Professor Zamorra 1023 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1023 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Der Boden bebte. Überall um ihn herum stürzten scheppernd Gegenstände herab, Glas zerbrach, in den Wänden klafften Risse. Doch all das sah er nicht. Während das tumultartige Getöse schmerzhaft laut auf seine Ohren einhämmerte, umklammerte er mit aller Kraft das glatte, eckige Objekt in seinen Händen und kroch unablässig vorwärts. So schnell er konnte schleppte er sich durch das Chaos, versuchte, den Lärm der Zerstörung auszublenden und konzentrierte sich mit allen ihm verbliebenen Sinnen auf diese eine letzte Aufgabe. Von ihrem Gelingen hing das Schicksal zahlloser Welten ab ...

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Seitenzahl: 148

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Inhalt

Cover

Impressum

Das andere Leben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Lingg

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-8387-4913-6

www.bastei-entertainment.de

Das andere Leben

von Anika Klüver

Der Boden bebte. Überall um ihn herum stürzten scheppernd Gegenstände herab, Glas zerbrach, in den Wänden klafften Risse.

Doch all das sah er nicht. Während das tumultartige Getöse schmerzhaft laut auf seine Ohren einhämmerte, umklammerte er mit aller Kraft das glatte, eckige Objekt in seinen Händen und kroch unablässig vorwärts.

So schnell er konnte, schleppte er sich durch das Chaos, versuchte, den Lärm der Zerstörung auszublenden, und konzentrierte sich mit allen ihm verbliebenen Sinnen auf diese eine letzte Aufgabe.

Von ihrem Gelingen hing das Schicksal zahlloser Welten ab …

Sirkar

Der große See lag spiegelglatt da und schimmerte im kalten Licht der Zwillingssonnen violett. Schwarzer grobkörniger Sand bedeckte das Ufer und schien die Sonnenstrahlen regelrecht zu verschlucken. Über dem See schwirrten handgroße schillernde Insekten, in deren durchsichtigen Flügeln sich das Licht brach. Sie tanzten dicht über der Oberfläche und vollführten ebenso gewagte wie elegante Manöver. Die Luft war für die Jahreszeit recht mild, doch das Wasser des Sees war kälter, als es aussah. Tatsächlich wurde es nie wärmer als wenige Grad über dem Gefrierpunkt, doch die Wasserlebewesen, die den See bevölkerten, hatten sich bereits vor Äonen an diese niedrigen Temperaturen angepasst. Sobald die kältere Jahreszeit hereinbrach, würden sie in Starre verfallen und am Grund des Gewässers ausharren. Der See würde dann wie tot daliegen, bis die Temperaturen wieder anstiegen und alles erneut zum Leben erweckten.

Der Stock senkte sich in den dunklen Sand und zog elegante geschwungene Linien und Kreise. Das Muster, das sie ergaben, wirkte so komplex, als stünde dahinter eine komplizierte mathematische Formel, die dafür sorgte, dass jedes Symbol exakt an seinem Platz war. Auf diese Weise entstand im Sand langsam ein vergängliches Kunstwerk, das schon am kommenden Tag wieder verschwunden sein würde, ohne je die verdiente Anerkennung gefunden zu haben.

Der Künstler, der den Stock führte, war kaum älter als sechs Jahre. Er hockte im Sand, hatte konzentriert die Stirn gerunzelt und schien seinen Gedanken Form geben zu wollen. Hin und wieder hielt er kurz inne, überlegte einen Augenblick und wischte dann ein Symbol fort, um sofort ein anderes auf den glatt gestrichenen Sand zu zeichnen.

Ein Platschen neben ihm ließ den Jungen aufschrecken. Sein Blick richtete sich sofort auf die Oberfläche des Sees, auf der sich nun leichte Wellen kräuselten und träge ans Ufer schwappten. Der Junge stand auf und trat ein Stück näher ans Wasser heran, sodass die Spitzen seiner klobigen Schuhe nass wurden. Neugierig starrte er auf den See hinaus, um zu ergründen, was die Störung verursacht hatte. Plötzlich teilte sich das Wasser, und ein großer, länglicher silbrig schimmernder Körper schnellte daraus hervor. Der Junge schnappte überrascht nach Luft und riss die Augen weit auf. Das kiemenbewehrte, vieläugige Wesen, das wie ein Pfeil aus dem Wasser schoss, hielt zielsicher auf einen kleinen Insektenschwarm zu. Bevor die schillernden Tiere ausweichen konnten, schnappten die Kiefer des Wasserbewohners zu, packten eines von ihnen und rissen es mit sich ins Wasser. Die anderen Insekten stoben aufgeregt in alle Richtungen davon und schwirrten eine Weile lang sirrend umher, bis sie sich schließlich wieder sammelten und ihren filigranen Tanz fortsetzten, als wäre nichts geschehen. Lediglich die sanften Wellen, die ans Ufer rollten, erinnerten an das Drama, das sich soeben abgespielt hatte.

Der Junge schaute auf die neuen Wellen zu seinen Füßen. Sie schwappten auf seine Schuhe und er starrte sie an, bis sich das Wasser wieder geglättet hatte.

Nun konnte er sein eigenes Gesicht erkennen, das sich in der unbewegten Oberfläche spiegelte. Wache, neugierige Augen starrten ihm entgegen. Darüber wölbte sich eine hohe Stirn, und die grünlich graue Haut stach im Violett des Wassers deutlich hervor. Das wohl auffälligste Merkmal in dem jungen Gesicht waren die zahlreichen Tentakel, die sich um seinen Mund herum und an den Seiten seines Kopfes wanden wie kleine Schlangen, die unablässig in Bewegung waren. Sie dienten nicht nur als zusätzliche Gliedmaßen, sondern waren auch äußerst sensible Tastorgane, mit denen der Junge Schwingungen in der Luft wahrnehmen konnte. Sie waren ein Überbleibsel aus der Urzeit, als die Vorfahren seines Volkes noch in dunklen Höhlen gelebt hatten und sich dort irgendwie orientieren mussten. Der technische Fortschritt hatte diese Funktion jedoch so gut wie obsolet gemacht.

Einer der Tentakel griff bereits nach dem Zeichenstock, den der Junge nach wie vor in der Hand hielt, während er sich umdrehte und in den Sand kniete. Aufgeregt wischte er die aufwendigen Symbole, die er zuvor so sorgfältig in den Sand gezogen hatte, weg und strich die schwarzen Körnchen so glatt wie möglich. Dann nahm er den Stock aus seinem Tentakel und machte sich daran, erneut etwas in den Sand zu zeichnen. Präzise Linien bildeten schon bald ein naturgetreues Abbild des Wasserwesens, das vor wenigen Minuten aus dem See gesprungen war, um sich eins der Insekten zu schnappen.

Obwohl der Junge das Wesen nur für ein paar Sekunden gesehen hatte, zeichnete er es so detailliert und genau nach, als wäre es eine Abbildung in einem Naturkundebuch. Dann begann er damit, die einzelnen Teile des länglichen Körpers zu benennen, indem er Wörter in den Sand schrieb. Irgendwann hielt er inne und runzelte angestrengt die Stirn.

»Aber wie funktioniert es?«, murmelte er nachdenklich. »Wie kann es so hoch springen und warum frisst es Insekten, die in der Luft leben, obwohl es auch Beute im Wasser gibt?«

Frustriert starrte der Junge wieder auf den See hinaus, doch das Wasserwesen tat ihm nicht den Gefallen, erneut aufzutauchen. Er würde warten müssen, bis es noch einmal in die Luft sprang. Wenn das nicht passierte, konnte er immer noch seinen Vater fragen, denn der wusste alles.

Sein Blick wanderte zu der Zeichnung im Sand. Mit ein paar beiläufigen Bewegungen fügte der Junge skizzenhafte Bilder der Insekten hinzu, auf die das Wesen Jagd gemacht hatte. Er fragte sich, ob das nun das Ende dieser Jagd sein würde, oder ob der Jäger in den Tiefen des Sees ebenfalls zur Beute werden konnte. Zweifellos gab es in dem Gewässer noch viel größere Kreaturen. Der Gedanke daran machte dem Jungen keine Angst, sondern weckte vielmehr seine Neugier. Unter dieser glatten, makellosen Oberfläche lag eine ganz eigene Welt verborgen, in der jeder Bewohner tagtäglich ums Überleben kämpfen musste. Es war eine geheime Welt, die die Landbewohner niemals ganz ergründen konnten, selbst wenn sie sich selbst ins Wasser begaben.

Beim Gedanken an diese Welt verspürte der Junge ein sehnsüchtiges Ziehen in der Brust, wie es immer der Fall war, wenn er wusste, dass ihm ein Geheimnis verschlossen bleiben würde. Sein Geist verlangte nach Wissen und brauchte es ebenso sehr, wie sein Körper Nahrung brauchte. Der Gedanke daran, dass ihm die ganze Welt offen stand, eine Welt voller Geheimnisse, die nur darauf wartete, erforscht zu werden, erfüllte ihn mit enormer Vorfreude. Aber natürlich war ihm klar, dass es einige Geheimnisse gab, die auch er nicht würde lüften können.

Diese Vorstellung frustrierte ihn. Er wollte alles, und das am liebsten sofort. In dieser Hinsicht unterschied er sich nicht sonderlich von anderen Sechsjährigen, nur das er sich weniger für Spielsachen oder Süßigkeiten, sondern mehr für wissenschaftliche Grundlagen und Zusammenhänge interessierte.

Der Junge warf noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den See, bevor er sich wieder seiner Zeichnung zuwandte. Seine Tentakel rollten sich grüblerisch zusammen, während er mit dem Stock auf den Sand tippte. Er hatte gesehen, wie sich das Tier bewegt hatte. Er fand, er müsse in der Lage sein, anhand dieser Informationen eine Zeichnung des Skeletts anzufertigen. Ja, das dürfte nicht allzu schwierig sein. Er musste einfach nur den Körperbau, die Muskelbewegungen und den Lebensraum in Betracht ziehen. Fürs Erste würde er davon ausgehen, dass sich die grundlegende Skelettstruktur nicht allzu sehr von der anderer im Wasser lebender Wirbeltiere unterschied. Darauf konnte er aufbauen und sich dann mit den möglichen Besonderheiten dieser Kreatur beschäftigen. Zum Beispiel damit, wie dieses Tier so hoch aus dem Wasser springen konnte. Oder mit der Frage, wie …

»Artimus!«, rief eine laute, aber gleichzeitig melodische Stimme aus einiger Entfernung. Der Junge zuckte zusammen, ließ seinen Zeichenstock fallen und sprang hektisch auf. War es schon so spät? Er hatte wohl wieder einmal die Zeit vergessen.

»Artimus, das Essen ist fertig!«, tönte es aus der Ferne. Der Junge warf noch einen letzten Blick auf seine Zeichnung, die schon in wenigen Stunden den Elementen zum Opfer fallen und langsam verwittern würde, bis nichts mehr von ihr übrig blieb. Er prägte sie sich ein und nahm sich vor, sie zu Hause in eines seiner Skizzenbücher zu übertragen, um weiter daran arbeiten zu können.

Er drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und rief: »Ich komme, Mutter!«

Dann lief er so schnell er konnte über den schwarzen Sand nach Hause.

***

Tendyke Industries

Die Flure von Tendyke Industries hatten sich selten so kalt und leer angefühlt. Nicole Duval ging neben Zamorra her und wünschte sich, dass ihr Ziel ein anderes wäre. Oder zumindest, dass sie dort etwas anderes erwarten würde. Die beiden Dämonenjäger waren auf dem Weg in die medizinische Abteilung der Firma, um sich nach dem Zustand ihres Freundes Dr. Artimus van Zant zu erkundigen. Doch sie wussten bereits, dass es keine guten Nachrichten gab und sich nichts verändert hatte.

Vor einer Weile hatte ein erneuter Versuch, die Kassette des Blinden Wächters zu untersuchen, dazu geführt, dass Artimus in einen katatonischen Zustand gefallen war. Dieses außerirdische Artefakt, das irgendwie mit einer geheimnisvollen galaktischen Bedrohung namens Angst zusammenhing, gab ihnen nach wie vor Rätsel auf. Um sie zu lösen, hatten sie ein weiteres Experiment gewagt, das vielleicht eine Antwort brachte. Das Ergebnis war jedoch verheerend gewesen: Artimus hatte mitten im Experiment seinen Schutzhandschuh ausgezogen und die Kassette berührt. Er war wie in Trance gewesen, und Nicole hatte ihn nicht aufhalten können.

Dann war das Chaos ausgebrochen.

Nicole wusste nicht, was der Physiker erlebt hatte, aber es hatte offenbar ausgereicht, um seinen Verstand komplett abzuschalten. Artimus war seit dem Vorfall nicht mehr ansprechbar und befand sich in einer Art Wachkoma. Dr. Berenga, der Firmenarzt von Tendyke Industries, hatte alles versucht, um ihren Freund zurückzuholen, bisher jedoch keinen Erfolg gehabt. Dem erfahrenen Mediziner waren extreme Fälle durchaus nicht fremd, aber Artimus’ Zustand stellte auch ihn vor ein Rätsel.

»Vielleicht hat Dr. Berenga ja mittlerweile etwas Neues herausgefunden«, sagte Zamorra und riss Nicole damit aus ihren Gedanken. Seine Stimme klang jedoch nicht sonderlich optimistisch, und Nicole kannte ihren langjährigen Partner gut genug, um zu wissen, dass er einfach nur die bedrückende Stille brechen wollte. Obwohl sie wusste, dass hinter seinen Worten keine echte Hoffnung lag, war sie ihm dankbar dafür.

»Ja, vielleicht«, erwiderte sie, griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. »Immerhin ist Artimus noch am Leben, und solange das der Fall ist, dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben.«

»Dr. Berenga weiß, was er tut. Es mag noch ein wenig dauern, aber ich bin mir sicher, dass er eine Möglichkeit finden wird, Artimus’ Zustand zu heilen. Vielleicht können wir ihm ja sogar irgendwie dabei helfen.«

»Ja, sicher«, murmelte Nicole. Sie hätte gern etwas zuversichtlicher geklungen, aber ihre Kehle schnürte sich mit jedem Schritt in Richtung der medizinischen Abteilung weiter zu. Sie spürte, wie ein vertrautes und unangenehmes Gefühl in ihr hochkroch, das sie seit dem Vorfall im Labor einfach nicht mehr loswurde. Es war ein nagendes kleines Schuldgefühl, eine Stimme, die mit beharrlicher Penetranz fragte: Warum hast du nichts unternommen? Hättest du nicht etwas tun können, um diese Katastrophe zu verhindern?

Natürlich wusste Nicole, dass das Unsinn war. Das Experiment war außer Kontrolle geraten, bevor irgendjemand reagieren konnte. Abgesehen davon hatten alle Beteiligten die Risiken gekannt. Sie hatten es mit einer fremdartigen Energie zu tun, einer Macht, die sie nicht verstanden. Trotzdem hatten sie sich freiwillig auf diesen Versuch eingelassen, denn sie waren die Einzigen, die das tun konnten.

Nicole selbst hatte die Macht der Kassette des Blinden Wächter bereits zuvor am eigenen Leib zu spüren bekommen, als sie zum ersten Mal versucht hatten, das Geheimnis ihres Inhalts zu ergründen. Und dennoch hatte sie sich erneut bereiterklärt, dieses verdammte Ding zu bearbeiten. Sie brauchten Antworten. Doch nach wie vor tappten sie diesbezüglich im Dunkeln. Nach den Ereignissen in Prag und dem Kampf gegen Svatopluk Novak waren sogar noch weitere Rätsel hinzugekommen. Svatopluk Novak – oder besser das Wesen, das Svatopluk besetzt hatte – hatte törichterweise versucht, die Macht der Angst anzuzapfen. Der Stand der Dinge war ungewiss. Niemand konnte sagen, wie viel Zeit ihnen blieb und wie kurz sie vor einer möglichen Katastrophe standen.

Und nun hatten sie auch noch einen ihrer fähigsten Wissenschaftler verloren. Artimus mochte nicht tot sein, aber sein momentaner Zustand ließ vermuten, dass er es ebenso gut sein könnte. Selbst wenn er jemals wieder aus seiner katatonischen Starre erwachte, war es gut möglich, dass er nicht mehr derselbe sein würde. Wenn sein Gehirn Schaden genommen hatte, würde er vielleicht kein normales Leben mehr führen können.

Vor ihnen erschien die Durchgangstür zur medizinischen Abteilung. Nicole spürte, wie der Kloß in ihrem Hals immer dicker wurde. Sie konnte da jetzt nicht einfach so reingehen. Sie brauchte Luft, musste durchatmen und sich erst einmal sammeln. Abrupt blieb sie stehen, sodass Zamorra, der immer noch ihre Hand hielt, mit einem Ruck zurückgezerrt wurde.

»Was ist los, chérie?«, fragte er verwundert.

Nicole zögerte. Sie wollte ihren Partner nicht anlügen, aber sie wusste auch, dass dieses beklemmende Gefühl der Schuld, das sie gerade überkommen hatte, gleich wieder vorbeigehen würde. Sie brauchte nur einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen und ihren Kopf mit etwas anderem zu füllen als der Erinnerung an Artimus’ Zusammenbruch und der Vorstellung seines hilflosen Körpers im Krankenbett.

»Geh du schon mal vor«, sagte sie ein wenig zu hastig. »Mir … mir ist gerade eingefallen, dass ich noch mal schnell bei Monica vorbeischauen wollte, um zu sehen, wie sie mit ihrer neuen Aufgabe als Firmenchefin zurechtkommt.«

Das war noch nicht einmal gelogen. Nicole hatte ihrer Freundin tatsächlich versprochen, bei nächster Gelegenheit vorbeizukommen.

Seit Monica Peters nach dem Tod ihres Lebensgefährten Robert Tendyke und ihrer Zwillingsschwester Uschi die Leitung der Firma übernommen hatte, schien es ihr langsam wieder besser zu gehen. Der plötzliche und gewaltsame Tod der beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben hatte Monica in ein tiefes Loch gestürzt, und Nicole hatte befürchtet, dass sie sich von diesem Schicksalsschlag nie wieder erholen würde. All ihre Bemühungen, Monica aus ihrer Trauer zu reißen, waren vergeblich gewesen, bis die verbliebene Peters-Schwester dann plötzlich selbst beschlossen hatte, neuen Lebensmut zu fassen und sich um Robs Firma zu kümmern. Natürlich trauerte sie nach wie vor und würde den Verlust vermutlich nie ganz überwinden, aber sie war auch bereit, sich mit ganzer Kraft ihrer neuen Aufgabe zu widmen, was Nicole sehr erleichterte.

»Kannst du das nicht später machen?«, wollte Zamorra wissen. »Moni läuft dir doch nicht weg.«

Beinahe hätte Nicole erwidert: »Artimus auch nicht.«

Doch sie biss sich in letzter Sekunde auf die Zunge und hielt die geschmacklose Bemerkung zurück. Was war denn nur los mit ihr? »Stimmt, aber ich habe es ihr versprochen. Es dauert auch bestimmt nicht lange. Ich sage ihr nur kurz Hallo und komme dann nach.«

Zamorra runzelte verwirrt die Stirn, widersprach ihr aber nicht. »Wie du meinst. Aber beeil dich bitte. Auch wenn wir momentan nicht viel für Artimus tun können, sollten wir trotzdem für ihn da sein. Zusammen.«

Nicole drückte kurz Zamorras Hand und ließ sie dann los.

»Natürlich.«

Sie wusste, dass ihr Partner es ihr nicht übel nahm. Sie war sich sogar sicher, dass er genau wie sie einen gewissen Widerwillen verspürte, die medizinische Abteilung zu betreten. Trotzdem würde er es tun. Und sie würde es ebenfalls tun, sobald sie sich dazu in der Lage fühlte. Nicole hauchte Zamorra einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Bis gleich, chéri«, sagte sie.

Dann drehte sie sich um und marschierte zielstrebig durch den kalten, fast schon sterilen Flur zurück in Richtung Aufzug.

***

Als die Aufzugtür vor ihr aufglitt, fühlte sich Nicole schon deutlich besser. Die warmen Farben und der weiche Teppichboden der Chefetage von Tendyke Industries vertrieben die Erinnerung an die nüchterne Krankenhausatmosphäre, die auf dem Weg zur medizinischen Abteilung geherrscht hatte. Auch hier wirkte die Stimmung gedämpft, aber die andächtige Stille hatte hier oben nichts mit Krankheit und Tod zu tun, und das war genau das, was Nicole momentan brauchte. Sie trat aus dem Aufzug und ging durch den kurzen Flur in Richtung des Büros der Firmenleitung.

Im Empfangsbereich vor dem eigentlichen Büro stand ein großer hölzerner Schreibtisch, an dem ein akkurat gekleideter junger Mann mit perfekt frisiertem dunklem Haar saß. Er erkannte Nicole und nickte ihr freundlich zu. Als sie auf ihn zuging, hörte sie plötzlich gedämpfte Stimmen, die lauter wurden, je näher sie der Bürotür kam. Sie konnte die Worte nicht verstehen und schnappte nur einzelne Silben auf, aber in Monikas Büro war eindeutig eine heftige Diskussion im Gange.

Nicole wandte sich an den jungen Mann. »Hallo, Alan. Was ist denn da drinnen los?«

Alan Quinn, der seit einer Weile als Sekretär für Monika tätig war, warf ihr einen leicht besorgten Blick zu, der so gar nicht zu seinem jungen Gesicht zu passen schien. »Mr. Riker ist vor einer halben Stunde zu einer Besprechung erschienen, die Ms. Peters anberaumt hatte. Sie scheinen sich nicht einigen zu können.«

»Worum geht es denn?«, wollte Nicole wissen.

»Um die Dean-Situation«, erwiderte Alan. »Ms. Peters ist mit der derzeitigen Lage unzufrieden und möchte hart durchgreifen, aber Mr. Riker scheint anderer Meinung zu sein.«

Das überraschte Nicole ein wenig. Sie wusste, dass auch der Geschäftsführer von Tendyke Industries