [30]. Beteiligt sind an diesem „Überlebenskampf“ 4 neurobiologische Verarbeitungsebenen ▶ [18], die aufgrund peri- und posttraumatisch ablaufender Kompensationsprozesse und neuroplastischer Veränderungen die Traumafolgesymptomatik bestimmen. Daher ist es wichtig, die verschiedenen Verarbeitungsebenen im Hinblick auf ihre Funktionalität und Störanfälligkeit zu kennen und sie auch den Patienten und Angehörigen in der Psychoedukation vermitteln zu können.
Auf dieser Ebene kommt dem Frontalhirn und seinen verschiedenen Verknüpfungen besondere Bedeutung in der Verarbeitung traumatogener Prozesse zu. Über frontotemporoparietale Verknüpfungen und die Colliculi superiores interpretiert es visuelle und sensorische Eindrücke im Hinblick auf Hinwendung zu Neuem. In Zusammenarbeit mit dem Parietallappen hält es die Aufmerksamkeit aufrecht. Außerdem steuert das Großhirn die Raumwahrnehmung und Bewegung sowie das Sprechen. Gleichzeitig ist es mit dem anterioren Zingulum verknüpft, das bereits zum limbischen System gehört. Diese wichtige Zentrale überwacht autonome Funktionen, Emotion, Kognition, Schmerz, Verhalten, Aufmerksamkeitsfokussierung und Strategiebildung bzw. Auswahl der Handlung. Das anteriore Zingulum wird besonders bei Nichtübereinstimmen von Wahrnehmungen, Erwartungen und Zielen oder bei Aktivierung miteinander konkurrierender oder einander ausschließender motivationaler Tendenzen aktiviert. Konflikte wahrzunehmen, richtig einzuordnen und in geeignete Verhaltensmuster zu überführen, ist bei der Bewältigung schwieriger Situationen zentral ▶ [19]. Daher versucht maßgeblich das Frontalhirn in Zusammenarbeit mit dem anterioren Zingulum, über dopamin- und überraschungsgetriggerte Aktivität Muster bzw. Regeln aus den vielfältigen Umgebungsreizen abzuleiten, emotional relevante Umweltereignisse herauszufiltern und so Ordnung zu schaffen und Probleme zu lösen ▶ [27]. Mit diesem Auftrag sind Frontalhirn und Zingulum ganz wesentlich auch an der Modulation von Gefühlen beteiligt. Dazu arbeiten sie eng mit dem limbischen Kernsystem zusammen.
Merke
Störungen im anterioren Zingulum sind typischerweise verbunden mit Ambivalenz, Affektverflachung, Motivationsverlust, Denkstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit ▶ [19].
Zur limbischen Verarbeitungsebene, die Braus den „Bauch in unserem Kopf“ nennt ▶ [19], gehören neben dem anterioren Zingulum der Hippokampus, die Amygdala, der Fornix, ein Teil des Hypothalamus sowie Teile des Thalamus. Sie ist eine Schnittstelle zwischen dem Großhirn und den entwicklungsgeschichtlich älteren, subkortikalen Zwischenhirn- und Hirnstammkernen. Sie nimmt eine zentrale Rolle bei impliziten und expliziten Gedächtnisfunktionen, Emotionsverarbeitung, Motivation und Verhaltenssteuerung sowie Lernprozessen ein. Eine zentrale Rolle bei der Traumaverarbeitung wird auf dieser Ebene der Amygdala, dem Hippokampus und den damit in Verbindung stehenden Gedächtnisbildungsprozessen zugeschrieben.
Die Amygdala ist eine komplexe, aus mehreren Kernen bestehende Struktur. Von diesen Kernen sind der basale, der laterale und der zentrale Kern die wichtigsten. Die Amygdala wird insbesondere durch überraschende, uneindeutige oder ungenaue Situationen aktiviert. Sie vergleicht aus dem Thalamus eintreffende emotionale Informationen kontextabhängig mit gespeicherten kortikalen Gedächtnisinhalten. Sie generiert adäquate negative Verhaltensantworten wie eine Furcht- oder Angriffsreaktion, aber auch positive Antworten ▶ [31]. Dabei aktiviert der laterale Amygdalakern parallel 2 Angstreaktionswege:
einen über den basalen Kern laufenden, das Striatum aktivierenden, auf Bewältigung ausgerichteten Reaktionsweg und
einen über den zentralen Kern laufenden, eher auf passive Angstreaktion ausgerichteten Weg, der über das periaquäduktale Höhlengrau Immobilität und Totstellreflex induziert und über den lateralen sowie paraventrikulären Hypothalamus autonome Reaktionen und die Stressreaktion einleitet.
Diese Parallelaktivierung macht evolutionär Sinn: Sie ermöglicht nämlich, sich in lebensbedrohlichen Situationen kurz tot zu stellen, um dann – sobald die Gelegenheit dazu kommt – rasch aufzuspringen und zu flüchten oder anzugreifen. Bei PTBS oder Angststörungen scheint dieses System außer Balance geraten zu sein zugunsten des oben beschriebenen passiven Angstreaktionswegs ▶ [19]. Die Folgen sind eine verstärkte Neigung zu Dissoziation und eine erhöhte Alarmbereitschaft (Hyperarousal).
Merke
Die Amygdala ist u.a. unser Emotionssensor und Gefahrenmelder im Kopf, der u.a. Bedrohungen unbewusst wahrnimmt und im Sinne einer Abwehr-Überleben-Reaktion z.B. eine Furchtbewältigungsreaktion auslöst.
Der Hippokampus als enganliegende Nachbarregion zur Amygdala übernimmt die Abstimmung des Verhaltens auf sich ändernde Kontexte. Er ist die Instanz, die für die Organisation des Gedächtnisses zuständig ist. Dabei verarbeitet der vordere Teil vor allem neue Reize und der hintere besonders vertraute Reize mit Relevanz für das Verhalten ▶ [19]. Der gedächtnisbildende Einfluss des Hippokampus bezieht sich vor allem auf den Arbeitsspeicher, das Lernen und das Speichern von Neuem sowie die Bewegungsplanung und die Raumorientierung. Das sind alles Prozesse, die entscheidend für die Verhaltenssteuerung auch in bedrohlichen Situationen sind ▶ [19]. Damit diese Lernprozesse und die sich daraus ergebende Verhaltenssteuerung gelingen können, müssen Hippokampus, parahippokampaler Gyrus und dorsolateraler präfrontaler Kortex synchron zusammenarbeiten und gemeinsam aktiv sein. In systemüberlastenden Stresssituationen gelingt eben gerade dies nicht störungsfrei.
Bereits Janet unterschied traumatische von normalen Erinnerungen ▶ [28]. Die Existenz von multiplen Erinnerungssystemen ist mittlerweile in der Gedächtnisforschung gut dokumentiert. Besonders bedeutsam ist dabei die Unterscheidung in semantische (deklarative) und episodische Erinnerung. Im Bereich der Traumaforschung wurde diese Einteilung von Metcalfe und Jacobs aufgegriffen, um phänomenologische Unterschiede von traumatischen im Vergleich zu normalen Erinnerungen zu beschreiben ( ▶ Tab. 2.1) ▶ [33]. In der Terminologie von Brewin lässt sich verbal zugängliche Erinnerung (Verbal accessible Memory) von situationsabhängiger nicht verbaler Erinnerung (Situational accessible Memory) unterscheiden ▶ [20]. Metcalfe und Jacobs sprechen von „hot system versus cold system“ ▶ [33], um die besondere emotionale Belastung der situationsabhängigen Erinnerung hervorzuheben.
Tab. 2.1
Charakteristika normaler und traumatischer Erinnerungen nach Metcalfe und Jacobs.
„Normale“ Erinnerung
„Traumatische“ Erinnerung
Verblassen der Erinnerung mit der Zeit
Hypermnesie, Albträume, Intrusionen
moderate Gefühlsbeteiligung
exzessive emotionale Beteiligung
biografisch eingebundene Erinnerung
fragmentarische Erinnerungen
episodische (narrative) Erinnerung
Hier-und-Jetzt-Erleben
zeitlich und räumlich klar definierte Erinnerung
verzerrtes Raum-Zeit-Gefühl
emotional kaum triggerbare Erinnerung
leicht triggerbare Erinnerung
Das deklarative Gedächtnis speichert das Wissen um Daten, Fakten und Ereignisse vor allem im Temporallappen ab. Hingegen wird das nicht deklarative Gedächtnis mit Ausnahme des Wiedererkennens überwiegend von tiefergelegenen Hirnstrukturen wie den Basalganglien, der Amygdala und dem Kleinhirn sowie Reflexen getragen ▶ [19]. Es ist nicht nur für das prozedurale Wissen zuständig, sondern vor allem für Konditionierung, Gewöhnung, Sensibilisierung und Wiedererkennen. In diesen Systemen werden Gedächtnisinhalte kontextabhängig abgespeichert und können auch nur so verlässlich wieder abgerufen werden. Dies ist von grundlegender Bedeutung im Verständnis neurobiologischer Folgen von traumatischer Belastung. Denn Störungen in der Zusammenarbeit dieser Strukturen führen zu zum Teil schweren Fehlern in der Gedächtnisbildung und Speicherung und letztlich zu intrusiver Symptomatik.
Merke
Erinnerungen erlangen vor allem dann traumatische Qualität, wenn ihre Integration in das semantische (deklarative) Gedächtnis fehlschlägt.
Die Folge dieser Fehlfunktion sind separat registrierte sensorische Elemente der Erfahrung, die unabhängig von ihrem Kontext in sog. Traumanetzwerken implizit notgespeichert werden ▶ [22]. Diese Fragmentierung und Desorganisation erschwert die spätere Kontextualisierung und damit die Überführung in die deklarativen Gedächtnisstrukturen der Großhirnebene oder macht sie sogar unmöglich. Stattdessen verbleiben die Fragmente in den impliziten subkortikalen Gedächtnisspeichern hängen. Von dort brechen sie, relativ leicht durch ereignisähnliche Aspekte (Trigger) auslösbar, aber kontextfrei, in Form von Intrusionen und Flashbacks in das Bewusstsein ein. Diese unkontrollierbaren und kontextfreien Einbrüche sind wesentliche Gründe für Überflutungserleben und Vermeidungsverhalten in der Folge. Gleichzeitig trägt die leichte Triggerbarkeit durch ereignisähnliche Aspekte anderer, auch neutraler Lebenssituationen zur unspezifischen Generalisierung und damit zur Erweiterung und Stabilisierung des Traumanetzwerks und zur Chronifizierung der posttraumatischen Symptomatik bei. Dies entspricht der Hebb-Lernregel „What fires together wires together.“ ▶ [24]. Diese Befunde stehen im Einklang mit den Ergebnissen neuropsychologischer Studien, die bei Patienten mit PTBS sowohl Defizite in der Verarbeitung traumaneutraler Informationen als auch eine verminderte Merkfähigkeit und verzögerte Verarbeitung traumabezogener Gedächtnisinhalte gefunden haben ▶ [20].
Aktivität in den o.g. Abwehr-Überleben-Schaltkreisen wirkt sich auf die Freisetzung von Katecholaminen, Kortisol und körpereigenen Endorphinen aus. Dies hat zur Folge, dass der Organismus sehr erregt und wachsam ist, auch für neue Bedrohungen. Gleichzeitig reguliert er andere motivationale Schaltkreise herunter, z.B. die für Ernähren, Fortpflanzen usw. ▶ [31].
Eine akute Bedrohungsabwehr verläuft nach dem Prinzip „erst implizit handeln, dann explizit denken“ über die Formatio reticularis und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Eine unbewusste Schreckreaktion wird parallel über den langsameren kortikalen Weg (Sehrinde, Temporallappen, ventromedialer präfrontaler Kortex) wieder herunterreguliert, sollte sich dieser „Schnellschuss“ bei näherer Betrachtung und Emotionsregulation als unangemessen bzw. fehlinterpretiert herausstellen ▶ [19]▶ [31]. Wiederholte oder anhaltend erlebte Gefahrenabwehr geht mit grundlegenden Veränderungen der autonom-vegetativen Regulation einher. Dies geschieht typischerweise in Form einer erhöhten psychophysiologischen Reaktionsbereitschaft bzw. als ein bereits unter Ruhebedingungen erhöhtes Erregungsniveau. Dies belegt eine Fülle von empirischen Befunden bei PTBS-Patienten. Frühe negative Bindungserfahrungen führen zu überdauernden erhöhten Stressreaktionen mit entsprechenden Folgen wie erhöhter Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen, vermehrter Reizbarkeit und Affektintoleranz. Zeichen dieser Übererregung sind auch ausgeprägte Schlafstörungen mit Einschlafstörungen, Fragmentierung, erhöhtem REM-Anteil (Rapid-Eye-Movement-Anteil) bis hin zu Albträumen ▶ [32]. Die erhöhte physiologische Reaktion auf Schreckreize und andere belastende Stimuli geht darüber hinaus einher mit einer verminderten Habituation auf wiederholt dargebotene schreckhafte Stimuli. Individuelle Erinnerungsauslöser (Trigger) wie z. B. das Anhören eines Traumaberichts lösen intensive psychophysiologische Reaktionen aus. Dies gilt als besonders zuverlässiger Indikator für das Vorliegen einer PTBS.
Merke
Traumatische Erlebnisse bewirken zahlreiche biochemische und physiologische Veränderungen an „Stellschrauben“ des stressregulierenden Nervensystems, die letztlich zu einer erhöhten autonomen Reaktionsbereitschaft auf interne und externe Stimuli führen.
Traumatischer Stress kann die Funktion der Hirnareale bis auf die Ebene der Hormone und Neurotransmitter aus dem Gleichgewicht bringen und so die Rückkopplungssysteme der Stressregulation verändern. So geht etwa eine erhöhte noradrenerge Aktivierung der Amygdala mit einer erniedrigten Aktivität im präfrontalen Kortex und erhöhten Cortisolspiegeln einher. Die kritische Bewertung und Steuerung von Emotionen ist damit ebenso beeinträchtigt wie die Zusammenarbeit mit dem Hippokampus, und zwar bis auf die strukturelle Ebene. In der Folge der unzureichenden kortikalen Einordnungs- und Bewertungsmöglichkeiten kommt es zu fragmentierter Speicherung und damit zu einer Entkontextualisierung, die mit einer partiellen oder vollständigen Amnesie für das Trauma einhergeht. Gleichzeitig können diese Fragmente aus dem impliziten Speicher posttraumatisch als sich aufdrängende Intrusionen, Bilder, Flashbacks und Albträume mit Hier-und-Jetzt-Qualität leicht unwillkürlich aktiviert werden.
Merke
Das für die Sprechfunktion wichtige Broca-Areal zeigt eine geringere Aktivität bei Erinnerungen an das Trauma und könnte auf die Sprachlosigkeit von Patienten bei Konfrontation mit dem Trauma hinweisen.
Weiterhin ist wichtig zu wissen, dass bei schweren körperlichen und psychischen Angriffen mit der durch das Corticotropin-releasing Hormon induzierten Freisetzung von Adrenocorticotropin auf der Stressachse immer auch β-Endorphine freigesetzt werden. Diese treffen im Mittelhirn und im limbischen System auf besonders viele Opioidrezeptoren. Die Endorphine modulieren im limbischen System u.a. die emotionale Bedeutung der eintreffenden Sinnesreize und hemmen die Übertragung in verschiedenen Bahnen, z.B. die von Schmerz. Sie sind von daher auch für dissoziative Phänomene wie Analgesie und Leichtigkeitserleben in der traumatischen Situation, aber auch für Amnesie verantwortlich. Das macht insofern Sinn, als es in lebensbedrohlichen Situationen einen wesentlichen Überlebensvorteil mit sich bringen kann, wenn Schmerz, der normalerweise vor weiterer Verletzung warnt, die Schutzreaktionen in lebensbedrohlichen Fight-or-Flight Situationen nicht behindert. Unter evolutionsbiologischen Aspekten kann es ebenfalls sinnvoll sein, das Großhirn entsprechend der Regel „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ auszuschalten. Dabei wird eine Zunahme der Verletzung in Kauf genommen und den basalen überlebenssichernden Hirnstrukturen das Feld überlassen. Es erhöht sich dadurch die Chance, am Leben zu bleiben. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist eine erhöhte Dissoziationsneigung und Stressempfindlichkeit, auch posttraumatisch.
In traumatischen Stresssituationen, in denen das komplex arbeitende Großhirn zu keiner sinnvollen Problembewältigung mehr in der Lage ist, übernehmen stabilere, ältere, bis auf die Ebene des Hirnstamms reichende Reaktionsschemata die Handlungsleitung zur Sicherung des Überlebens. Bei diesem komplexen, sich wechselseitig beeinflussenden Bewältigungsprozess kann es überlastungsbedingt zu Störungen normalerweise eng zusammenarbeitender Hirnstrukturen kommen. Das kann Fehler in der Gedächtnisbildung und dysfunktionale Denk- und Bewältigungsmuster verursachen.
Die typisch ablaufenden Verhaltensmuster beginnen mit einer Alarmreaktion (Startle Response), die zunächst der Orientierung und dann als das Bindungssystem aktivierende Reaktion dazu dient, Hilfe bzw. Schutz vor einem Angriff zu erreichen. Dies misslingt in PTBS-induzierenden Lebenssituationen meist deshalb, weil entweder rettende Bindungspersonen nicht verfügbar sind oder die Bedrohung von wichtigen Bezugspersonen selbst ausgeht. Wenn – wie meist in diesen Fällen – keine Möglichkeit besteht zu entkommen (Flucht), setzt Hilflosigkeit ein und der Organismus schaltet auf (Überlebens-)Kampf um. Kann dieser Kampf wegen der Übermächtigkeit des Angreifers oder des Ausmaßes der Katastrophe nicht gelingen, beherrschen Hilflosigkeit, Ohnmacht und schließlich absolutes Ausgeliefertsein das Erleben ▶ [26]. In dieser traumatischen Falle, in der weder Kampf noch Flucht Erfolg versprechen, setzen schließlich die letzten archaischen Selbstschutzreaktionen ein. Diese bestehen in der dissoziativen Übererregung aus Erstarren (Freeze), Wahrnehmungsverzerrungen und -ausblendung sowie in der dissoziativen Untererregung. Letztere bezeichnen Schauer und Elbert auch als psychophysiologischen „Shut down“ ▶ [34]. Eine weitere der archaischen Selbstschutzreaktionen ist die Unterwerfung im Sinne eines Totstellreflexes, verbunden mit auch körperlich sichtbarem Tonusverlust bis hin zur Ohnmacht.
Traumatische Erlebnisse unterliegen auf verschiedenen neurobiologischen Ebenen einem komplexen Verarbeitungs- und Gedächtnisbildungsprozess. Dieser spiegelt sich in eng abgestimmten Regulationsprozessen zwischen insbesondere kortikaler Ebene, den Strukturen des limbischen Systems, der Stressachse und der Ebene der Hormone und Botenstoffe wider. Er zeigt durch sein enges und in der Regel verlässliches Zusammenspiel, dass die Fähigkeit, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und aus diesen Erfahrungen im Sinne des Überlebens lernen zu können, eine zentrale und letztlich grundlegende Fähigkeit des Menschen ist. Gleichzeitig ist dieser neurobiologische Prozess auch störanfällig, insbesondere dann, wenn das Gehirn mit den einströmenden und als traumatisch erlebten Reizen in seiner Verarbeitungsfähigkeit überfordert ist. Dann hinterlassen diese Traumata tiefgreifende Spuren oder Narben. Diese können sich selbst auf diesen neurobiologischen Ebenen so tief einbrennen, dass sie sich in Form von Übererregung, Intrusionen, Dissoziation und anderen Fehlfunktionen des Gedächtnisses oder dysfunktionalen Bewältigungsmustern noch lange nach dem Ende der traumatischen Erfahrung immer wieder bemerkbar machen können. Diese Narben bilden letztlich das organische Korrelat einer Traumafolgestörung wie z.B. der PTBS.
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Volker Köllner
Fallbeispiel
Fallbeispiel 3.1
Frau T., eine 23-jährige Jurastudentin, wird von ihrer Diabetologin zur Psychotherapie geschickt. Sie leidet an einem seit vielen Jahren schlecht einstellbaren Typ-1-Diabetes. Erst nach langwierigem Ausschluss somatischer Ursachen werden bei der attraktiven und erfolgreichen jungen Frau psychische Faktoren in Betracht gezogen. In der Therapie wird deutlich, dass Frau T. ihre Zuckerwerte absichtlich ansteigen lässt. Zunächst imponiert das Krankheitsbild als Essstörung: Frau T. unterlässt das Insulinspritzen, wenn sie große Mengen Zucker zu sich genommen hat, um ihr Gewicht niedrig zu halten (sog. Erbrechen über die Niere). Erst nach längerem frustranem Therapieverlauf kann Frau T. über ihre in der Kindheit erlittenen Traumatisierungen sprechen (häusliche Gewalt und Vernachlässigung). Es wird klar, dass sie schon als Kind hohe Zuckerwerte zur Sedierung eingesetzt hat, wenn die Spannung zuhause unerträglich war, und dass sie das Spritzen teilweise mit bewusst selbstschädigender Absicht unterlässt. In einem mehrjährigen Therapieverlauf gelingt es Frau T., ihre Traumatisierung zu verarbeiten. Ein Wendepunkt ist dabei ein mehrmonatiger stationärer Aufenthalt. Währenddessen kann sie sich nach anfänglicher Abwehr auch der Gruppe öffnen. Sie erlebt die Solidarität und das Mitgefühl der Mitpatientinnen, die sie zuvor als unnahbar erlebt hatten, als sehr positiv. Ressourcen in diesem langen Prozess sind für sie die stabile Beziehung zu ihrer älteren Schwester, die ihre Sicht der Dinge validiert, und ihre klare Werteorientierung. Erst gegen Ende der Therapie gelingt es ihr, hinreichend Selbstakzeptanz und -fürsorge aufzubringen, um ihren Diabetes gut einzustellen und ihren Nikotinabusus zu beenden – zum Glück noch rechtzeitig, bevor irreparable Folgeschäden eingetreten waren.
Die psychischen Krankheitsbilder, die aus einer Traumatisierung entstehen können, werden in den ▶ Kapiteln 6, ▶ 8 und ▶ 9 dieses Buches ausführlich dargestellt. Grundsätzlich sind dabei folgende Punkte relevant:
Nicht jede Traumatisierung führt zu einer psychischen Erkrankung. Das Risiko, nach einem Trauma eine PTBS zu entwickeln, liegt nach einem akzidentellen Trauma (z.B. Unfall oder Naturkatastrophe) im einstelligen Prozentbereich. Es steigt bei von Menschen zugefügter Traumatisierung (z.B. Vergewaltigung oder sexueller Misshandlung) jedoch auf 30–50%.
Behandlungsindikation ist also nie das Trauma an sich, sondern immer nur eine ggf. daraus resultierende Symptomatik.
Im Langzeitverlauf gehen intrusive Symptome teilweise zurück und es persistieren Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug, Depressivität, Suchtprobleme und Persönlichkeitsveränderungen.
Das Risiko einer chronischen Symptomatik ist ohne spezifische Therapie deutlich erhöht.
Sowohl für eine frühe Traumatisierung in der Lebensgeschichte als auch für das Vollbild einer PTBS aufgrund später eingetretener Traumatisierung konnte ein Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten körperlicher Erkrankungen bis hin zu erhöhter Mortalität in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. So besteht bei Vietnamveteranen mit PTBS eine deutlich erhöhte Prävalenz und Mortalität bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Patienten nach Herztransplantation oder Implantation eines AICD (eines Automatic Implantable Cardioverter-Defibrillator) ist eine PTBS mit einer deutlich erhöhten Mortalität verbunden. Als ursächlich werden sowohl eine dauernde Aktivierung des Stresssystems als auch ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten angesehen; s. dazu auch ▶ Kapitel 20.
Umfangreiche Forschungsergebnisse gibt es zu den Folgen von sexueller und körperlicher Misshandlung oder gravierender Vernachlässigung in Kindheit und Jugend (Übersicht bei ▶ [38]). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die ACE-Studie (Adverse Childhood Experiences Study) von Felitti und Mitarbeitern ▶ [39]. Bei dieser Studie wurden die Daten von ca. 17 000 Versicherten retrospektiv hinsichtlich des Einflusses von Kindheitsbelastungsfaktoren wie sexueller und körperlicher Misshandlung, häuslicher Gewalt sowie Verlust oder Inhaftierung eines Elternteils auf den Gesundheitszustand im Erwachsenenalter untersucht. Das kumulative Einwirken von 4 oder mehr dieser Faktoren war mit einem jeweils mehr als verdoppelten Risiko für folgende Erkrankungen im Erwachsenenalter verbunden:
Typ-2-Diabetes
koronare Herzerkrankung und Schlaganfall
COPD (Chronic-obstructive pulmonary Disease)
Rachen- und Lungenkrebs
Hepatitis B
Als vermittelnde Faktoren wirken sowohl eine erhöhte Aktivierung des Stresssystems als auch eine schlechtere Fähigkeit zur Selbstfürsorge bis hin zur Autoaggression. Dies äußert sich in einem schlechteren Gesundheitsverhalten. In einem 2., prospektiven Teil der Studie fand sich für die belastete Gruppe ein 2,4-fach erhöhtes Risiko, vor dem 65. Lebensjahr zu versterben.
Traumatisierung und PTBS können auch wesentliche Faktoren bei der Chronifizierung von Schmerzen sein ▶ [37]. So fand sich bei 45,3% einer Patientenstichprobe mit Fibromyalgiesyndrom, aber nur bei 3% der Kontrollgruppe eine komorbide PTBS. Als pathophysiologische Bindeglieder werden sowohl die erhöhte Anspannung im Rahmen von Intrusionen sowie von allgemeinem Hyperarousal als auch verpasste Behandlungsoptionen Folgen des Vermeidungsverhaltens sein. Außerdem kann der Schmerz auch ein Symptom innerhalb des intrusiven Wiedererlebens der traumatischen Situation sein. In diesem Fall kommt es nicht selten zu einem Analgetikaabusus als gescheitertem Selbstbehandlungsversuch. Ein empirisch inzwischen gut belegter Mechanismus zur Erklärung des deutlich erhöhten Risikos, nach Traumatisierung in Kindheit und Jugend im Erwachsenenalter ein chronisches Schmerzsyndrom zu entwickeln, ist die stressinduzierte Hyperalgesie ▶ [38].
Merke
Patienten mit selbstschädigendem Gesundheitsverhalten (z.B. fortgesetztem Rauchen bei schwerer COPD) lösen bei den Behandlern oft Hilflosigkeit oder auch Aggression aus. Nicht selten finden sich bei diesen Patienten schwere Traumatisierungen in der Vorgeschichte als Erklärung für das selbstschädigende Verhalten. Ein besseres biografisches Verständnis kann in diesen Fällen helfen, das blockierende Gefühl des Arztes zu überwinden und neue Handlungsmöglichkeiten zu generieren. Vergleiche dazu ▶ Fallbeispiel 3.1.
Folgende Faktoren erhöhen das Risiko, nach einem traumatischen Ereignis eine PTBS zu entwickeln:
vorherige Traumatisierung in der Kindheit
geringe Intelligenz und/oder Bildung
weibliches Geschlecht
jüngeres Alter zum Zeitpunkt der Traumatisierung
Diese Faktoren haben jedoch eine deutlich geringere Vorhersagekraft für den Langzeitverlauf als traumabezogene Faktoren (z.B. Typ-I- versus Typ-II-Traumatisierung; s. ▶ Tab. 1.1) und die Störung aufrechterhaltende Faktoren nach dem Trauma. Vor dem Trauma vorhandene Persönlichkeitseigenschaften spielen nach heutigem Wissensstand eine eher geringe Rolle.
Zu den die Symptomatik aufrechterhaltenden Faktoren zählen nach Michael und Mitarbeitern folgende ▶ [42]:
vermeidender Bewältigungsstil (z.B. nicht darüber reden Wollen, Gedankenunterdrückung oder Gefühlsvermeidung)
ungünstige kognitive Verarbeitung (z.B. generalisiertes Misstrauen oder Schuldgefühle)
belastendes Grübeln (z.B. lange Beschäftigung mit Was-wäre-wenn-Fragen)
Diese aufrechterhaltenden kognitiven Faktoren sind ein wichtiger Ansatzpunkt in der Traumatherapie.
Mit einem ungünstigen Verlauf ist auch eine wiederholte Traumatisierung verknüpft. Zum einen reicht nach einer vorangegangenen Traumatisierung eine geringere „Traumadosis“ aus, um eine PTBS auszulösen, zum anderen wird die Behandlung schwieriger.
Fallbeispiel
Fallbeispiel 3.2