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Beschreibung

Coaching-Experten schildern die Grundlagen von Professional Coaching:- Was zählt für ein lösungsorientiertes Coaching?- Welche Rolle spielt Psychologie in der Praxis? - Was meint systemisches Coaching oder Coaching mit Humor?- Wie wird eine Coachinghaltung entwickelt?Die Autoren beleuchten auch die Bedeutung und Funktionen von Coaching als Beratungsansatz und Führungskonzept in Organisationen. Darunter die Methoden "Konfliktcoaching" und "Coaching und authentische Führung".

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Inhalt

Inhalt

Impressum

Vorwort und Dank

Verzeichnis der Abbildungen

Einleitung

1. Ein pragmatischer Ausgangspunkt

2. Wie kann man Coaching lernen?

3. Die Gliederung des Buches

Teil 1: Konzeptionelle und methodische Grundlagen

Kapitel 1: Coaching als Beratung

1. Coaching als Prozessberatung

2. Die Phasen des Coachingprozesses steuern

Kapitel 2: Lösungsorientiertes Coaching

1. Lösungsorientierung – ein mentales Modell und seine Folgen

2. Die Phasen des lösungsorientierten Vorgehens

3. Lösungsorientierte Werkzeuge

4. Entwicklungsskizze für lösungsorientiertes Coaching

Kapitel 3: Coachingpsychologie im Praxiskontext

1. Was meint Coachingpsychologie?

2. Die Dynamik der Seele

3. Das Konzept der Übertragung in der Beratungsbeziehung

4. Veränderung und Entwicklung als Ansatzpunkte für Coaching

5. Lehrstücke psychologischer Handlungstheorie

6. Eine persönliche Landkarte für Coachingpsychologie entwickeln

Kapitel 4: Systemisches Coaching

1. Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

2. Beobachtung braucht die Einheit der Unterscheidung

3. Neutralität ist eine Frage der Wirkung, nicht der Absicht

4. Zeit ist nicht chronologisch

5. Interventionen sind das Gegenteil von Erlösung

Kapitel 5: Coaching mit Humor

1. Humor und Lachen als Coaching-Kompetenz

2. Humorvolle Methoden und Interventionen

Kapitel 6: Ein Kompass für Coaching-Interventionen

1. Einleitung

2. Legitimation der Einflussnahme

3. Absichtsvolles Eingreifen als dualer Prozess

4. Diagnosekompass für Interventionen

5. Grenzen der Intervention

6. Fazit

Kapitel 7: Eine Coaching-Haltung entwickeln

1. Warum Haltung im Coaching?

2. Wie kann eine Coaching-Haltung entwickelt und ausgebildet werden?

3. Welche Werte und welches Menschenbild machen eine Coaching-Haltung aus?

Kapitel 8: Coaching und Vertrauen

1. Einleitung

2. Personales Vertrauen

3. Entscheidungen zwischen Struktur und Prozess: Das handlungstheoretische Mikro-Makro-Modell nach Coleman

4. Fremdheit und Kontrolle

5. Vertrautheit und Soziales Kapital

6. Bekanntheit und jemandem etwas zutrauen

7. Vertrautheit und sich anvertrauen

8. Das Vertrauensmodell und seine Konsequenzen

Teil 2: Coaching in Organisationen

Kapitel 9: Coaching und Organisationsberatung

1. Coaching als Organisationsberatung

2. Organigramme, Prozesse und Kulturen lesen

3. Rollencoaching

4. Leistungsprozesse – Performance Coaching

5. Coaching for Change

Kapitel 10: Verhaltenscoaching

1. Was meint Verhaltenscoaching?

2. Was sind wichtige Schritte im Verhaltenscoaching?

Kapitel 11: Coaching und Gruppendynamik

1. Grundlagen und Definitionen

2. In Prozessen denken – statt den Augenblick zu fixieren

3. In Prozessen denken – Führung und Selbstorganisation

4. Strukturen respektieren – Gefühle sind nicht nur individuell

5. Strukturen respektieren – Zugehörigkeit, Macht, Nähe

6. Schluss – Forschende Haltung und Perspektivenwechsel

Kapitel 12: Konflikt-Coaching

1. Was bedeutet Coaching von Konflikten?

2. Ihr Verhalten in Konflikten

3. Coaching in Konflikten

Kapitel 13: Coaching von Teams

1. Coaching als Teamentwicklung

2. Funktionale Teamentwicklung

3. Coaching von Leistungsteams

Kapitel 14: Systemisches Projekt-Coaching

1. Projektprozesse gestalten und coachen

2. Perspektive Projekt-Coach

3. Coaching der sechs wesentlichen Projektschritte

Teil 3: Coaching Advanced

Kapitel 15: Angewandte Geschichten im Coaching

1. Was ist die Geschichte im Coaching?

2. Story Coaching

3. Narrative Interventionen

4. Storytelling

Kapitel 16: Coaching bei seelischen Störungen

1. Seelische Störungen

2. Klienten mit seelischen Störungen coachen

3. Endstation Stress: Burnout

4. Resilienz-Coaching

5. Zusammenfassung

Kapitel 17: Coaching als Managemententwicklung

1. Coaching in der modernen Personalentwicklung

2. Führungskräfte-Coaching in einem Großunternehmen

3. Coaching als kollegiale Beratung

Kapitel 18: Coaching und authentische Führung

1. Authentische Führung

2. Schwerpunkte im Coaching

Kapitel 19: Coachingkultur

1. Organisationskultur

2. Coaching Culture

3. Relevanz und Fazit

Kapitel 20: Remote Coaching

1. Was spricht gegen Telefon-Coaching?

2. Vorteile von Telefon-Coaching

3. Wann ist Telefon-Coaching nicht geeignet?

4. Welche Voraussetzungen braucht ein Telefon-Coach?

5. Welche Paket- und Strukturformen gibt es?

6. Welchen Einfluss haben Web 2.0 und Social Media?

7. Trends für die Zukunft von Remote Coaching

Kapitel 21: Coachingforschung

1. Zur Geschichte des Coachings

2. Funktionen der Coachingforschung

3. Verbreitung von Coachingforschung, Zugang zu Forschungsergebnissen, Forschungsmethodik

4. Stand der Coachingforschung: Dimensionen und Ergebnisse

5. Neue Coaching-Themen

Literaturhinweise

Beitragende

Systemisches Management

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 

e-Book ISBN 978-3-7992-6679-6

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

© 2013 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft • Steuern • Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Einbandgestaltung: Dietrich Ebert, Reutlingen

Lektorat: Sabine Burkhardt, MAVIS, München

Satz: Marianne Wagner

 

März 2013

 

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Tochterunternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt

Vorwort und Dank

Dieses Buch ist für Menschen, die im beruflichen Kontext als Coachs tätig sind oder im Rahmen ihrer Rolle als Führungskraft, Beraterin, Lehrer, Sozialarbeiter, Projektleiterin, Personalentwickler, Personalverantwortliche, Gesundheitsdienstleister auch Coaching ausüben. Ja selbst Coachs im Sport können von vielen der dargestellten Coaching-Themen profitieren, sind doch die Grundfragen für Coachs in unterschiedlichen Praxisfeldern dieselben.

Mit diesem Buch zu für uns zentralen Konzepten, Instrumenten und An wendungsfeldern stellen wir Wissen und Erfahrung des Coachingstudiengangs an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) einem breiteren Leserkreis zur Verfügung. Anwender und auch Abnehmer von Coaching-Leistungen erhalten Klärung und Erklärung zu Vorgehensweisen, Modellen, Ergebnissen und Anlässen wirkungsvollen Coachings. Es ist als Hand- und Lernbuch konzipiert: Handbuch hinsichtlich der Vertiefung von aus unserer Sicht zentralen Coaching-Themen, Lernbuch für Leserinnen und Leser, die dem Lauf des Curriculums unseres Coaching Studiengangs folgen wollen.

An der FHNW bieten wir seit 15 Jahren Coaching-Weiterbildungen an. Damit gehören wir zu den erfahrensten und auch größten Ausbildungsinstituten im deutschsprachigen Raum. Vermittlung von Praxis, Theorie und aktueller Forschung verstehen wir als unsere Aufgabe und Herausforderung. Wir bilden Menschen aus, die Coaching in unterschiedlichen beruflichen Arbeitsfeldern ausüben. Sie sind mit dieser Weiterbildung in der Lage, ihre Klientinnen und Klienten in deren beruflichem Leistungsprozess und deren Entwicklung wirkungsvoll zu unterstützen, »Professional Coaching« professionell auszuüben.

Der Herausgeber dankt den beitragenden Autorinnen und Autoren für die vielfältigen Diskussionen und die durchs gemeinsame Schreiben gewonnenen Erkenntnisse; unseren Studierenden für ihre Neugier und ihre Fragen und den Kolleginnen und Kollegen an der FHNW für ihre interessierten Impulse. Namentlich erwähnen möchte ich unsere Institutsleiterin Agnès Fritze; sie hat das Projekt von Anfang an unterstützt und begleitet.

Olten im Januar 2013

Michael Loebbert

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1: Ein Wirkungsmodell für Professional Coaching

Abb. 2: Modell der Anwendung praktischen Wissens

Abb. 3: Phasen im Coaching als Prozessberatung

Abb. 4: Kontaktprozess der Gestaltpsychologie

Abb. 5: Rollen im Coaching

Abb. 6: Die fünf Phasen des lösungsorientierten Vorgehens

Abb. 7: Schematische Darstellung der Wunderfrage

Abb. 8: Multiskalen

Abb. 9: Roadmap Human-Change-Processing

Abb. 10: Unbewusste Kräfte

Abb. 11: Baummenschen

Abb. 12: Bewusste und unbewusste Übertragung

Abb. 13: Coaching im Verhältnis zu Beratung und Therapie

Abb. 14: Handlungsdimensionen und Persönlichkeitstypen nach C. G. Jung

Abb. 15: Psychologische Phasen der Veränderung

Abb. 16: Entwicklung als Sprirale

Abb. 17: Rubikonmodell der Handlungsphasen

Abb. 18: Kompass für Coaching-Interventionen

Abb. 19: Eisbergmodell

Abb. 20: Innere Haltung als Schmetterling mit einem kognitiven und einem emotionalen Flügel

Abb. 21: Das Mikro-Makro-Modell der drei Handlungslogiken

Abb. 22: Das Mikro-Makro-Modell der drei Handlungsdimensionen unter der Bedingung von Zuständen des Vertrauens

Abb. 23: Von der Gesamtaufgabe zur formalen Organisationsstruktur (Quelle: Vahs 2009)

Abb. 24: Organisationsprozesse nach Michael Porter

Abb. 25: Eisbergmodell der Organisationskultur

Abb. 26: Tabelle der Erwartungen (Quelle: vgl. Dahrendorf 1965, S. 41)

Abb. 27: Anspruchsgruppen und ihre Erwartungen

Abb. 28: Grafische Darstellung eines Leistungsprozesses

Abb. 29: Konfliktquadrat

Abb. 30: Konfliktverhalten

Abb. 31: Stufen der Konflikteeskalation nach Glasl

Abb. 32: Dimensionen der Teamentwicklung

Abb. 33: Leistungsrollen in einem Team

Abb. 34: Tetralemmaaufstellung

Abb. 35: Vier Ebenen des Projekt managements

Abb. 36: Kontextualisierung der Auftragsklärung

Abb. 37: Kontextualisierung des Projektstarts

Abb. 38: Kontextualisierung des Statusmeetings

Abb. 39: Kontextualisierung der Projektphasenbilanzierung

Abb. 40: Kontextualisierung der Projekt-Teamentwicklung

Abb. 41: Kontextualisierung der Erfahrungssicherung

Abb. 42: Spannungsbogen einer Geschichte

Abb. 43: Symptome von Burnout (Maslach/Leiter 1997)

Abb. 44: 7-Phasen-Modell vom Stress zur klinischen Depression in Anlehnung an Burisch

Abb. 45: Anerkanntes Krankheitsmodell, welche Krankheiten ein unbehandeltes Burnout nach sich ziehen kann

Abb. 46: In Anlehnung an das »The Job-Demands-Resources Model« nach Bakker

Abb. 47: Interventionsschwerpunkte in der Re-Integration und dem Aufbau von Resilienz im Burnout-Genesungsprozess

Abb. 48: Resilienzfaktoren

Abb. 49: Metabalance-Modell nach Schmidt

Abb. 50: Das Modell der Taylor-Wanne

Abb. 51: Coaching-Landkarte

Abb. 52: Organisationale Rollen und Verantwortlichkeiten für Coaching

Abb. 53: Unterscheidung von trivialen versus nicht-trivialen Maschinen

Abb. 54: Vorlage ROI-Tabelle

Abb. 55: Beispiel für ROI-Tabelle

Abb. 56: Einschätzung des ROI für Coaching

Abb. 57: Systemische Schleife in der kollegialen Beratung

Abb. 58: Dimensionen des Authentic Leadership Questionnaires (ALQ)

Abb. 59: Zusammenfassung der Auswirkungen von authentischer Führung

Abb. 60: Modell der Kulturebenen nach Schein

Abb. 61: Das Organizational Web der Kultur

Abb. 62: Coachingkultur-Modell

Abb. 63: Types of Publications in Scholarly Literature (Quelle: Grant 2011) 390 Abb. 64: Übersicht der Coaching-Fachzeitschriften im englischund deutschsprachigen Raum (eigene Zusammenstellung)

Abb. 65: Strukturmodell der Wirkungen beim ergebnisorientierten Einzelcoaching (Quelle: Greif 2008, S. 277)

Einleitung

Michael Loebbert

Seht, mein Knecht hat Erfolg.

Jes. 52, 13

Einleitend finden Sie im ersten Abschnitt die Darstellung eines pragmatischen Ausgangspunktes für Coaching. Damit folgen Sie der Frage, welche Innovation Coaching für Beratung zu bieten hat, und warum wir Coaching für mehr halten als bloß eine schnell vergehende Mode. Der zweite Abschnitt fragt nach der Möglichkeit Coaching zu lernen und der Grenze in der autonomen Steuerung und Professionalisierung durch den Coach selbst. Damit können Sie Ihren eigenen Lernprozess als Coach reflektieren. Der dritte Abschnitt gibt schließlich einen kurzen Überblick zur Gliederung des Buches.

1. Ein pragmatischer Ausgangspunkt

An der FHNW definieren wir Coaching als ein auf den professionellen, beruflichen Leistungsprozess von Personen bezogenes Format der Beratung. Genauer sprechen wir von »Professional Coaching« und unterscheiden uns damit vom Einsatz von Coaching in anderen Handlungsfeldern wie »Sport-Coaching« oder das neuerdings immer häufiger angebotene »Life Coaching« als eine Form allgemeiner Lebensbegleitung. Ziel ist die signifikante Verbesserung der Steuerung von Entscheidungen und Erfolgen beruflichen Handelns und beruflicher Leistungsprozesse1 von Einzelpersonen, Teams und Gruppen. Themen sind persönliche Verhaltensänderungen, Umgang mit Krisen und Konflikten, wirkungsvolle Kommu nikation und Rollengestaltung, persönliche und organisationale Verän de run-gen, strategische Positionierung und Entwicklung, wirtschaftlicher Erfolg sowie Werte und Sinngebung im beruflichen Handeln.

Merkmal des von uns gepflegten »pragmatischen« Coaching­Verständnisses ist die disziplinübergreifende Berücksichtigung von Theorien, Ansätzen und Schulen vor dem Hintergrund der Handlungstheorie der Prozessberatung2, die ganz grundlegend beschreibt, wie wir uns als Coachs wirksam steuern. Nach unserem eigenen Selbstverständnis beschreiben wir mit »pragmatisch« nichts wirklich Neues, sondern nur das Selbstverständnis, wie es den meisten Coaching-Ansätzen seit der Erfindung von Coaching im Sport zugrunde liegt. Der Rückgriff auf das pragmatische Selbstverständnis eignet sich besonders gut für eine übergreifende Sichtweise, verbunden mit der Fokussierung, worum es im Coaching geht: den Erfolg des Klienten.

Was meint »Pragmatismus« im Coaching?

»An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.« Mit diesem Bibelzitat prägte Charles Sanders Peirce3 den Leitsatz des Pragmatismus. Kurz gesagt ist »Pragmatismus« die philosophische Lehre, dass sich die Wahrheit von Sätzen, Vorstellungen und Theorien darin zeigt, welchen Nutzen und welche Wirkung sie für die Gestaltung unseres Handelns haben.

In gewisser Erweiterung des Alltagsverständnisses einer unmittelbaren Handlungsorientierung (z. B. eine pragmatische Entscheidung) beschreibt pragmatisch die Vorstellung einer Beziehung von Wissen und Handeln: Pragma, griechisch für Handlung, ist der Rahmen und Bezugspunkt für die Organisation des Wissens. Der Philosoph Immanuel Kant spricht einmal vom Primat der Praxis vor aller Theorie.

Nun gibt es ganz unterschiedliche Arten und Bereiche des Wissens. Wir haben z. B. Wissen über Methoden, Techniken und Werkzeuge, das einen relativ nahen Bezug zum Handeln hat. Wissenschaftliche Theorien sind abstrakter, etwas weiter weg davon. – Zentrale pragmatische Konzepte sind (1) Perspektivität, was bedeutet, dass Wissen immer Standpunkt und Blickrichtung hat; (2) Kontextualität, was bedeutet, dass es in Beziehung steht und (3) Demokratie, was bedeutet, dass über die Gültigkeit von Wissen in möglichst diskursiver Kommunikation entschieden werden sollte.

Von Kant ausgehend wurde pragmatisches Denken besonders von nordamerikanischen Philosophen und Wissenschaftlern gepflegt. Für Handlungswissenschaften und Praxislehren in der Pädagogik, der Sozialen Arbeit sowie in Beratung und Coaching erweist sich dieser Ansatz als fruchtbar. Pragmatismus ist der selbstverständliche Denkhorizont zentraler Konzepte der Prozessberatung, von Handlungstheorie und Handlungslernen, Gruppendynamik und Organisa tionsentwicklung. Wir lösen damit Fragen, wie Handlungsvorstellungen und ­steuerung auf wissenschaftliche Theorien und Konzepte, z. B. aus der Psychologie und Organisa tionstheorie, bezogen werden können. Und umgekehrt begründen wir unsere Einschätzung über die Bedeutung dieser Konzepte mit ihrer Nützlichkeit für die Praxis.

Pragmatismus in Coaching und Beratung adressiert damit zugleich die Frage, was dabei heraus kommt. Wir halten es für nützlich und interessant, unsere wahrscheinlich unterschiedlichen Wahrnehmungen zu diskutieren, mit dem Ziel eines gemeinsamen Verständnisses von gutem Coaching und guter Beratung. Mit dieser Ordnung des Praxiswissens verknüpfen wir alltägliche Fragen mit der wissenschaftlichen Fundierung unserer Beratungspraxis.

Dabei gehen wir zunächst von der naiven Vorstellung4 aus, mit Coaching, unseren Coaching-Interventionen für unsere Klientinnen und Klienten tatsächlich etwas bewirken zu können, bzw. dass Klienten mit Coaching etwas für sich selbst bewirken. Ohne eine naturwissenschaftliche Ursache-Wirkungs-Beziehung zu behaupten, nehmen wir an: In Folge oder im Zusammenhang mit einer Coaching-Sequenz sollte für unsere Klienten etwas besser werden. Der Nutzen oder Beitrag von Coaching bemisst sich nach dem Nutzen und dem Beitrag, den Klienten daraus ziehen: Veränderung von Verhalten, Verbesserung von Leistungen, Erhöhung des Wertbeitrags und, wenn es ganz gut läuft, ein kleiner Beitrag zur Verbesserung der Welt.

Ohne damit strengere wissenschaftliche Konzepte zu verbinden, denken wir, dass die Wirkung, die Coaching entfaltet, mit unserer aktuellen Selbststeuerung zu tun hat, mit den Fähigkeiten, die wir dazu einsetzen können, mit unserer Haltung, die wir erworben haben, letztlich mit uns als Person, unserer Persönlichkeit (vgl. Abb. 1). Vielleicht haben Sie auch eine etwas andere Vor stellungen davon, wie Coaching wirkt, aber vielleicht stimmt Ihr eigenes Wir kungsmodell mit unserem darin überein, dass Veränderungen der Innenwelt Veränderungen der Außenwelt bewirken können.

Abb. 1: Ein Wirkungsmodell für Professional Coaching

Aus der eingenommenen pragmatischen Perspektive geht es bei Wirkungs vorstellungen um Ergebnisse. Und zwar um Ergebnisse, die einen Unterschied darin machen, dass in der Wahrnehmung der beteiligten Menschen etwas besser geworden ist. Coaching for better Results. Darunter verstehen wir wirtschaftlichen Erfolg genauso wie die Verbesserung von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Gesundheit und Lebensqualität.

Mit diesem pragmatischen Ansatz, der das Handeln von selbstbestimmten Personen in den Blick nimmt, die in ihrer Welt ihre jeweiligen Vorhaben verwirklichen wollen, macht Coaching einen Unterschied zu herkömmlichen Formaten der Beratung mit eher allgemeinen Vorstellung von Ratschlägen und Konzepten. In Bezug auf bisher bekannte Formen der Beratung bedeutet die Einführung von Coaching die Innovation, immer auf den Leistungs- und Handlungsprozess des Klienten zu zielen: Was den Klienten nicht in seinem konkreten Handeln unterstützt und nicht von ihm selbst umgesetzt wird, ist auch kein Coaching.

Professional Coaching ist die zeitgemäße Antwort auf Entwicklungen und Veränderungen im beruflichen Handeln: die zunehmende Individualisierung von Produkten und Leistungen, die erhöhte Geschwindigkeit von Veränderungen, die Globalisierung von Leistungsprozessen, multiperspektivische Arbeits- und Lebenskontexte. Diese Herausforderungen spüren Menschen in internationalen Organisationen, die in flacheren Hierarchien und zunehmender geschäftlicher Mitverantwortung ihre Leistungen erbringen. Genauso stehen Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen, mittelständischen Unternehmen und Verwaltungen unter dem Druck schnell veränderlicher Rahmenbedingungen moderner Gesell schaften. Menschen in beruflichen Situationen, also auch beim Verlust des Arbeits platzes, erleben stark erhöhte Anforderungen an ihre erfolgreiche Orien tierung und die Wahrnehmung von Selbstverantwortung und Autonomie. – Und darum geht es beim Professional Coaching.

2. Wie kann man Coaching lernen?

Wer ein Buch über Coaching gelesen hat, ist wahrscheinlich noch kein Coach. Wahrscheinlich gibt es Menschen, die auch ohne eine strukturierte Ausbildung durchlaufen zu haben, ihre Sache als Coach ganz gut machen. Noch wahrscheinlicher ist es aber, dass es sich mit Coaching ähnlich verhält wie mit anderen Praxisfeldern: gründliche Ausbildung (Wissenschaft), Erfahrung (Handwerk) und ein Quäntchen Inspiration (Kunst) sind Merkmale für qualifizierte Coachs.

Unsere Aufgabe ist es, Coaching lehr- und lernbar zu machen. Dafür kann dieses Buch eine Orientierung geben. Einige didaktische Eckpunkte dürften Sie dafür in der Steuerung Ihrer eigenen Ausbildung und Ihrer Lernprozesse als Coach unterstützen.

2.1 Der Gebrauch der Vernunft

Sokrates und andere sogenannte »Sophisten« (Weisheitslehrer) finden im antiken Griechenland einen Markt und eine Nachfrage, die aufstrebende Bürgerelite bei der Übernahme von Führungsaufgaben zu beraten und vorzubereiten. Es geht um Praxiskompetenz als Voraussetzung für den Erfolg als Politiker oder Berater. Das griechische Wort dafür, Areté, kann man auch mit Tauglichkeit übersetzen: Das scharfe Messer taugt zum Schneiden. Doch wie werden wir tauglich für die Praxis? Ist es überhaupt möglich, Praxiskompetenz in den Handlungsfeldern Führen und Beraten so wirksam zu lehren, wie man ein Messer schärfen kann? Oder sind die Weiterbildungsangebote der Sophisten bloße Scharlatanerie? – Die Auseinandersetzung über die Lehrbarkeit von Praxiskompetenz spaltet die Diskussion: Und so unterschiedlich sind auch die Geschäftsmodelle. Manche Sophisten erzielen für Ihre Ausbildungsleistung Honorare in einer Größenordnung, die den Gegenwert eines kleinen Hauses erreichen. In der Darstellung Platons behauptet Sokrates dagegen seine These von der Unmöglichkeit einer Lehrbarkeit von Tugend (so eine weitere gängige Übersetzung von Areté) als Tauglichkeit für Praxis und Verantwortung. Darum nehme er auch keine Bezahlung an.

Gemeinsam aber sehen Sokrates und auch seine Kollegen wie Protagoras und Isokrates ihre Leistung darin, andere Menschen in den Gebrauch der Vernunft einzuführen: Logik, Dialektik, Rhetorik, Ethik. Das halten sie für die Basis von Praxiskompetenz. Ob das aus ihren Klienten herausgelockt wird – Sokrates vergleicht sich mit einer Hebamme – oder auch mit Wissensvermittlung und Übung unterstützt werden sollte, ist eine methodische Entscheidung.

2.2 Lehren als Modell: Master Teacher

Die antike Situation ist im westlichen kulturellen Kontext der Ausgangspunkt der Frage nach der Lehr- und Lernbarkeit von Praxisfähigkeit und damit auch von Coaching-Fähigkeit. Zwei Selbstverständnisse über die Möglichkeiten des Lehrens werden damit in ein kritisches Verhältnis gesetzt:

(1) Guru-Modell: Die damals wie heute verbreiteten Vorstellungen des Lernens am Vorbild: Hier kommt es darauf an, den Meister in der Behandlung von Materialien möglichst genau zu kopieren, um eine ähnliche Kunstfertigkeit erlangen zu können. Disziplin und nachahmende Übung sind die beiden wichtigsten Zutaten gelingender Ausbildung.

(2) Selbstentwicklung: Das Argument der Gegenposition zum Guru-Modell lautet, Ausbildung ist unmöglich. Nur aus sich selbst heraus, im Erfinden von individuellen Lösungen für eigentlich unvergleichbare, einzigartige Heraus for derungen, gewinnen die Praktiker Tauglichkeit, Kompetenz und Haltung.

Unsere Überzeugung ist: Das Guru­Modell funktioniert nicht ohne die Selbst­entwicklung des Studierenden und auch die Selbstentwicklung profitiert von den Erfahrungen und Vorbildern der Lehrer. Die übende Nachahmung von Praxisvorbildern und Rollenmodellen – Model the Master Teacher – beschleunigt besonders für Anfänger den schnellen Zuwachs an Praxiskompetenz. Die Coaching-Lehrerin, der Coaching-Lehrer als Senior Coach liefern eine Vorlage für erste Gehversuche. Zugleich geben sie Anstöße und Hinweise für Selbsterfahrung und Selbstreflexion.

In einer qualitativ guten Coaching-Weiterbildung verfügen darum die Dozieren den in der Regel über profunde Praxiserfahrung. Sie sind Master Teacher für wirksame Vorgehensweisen im Coaching: Wie sind wir unseren Klienten für ihren Erfolg und ihre autonome Handlungssteuerung nützlich? Zugleich ist der Master Teacher auch Vorbild und Rollenmodell für gelingende Selbstentwicklung.

2.3 A Fool with a Tool

Der Begriff »Tool« wird hier als Metapher gebraucht: Ein Beratungs-Tool ist die formale Vorlage für einen Handlungsablauf, die ähnlich wie ein mechanisches Werkzeug die Bewältigung einer bestimmten Aufgabe für Entwicklung und Veränderung erleichtert und verbessert. Das passt sehr gut zur pragmatischen Lernvorstellung von Coaching-Anfängern: eine Vorgehensweise erlernen, ausprobieren und am nächsten Tag möglichst umsetzen! In der Ausbildung für Coaching und Beratung sind die Toolboxes in den letzten Jahren ein Renner geworden.

Bewährte Werkzeuge und Vorgehensweisen, die von erfahrenen Coachs vorgestellt werden, bilden die ersten Sprossen im Praxisstudium. Methodische Rezepte wie z. B. die Unterscheidung von Prozessschritten in einer Coaching-Sequenz, Kontakt- und Kontraktgestaltung, Vorgehen im Lösungscoaching, Frage techniken, systemische Aufstellungsmethoden, bestimmte NLP-Tools usw. reduzieren Komplexität zum Zweck der Bewältigung und Wiederholbarkeit in der Praxis der Coaching-Schülerinnen und -schüler durch die Beschreibung konkreter Handlungssequenzen: Vormachen, Nachmachen, Selbermachen. Ausgewählte Rezepte unterstützen die erfolgreiche Handlungssteuerung der angehenden Coachs am besten in der unmittelbar lebendigen Unterrichts- und Trainingserfahrung.

Die Vermittlung von Tools eignet sich besonders in der ersten Ausbildungsphase. Allerdings gleichen die Praxisschülerinnen und -schüler in dieser Stufe unweigerlich den sprichwörtlichen Narren, da sie in einer komplexen und chaotischen Welt daran glauben, mit vorgestanzten Vorgehensweisen Ziele zu erreichen. Die Tool-Gläubigkeit der Anfänger korrespondiert mit deren anfänglicher Handlungsunsicherheit. Wie der Kollege Wolfgang Eberling gelegentlich sagte, soll es auch immer helfen, eine Kerze anzuzünden. Und wunderbarerweise klappt das recht häufig ...

2.4 Handlungslernen

Lernende, die im Lern-Coaching zu Übungszwecken die Rolle des Klienten wahrnehmen, erleben mit ihren Coachs Momente der Befreiung und des Gelingens. Im Ausbildungskontext verbinden sich die hypnotischen Kräfte von Master Coachs und Eleven zu in der Praxis wirksamen Veränderungen. Zugleich schafft die Reduktion von Komplexität auf Handlungsschemata Sicherheit und Selbstwirk samkeitserleben. Und das nicht nur für den Coach-Eleven, sondern auch für seine ersten Klienten im wirklichen Leben. Sie fassen Vertrauen in die Möglichkeit der Gestaltung und Beeinflussung von Praxis.

Coaching lernt man durch Coaching. Das Handlungsrezept steuert ein Übergangsritual. Der Coaching-Eleve durchschreitet einen Initiationsritus. Durch das Tun, durch das Sprechen der »heiligen Worte« und durch das Praktizieren des Ritus geschieht Initiation: Du bist einer von uns. – Auch Klienten werden mit der Behauptung ausgeübter Selbststeuerung handlungsfähig. Das Handlungs lernen in der Planung, Ausübung, Auswertung und Reflexion neuer Praktiken ist angestoßen.

Coaching-Kompetenz ist die Praxiskompetenz, andere Personen im Handeln und beim Erreichen ihrer Ziele wirksam zu beraten. Übung wird ergänzt durch reflektierte Praxis. Ein größerer Teil der Seminare unserer Coaching-Weiterbildung folgt einem Trainingsdesign, bei dem Übung und das Feedback von Kollegen und Dozierenden wesentliche Bestandteile sind. Werkzeuge und Vorgehensweisen werden in einen Interventionsrahmen gestellt: Welche Hypothese, welche Interventionsabsicht und welches Wirkungskalkül ist damit verbunden? Was hat dabei funktioniert? Was nicht? Und warum?

Reflektiert werden die Trainingssequenzen im Spiegel einer systemisch informierten Theorie der Prozessberatung als soziale Interaktion und als Kommunikation. Daraus bildet sich Beratungswissen als Prozess- und Handlungswissen. Handeln und was es zum erfolgreichen Handeln braucht – das ist psychologische, soziologische und philosophische Handlungstheorie. Sie bietet eine erste Theoriereferenz für die Gliederung von Beratungswissen im Coaching. Die Vorstel lung von Handlungslernen, Action Learning als systematische Verbesserung und Entwicklung der Coaching­Praxis, leitet eine Didaktik der Gestaltung von gerahmten Handlungsräumen und der Selbsterprobung der Studierenden.

2.5 Raum für Selbsterfahrung

Bei den Coach-Aspiranten bleibt Selbsterfahrung nicht aus: Ich bin mit den Grenzen meines Könnens konfrontiert, wenn es nicht so klappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin mit den Grenzen meiner Person konfrontiert, wenn ich die Erfahrung machen darf, wie die Dynamik von Gruppen und Organisationen mein Verhalten ohne mein Zutun beeinflusst. – Das psychoanalytische Modell der Übertragung beschreibt treffend, wie die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Gelingens von Beratung von den involvierten Personen bestimmt ist. Der Klient überträgt auf den Coach seine (Er-)Lösungswünsche, der Berater überträgt auf seinen Klienten seinen Hilfewunsch (Gegenübertragung), gibt Ratschläge zur Lösung oder wird Tool-Lieferant geleiteter Selbsthypnosen.

Je mehr und je besser der Coach in der Lage ist, diese Dynamik für Selbst gestaltung und Zielerreichung der Klienten nutzbar zu machen, umso besser gelingt Coaching als Zunahme der Wahlfreiheit: »Hier stehe ich … und kann auch anders«. Dies erreicht der Klient in der Auseinandersetzung mit seiner Selbstbestimmung: ein Stück zurück zu treten, sich über die Schulter zu schauen und das eigene Handeln als die Wahrnehmung einer Option unter mehreren wahrzunehmen oder zu beobachten. Das ist die erforderliche Kernkompetenz, wenn Erfolge im Kontext von Lernen und Selbstbestimmung des Klienten nachhaltig Bestand haben sollen.

Im Unterschied zu Weiterbildungen im Bereich Psychotherapie beschränkt sich Selbsterfahrung in der Coaching­Weiterbildung der FHNW als didaktischer Baustein auf die Beziehungsgestaltung mit Klientinnen und Klienten: Was gehört wirklich zum Klienten? Was gehört zu mir und der Situation, in der ich mich befinde? Neben der Reflexion von Gruppen- und Organisationsprozessen im Ausbildungsgang ist dafür Erfahrung unter gruppendynamischen Laborbedingungen dienlich. Es geht um die Erweiterung des persönlichen Handlungsspielraums in der Gestaltung von helfenden Beziehungen. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geschieht sozusagen nebenher.

2.6 Fallarbeit

Im Coaching spricht nichts gegen eine schnelle Lösung, einen schnellen Gewinn (Quick Win). In einer Krisenintervention ist dies sogar oft Voraussetzung, für Klienten genauso wie für die angehenden Coachs. Die Wahrnehmung der eigenen Wirksamkeit im Handeln ist das Nadelöhr für gelingende Beziehungsgestaltung im Coaching – für den Coach wie für den Klienten. Supervision mit einer Lehrperson und kollegiale Intervision sind dafür bewährte Methoden. Fallarbeit steht im Mittelpunkt. Jeder reflektierte Beratungsfall bringt unmittelbaren Zu wachs an zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten: Was ist die Ausgangslage? Welche Ziele sind damit verbunden? Welches sind die Scheu klappen des Coachs und was gehört wirklich zum Klienten? Welche Optionen ergeben sich daraus?

Reflektierte Wege und Irrwege gehören zur Entwicklung von Coach­Persönlichkeiten. Fallarbeit schließt die Reflexion auf die Person mit ein. Supervision und Intervision sind Werkzeuge lebenslanger Weiterbildung für Coachs und zugleich gelebtes Qualitätsmanagement der in Frage stehenden Beratungsprozesse.

2.7 Didaktische Modelle

Didaktische Modelle fassen theoretische Zusammenhänge so zusammen, dass sie in der Praxis als Orientierung dienen können. In der Coaching-Weiterbildung der FHNW fungieren sie als roter Faden für die Reflexion und Steuerung von Praxissituationen. Dabei ist weniger mehr: Sie verbinden Verständlichkeit und Reichweite in der praktischen Anwendung mit wissenschaftlicher Fundierung.

Um das Verständnis für die Anwendung von didaktischen Modellen im Coaching zu schärfen, verwenden wir an der FHNW ein didaktisches Modell der Anwendungsebenen von Theorie und Praxis (vgl. Abb. 2):

Ziel eines Coachings ist die Unterstützung des Handelns und des Leistungsprozesses des Klienten durch

die Verbesserung seiner Selbststeuerung.

Der Klient steht im Mittelpunkt der Orientierung des Handelns des Coachs und bei der Auswahl seiner Interventionen.

Für seine eigene Selbststeuerung und die Steuerung des Beratungsprozesses nutzt der Coach die Wahrnehmungen der Klientensituation und

sein Repertoire an Werkzeugen, Vorgehensweisen und Methoden.

Diese sind verbunden mit und in Modellen und Konzepten der Praxislehre (didaktische Modelle),

die ihrerseits im Kontext wissenschaftlicher Theoriebildungen und Forschungen fundiert sind.

Didaktische Modelle, wie das in der Abbildung 2 dargestellte Modell, nutzen wissenschaftliche Konzepte für die Reflexion von Vorgehensweisen und Tools in der Praxis. An der FHNW nutzen wir psychologische Modelle aus der Persönlichkeitspsychologie, Entwicklungspsychologie, Organisationspsychologie, Lernpsycho logie, des Weiteren Modelle aus der Soziologie wie Rollentheorie, Systemtheorie und schließlich Modelle mit anderen wissenschaftlichen Hintergründen wie hier ein Modell der Anwendung praktischen Wissens.

Abb. 2: Modell der Anwendung praktischen Wissens

Alle von uns gebrauchten didaktischen Modelle verstehen wir im pragmatischen Sinne als nützliche Konstruktionen. Sie sind kritisierbar und auch falsifi-zierbar in den Grenzen argumentierender Vernunft. Damit setzen wir uns von Heilslehren und Sektenbildung deutlich ab. Unsere Dozierenden markieren hierbei den Standpunkt klassischer Bildungstheorie und Erwachsenenbildung verbunden mit einer skeptisch-systemischen Haltung in Bezug auf alle Vorstellungen der Machbarkeit von Bildung.

2.8 Wissenschaftlich informierte Praxis

Irrwege müssen nicht noch einmal begangen werden, das Rad kein zweites Mal erfunden werden. Praktische Wissenschaften wie Psychologie, Soziologie und auch Organisationstheorie bieten bewährte Konzepte und theoretische Grundlagen für die beraterische Handlungsorientierung im Coaching. Modelle, wie z. B. jene zu Merkmalen und Entwicklung von Persönlichkeit, Steuerung von Moti vation und Selbstwirksamkeitserleben, Rollen in sozialen und organisationalen Kontexten, zur Dynamik von Konflikten, zu Entwicklungsphasen von Teams und Organisationen etc. bieten hilfreiche Orientierung im Beratungshandeln.

Nicht zuletzt liefert die Erforschung von Beratung und Coaching selbst zunehmend reichhaltige Anhaltspunkte für die Steuerung der Coaching-Praxis und Gestaltung von Interventionen. Eine zeitgemäße Coaching­Weiterbildung wird sich deshalb heute nicht mehr auf Konzepte einer psychologischen Schule verlassen, sondern die wissenschaftliche Fundierung beraterischen Handelns als Grundlage ihrer Praxislehre darstellen. Nur so ist die Lehre selbst kritisierbar und erlaubt dem Coaching-Studierenden eine eigene kritische Position.

Evidence based – Was bedeutet »Wissenschaftliche Fundierung«?

Die an der FHNW für Coaching eingenommene pragmatische Perspektive wird im englischen Sprachraum mit dem Begriff der »Evidenz« bezeichnet: Pragmatisch evident ist eine Theorie, ein Modell, ein Werkzeug oder eine Methode, wenn sie bzw. es in der Praxis funktioniert. Sie hat sich im Gebrauch für die Erklärung, Voraussagbarkeit und Steuerung von Handeln bewährt.

In der Geschichte der Wissenschaften sind dafür zusätzliche Kriterien formuliert worden.

Die erste Stufe der Evidenz könnte auch mit »Einfachheit« bezeichnet werden. Eine wissenschaftlich fundierte Theorie, ein Modell, ein Werkzeug oder eine Methode sollte so einfach wie möglich sein: wir glauben, eine einfache und gute Erklärung zu haben. Der nach dem Philosophen Wilhelm von Ockham genannte Satz »Ockhams Razor« besagt zusammengefasst: Eine schon ganz gute wissenschaftliche Begründung ist so beschaffen, dass sie wenigstens nicht schon bestehende Begründungen verdoppelt oder unnötig verkompliziert.

Die zweite Stufe der Evidenz wird auch als »Konsistenz« bezeichnet: Wenigstens sollten die gebrauchten theoretischen Sätze sich wechselseitig nicht widersprechen oder gar ausschließen. – An diesem Kriterium scheitern Ansätze und Rezeptologien, welche verallgemeinerbare Aussagen unabhängig von Kontextbedingungen behaupten.

Die dritte Stufe entspricht der »empirischen Haltbarkeit«: Theoretische Aussagen sollten möglichst der Erfahrung nicht widersprechen und in Einklang mit der Erfahrung bzw. mit Erfahrungssätzen stehen. Empirische Untersuchungen unterstützen theoretische Behaup tungen, ohne diese auch schon beweisen zu können.

Auf der vierten Stufe von Evidenz nehmen wir zusätzlich »empirische Validität« in Anspruch. Wir behaupten starke Evidenz einer Theorie, eines Modells, eines Werkzeugs oder einer Methode, wenn viele Forschungsstudien ergeben, dass sich ein theoretisch behaupteter Zusammenhang regelmäßig bestätigen lässt.

In der Coaching-Didaktik bewegen wir uns bei Modellen und Konzepten meistens auf den Stufen eins bis drei. Wissenschaftlich fundiert nennen wir Werkzeuge, Methoden, Modelle und Theorien, die sich sowohl in der Praxis als auch in der Forschung bewährt haben. Für alle Stufen gilt der pragmatische Vor rang von Freiheit und Demokratie vor aller Theoriebildung. Das bedeutet eine klare Position gegen Psycho- und Sozialtechnologie (wie z. B. die sogenannte »Scientology«). Evidenz bewährt sich in ihrem Beitrag zu Freiheit und Demokratie.

An der FHNW ist unsere Leitvorstellung der wissenschaftlich informierte Praktiker. Er ist in der Lage, seine Praxis vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Theoriebildung und Forschung zu reflektieren, und seinen Handlungsrahmen danach auszurichten.5

2.9 Professionalisierung

In polemischer Absicht könnte man manche gängigen Angebote der Coaching-Ausbildung beschreiben als (a) Tool-orientierte Schnellbleichen, (b) Glaubenserziehung durch psychologische Schulen und Handlungsmodelle, oder (c) geführte Wanderung im akademischen Elfenbeinturm. Wahrscheinlich kann ich – maximal wertschätzend – von allen Angeboten für meine Entwicklung zum Coach profitieren.

Ausbildungsstandards und Kompetenzprofile, die von Praktikern in Berufsorganisationen erarbeitet sind, bringen als State of the Art eine gewisse Ordnung in die Beliebigkeit. Qualitativ hochstehende Anbieter sind in der Lage, ihre Ausbildungsgänge wissenschaftlich didaktisch zu reflektieren und zu evaluieren. Damit gestalten sie selbst einen handlungsorientierten Lernprozess – Coaching als Prozessberatung –, im Sinne von »Nicht nur davon sprechen, sondern es auch selbst tun«. Darin liegt die Professionalität einer Ausbildung, die zugleich Maßstab ist für das jeweilige eigene professionelle Profil – weniger im Sinne einer Profession als genau beschriebene gesellschaftliche Rolle als vielmehr im Sinne eines öffentlichen Bekenntnisses (lateinisch Professio) zur Tätigkeit und zur Haltung, als Coach zu handeln und wirksam zu werden.

Professionalität wird nicht (nur) durch Ausbildung entschieden, sondern durch das, was ich daraus mache. Ohne die Selbstgestaltung der Coach-Kandidaten, die Verantwortung und Entscheidung für die eigene Professionalisierung greifen alle Lehrversuche zu kurz. Damit trifft sich die Grenze der Lehrbarkeit mit der Grenze der Coaching-Praxis in der Autonomie der Klientinnen und Klienten. Diese Sokratische Skepsis bleibt in der Coaching-Lehre wie in der Coaching-Praxis inbegriffen.

3. Die Gliederung des Buches

Die Kapitel sind einzeln und im Zusammenhang lesbar, so dass Sie wie in einem Handbuch unter den thematischen Überschriften Vertiefungen zu den wichtigsten Aspekten von Professional Coaching finden. Überschneidungen mit der sonst reichlich vorhandenen Coaching-Literatur folgen unserer Vorstellung eines »State oft the Art«. Der Apparat in den Anmerkungen darf als Anregung verstanden werden, weiter zu fragen und zu forschen.

Die Kapitel wurden unabhängig voneinander geschrieben und sind auch einzeln lesbar. Sie folgen dem roten Faden des Coaching-Studiengangs der FHNW. Die Autorinnen und Autoren haben sich vorgenommen, durchaus auch neue Aspekte zur Coaching-Diskussion beizutragen: Fokussierung der Coaching-Perspektive, Integration und Ergänzung neuer Konzepte, erweiterte Instrumente und Anwendungsfelder für Professional Coaching.

In Teil 1: Konzeptionelle und methodische Grundlagen geht es um die Gestaltung einer Coaching-Beziehung und um die Gestaltung von Coaching-Interventionen im individuellen Coaching mit einem Klienten. Hier werden die Grundlagen der Handlungsfähigkeit als Coach bzw. des Einsatzes von Coaching-Interventionen in anderen Handlungskontexten wie Führung und Fachberatung skizziert. Es geht um die Entwicklung einer Coaching-Haltung und die Gestaltung von Vertrauensbeziehungen.

Teil 2: Coaching in Organisationen erweitert diesen Blickwinkel im Kontext organisationaler Rahmenbedingungen. Wie wir aus systemischer Sicht wissen, sitzt mit dem Klienten auch immer schon dessen organisationaler Kontext mit am Tisch. Dazu kommen hier spezifische Herausforderungen in Organisationen für Verhaltenscoaching, Konflikt-Coaching, Team-Coaching und Projekt-Coaching.

Teil 3: Coaching Advanced stellt weiterführende Fragestellungen und Anwendungsfelder für Professional Coaching vor: Coaching mit Geschichten als erweiterter methodischer Bezugspunkt, Coaching an den Grenzen seelischer Störungen, Führungskräfte-Coaching, Coaching am Telefon, Coachingkultur. Das letzte Kapi tel gibt eine geraffte Einführung zu Stand und Entwicklung der Coachingforschung.

Anmerkung zu den Fußnoten: Ich habe die Autorinnen und Autoren dieses Buches gebeten, Verweise und weiterführende Ausblicke möglichst in den Fußnoten anzuführen, um den Haupttext flüssig lesbar zu halten und gleichzeitig zu weiteren Nach forschungen anzuregen. Interessierte Leser werden auch das Literaturverzeichnis am Ende des Buches nützlich finden.

1 Dazu zählen wir auch die Leistung von Schülern, Berufseinsteigern, Arbeitssuchenden, Menschen in beruflicher Eingliederung. Und wir nehmen in Kauf, dass der Begriff »professionell« am Rand etwas unscharf wird: Sind denn nicht auch Menschen in Ehrenämtern, Menschen ohne direkt bezahlte Arbeit und natürlich auch im Sport in (berufliche) Leistungsprozesse eingebunden?

2 Siehe Kapitel 1.

3 Vgl. Peirce 1877, S. 402, Anm. 2.

4Naive Vorstellungen unterscheiden sich von theoretisch geklärten Konzepten. Während diese in der Regel im Alltagsgebrauch durchaus hilfreich sind, stellen theoretische Konzepte Reflexionsformen für professionelles Handeln dar. Theoretische Konzepte im Coaching, mit denen wir und unsere Klienten nicht auch an unseren Alltagsgebrauch, an unsere alltägliche Handlungssteuerung, koppeln können, sind nicht wirksam.

5 Vgl. Stober/Grant 2006, S. 6.

Teil 1: Konzeptionelle und methodische Grundlagen

Kapitel 1: Coaching als Beratung

Christa Wilmes und Michael Loebbert

Coaching als Beratung geht von der Vorstellung aus, dass Coaching im Gespräch zwischen Coach und Klienten geschieht. In diesem Gespräch ereignet sich für den Klienten etwas für ihn Neues: Neue Handlungsmöglichkeiten und ungewohnte Sichtweisen werden eröffnet, die das Handeln des Klienten in seiner wirklichen Welt zum Erfolg führen.

Coaching verstehen wir als eine auf den beruflichen Leistungsprozess von Personen bezogene Form der Beratung: Professional Coaching im Unterschied zum Sport­Coaching oder zu Coaching als Lebensberatung. Ziel ist die signifikante Verbesserung der Steuerung von Entscheidungen und Erfolgen beruflichen Handelns. Themen sind Verhaltensänderung, Umgang mit Krisen und Konflikten, wirkungsvolle Kommunikation und Rollengestaltung, berufliche und organisationale Veränderung, strategische Positionierung und Entwicklung, wirtschaftlicher Erfolg, Werte und Sinngebung.

Merkmal unseres pragmatischen Coaching­Verständnisses ist die Transdisziplinarität (disziplinübergreifend) von Theorien, Ansätzen und Schulen vor dem Hintergrund einer beraterischen Interventions­ und Handlungstheorie. Grundlage ist die (systemische) Haltung der Ressourcenorientierung, Wertschätzung und Lösungsorientierung, die einen souveränen Umgang mit unterschiedlichen Ansätzen und Handlungsfeldern, vom Management bis zur Unterstützung einer Arbeitsaufnahme, einschließt.

Mit der Definition von Coaching als Form der Beratung beziehen wir uns auf drei theoretische Konzepte (die im Folgenden näher erläutert werden), nämlich

die

Steuerung von Beratung als Prozessberatung

in

der

Beschreibung des sozialen Kontexts durch die Systemtheorie

(systemische Beratung) nach

den (Handlungs-)

Prinzipien eines humanistischen Menschenbilds,

wie es seit der Renaissance

1

zum gemeinsamen Bezugspunkt der Praxislehren für helfende Berufe in der Erziehung, der Sozialen Arbeit, der Medizin und der Beratung geworden ist.

1. Coaching als Prozessberatung

Der Begriff der Prozessberatung ist mehrdeutig. Einmal meint Prozessberatung die bewusste Steuerung des Beratungsprozesses durch die Beratungsperson, dann auch die Ausrichtung der Beratung am (Veränderungs-)Prozess des Klienten. In der Weiterentwicklung des Verständnisses von Beratung als Übertragung von Wis sen und Expertise oder der Entwicklung eines angemessenen Situationsverständ nis ses unterstützt Prozessberatung den Klienten, seine Situation selbst zu ändern. Beratung ist erfolgreich, wenn sie mich als Klienten unterstützt, wenn sie mir »hilft« meine Situation zu verändern und zu verbessern. Diesen pragmatischen Zu sammenhang von Prozessberatung und »Hilfe« hat in den letzten Jahrzehnten der Organisationswissenschaftler und Berater Edgar H. Schein in einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Forschungen herausgearbeitet.2 Im Unterschied zu klassischen Beratungsvorstellungen der Expertenberatung oder der Therapie ist die Voraussetzung für das Gelingen einer Prozessberatung die aktive Mitarbeit des Klienten in allen Prozessphasen. Weder wird dem Klienten eine Expertenmeinung, die in Gefahr steht, an dessen Anliegen vorbeizugehen, als Lösungsweg vorgeschlagen, noch wird in einer Weise »behandelt«, die die Inaktivität oder Betäubung des Patienten voraussetzt.

In der von Schein vorgeschlagenen Sichtweise auf »Hilfe«3 zeigen sich auch gelingende Expertenberatung und Therapie in bestimmter Weise in Pro zessberatung gerahmt: Expertise zur Verfügung zu stellen oder einen therapeutischen Eingriff vorzunehmen, können auch im Rahmen eines Coachings hilfreiche Interventionen sein, wenn sie die Handlungsfähigkeit des Klienten verbessern. Spezifische Fach- und Feldexpertise des Coachs, wie zum Beispiel in der Laufbahn beratung, in Management und Führung, in der Sozialpädagogik, werden also im Coaching nicht ausgeschlossen. Der Coach stellt aber sein Wissen und seine Erfahrung als Angebot zur Verfügung und wird diese Intervention nur dann erwägen, wenn daraus eine unmittelbare Unterstützung für das Vorhaben des Klienten zu erwarten ist.

Im Unterschied4 zu anderen Formen der Prozessberatung, wie z. B. der Orga nisa tionsentwicklung, bei der es um den längerfristigen Veränderungsprozess einer Organisation geht, bezieht sich Coaching auf die Entwicklung und Ver bes serung der Selbststeuerung im konkreten Handeln von Personen. Coaching ist diejenige Formpersonenorientierter Prozessberatung5, die an der Entwicklung und Verbesserung der Selbststeuerung seiner Klientinnen und Klienten ansetzt.6 Dies beschreibt Tim Gallwey in seinem für Coaching wegweisenden Buch »The Inner Game of Tennis«: Die Wirksamkeit der Coaching-Intervention besteht nicht darin, dass der Klient jetzt weiß, wie er den Tennisschläger halten soll, sondern dass er eine klare Vorstellung davon hat, wo und wie der Ball im gegnerischen Feld aufschlagen soll.7

1.1 Der Coachingprozess

Die Phasen im Coaching finden sich in dem Modell der Prozessberatung im inneren Kreis wieder (vgl. Abb. 3):

Abb. 3: Phasen im Coaching als Prozessberatung

Kontakt mündet in den positiven Aufbau einer Coaching-Beziehung. Der Klient fasst Vertrauen in die Fähigkeit des Coachs, zu seiner eigenen Verbesserung und Entwicklung beizutragen.

Kontrakt. Eine Arbeitsbeziehung wird vereinbart. Meistens zeigt sich das, indem der Klient bereit ist, ein Honorar zu bezahlen. Es geht um das Erreichen von Zielen. Im Geschäftskontext ist es oft sinnvoll, einen schriftlichen Vertrag zu schließen oder mindestens ein Angebot zu erstellen, das dann Grundlage für die Zusammenarbeit ist.

Hypothesen zum Anliegen des Klienten können explizit zusammen mit dem Klienten erfolgen oder werden auch von der Beratungsperson im Sinne einer Diagnose allein verantwortet. Für den Klienten bedeutet das eine Erkundung seines Handlungsraums (Exploration). Hypothesen, die der Beratungsperson und auch die des Klienten, sind Begründungen und Ansatzpunkte für Interventionen.

Interventionen sind explizite Handlungen des Coachs, manchmal bloß eine Frage, ein Satz, welche für den Klienten eine neue Perspektive für erfolgreiches Handeln eröffnen. Wir verstehen unter einer Intervention immer eine im Kontext des Beratungsprozesses begründbare Beratungshandlung. Insofern ist jeder aktive Beratungsschritt vom Kontakt bis zur Evaluation immer auch Intervention. Entscheidend ist, dass die Intervention zu Innovation für den Klienten führt. Coaching macht einen Unterschied, welchen der Klient als hilfreich wahrnimmt, und der, noch besser, gar den Handlungserfolg in seiner Welt verbessert.

Evaluation. Die Wirkung der Beratung liegt oft außerhalb der Beratungs situation. Für die Steuerung und den Ressourceneinsatz von Beratung entwickeln Coach und Klient ein gemeinsames Verständnis möglicher und wirklicher positiver Resultate für den Klienten.

Für gelingende Beratung setzen die Phasen einander voraus und sind miteinander verbunden:

(1) Kontakt braucht es in jeder Phase. Bricht der Kontakt, bricht die Beratungsbeziehung.

(2) Die formelle Vereinbarung einer Arbeitsbeziehung gibt den Rahmen für das Coaching. Coaching ist immer mit einer Leistungsvereinbarung als Dienstleistung verbunden. Sie regelt Geben und Nehmen.

(3) Vom Coach wird Expertise in der Entwicklung von Hypothesen und Diagnosen erwartet. Diese können mit dem Klienten geteilt und auch gemeinsam erarbeitet werden.

(4) Daraus folgende Interventionen lassen sich im professionellen Dialog in den Grenzen argumentierender Vernunft in Bezug auf die Hypothesen und erwartbaren Resultate begründen.

(5) Die Verbindlichkeit der Evaluation bildet selbst wieder den Rahmen für die Beratungsbeziehung als Leistungsvereinbarung über Handlungsziele, Hypo-the sen und Interventionen.

Neben der Steuerung des Beratungsprozesses läuft der Parallelprozess des Klienten in

(1) der Etablierung der Beratungsbeziehung,

(2) der Bewusstwerdung von möglichen Zielen,

(3) der Exploration der Ausgangssituation und möglicher Handlungsoptionen,

(4) der Innovation durch neue Sichtweisen und Möglichkeiten und schließlich

(5) der Verwirklichung von Resultaten in der Welt des Klienten.

Das Phasenmodell der Prozessberatung8, das wir für die Steuerung von Coachingprozessen zugrunde legen, haben wir aus didaktischen Gründen in eine Kreisform gebracht. Sie macht deutlich, dass es neben der diachronen systematischen Lesart – jede Phase ist Erfolgsbedingung für die nächste – auch eine synchrone gibt: Alle Phasen sind zugleich in einem Beratungsprozess gegenwärtig.

Wie jedes Modell vereinfacht auch das Modell der Prozessberatung die komplexere Wirklichkeit: Die expliziten Ziele ändern sich im Fortgang des Prozesses. Kontakt wird systematisch unterbrochen, um wieder neu aufgebaut zu werden. Hypothesen müssen revidiert und neu sortiert werden. Die Evaluation besteht vielleicht in nur einem Satz nach drei Wochen. Coachen wird hier verstanden als ein Leistungsprozess. Ziel ist die unmittelbare Sicherung, Verbesserung oder Neuentwicklung des primären Handlungs- oder Leistungsprozesses des Klienten.

1.2 Einige Annahmen systemischer Beratung9

Systemische Denk- und Handlungsmodelle wurden im Bereich der Beratung – und auch im Bereich Management und Führung – in den letzten Jahren intensiv aufgenommen und diskutiert.10 Ihre Wurzeln haben diese Modelle in verschiedenen Wissenschaftsgebieten, welche die allgemeine Systemtheorie nutzen, insbesondere Physik, Biologie, Soziologie und Psychologie. Unter »systemischer Beratung« verstehen wir in diesem Sinne systemtheoretisch informierte Beratung. Wir stellen hier einige zentrale Annahmen vor, die für unser Denken und Handeln in Coaching und Beratung relevant sind.

Soziale Systeme als Mobiles

Organisatorische Einheiten (Bereiche, Abteilungen, Teams etc.) werden als Systeme betrachtet, die sich durch Wechselwirkungen gegenseitig in ihrer Eigenart begründen, stabilisieren und verändern. Individuelle Verhaltensweisen (z. B. Mana gement- und Führungsverhalten) werden als Teil einer komplexen Interaktion (Mobile) sozialer Systeme konzipiert. Die Art der Vernetzung und die Regeln des Zusammenspiels entscheiden darüber, wie eine Einwirkung von außen oder eine Veränderung von innen auf das System wirken. Darin unterscheidet sich diese Sichtweise von der verbreiteten Zuschreibung von Eigen schaften auf Personen wie z. B. persönliche Leistungs- und Verhaltensprobleme. Aus einer systemischen Perspektive denken wir darüber nach, wie ein Interaktionssystem insgesamt gestaltet werden kann, damit sich ein darin eingebettetes Verhalten verändern kann. Insbesondere im Coaching von Einzelpersonen achten wir darauf, dass verändertes Verhalten von Personen immer auch mit der Veränderung der Interaktionen in ihrem System einhergehen muss, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

Die Perspektive der Wirklichkeitskonstruktion

Menschen und Organisationen werden als wirklichkeitserzeugende Systeme verstanden. Die durch sie erzeugten Wirklichkeiten sind weniger Wahrheiten oder Sachzwänge, als vielmehr zu Gewohnheiten gewordene Überzeugungen und deren materielle Ausdrucksformen. Sie scheinen geeignet, Geschehnisse neu zu interpretieren und Reaktionen darauf erfolgreich zu organisieren – aus systemtheoretischer Sicht: soziales Überleben zu ermöglichen. Gesellschaftliche Wirklichkeiten sind gemeinschaftliche Erfindungen, die durch ihre Verbreitung und ihre »Verobjektivierungen«, z. B. in Straßennetzen, gesetzlichen Regelungen, Gehaltssystemen etc., stabilisiert werden und weitere Plausibilitäten erzeugen. Wirklichkeit als Konstruktion zu verstehen bedeutet auch, feststellen zu können, dass eine bestimmte Konstruktion nicht mehr funktioniert bzw. – pragmatisch formuliert – dass Handeln nicht mehr zum Erfolg führt.

Ressourcen- und Lösungsorientierung

In der systemischen Praxis ist der wirklichkeitskonstruktive Ansatz mit der Orientierung an Ressourcen und Lösungen des Systems verbunden. Soziale Systeme »konstruieren« Lösungen in der Nutzung ihrer Potenziale. Beratung nimmt daher in erster Linie Ressourcen und Potenziale in den Blick. Vorstellungen über Defizite und Problembeseitigung sind (nur) die Hilfskonstruktionen unseres Alltagsbewusstseins, die uns auf Fehlanpassungen und Dysfunktionalitäten aufmerksam machen. Für die systemische Beratung bedeutet das die Herausforderung, einerseits an das Alltagsbewusstsein von Klienten anzukoppeln, andererseits aber auch, mit der systemischen Sichtweise genügend große Unterschiede zur Verfügung zu stellen, die neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Aus dieser Sicht werden sogar Defizite und Fehler zu Ressourcen, die neues Lernen und Handeln ermöglichen.

Muster und Musterveränderung

Soziale Systeme werden als Systeme von Interaktionen verstanden. Im Lauf der Interaktionen stabilisieren sich bestimmte Merkmale als regelmäßige Merk malsmuster, die das Funktionieren und Überleben mit geringem Aufwand sichern. Die Steuerung über vorhandene Muster ist ökonomischer und weniger aufwendig als jede Interaktion und Handlung neu zu entwerfen.

Aus systemischer Sicht besteht das Ziel von Beratung darin, systemfunktionale Musteränderungen zu ermöglichen. Gute Beratung ermöglicht dem Klienten, seine Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster so zu verändern, zu erweitern, neue Muster zu entwickeln, dass er im Handeln seine Ziele erreicht und erfolgreich ist. Solche Musteränderungen können sogar hirnphysiologisch erforscht und mit bildgebenden Verfahren dargestellt werden. Welche Musteränderungen des Coachs jedoch dafür notwendig sind, ist leider noch wenig erforscht. Wir gehen davon aus, dass auch der Coach sich ein ganz klein wenig ändern muss, um eine wirksame Änderung für den Klienten zu ermöglichen.

Selbstorganisation

Wirklichkeitskonstruktionen und Interaktionsmuster werden als Produkte der Selbstorganisation sozialer Systeme betrachtet. Deshalb auch der Begriff »Autopoiese« (griechisch: »sich selbst hervorbringen«). Veränderungen sind nur als durch ein System selbst hervorgebrachte Veränderungen möglich. Externe Ein wir kungen sind höchstens Impulse für neue Formen der Selbstorganisation. Selbst organisation kann daher nicht durch Außeneinwirkung definiert werden und ist weder vorhersagbar noch steuerbar. Lebende Systeme zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie ihre genuine Art der Organisation ihrer Interaktionen selbst hervorbringen, wobei sie externe Impulse durchaus nutzen können (aber nicht müssen).

Bernd Schmid illustriert mit folgender Geschichte, dass man lebende Systeme nicht instruktiv steuern kann: »Wenn man einen Stein, dessen Gewicht, Form und Größe bekannt ist, in einem bestimmten Winkel mit einer bestimmten Kraft tritt, dann kann man ziemlich genau vorhersagen, in welcher ballistischen Flugbahn der Stein fliegen und wo er landen wird. Wenn man jedoch einen Hund tritt, ist das anders.«11

Was die Steuerung sozialer Systeme und die Vorhersage der Wirkungen von Beratung betrifft, werden wir bescheiden. Alle unsere Beratungsinterventionen sind bloß Angebote, die unsere Klientinnen und Klienten nutzen können. Doch je besser wir diese Angebote an die jeweiligen Möglichkeiten unserer Klienten, diese in ihre Konstruktionen einzubauen, anpassen (systemtheoretisch: koppeln), desto wirksamer können Klienten diese auch in ihrer eigenen Selbstorganisation nutzen.

Perspektivität

Wirklichkeit ist immer die Wirklichkeit vom Standpunkt eines Beobachters aus. Wirklichkeit ist daher immer perspektivisch. Selbst wenn es uns gelingt, unterschiedlichste Standpunkte einzunehmen, können wir nicht aus unserer Haut. (Klienten-)Systeme als wirklichkeitserzeugende und sich selbst organisierende Einheiten zu begreifen, führt konsequenterweise zu der Auffassung, auch uns als Coachs und Berater als Konstrukteure unserer eigenen Wirklichkeiten zu betrachten. Gewohnheiten, wie z. B. bestimmte Vorlieben, die Fragestellungen unserer Klienten aus einer bestimmten Perspektive zu betrachten, sind primär Ausdruck unserer eigenen Selbstorganisation. Diese gründet in eigenen Lernerfahrungen und Interessen. Beispielsweise sieht ein Experte für ablauforganisatorische Fragestellungen in der Organisationsberatung zuerst die Optimie rungsmöglichkeiten der Ablauforganisation. Im gleichen Kontext bringt ein psychologisch orientierter Managementberater Probleme eher mit persönlichen Eigenheiten und seelischen Dynamiken der jeweiligen Funktionsträger in Zusammenhang. Diese unterschiedlichen Perspektiven und die daraus resultierenden Fokussierungen sind im beraterischen Handeln nicht als solche einseitig oder falsch. Sie können es allerdings werden, wenn sie durch das Beratungssystem unreflektiert eingenommen, plausibel gemacht und verwirklicht werden.

Evolution und Kultur

Die Selbstorganisation lebender Systeme scheint durch ein implizites Ziel getrieben zu sein: Weiterleben, Fortbestand als Individuum und/oder Gattung. Jedenfalls liefert diese Hypothese der Evolutionstheorie weitreichende Erklärungen und Evidenz für die Funktionalität und Passung von Systemen an ihre jeweilige Umwelt. Dies gilt auch für Coachs. Ihre Tätigkeit zielt natürlicherweise auf die Entwicklung der eigenen gesellschaftlichen Stellung, und sie versuchen durch Diagnosen und Dienstleistungen interessante Umwelten zu einer Abgabe von dafür geeigneten Gütern (Geld, Reputation etc.) zu bewegen. Systemische Beratung bedeutet so gesehen auch, einen Metastandpunkt gegenüber den eigenen Denk-, Handlungs- und Gefühlsgewohnheiten einnehmen zu können: »Aha, so ticken wir also!«

Dieses »Ticken« ist Ausdruck unserer Vorzugswahlen in Situationen, in denen wir auch anders entscheiden können. Menschen als lebende Systeme, die auch wählen können, bilden spezifische kulturelle Muster als Regeln oder Denk-, Handlungs- und Gefühlsgewohnheiten, mit denen wir im Kontext unserer sozialen Systeme meistens unser Handeln steuern. Das ist ökonomisch und effizient. Es unterstreicht zudem die Sichtweise, dass Veränderungen von sozialen Systemen immer mit kulturellen Veränderungen einhergehen und auch einhergehen müssen.

Systemlösungen

Lösungen für Klienten verstehen wir aus systemischer Sicht immer als Systemlösungen. Welche Perspektiven müssen wie zusammengefügt werden, damit für ein System (eine Organisation) wirksame und alltagstaugliche Lösungen zustande kommen? Dabei geht es sowohl um die passende Positionierung meines (Teil-) Beitrags als Coach – möglicherweise im Kontext anderer Beratungsbeiträge (Beratungs systeme) – als auch um die Bestimmung des Handlungsrahmens meines Klien ten in seinem organisationalen Kontext. In der Praxis bedeutet das in der Regel, dass wir als Coachs und Berater immer mehr im Kontext mehrerer Perspektiven von der Fachberatung, Psychotherapie bis Managementberatung unsere Leistungen und Wertbeiträge gestalten. Kooperation und Systemdesign werden dabei zu den Stellgrößen erfolgreicher Beratungs prozesse. Unsere Klienten nehmen nicht nur unterschiedliche Beratungsleistungen in Anspruch, sie sind auch das eigentliche Steuerungszentrum für die Umsetzung in ihren organisationalen Kontexten. Egal an welcher (hierarchischen) Stelle sie arbeiten, tragen sie immer auch Gesamtverantwortung. Und daran müssen wir als Coachs ankoppeln.

1.3 Einige Folgerungen aus einem humanistischen Menschenbild für Coaching und Beratung12

(1)

Das dialogische Prinzip – Begegnung von Ich und Du

: Klientinnen und Klienten sind Personen, wie ich selbst. Als Coach bringe ich mich als ganze Person ein, bin ich Schwungrad für die Entwicklung und Verbesserung meines Klienten.

(2)

Das Prinzip Hier und Jetzt:

Mein Fokus als Coach ist die Gegenwart. Ver gangenheit und Zukunft treffen sich in der Gegenwart dieses Augenblicks. Nur was jetzt geschieht, geschieht.

(3)

Alles hat einen Sinn:

Zu irgendetwas wird es gut sein und sei es, dass es erst mal schlechter wird. Damit ist keine Schicksalsergebenheit gemeint, sondern die Aufforderung etwas zu tun, damit sich der Sinn auch erfüllen kann.

(4)

Wertschätzung:

Jede Person leistet einen Beitrag zu unserer gemeinsamen Welt. Wir interessieren uns dafür, wie sie das tut und was sie tut. Das respektieren wir als das, was dieser Person eben gerade jetzt möglich ist.

(5)

Das Prinzip der Freiheit:

Die andere Person ist ein freier Mensch wie ich selbst und für sich selbst verantwortlich. Zu Fragen des Lebens und Handelns ist jede Person ihr eigener Experte. Als Coach stelle ich nach bestem Wissen und Gewissen Hypothesen und Interventionen zur Verfügung, werde aber niemals etwas erzwingen.

(6)

Das Prinzip der Akzeptanz und des Respekts

: Meinem Klienten bin ich nur nützlich, solange und wenn ich mich (zunächst) eigener Urteile, besonders meiner moralischen Urteile, enthalte. Das bedeutet keine ethische Gleichgültigkeit, sondern die Arbeit, meinem Klienten eine eigene adäquate Wahrnehmung zu ermöglichen.

Aufgabe

Sicher kennen Sie ähnliche und andere Formulierungen von Handlungsprinzipien aus Ihrem eigenen oder anderen beruflichen Kontexten. Schreiben Sie auf, welche Ihnen (noch) besonders wichtig geworden sind.Gegebenenfalls: Was haben Ihre Handlungsprinzipien mit Ihrem Wunsch zu tun, als Coach zu arbeiten?

2. Die Phasen des Coachingprozesses steuern

2.1 Kontakt im Coaching er folg reich ge stal ten

Was heißt Kon takt?

Zur überwiegenden Zahl von Menschen haben wir keinen Kontakt. Wir finden keinen Kommunikationskanal oder wir interessieren uns einfach nicht für einander. Wir brechen den Kontakt ab, wenn wir spüren, dass es keine Verständigung gibt, das gemeinsame Interesse nicht ausreicht, oder wir haben einfach etwas Besseres vor.

Kon takt ge schieht an der Gren ze zwi schen uns und an de ren. Das ist der Sinn der Metapher vom »Berühren« (lateinisch contingere) für die Begegnung von Menschen. Kon takt ist ge nau der Mo ment, in dem die Be tei lig ten, die Wahr nehmung, das (gemeinsame) Ge fühl und die Über zeu gung ha ben: Ja, das ist es. Das grund le gen de Be dürf nis wird be frie digt, ei ne ge mein sa me Welt zu tei len und mit ein an der ver bun den zu sein. Kon takt ist der Mo ment ge gen sei ti gen Ver trauens, der die Vor aus set zung ist für al les, was wir ge mein sam tun kön nen. Der Kontakt mit dem Coach ist das Medium des Kontakts des Klienten mit sich selbst.

Ohne Kontakt entsteht kein Coaching, ist kein Kontrakt als explizite oder implizite Vereinbarung, etwas miteinander zu tun, möglich. Der Kontakt muss von den Beteiligten immer weiter aufrechterhalten werden: Ohne die periodische Wiederherstellung und die Versicherung des Kontakts bricht der Kontrakt – und damit die Verbindlichkeit. Bricht der Kontakt, bricht auch der Kontrakt – und damit die Grundlage der Zusammenarbeit. Das Konzept »Kontakt« wird somit im Coaching in zweifacher Hinsicht gebraucht,

als Beschreibung für den Einstieg in einen Coachingprozess: Vom Gelingen des Kontakts hängt ab, ob es überhaupt zu einem Coaching kommen kann;

als Herausforderung für die Prozessgestaltung insgesamt: Coaching gelingt nur, wenn und solange der Klient in Kontakt mit sich und seiner Fragestellung ist.

Wie lässt sich der Prozess zum Kontakt beschreiben?

Die Gestaltpsychologie in der Schule von Fritz Perls13 hat dafür eine Prozessbeschreibung des Erlebens gegeben, die sich in der Erfahrung leicht nachvollziehen lässt und die Gesta»ltung von Kontakt gut steuert.

Der Gestalt­Zyklus des Erlebens14 beschreibt den Prozess, in dem ein Mensch oder auch eine Gruppe von Menschen aus diffusen Empfindungen ein (gemeinsames) Bewusstsein der Situation schafft, Handlungen setzt und endlich mit der Situation, den beteiligten Menschen so in Kontakt kommt, dass eine neue Erlebnisweise möglich ist bzw. ganz real entsteht. Wenn wir im Kontakt sind, kann uns plötzlich klar werden, was fehlt bzw. was gebraucht wird, um die Situation zu verbessern.

Das bedeutet auch, damit etwas Neues wahrnehmbar wird und entstehen kann, braucht es Kontakt, und sei es Kontakt mit mir selbst: Aushalten von Unsicherheit und Angst, Vertrauen in die Möglichkeit des Neuen, Umsetzung und Reflexion. Aus Sicht der Gestaltpsychologie ist dieser Zyklus des Erlebens wichtiges Instrument des Coachs, um den Klienten zu einer effektiven Steuerung seines Erlebens anzuleiten.

Edwin C. Nevis15 überträgt diese Beschreibung des persönlichen Erlebens auf die Interaktion von Berater und Klient. Der Gestaltzyklus des Erlebens wird zum Zyklus der Interaktion: Nach dem Kontakt ist vor dem Kontakt. Kontakt ist Ziel und zugleich auch Ausgangspunkt der Begegnung von Coach und Klient, im Schaffen einer gemeinsamen Ausgangsbasis und der gemeinsamen Wahrnehmung von Beratungserfolg.

Wie kann der Coach den Kontakt praktisch steuern?

Der Gestaltzyklus kann auch als Energiekurve in der Zeit abgebildet werden (vgl. Abb. 4). Kontakt ist aus dieser Sicht der Moment gesteigerter Energie, in dem der Interaktionszyklus seinen Höhepunkt erreicht. Idealerweise treffen sich die Erlebniszyklen von Berater und Klient am energetischen Höhepunkt. Dieser fühlt sich für die Beteiligten ungefähr so an:

Klient: »Ja, ich fühle mich verstanden. Ich bin mit meinem Coach auf gleicher Wellenlänge, auf einer gemeinsamen Ebene. Ich vertraue darauf, dass es gelingt, gemeinsame Empfindung, gemeinsames Bewusstsein für meine Situation zu schaffen.«

Coach: »Ja, ich habe verstanden. Ich nehme den Klienten in seiner Situation voll an. Ich kann die Welt aus seinen Augen sehen und mich mit ihm identifizieren. Im nächsten Schritt kann ich gezielt intervenieren, den Klienten unterstützen seine Situationswahrnehmung systematisch zu erweitern.«

Ausgangspunkt ist die energetische Spannung des Klienten. Er spürt einen gewissen Problemdruck, die Notwendigkeit etwas zu tun, er bekommt eine gewisse Vorstellung davon, dass eine fremde Unterstützung für ihn nützlich sein könnte.

Abb. 4: Kontaktprozess der Gestaltpsychologie

»Pacing« und »Leading«16

Umgekehrt signalisiert der Coach eine bestimmt Offenheit für die Fragen des Klienten, die Kompetenz und Qualifikation, dem Klienten nützlich zu sein. Die Beraterin bzw. der Berater versetzt sich in die Situation des Klienten, geht ein Stück weit des Weges in seinen Schuhen, betrachtet die Welt mit seinen Augen. Die Tätigkeit des Beratenden zur Vorbereitung des Kontakts nennt man »Pacing«. Der Klient führt den Prozess, bis er sicher ist, dass die Beraterin, der Berater sich auf ihn eingestellt hat. Das kann sehr schnell geschehen oder es braucht eine etwas längere Zeit der Einstimmung. Der Kontakt ist die Voraussetzung für jeden weiteren Schritt des Beratungsprozesses. Erst jetzt kann die Phase des »Leading« beginnen, die Beratungsperson kann jetzt aktiv intervenieren und Differenzen setzen.

Dass Kontakt stattgefunden hat, kann der Coach physisch merken: Der Körper und das Gesicht der Klientin öffnen sich, die Gesichtszüge werden weicher, Augen und Muskeln sind entspannter.

Setting im Coaching

Das Wort »Setting« kommt aus der Theatersprache und bezeichnet dort den Schauplatz und Ort der Handlung. Das Setting ist das erste Kontraktangebot des Coachs: In diesem Raum, unter diesen Bedingungen soll das Coaching stattfinden. Wir sagen Setting, um die besondere Verantwortung des Coachs für die Rahmenbedingungen der Beratung zu betonen. Die Gestaltung des Settings ist selbst eine Intervention, welche den Klienten dabei unterstützen soll, seinen eigenen Handlungsprozess erfolgreich zu steuern: Ort, Zeit, Abstand/Intervalle von Coaching-Treffen, Art und Anzahl der Treffen.

Merke:

Als Coach sind Sie Herrin bzw. Herr des Settings. – Sie dürfen die Wahl natürlich auch Ihrem Klienten überlassen. Doch auch das ist eine Intervention, die in Ihre Verantwortung fällt.

Aufgabe

Was sind aus Ihrer Sicht 10 günstige Merkmale für ein Coaching­Setting? Was wollen Sie damit erreichen?

Was sind die häufigsten Fehler in der Kontaktphase?

(1) Die Kontaktphase beginnt schon im Vorfeld der persönlichen Begegnung von Klient und Coach. In der Gestaltung dieser Phase gehen immer noch viele Beraterinnen und Berater sehr von sich aus: Wie will ich mich darstellen? Wie will ich mich profilieren? Statt: Was muss mein Klient von mir wahrnehmen können, um den Kontakt zu mir zu suchen? Was muss ich darstellen, damit mein Klient eine Vorstellung von Zielen und Nutzen bekommt, die für ihn aus der Zusammenarbeit mit mir erwachsen können?

(2) Beraterinnen und Berater wollen oft möglichst schnell zur Sache kommen. Sie wollen ihre Kompetenz, ihre Fähigkeiten beweisen – dem Klienten und sich selbst. Interventionen werden vorschnell, d. h. ohne Kontakt und Kontrakt, gesetzt. Das verwirrt den Klienten und macht den Kontakt-Prozess zumindest schwieriger.

(3) Der Coach lässt sich vom Klienten und seiner Problemsicht »hypnotisieren«. In seinem Sich-Einlassen auf den Klienten bleibt er an dem Klienten hängen. Er übernimmt dessen Wünsche und Vorstellungen, ohne diese in Bezug auf ihren Nutzen und ihr Funktionieren für den Klienten kritisch zu überprüfen.

(4) Die fachliche Orientierung des Beraters auf den Beratungsgegenstand erfordert Konzentration. Es gibt viele Berater, die in ihrer Arbeit einfach nicht auf Kontakt achten. Der Kontakt geschieht dann mehr oder weniger zufällig. Ein Teil des vom Berater getriebenen Aufwands verpufft ohne Wirkung, da der Klient weder willens noch bereit ist, den Interventionen des Coachs zu folgen.

Aktives Zuhören17

Aktives Zuhören ist besonders für die Anfangsphase von Coaching-Gesprächen hilfreich. Aktives Zuhören ist die Kunst, konzentriert wahrzunehmen, was der andere denkt und fühlt. Dies beginnt bereits bei der Grundeinstellung zum Zuhören und bedeutet, dass der Coach dem Klienten Aufmerksamkeit und Interesse entgegen bringt. Mit seiner wertschätzenden Grundhaltung schafft der Berater einen wohlwollenden und angstfreien Raum, in dem sich der Klient öffnen und seine subjektiven Sichtweisen offenbaren kann.

Der Berater verzichtet dabei auf eigene Deutungen und Konfrontation sowie aktive Lösungsorientierung. Diese Art der Gesprächsführung fördert das SelbstErleben, die Selbst-Klärung und fördert beim Klienten das Bewusstsein für die Selbst-Verantwortung.

Aktives Zuhören umfasst:

sich konzentrieren auf den anderen, sich einstellen, sich in seine Lage versetzen,

nonverbale Anteilnahme, Blickkontakt, Nicken, zugewandte Haltung,

verbale Anteilnahme, aussprechen lassen, nicht unterbrechen, kleine Wörter: ja, aha, so,

Erkennen der Schlüsselwörter; Mimik und Gestik wahrnehmen: Was ist dem anderen wichtig?

Erfassen von Inhalten, Gefühlen, Strategien; Rückfragen (offene Fragen) stellen,

Verbalisieren, die emotionale Aussage mit eigenen Worten wiederholen,

Paraphrasieren, das Gesagte des Klienten mit eigenen Worten wiederholen, ohne es umzudeuten.

Wertschätzung

Unter Wertschätzung verstehen wir Respekt und Achtung vor dem So-Sein des Klienten, wie er gerade ist und wie er die Welt wahrnimmt – seine Wirklichkeitskonstruktion. Den Wert des Anderen zu schätzen heißt nicht loben und plötzlich alles gut finden müssen, was der andere tut oder sagt.

Verständnis

Verständnis bezieht sich hier auf den Inhalt, die Sache. Der Coach versucht die Kernaussagen des Klienten auf den Punkt zu bringen. Er fasst die wichtigsten Punkte mit eigenen Worten zusammen und überprüft, inwieweit er den Klienten richtig verstanden hat. Wenn der Klient sich nicht richtig verstanden fühlt, kann er die Dinge korrigieren. Dieser Schritt stärkt die Selbstverantwortung und Selbststeuerung des Klienten. Besonders hilfreich ist dieses Element des aktiven Zuhörens bei diffusen und chaotischen Problemschilderungen.

Einfühlungsvermögen