Professor Zamorra 1236 - Andreas Balzer - E-Book

Professor Zamorra 1236 E-Book

Andreas Balzer

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Beschreibung

Gemeinsam sind sie unschlagbar: JOHN SINCLAIR und ZAMORRA! Die beiden mächtigsten Geisterjäger vereint gegen die Mächte der Finsternis!

Die Invasion war gescheitert. Der weißhaarige Hutträger war in einer Welt gestrandet, die seiner eigenen glich wie ein Ei dem anderen - und doch eine völlig andere war.
Er hatte sich zurückgezogen. Hatte im Verborgenen seine Rache geplant und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Jetzt endlich war es so weit!
Und diesmal würde John Sinclair dem Champion dieser Welt, dem verfluchten Professor Zamorra, nicht zur Hilfe kommen.
Der Weißhaarige verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen.
Unsere Träume werden wahr, Sebastian, dachte er. Diese Welt wird brennen!

Lassen Sie sich den Auftakt zum atemberaubenden JOHN SINCLAIR-Crossover in PROFESSOR ZAMORRA nicht entgehen!


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Inhalt

Cover

Unheilige Erde

Leserseite

Vorschau

Impressum

Unheilige Erde

von Andreas Balzer

Der Auftakt zum atemberaubenden JOHN SINCLAIR-Crossover:

Die beiden mächtigsten Geisterjäger vereint gegen die Mächte der Finsternis!

Die Invasion war gescheitert. Der weißhaarige Hutträger war in einer Welt gestrandet, die seiner eigenen glich wie ein Ei dem anderen – und doch eine völlig andere war.

Er hatte sich zurückgezogen. Hatte im Verborgenen seine Rache geplant und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Jetzt endlich war es so weit!

Und diesmal würde John Sinclair dem Champion dieser Welt, dem verfluchten Professor Zamorra, nicht zur Hilfe kommen.

Der Weißhaarige verzog die Lippen zu einem wölfischen Grinsen.

Unsere Träume werden wahr, Sebastian, dachte er. Diese Welt wird brennen!

Zamorra-Welt

Kolumbien, Departamento Caquetá, an der Grenze zur ehemaligen Todeszone

Antonio Álvarez saß in seinem Sessel und starrte ins Leere. Es hatte Zeiten gegeben, in denen der mächtige Plantagenbesitzer wie ein Gott über diesen Teil des Landes geherrscht hatte.

Wer es wagte, gegen den Zuckerbaron aufzubegehren, indem er sich zum Beispiel für die Rechte der von ihm ausgepressten Feldarbeiter einsetzte, musste sich ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit machen. Álvarez' Schergen hatten Unruhestifter erbarmungslos gejagt und ihre Leichen tief im Dschungel vergraben, wo sie niemand finden würde. Manche hatten vor ihrem Ende noch der Unterhaltung von Don Antonios Leuten gedient. In der eigens zu diesem Zweck errichteten Arena, in der sie in den letzten Minuten ihres erbärmlichen Lebens gegen rasende Bullen oder ausgehungerte Jaguare hatten kämpfen müssen. Oder gegen sehr viel Schlimmeres.

Denn der Dschungel barg ein dunkles Geheimnis. In ihm war etwas herangewachsen, was das Schicksal der ganzen Welt bedrohen sollte. Die Sphäre.* Doch Don Antonio schloss einen Pakt mit ihr. Und wurde so noch sehr viel mächtiger.

Dann verschwand die geheimnisvolle Macht, die sich hier im Dschungel eingenistet und auch von Antonio Álvarez Besitz ergriffen hatte. Zurückgelassen hatte sie einen zutiefst verwirrten, sich wie amputiert fühlenden alten Mann. Einen senilen Greis, der wie betäubt in seinem Sessel saß und sich an eine ruhmvolle Vergangenheit erinnerte, die so nie stattgefunden hatte.

Nicht mehr stattgefunden hatte. Denn soweit sein zerstörter Verstand das zu erfassen in der Lage war, hatte etwas – oder jemand – die Vergangenheit verändert und alles ausgelöscht, was ihn einst groß und mächtig hatte werden lassen.

In seinen Erinnerungen sah sich Don Antonio in brennenden Urwäldern unheimliche Armeen anführen, die im Dienste der Sphäre große Teile des Kontinents erobert hatten. Er sah Städte brennen und ganze Länder fallen.

Doch Álvarez' Diener sahen ihn nur betreten an, wenn er davon sprach. Es hatte nie stattgefunden. Nicht für sie. Und vermutlich überhaupt nie. Es existierte nur in seinem Kopf.

Der alte Mann schreckte auf, als er aus der Vorhalle erregte Stimmen hörte. Was zum Teufel ...

»Ich sage Ihnen doch, Don Antonio ist nicht zu sprechen!«

Das war Pablo, sein Hausdiener. Vermutlich wimmelte er einen der Bittsteller ab, die sich der irrigen Hoffnung hingaben, dass der Zuckerbaron seit seiner Krankheit etwas milder und wohltätiger gestimmt war.

Don Antonio konnte nicht verstehen, was der Besucher erwiderte, doch Pablo war offenbar nicht in der Lage, der Sache Herr zu werden.

»Nein, halt! Sie können da nicht rein!«

Der Satz erstickte in einem spitzen Schrei. Dann sprang die große Flügeltür zu Don Antonios saalartigem Salon auf. In der Tür stand ein hagerer, weißhaariger alter Mann. Er musste mindestens siebzig Jahre alt sein, seine Haut war bleich wie die einer Leiche. Aber seine Augen glühten vor Vitalität.

Der Hagere war komplett in Schwarz gekleidet. Er trug einen konservativ geschnittenen Anzug und darüber einen langen Mantel. Auf dem Kopf saß ein Hut mit breiter Krempe, den er jetzt abnahm, als er sich mit ironischer Geste zum Gruß verbeugte.

»Don Antonio, ich entschuldige mich für die kleinen Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen möglicherweise bereitet habe.« Mit einer beiläufigen Bewegung deutete der Alte hinter sich, wo der Hausdiener in seinem Blut lag. »Mir ist klar, dass gutes Personal schwer zu finden ist.«

Don Antonio vereiste, als der schwarz Gekleidete über die Schwelle trat und sich dem Hausherrn langsam näherte. Mit zittrigen Händen griff der Patriarch zu dem kleinen Tischchen neben seinem Sessel, auf dem der langläufige Revolver lag, der schon seinem Vater gute Dienste erwiesen hatte.

Doch der Eindringling wirkte völlig unbeeindruckt, als der Zuckerbaron die Waffe auf ihn richtete. Mit einem wölfischen Grinsen setzte er den Hut wieder auf. »Ich versichere Ihnen, Don Antonio, Sie haben von mir nichts zu befürchten. Im Gegenteil, ich bin hier, um Ihnen das zurückzugeben, was Ihnen genommen wurde. Mein Name ist Theodore Auburn.«

Sinclair-Welt

Wingfield Institute for Advanced Psychotronic Technology, London, weit nach Mitternacht

Ein anderer alter Mann in einer anderen Welt. Der Weißbärtige summte, sang und kicherte vor sich hin. Es gab nicht mehr viel, was ihn wirklich glücklich machte, aber das Erschaffen neuer Teesorten gehörte auf jeden Fall dazu. Mit einem versonnenen Lächeln blickte er auf die Kännchen, Tassen und Untertassen, die vor ihm in der Luft schwebten. Um sie herum bewegten sich wie Trabanten die exotischen Zutaten, mit denen er heute zu experimentieren gedachte. Da gab es etwa von nackten Eremiten bei Vollmond gepflückte Wunderkräuter aus Nepal, fein abgeschmeckter Spinnensud aus eigener Erzeugung und eine Staude prallgelber Bananen.

Bananen hatten im Reich der Magie keinerlei Bedeutung. Der Alte mochte sie einfach und fügte sie, wann immer möglich, seinen Kreationen hinzu.

Die Finger des Greises waren die ganze Zeit in Bewegung. Und immer, wenn er auf eine der Zutaten deutete, löste sich ein Teil von ihr und schwebte in eines der umherschwirrenden Gefäße.

»Schmackhaft, sehr schmackhaft«, murmelte der Alte, der den meisten Menschen, die in diesem sehr speziellen Altersheim am Rande Londons lebten oder arbeiteten, nur unter dem Namen Martin Emrys bekannt war. Nur die wenigsten wussten, wer er wirklich war und wozu er imstande war.

Sofern seine geistigen Kräfte ihn nicht im Stich ließen. Und das taten sie in den letzten Jahren immer häufiger. Denn Martin Emrys war nicht mehr derselbe, seit damals – als er versucht hatte, einen alten Freund aus dem Reich der Toten zurückzuholen.

»Ich hätte dir vorher sagen können, dass das nicht klappt«, murmelte der Weißbärtige. Gedankenverloren deutete er auf ein Schälchen mit dem halluzinogenen Sekret einer nahezu ausgestorbenen Giftfrosch-Art aus dem peruanischen Urwald, das sich sofort in eine der drei Kännchen vor ihm ergoss. »Ach was, ich habe es dir gesagt, unzählige Male!«

Aber Nicole Duval hatte nicht auf ihn gehört. Sie hörte auf überhaupt niemanden mehr, seit Professor Zamorra gestorben war. Für viele Jahre war der Meister des Übersinnlichen eines der mächtigsten Bollwerke gegen die Mächte der Finsternis gewesen. Doch dann hatte ihm ein höchst mittelmäßiger Dämon im Hyde Park eine Falle gestellt, aus der ihn seine überragenden Fähigkeiten nicht hatten befreien können. Ein unwürdiger Tod – den seine Gefährtin nie akzeptiert hatte.

»Hol ihn zurück, Julian!«, hatte Nicole gesagt. Julian, richtig. Das war der Name, den er damals getragen hatte, mit dem Stolz und der Arroganz, die in jenen Tagen seine Markenzeichen gewesen waren. Es gab kaum etwas, was sich der Herr der Traummagie nicht zugetraut hätte. Doch selbst für ihn gab es Grenzen, die er nicht zu überschreiten gewillt war.

»Es ist zu gefährlich, Nicole.«

Sein jüngeres Ich hatte die Dämonenjägerin fast angefleht, ihr Schicksal anzunehmen und den Lauf der Dinge zu akzeptieren.

Doch wenn sich Nicole Duval etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht davon abzubringen. Und schließlich hatte Julian eingewilligt.

Warum auch nicht?, hatte er sich gefragt. Schließlich beherrschte er mit seinen Träumen die Realität. Warum sollte er sie nicht einfach so weit zurückträumen, dass es Zamorras Ende im Hyde Park nie gegeben hatte? Ein perfekter Plan.

Nur dass etwas schrecklich schiefgegangen war. Martin Emrys wusste bis heute nicht, was damals wirklich passiert war. Aber seine Kräfte hatten sich offenbar gegen ihn gewandt, und er war monatelang in einer Blase aus seiner eigenen Traummagie gefangen gewesen. Als er irgendwann wieder heraustaumelte, war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Äußerlich um Jahrzehnte gealtert und kaum noch Herr seiner Sinne.

Das war vor zwölf Jahren gewesen. Seitdem lebte er zurückgezogen mit anderen wunderlichen Gestalten aus der Welt des Paranormalen in dieser streng geheimen Einrichtung der englischen Regierung und widmete sich seinen Tee-Schöpfungen. Nur ganz selten verließ er das Wingfield Institute, wenn er doch mal wieder gebraucht wurde, um die Welt zu retten.

Der Alte kicherte, als er an den Ausflug in diese andere Welt vor über drei Jahren dachte. In eine Welt, in der Professor Zamorra nicht gestorben und Nicole Duval nicht zu einer erbarmungslosen Rachegöttin mutiert war, die sich von denen, die sie bekämpfte, kaum noch unterschied.*

Nach diesem erbaulichen kleinen Abenteuer hatte der Traummagier das Wingfield Institute für eine Weile verlassen, um seine Mitbewohner nicht zu gefährden, falls die Gegenseite auf Rache aus war. Doch es war ruhig geblieben, und so war er nach einiger Zeit zurückgekehrt. So sehr er die Zurückgezogenheit liebte, er sehnte sich nach einer vertrauten Umgebung.

Julian deutete mit dem linken Zeigefinger auf die vor ihm schwebenden Gefäße, die sich, einem geheimnisvollen Muster folgend, träge umeinander bewegten wie Himmelskörper eines sehr eigenwilligen Gesetzen gehorchenden Sonnensystems.

Der Zeigefinger machte eine rasche, kreisende Bewegung, die sich sofort auf das bizarre Mobile übertrug. Die Kännchen und Tassen schwirrten immer schneller umeinander. Dann begannen sie sich aufeinander zuzubewegen. Doch kurz bevor sie zusammenprallten, veränderten sie ihre Position so, dass sich in irrwitziger Abfolge ein Teil des jeweiligen Inhalts von einem Gefäß ins andere ergoss und sich immer neue Mischungen ergaben.

»Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination«, murmelte der Träumer. Er hatte das irgendwann einmal gehört. Aber längst vergessen, wo.

Er gab mit dem Zeigefinger weitere Befehle, und die Kannen schwebten etwas weiter in die Höhe, während sich die Tassen und Untertassen auf den greisen Magier zubewegten und vor ihm wie an einer Schnur aneinandergereiht eine waagerechte Linie bildeten.

Julian griff nach dem Trinkgefäß ganz links in der Reihe, führte es zu seinem Mund und probierte ganz vorsichtig von dem giftgrünen Sud, der darin hin und her schwappte. Augenblicklich hatte er das Gefühl, eine Armee winzig kleiner Skorpione attackierte seine Zunge.

»Scheußlich, ganz scheußlich«, murmelte der alte Magier und gab der Tasse einen kleinen Klaps, die sie ans andere Ende des Raumes taumeln ließ. »Vielleicht etwas für den guten Mister Kavelski, der hätte davon sicher drei Tage Sodbrennen, der alte Griesgram.«

Er griff nach der zweiten Tasse und nahm einen kleinen Schluck von der zähen, dunkelroten Flüssigkeit. Sie schmeckte nach Pfirsich, Pfefferkörnern, Teer, Kaugummi und frisch abgefeuerten Kanonenschüssen. Erfreut schnalzte er mit der Zunge. »Schon besser.«

Julian Peters wollte gerade nach der dritten Tasse langen, als ein unvorstellbarer Schmerz seinen Schädel durchfuhr. Es fühlte sich an, als rissen zwei Hände seine Gehirnhälften mit einer ruckartigen Bewegung auseinander.

Die vor ihm schwebenden Kännchen und Tassen wirbelten wild durcheinander. Einige klatschten gegeneinander und zerbrachen in der Luft wie Flugzeuge bei einer Kollision über den Wolken. Flüssigkeitsblasen und Scherben jagten wie Geschosse durch den Raum. Ein scharfkantiges Stück Porzellan riss Julian die linke Wange auf.

Der Träumer bemerkte es kaum. Denn jetzt kamen die Bilder. Albtraumhafte Bilder, die selbst sein etwas in Unordnung geratener, aber immer noch übermächtiger Verstand kaum verarbeiten konnte. Julian sah die Welt brennen – doch es war nicht seine eigene.

»Das ist nicht möglich«, stieß er hervor. »Ich habe die Übergänge geschlossen. Sie sind zu, alle zu!«

Doch die Visionen, von denen Julian Peters nicht wusste, ob sie Vorwarnungen waren oder Bilder aus einer unabänderlichen Zukunft, zeigten etwas anderes. Er schien eine Art Livestream aus der nahen Zukunft einer Welt zu empfangen, die seiner eigenen zum Verwechseln ähnlich war und sich doch in wesentlichen Details unterschied.

Die apokalyptischen Visionen kamen aus der Zamorra-Welt!

Julian hatte das Gefühl, in der Flut der Bilder zu ertrinken. Der Träumer schrie. Instinktiv mobilisierte er seine letzten Kräfte, um nicht kampflos unterzugehen. Ein silbern funkelnder magischer Schutzschirm baute sich um ihn herum auf und dehnte sich dann explosionsartig aus.

Doch Julian wehrte damit nicht nur die Visionen ab. Die Schockwelle durchlief das gesamte Gebäude und verebbte erst kurz vor den Mauern des wie eine Festung gesicherten Institutsgeländes. Zurück blieb totale Verwüstung.

Aufzeichnungen von Oberinspektor John Sinclair

»Das darf doch nicht wahr sein!« Entgeistert starrte ich auf das klingelnde Smartphone auf meinem Couchtisch. Ich seufzte und nahm mir einen Schluck Bier aus der gerade geöffneten Flasche, mit der ich eigentlich meinen Feierabend hatte einläuten wollen.

Den hatte ich mir nämlich redlich verdient. Ich hatte einen langen und ziemlich erfolglosen Tag damit verbracht, Hinweisen auf einen obskuren Geheimbund in Soho nachzugehen, die sich jedoch als ziemlich haltlos erwiesen hatten. Was unser Informant für einen gefährlichen Hexenzirkel gehalten hatte, war in Wahrheit nichts weiter als ein privater Swingertreff, der sein Treiben mit etwas magischem Hokuspokus gewürzt hatte.

Ich hatte zum Glück nicht allzu tief in die Materie eindringen müssen, um festzustellen, dass das hemmungslose Treiben der Mitglieder mit echter Magie wenig zu tun hatte. Es war nur ein harmloser Mummenschanz, nicht gefährlicher als eine Halloweenfeier – wenn auch deutlich weniger jugendfrei.

Als die Sache geklärt war, hatte mir die attraktive Chefin des Ladens, eine charismatische Mittvierzigerin namens Claire, angeboten, mich an Ort und Stelle noch etwas eingehender von der friedlichen Natur der dortigen Aktivitäten zu überzeugen. »Sie sehen etwas überarbeitet aus, Oberinspektor. Sie sollten sich etwas entspannen.«

Da hatte die gute Claire zweifellos recht. Aber meine Vorstellung von Entspannung hatte an diesem Abend mehr mit einem gemütlichen Fernsehabend auf meinem Sofa zu tun als mit einer ausgelassenen Orgie mit lauter fremden Männern und Frauen.

»Sorry, Claire, vielleicht ein anderes Mal.«

»Sie trauen sich ja doch nicht«, erwiderte die Swingerclub-Betreiberin mit einem kecken Lächeln. »Schade, ich hätte Sie für wagemutiger gehalten.«

»Wagemut wird bei Beamten ihrer Majestät nicht allzu gern gesehen. Vor allem in solchen Dingen. Sie wissen doch, im Grunde unseres Herzens sind wir alle stocksteife bürokratische Sesselfurzer.«

»Gegen steif hätte ich nichts ...«

Ich lachte. »Man sieht sich, Claire.«

»Machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können.«

Ich muss gestehen, bei einer Frau wie Claire hätte ich schon schwach werden können. Aber das ganze Gewusel drumherum, das bei solchen Veranstaltungen nun mal dazugehört, musste ich wirklich nicht haben. Ich war mit einem guten Film und einem kühlen Bier sehr viel besser bedient.

Das Bier stand vor mir, und ich hatte mir bei einem der großen Streamingdienste einen absoluten Klassiker ausgeliehen, Howard Hawks' Hemingway-Verfilmung »Haben und Nichthaben« mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall.

Ich wollte gerade die Wiedergabe starten, als mich das Smartphone in die Wirklichkeit des Geisterjäger-Lebens zurückholte. Ich schnappte mir den bimmelnden Plagegeist und sah aufs Display, das aber nur »Anonymer Anrufer« anzeigte.

»Cummings«, meldete sich eine mir nur zu bekannte Stimme. Mit Mühe unterdrückte ich ein genervtes Aufstöhnen. »Sie müssen sofort herkommen, Sinclair!«

»Was denn, keine absurden Spielchen diesmal?«, fragte ich halb amüsiert, halb verärgert. Bei meinen regelmäßigen Besuchen im Wingfield Institute for Advanced Psychotronic Technology tat der Sicherheitschef nämlich grundsätzlich so, als sehe er mich zum ersten Mal.

»Reden Sie keinen Scheiß und bewegen Sie ihren verdammten Arsch hierher, Oberinspektor«, brummte der ehemalige CIA-Mann, der seit einigen Jahren im Dienst der britischen Regierung stand. »Hier ist die Kacke am Dampfen!«

»Geht es Julian gut?« Ich spürte, wie etwas in meiner Wirbelsäule vereiste.

»Er lebt. Mehr oder weniger. Und im Vergleich zum Rest der Bude geht's ihm geradezu glänzend. Ich stehe hier in einem gottverdammten Trümmerfeld.«

Von außen sah das hinter hohen Mauern verborgene Wingfield Institute so aus wie immer. Zumindest auf den ersten Blick. Bei näherem Hinsehen entdeckte ich nicht nur zahllose gesprungene Fensterscheiben, sondern auch eine Reihe von Rissen, die die massiven Mauern durchliefen.

Doch das war nichts im Vergleich zu dem, was mich im Inneren erwartete. Die imposante Halle, die den ungewöhnlichen Bewohnern zugleich als Aufenthaltsraum und Lesesaal diente, sah aus wie nach dem Blitz*. Die Wände hatten so tiefe Risse, als seien sie innerlich aufgesprengt worden. Mehrere wandhohe Bücherregale waren umgestürzt und hatten ihren Inhalt auf dem Fußboden verteilt.

»Was ist denn hier passiert?«, fragte ich schockiert. »Hat hier eine Bombe eingeschlagen?«

»Das kann man wohl sagen«, brummte William Cummings. »Eine verdammte mentale Bombe namens Julian Peters.«

Der Mittsechziger mit dem militärisch knappen Schnurrbart und der von einem grauen Haarkranz gekrönten Glatze hatte mich am Eingangstor empfangen und ins Hauptgebäude geführt. Die Villa hätte gut als Filmkulisse für Hogwarts herhalten können. Und tatsächlich hatte das Wingfield Institute nicht nur optisch etwas von der Zauberschule aus der Harry-Potter-Welt. Nur dass hier die mächtigen Zauberer und paranormal Begabten nicht ausgebildet wurden, sondern ihren Lebensabend verbrachten.

Julian war der beste Beweis dafür, wie gefährlich es werden konnte, wenn diese Menschen ihre besonderen Kräfte altersbedingt nicht mehr unter Kontrolle hatten. Das Wingfield Institute war deshalb nicht nur ein besonders exklusives Seniorenheim. Es war zugleich eine Hochsicherheitseinrichtung, die verhindern sollte, dass die gebrechlichen und oft schon etwas dementen Bewohner in der Welt da draußen unbeabsichtigt großen Schaden anrichteten.

Die Bewohner, denen wir begegneten, wirkten jedoch durchaus friedlich. Obwohl der Saal erst vor wenigen Stunden völlig verwüstet worden war, saßen die uralten Magier in ebenso uralt wirkenden Plüschsesseln, lasen, spielten Karten oder starrten einfach nur vor sich hin.

Ich erkannte Mrs. Brendel, eine reizende ältere Dame, die ihre Mitbewohner regelmäßig beim Kartenspielen mit ihren hellseherischen Fähigkeiten über den Tisch zog. Neben ihr saß Mr. Kavelski, ein greiser Zauberer, der seine Mitmenschen allein durch Geisteskraft in Flammen aufgehen lassen konnte – etwa, wenn sie ihn beim Kartenspielen betrogen. Doch er lächelte seine Nachbarin nur sanft an und tätschelte ihr liebevoll die Hand. Offenbar wirkten die Medikamente. Mrs. Brendel zwinkerte mir keck zu, und ich bemerkte, wie sich die Miene ihres Galans schlagartig verfinsterte.

Unwillkürlich beschleunigte ich meinen Schritt und war froh, dass wir das Ende der Halle erreicht hatten. Mir stand nicht der Sinn danach, von einem trotz seines Alters noch ziemlich feurigen Galan in ein wandelndes Barbecue verwandelt zu werden.

»Wir nehmen die Treppe.«

»Was Sie nicht sagen.« Fassungslos starrte ich auf die Fahrstuhlkabine, die eine unsichtbare Faust gepackt und halb aus dem Schacht gerissen zu haben schien.

Über eine Wendeltreppe erreichten wir den ersten Stock. Ein Wirbelsturm schien alle Bilder und Lampen von den Wänden und Decken gefegt zu haben, die von einem ganzen Spinnennetz aus Rissen durchzogen waren. Jedes andere Gebäude wäre bei solchen Schäden längst geräumt worden. Doch wohin evakuierte man ein Altersheim wie dieses?