Proseccoperlenliebe - Claudia Wuttke - E-Book
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Proseccoperlenliebe E-Book

Claudia Wuttke

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Beschreibung

Wenn die große Liebe mit einem Lackschaden beginnt: Die romantische Komödie »Proseccoperlenliebe« von Claudia Wuttke jetzt als eBook bei dotbooks. Eine Frau hat niemals Macken – sie hat Spezialeffekte! Davon ist auch die junge Journalistin Thelse fest überzeugt. Und dass sie es bei ihrem neuen Schreibjob mit der Wahrheit nicht ganz ernst genommen hat, ist natürlich keine Lüge, sondern nur die kreative Neuinterpretation der Faktenlage … Also beginnt sie, einen hippen Reiseführer über die Balearen zu schreiben, obwohl sie noch nie auf Mallorca oder Ibiza war. Da gibt es nur ein Problem: den verflucht attraktiven Moritz, der Thelse abwechselnd zur Weißglut treibt und zum Träumen verführt. Denn der ist Marketingchef bei ihrem neuen Verlag – und darf ihrem Geheimnis natürlich nicht auf die Schliche kommen! Frech, vergnügt und spritzig wie ein Glas Prosecco: »Thelse wächst einem ans Herz wie eine Freundin!« Hamburger Abendblatt Jetzt als eBook kaufen und genießen: die romantische Komödie »Proseccoperlenliebe« von Claudia Wuttke, auch bekannt unter dem Titel »Lackschaden«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 323

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Über dieses Buch:

Eine Frau hat niemals Macken – sie hat Spezialeffekte! Davon ist auch die junge Journalistin Thelse fest überzeugt. Und dass sie es bei ihrem neuen Schreibjob mit der Wahrheit nicht ganz ernst genommen hat, ist natürlich keine Lüge, sondern nur die kreative Neuinterpretation der Faktenlage … Also beginnt sie, einen hippen Reiseführer über die Balearen zu schreiben, obwohl sie noch nie auf Mallorca oder Ibiza war. Da gibt es nur ein Problem: den verflucht attraktiven Moritz, der Thelse abwechselnd zur Weißglut treibt und zum Träumen verführt. Denn der ist Marketingchef bei ihrem neuen Verlag – und darf ihrem Geheimnis natürlich nicht auf die Schliche kommen!

Frech, vergnügt und spritzig wie ein Glas Prosecco: »Thelse wächst einem ans Herz wie eine Freundin!« Hamburger Abendblatt

Über die Autorin:

Claudia Wuttke, geboren 1966 in Berlin, studierte ursprünglich Komparatistik und Philosophie – und kennt heute wie kaum eine andere alle Seiten der Buchbranche, in der sie bereits als Autorin, Literaturagentin, Übersetzerin, Lektorin und Verlagsleiterin erfolgreich war und ist.

Die Autorin im Internet: www.createwriting.de

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eBook-Neuausgabe Dezember 2020

Dieses Buch erschien bereits 2005 unter dem Titel »Lackschaden« im dtv.

Copyright © der Originalausgabe © 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/Artnis

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-855-1

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Claudia Wuttke

Proseccoperlenliebe

Roman

dotbooks.

Alle Namen, Personen und Ereignisse in diesem Buch sind frei erfunden. Das merkt man schon daran, dass ein BMW Z3 gar keine Rückbank hat. Wer also glaubt, sich in einer der Figuren wiederzuerkennen, dem kann ich nur sagen: So stereotyp kommt mir mein Leben auch oft vor.

Thelse S.

Kapitel 1

Noch während ich redete, wusste ich, dass ich diese Entscheidung später bitter bereuen würde.

»Nein, Ende März ist gar kein Problem. Passt super.«

War ich bescheuert? Was tat ich da? Wieso war Ende März kein Problem? Was könnte ich nicht alles bis Ende März erledigt haben! Ich wollte endlich aus diesem Loch raus, das sich meine Wohnung nannte. Bis Ende März könnte ich prima umgezogen sein. Jetzt war November. Ich könnte mir nach Weihnachten die Zeitungen kaufen oder Makler anrufen, und bis Ende März hätte ich meine neue Zwei-Zimmer-Altbauwohnung. Zum Jahresanfang kündigen sowieso alle Leute ihre Wohnungen. Da gibt es Weihnachtsgeld. Silvester kommt, und ein Haufen Paare trennen sich. Silvester kommt, und ein Haufen Paare wollen zusammenziehen.

Das war meine Zielgruppe, die Paare, die zusammenziehen wollten, denn die gaben ihre kleinen Wohnungen auf. Ich suche eine kleine Wohnung. Das sagte ich ja bereits. Sagte ich auch schon, dass ich kein Paar mehr bin? Seit gut einem Jahr nicht mehr. Ich bin leider immer noch dabei, mich an den Gedanken zu gewöhnen.

»Ja, Herr Meisinger, das finde ich auch. 320 Seiten sollten es schon sein. Man braucht ja auch Platz für die Fotos ... Genau, die wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung. Das ist natürlich wichtig.«

Auch für Frauen?, dachte ich. Wieso sollte die politische Entwicklung Mallorcas oder Ibizas für Frauen eine besondere Bedeutung haben, die sich einfach mal wieder verwöhnen lassen und neue Energie tanken wollten? Das könnte man doch gut und gern in einem ganz gewöhnlichen Reiseführer nachlesen. Oder aus einem abschreiben. Der Gedanke gefiel mir. Okay, Herr Meisinger, wenn Sie denn meinen ...

»Demnach vielleicht wirklich besser 360, stimmt. Die Ausgeh- und Fashion-Tipps dürfen schließlich nicht zu kurz kommen. Ganz zu schweigen von den Wellnessoasen mit Thalasso, Steinölfango, Balance-Aerobic, Aqua-Training und und und.«

Wer redete da eigentlich? Ich doch wohl nicht? Tja, anscheinend doch: Ich war gerade dabei, den größten Fehler meines Lebens zu begehen.

Ich, Thelse Simon, Alter: einunddreißig. Thelse, weil meine Eltern einen Hau mit norddeutschen Vornamen weghaben. Meine ältere Schwester heißt Siemke, und mein Bruder hätte vermutlich Hauke geheißen. Zum Glück habe ich keinen Bruder.

»Das Honorar?« Ich schluckte. Stimmt, da war doch noch was. Das Honorar.

Nicht dass ich auf den Kopf gefallen wäre, und niemand kann mir nachsagen, besonders bescheiden oder schüchtern zu wirken. Von meiner großen Klappe war eher die Rede als von meiner Tendenz, mich plötzlich hinter einer Litfaßsäule zu verstecken, weil ich in der Menge einen Bekannten ausmache, dem ich in dem Moment partout nicht Hallo sagen will. »Hallo!« (unverfänglich), »Hal-lo ...« (burschikos bis jovial) oder doch eher »Hi« (Girlie)? Bevor ich mich für die richtige Formel entschieden hätte, wäre derjenige meistens sowieso schon mit einem freundlichen »Hi, hallo Thelse« an mir vorbeimarschiert, und alles, was mir bis dahin eingefallen wäre, käme einem dumpfen »Äh ...!« gleich.

Da ging ich doch lieber vorher hinter einer Litfaßsäule in Deckung.

Was mir niemand glaubte.

Das Honorar also. In Sekundenschnelle überschlug ich, was ich mir wert war; darüber hätte ich mir im Vorhinein eigentlich auch schon Gedanken machen können, stellte ich kritisch fest. Immerhin war ich aber nicht schlecht im Kopfrechnen. Die Krämerseele in mir.

360 Seiten à 1.800 Anschläge machte bei einem Seitenhonorar von ... sagen wir mal 15, nein, besser 20 Euro, eine Summe von 7.200 Euro. Bedachte man, dass die Hälfte des Buchs aus Fotos bestehen sollte, errechnete ich ein Honorar von 3.600 Euro. Zu wenig. Viel zu wenig. So kam ich nicht weiter. Vier Wochen Recherche vor Ort, Flug, Apartment, Kost und Logis, doppelte Haushaltsführung, nicht zu vergessen das Honorar für eine Topjournalistin an sich, und auch der Makler, den ich irgendwann mal für die neue Wohnung bezahlen musste. Jetzt war November. Ende März wurde abgerechnet. Fünf Monate. Fünf Monate und ein exklusiver Frauenreiseführer zu den Balearen sollte entstehen. Fünf Monate, in denen ich quasi nichts anderes machen konnte. Fünf Monate, die mich banden. Ich überschlug die Zahlen noch einmal in meinem Kopf und kam dann zu einem, wie ich fand, korrekten Angebot.

»13.000«, sagte ich selbstbewusst.

Pause.

Nein, nein, Euro, durchaus. Für wen hielt Herr Meisinger mich denn? Es ging eine Weile hin und her, aber wenn mich einmal mein eigener Gerechtigkeitssinn gepackt hatte, war irgendwann auch Schluss.

Mit mir kann man alles machen, wirklich. Ich wette, ich würde auch noch mit vierundfünfzig morgens um vier über den Zaun eines Freibads klettern (falls mein Rücken mir nicht einen Strich durch die Rechnung machte), um mit dem netten Herrn aus der Tanzbar nackt schwimmen zu gehen. Ich nahm den Hund meiner Freundin übers Wochenende in Pension, und wenn sie ihn selbst am Mittwoch noch nicht wieder abgeholt hatte, merkte ich es nicht einmal. Ich würde auch sofort in die nächste Bäckerei stürzen, wenn meine Schwester, die in Italien lebte, mich bitten würde, ihr per Eilkurier ein saftiges 1000-Gramm-Doppelkorn-Schwarzbrot zu schicken, weil ihr das Ciabatta zu den Ohren herauskam. Für so was war ich immer zu haben.

Aber deswegen musste ich mich doch noch lange nicht unter Wert verkaufen!

Wir einigten uns schließlich auf 11.000 Euro, Herr Meisinger und ich. Pauschal. Plus Aufwandsentschädigung, sprich: Sollte ich aus Recherchegründen telefonieren müssen, zahlte er. Gut zu wissen, denn wenn etwas wichtig würde auf den spanischen Mittelmeerinseln, dann das Handy.

Und so kam es zu dem Job, der mein Leben komplett auf den Kopf stellen sollte. Ich war ab sofort damit beauftragt, einen fetzigen Balearen-Guide für die Frau von heute zu verfassen. Aha!

Ich hatte mir im Vorfeld keine Gedanken darüber gemacht, wie wichtig so ein Buch in heutigen Zeiten eigentlich noch sein könnte. Wenn ich jetzt darüber nachdachte, fand ich es eigentlich schwachsinnig, in so ein Projekt 11.000 Euro plus Herstellungs-, Druck-, Werbungskosten und den ganzen Rest zu investieren. Trotzdem war es immer wieder gut zu wissen, dass es noch solche Quellen gab, die man anbohren konnte. Das war einer der Gründe (von mindestens zweien), weshalb ich vor fünf Monaten den Schritt gewagt hatte, meine Stelle bei der ›Niedersächsischen Umschau‹ in Celle zu kündigen, mich nach Hamburg abzuseilen und hier als Journalistin selbstständig zu machen: Ich war nämlich viel zu hasenfüßig, um im redaktionellen Haifischbecken einer Provinzzeitung auf die Dauer wirklich bestehen zu können. Ich konnte meine Ideen nur schlecht verteidigen, weil ich die Argumente der Gegenseite im Kampf um ihre Zeilen meistens schon selbst vorwegnahm. Und sie sogar verstehen konnte. Das war eine ganz schlechte Voraussetzung für eine erfolgreiche Redakteurin. Bei der ›Niedersächsischen Umschau‹ hatte ich, wenn ich mich nicht täusche, in anderthalb Jahren nur eine einzige längere Geschichte im Blatt unterbringen können, die auf meinem ureigenen Mist gewachsen war: ein 120-Zeiler über Geruchskiller mit einer speziellen Edelstahllegierung, ein ziemlich verrücktes Produkt, nach dem ich lange suchen musste, um dem Fußgeruch meines damaligen Freundes, Tim, etwas entgegensetzen zu können. Ansonsten speiste man mich mit langweiligen »Gestern Nacht ereignete sich auf der B3 nahe Peine ein schwerer Verkehrsunfall«-Lokalmeldungen ab. Immerhin: Am Ende war ich so perfekt, dass ich die Unglücksstelle noch nicht mal mehr besichtigen musste.

Im Zuliefern hingegen war ich eine wahre Meisterin, zuverlässig, pünktlich, manchmal originell und meistens kein einziges falsch gesetztes Komma. Das packte mich bei meiner Ehre. Auftragsarbeiten spornten mich an. Wenn mein Chef mich anfeuerte wie einen Marathonläufer auf der Zielgeraden: »Fototapeten sind wieder up to date. Los, Thelse, bastele eine geile Geschichte draus! Die siebziger Jahre erleben gerade ein unglaubliches Revival. Mach eine Umfrage, sei bürgernah!«, dann lief Thelse los wie aufgezogen und ließ nichts unversucht, bevor sie nicht alles über das Comeback dieser Heile-Welt-Bilder herausbekommen hatte.

Man konnte sich denken, dass ich damit keine große Nummer geworden war.

Wie alles anfing? Nun, nach dem Abitur machte ich ein Volontariat bei der ›Niedersächsischen Umschau‹. Danach begann ich in Hannover ein Germanistikstudium, schwenkte dann aber auf Jura um. Was mir ebenso wenig gefiel. Also brach ich im fünften Semester ab. Als eine von vielen. Mit dreiundzwanzig schlüpfte ich dann erneut bei meinen Eltern in Celle unter. Da ein solcher Fehlschlag auch an mir nicht spurlos vorüberging, verabschiedete ich mich für ein Jahr nach Spanien. Um zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Mal zu mir kommen. Und nebenher: baden und viel Sonne.

Spanien war mein Glück. Ich glaube nicht, dass ich sonst noch mal bei der ›Umschau‹ hätte einsteigen können. Endlich war ich in etwas fit, was sonst keiner konnte. Ich beherrschte auf einmal eine »exotische« Sprache aus dem Effeff, was mich unvermutet weiterbrachte. Nicht die Projekte wurden für mich interessanter, ich aber durchaus für die Projekte. Plötzlich hob man die Brauen, wenn ich großspurig tönte, dass ich der spanischen Sprache mächtig war. Mir kam das zwar irgendwie banal vor. Meine Umwelt aber, die fand es bewundernswert. Ich lebte in einer Kleinstadt! Deswegen hatte mir die ›Umschau‹ die halbe Redakteursstelle angeboten. Mit der Zeit kamen dann noch hin und wieder Artikelchen über Rioja, Manchego-Käse oder Serrano-Schinken in ernährungswissenschaftlichen Fachmagazinen hinzu, wenn ich mich in einer mutigen Minute doch mal ans Telefon wagte. Und ich schrieb in irrelevanten Medien Rezensionen über literarische Neuerscheinungen aus Spanien. Das war meine Art, in der Hochkultur mitzumischen, und ich kam ganz gut damit über die Runden.

Die Sache mit dem Balearen-Guide hatte ich Babette zu verdanken. Babette ist meine beste Freundin und Chefredakteurin bei dem Hamburger Reisemagazin ›Worldseeing‹. Ein tolles Blatt! Eine tolle Frau! Zwei Jahre älter als ich und verheiratet mit Lars, einem Grafiker und einem der bezauberndsten Männer, die ich kenne. Babette selbst sieht spitze aus, Körbchengröße B und mit 1,72 Meter Kleidergröße 36. So ziemlich das genaue Gegenteil von mir.

Wir, Babette und ich, hatten uns während einer Nachtwanderung auf den Brocken kennen gelernt – das war vor etwa sechs Jahren. Ich war zu jener Zeit gerade mit Tim zusammengezogen. Die Wanderung war eine dieser bescheuerten Event-Ideen einer Werbeagentur aus Hannover gewesen. Ich weiß nicht mal mehr, um welches Produkt es ging. Irgend so ein Hightech-Schrubber, glaube ich. Für mich war es der Ortstermin zu einem 16-Zeiler. Für sie der berufliche Durchbruch. Sie hatte eine wirklich witzige Reportage geschrieben, bei der sie das ganze Agenturwesen hochgenommen und ziemlich kluge Gedanken über Produktmarketing zu Papier gebracht hatte, woraufhin sie ein Jobangebot von einer Hamburger Tageszeitung bekam. Von da an ging es bei ihr flott bergauf. Na ja, und jetzt als Chefredakteurin von ›Worldseeing‹ bekam sie natürlich eine Menge mit. In der Branche war sie ein Star, den man hofierte und bei dem man sich für die bloße Nennung in einem Dreiseiter mit einem Riesenstrauß Blumen bedankte.

Einmal hatte ich auch Blumen bekommen. Vom Verband der Floristen. Damals hatte ich einen ziemlich pathetischen Artikel zum Muttertag geschrieben – den ich selbst mit konsequenter Regelmäßigkeit vergaß. Und an den ich mit konsequenter Regelmäßigkeit drei Tage später vorwurfsvoll von meiner Mutter erinnert wurde. Im Service-Block hatte ich ein paar 24-Stunden-Lieferdienst-Internetadressen angegeben. Das schien gewirkt zu haben. Der Strauß war schön, da gab's nichts zu meckern.

Doch wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei der Goldgrube »Reiseführer-Verlag«. Auf der Präsentation einer neuen Programmlinie von Travel Fun, besagtem Verlag, war Babette mit Herrn Meisinger ins Gespräch gekommen. Herr Meisinger ist der Geschäftsführer, sagte ich das schon? Er hatte Glück, dass Lars an dem Abend Überstunden machen musste. Er hatte Glück, dass Babette Hunger und keine Lust zum Kochen hatte und sich deswegen für die Canapés von Travel Fun entschied. Und er hatte Glück, dass keiner der Gäste spannender war als er, Meisinger, Manfred. Kurzum: Er hatte unglaubliches Glück!

Und damit am Ende wohl vor allen Dingen ich, denn neben der Reiseroman-Schiene, die an diesem Abend im »Due Capricci«, einem edlen Restaurant hinter dem Hamburger Fischmarkt, vorgestellt wurde, erzählte der Geschäftsführer Babette auch von seinem nächsten Großprojekt: den hippen Travelguides für Frauen.

Babette reagierte im Vorhinein genauso skeptisch wie ich im Nachhinein.

»Herr Meisinger, ich bitte Sie! Frauenreiseführer zu Beginn des dritten Jahrtausends! Die Emanzipation haben wir doch längst hinter uns. Wer will denn heute noch auf dem feministischen Fuß erwischt werden?«

Aber der energische Herr Meisinger schien sein Vorhaben mit gewichtigen Gründen verteidigt zu haben. Zumindest hatte Babette es mir später so erzählt. Kaufkraft Frau. Noch besser: Kaufkraft Singlefrau (da war ich sogar Zielgruppe). Da sei ein Markt abzuschöpfen: Sie ahne es ja gar nicht. Unsere Frauen, die toughen, karrierebewussten, die, die einen eigenen Kopf haben, die wollen doch was ganz Besonderes, nur für sie. Nicht diesen Massmarket-Quatsch, Bücher für Jan & Jedermann, Reiseführer, die alle kaufen. Die klugen und gebildeten Frauen, die stellten doch eine eigene Kaste dar.

»Kaste! Er sagte Kaste!«, regte sich Babette auf, als sie mir davon erzählte.

»Und für die wollen wir eine exklusive Marke kreieren: das sexy Seidennachthemdchen zum Reinlesen sozusagen.« Herr Meisinger hätte bei diesem Vergleich ein wenig schlüpfrig gekichert, erzählte Babette später. ›Sex and the Globus‹ sei der Projekttitel, ließ er schließlich die Katze aus dem Sack, nachdem man ›Allie's Travel Fun‹ wieder geknickt habe, als man hörte, dass die letzte Staffel über Ally McBeal, Singlefrau par excellence, bereits abgedreht war. Den Auftakt, und jetzt kam's, sollte ein Reiseführer über die Balearen machen.

Da hatte Babette sofort geschaltet. Aus purer Freundschaft zu mir, nehme ich an, hatte Babette sich auf einmal ungeheuer interessiert gezeigt und Meisinger, Herrn Manfred Meisinger, wie nebenbei von einer Topjournalistin vorgeschwärmt, von einer viel beschäftigten und nicht ganz billigen natürlich, aber eben auch von einer der besten überhaupt für diese Herausforderung. Sie könne, wenn er wolle, ihr ja einmal seine Nummer geben.

Und ob Herr Meisinger wollte. Schon zu diesem Zeitpunkt lief der Abend für ihn viel besser, als er jemals zu hoffen gewagt hätte.

Der Rest ist bekannt.

Ich hatte also fünf Monate, ein Budget von 11.000 Euro und die Chance vor mir, Tim, den Mann, von dem ich mich seit gut einem Jahr erfolglos zu trennen versuchte, ein für allemal zu vergessen. Konnte man da nein sagen?

Ich stellte das Telefon wieder auf die Station zurück und setzte mich auf meinen 1.500 Euro teuren und diesen Preis durch nichts rechtfertigenden Mies-van-der-Rohe-Stuhl, den ich mir von meinem Ersparten zu Beginn meiner Selbstständigkeit gekauft hatte. Ein psychologischer Trick: Man muss sich nur selbst genug unter Erfolgsdruck setzen, dann wird man von allein reich und berühmt. Das kostete mich natürlich die ersten vier Monate Einkaufen bei Aldi und den Verzicht auf mindestens drei Paar der genialsten Schuhe, die ich so nie, NIE!, wieder finden würde. Aber was sollte ich tun? Ich hatte mich nun einmal in den Stuhl verguckt, und nun stand er da. Bauhausstil mit einem Bezug aus Kuhfellimitat. Chic, aber unbequem, zumal wenn man, wie ich jetzt, die Beine über die zu breite Lehne baumeln ließ und dabei direkt auf seine Füße starrte.

Meine Füße, auch so ein Thema.

»Ich kann Ihnen nur empfehlen, regelmäßig mit dem großen Zeh zu trainieren und das Wurzelgelenk zu massieren. Ihre Füße haben die Tendenz zur Verholzung. Damit werden Sie im Alter Probleme bekommen.«

Diesen dreisten Satz musste ich mir vor etwa anderthalb Jahren von einer Fußpflegerin anhören, die mir von einer eigentlich zuverlässigen Freundin empfohlen worden war. Ich dachte damals natürlich sofort an die Füße meiner Großmutter und sah mich plötzlich sehr real mit siebenundsechzig vor mir: verholzte Füße, dauergewellte weiße Haare, die wie elektrisierte Fusseln in die Luft standen, weiße Stützstrümpfe in viel zu großen Gesundheitstretern, weil nur die dem verholzten großen Zeh ein Luftloch ließen. Bluse gebügelt – die einzige Überraschung in meinem zukünftigen Leben.

Es war das erste Mal, dass ich überhaupt zu einer Fußpflegerin gegangen war. Ich fand, mit neunundzwanzig (knapp dreißig, um genau zu sein, es fehlten lediglich zehn Monate) konnte man so was schon mal machen. Obwohl, vielleicht war genau das der Fehler. Im Grunde wollte ich nämlich nicht, dass sie meinen Füßen gut tat. Ich wollte, dass sie meine Probleme löste. Und so, wie mir diese Frau von meiner Freundin, die eine Menge Probleme hatte, beschrieben worden war, dachte ich, sie wäre genau die Richtige für mich. Doch dann kam der Satz mit der Verholzung.

Aber so war das immer bei mir. Entweder erwartete ich zu viel oder ich löste in anderen Menschen ständig den Verdacht aus, keineswegs hilfsbedürftig, sondern eher im Gegenteil die ideale Kummerkastentante zu sein. »Aua«, schrie ich deshalb auch, als die Fußpflegerin ihre geballte Ladung Wut über die zwanzigprozentige Mieterhöhung über mir ausschüttete und ihr dabei der Hobel an meiner Ferse entglitt.

Ich deckte jetzt meine Füße mit einem Handtuch zu und ließ sie weiter über der teuren Stuhllehne baumeln.

11.000 Euro, dachte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Danke, Herr Meisinger. Danke, Babette. Ich sollte sie anrufen. Wie spät war es? 17.06 Uhr. Keine gute Zeit für meine beste Freundin. Sie war garantiert in irgendeinem wichtigen Meeting in der Redaktion oder hing über dem Editorial der nächsten Ausgabe ihres Reisemagazins, so dass sie keinen Sinn für einen Plausch hatte. Um mit Babette zu telefonieren, gab es eigentlich nur zwei Uhrzeiten: morgens zwischen halb neun und zehn, nachdem sie joggen war und bevor alles losging, oder abends zwischen halb elf und elf, wenn sie den Tag abgepellt hatte wie eine gebrauchte Haut und sich gerade mit einem Glas Rotwein zu Lars in die Küche setzen oder faul auf der Couch lümmeln wollte.

Mit mir konnte man immer telefonieren.

17.07 Uhr. Ich fand, mangels sonstiger Unterhaltung wäre jetzt ein Prosecco das Gebot der Stunde. Hatte ich etwa nichts zu feiern? Ich schlich um den Kühlschrank herum. Ich öffnete die Tür und nahm die Flasche heraus, in der ein IKEA-Esslöffel baumelte. Placebo, dachte ich einmal mehr. Ich hatte kein Silber im Haus.

Ich schenkte mir ein Glas ein, das erstaunlich lecker schmeckte. Ich schenkte mir noch ein Glas ein und legte die erste Maxi-Single meines Lebens auf: »Und der Mensch bleibt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt ...«

O weh, ich stolperte wirklich über jeden emotionalen Fallstrick. Grönemeyers letztes Album. Und wieder sprach es mir so aus dem Herzen. Seit ›Flugzeuge im Bauch‹ war ich nicht älter geworden. Das war locker zwanzig Jahre her. Na ja, knapp.

Ich öffnete die Kühlschranktür erneut. Huch, der Prosecco stand ja gar nicht mehr drin. Aber da entdeckte ich meinen leckeren Käse. Manchego und Appenzeller. Ich konnte mich nicht entscheiden. Belegte mir ein Brot, nein, zwei Brote mit Käse. Und Tomate. Sie fiel runter, oh! Fand den Prosecco auf der Anrichte. Goss mir ein drittes Glas ein. Dann zündete ich mir eine Zigarette an. Ach, Herbert, du verstehst mich wenigstens! Du redest nicht von wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen. Du redest von Liebe. »Und es ist ... es ist okay, es tut gleichmäßig weh.« Ich drückte die Zigarette wieder aus. Kannte mich in dem Zustand. War schwermütig. War ein bisschen beschwipst. Tim!

Das Telefon klingelte. Na so was.

Kapitel 2

Dachte ich es mir doch. In einer solchen Stimmung bekommt man nie den Anruf, den man sich erhofft.

»Hallo, mein Schatz. Wollte nur mal deine Stimme hören. Und, was gibt's Neues? Wir haben gestern bei Frau Droste eine große Tanne umgehauen. Morgen gehe ich wieder zum Sportabzeichen. 1.000 Meter laufen. Beim letzten Mal habe ich mir ja fast eingepullert. Papa ist zum Singen ...«

Meine Mutter. Unverkennbar.

»... und der Garten, Thelse, kannst dir gar nicht vorstellen, wie die Rosen dieses Jahr geblüht haben. Trotz dem vielen Regen. Unglaublich! Papa überlegt sich schon, den Brunnen zu versetzen und im nächsten Frühjahr noch mehr Georgette-Rosen zu pflanzen. Schön, deine Stimme zu hören, mein Schatz ...«

Meine Stimme?, dachte ich. Die hast du seit Weihnachten nicht mehr gehört. Vielleicht war es aber auch gut, dass ich mal wieder nicht zu Wort kam. Ich hatte eine ziemlich schwere Zunge. Ich leckte den Hals der Prosecco-Flasche. Oooch, alle. Hallo Mutti.

»... morgen gehen wir wieder in den Spar, auspacken. Ich sag' ja immer zu Papa, sei doch froh, wenn die Zahnstocher und Kerzenhalter kommen und in die Regale müssen. Viele kleine Teile, viele kleine Euros. Je größer die Teile, desto schneller geht's, desto weniger money-money. Wir werden nach Stück bezahlt, weißt ja. Kann dir morgen dann auch wieder ein Scheinchen schicken, nicht, mein kleiner Schatz. Wie geht es dir denn?«

Diese Frage verlangte nun doch nach einer Antwort. Darauf war ich nicht vorbereitet.

»Gut!«

»Ach, das freut mich aber. Als ich neulich wieder an unserem Stammtisch saß, weißt du, mit Wegmanns, Müllers, Drostes und Klodwercks, da haben wir ja auch über unsere kleine Thelse gesprochen ...«

Unsere kleine Thelse. Sehr witzig. Ich wurde bald 32! Durfte gar nicht dran denken. Mutti, ich gehe stramm auf die 40 zu!

»Und ... ach, du weißt ja, mir fehlen immer die richtigen Worte. Sag mal, isst du auch genug Gemüse?«

Nein. Ich trank zu viel Prosecco.

»Mutti!«

»Ja, Schatz?«

Ich gehe auf die vierzig zu. Was rätst du mir? »Ich muss leider los. Ich habe einen ziemlich großen Auftrag bekommen und soll heute noch den Vertrag abholen.«

»Das ist aber schön. Ja, das sagt Papa auch immer: Von nichts kommt nichts. Wollte auch nur mal wieder deine Stimme hören. Mach's gut. Ich ruf' bald wieder an.«

»Grüß Papa, tschüs.«

Ich legte auf und hielt mir das schnurlose Telefon wie ein feuchtes Tuch vor die Stirn. Meine Mutter. Wie war es möglich, dass manche Menschen selbst die einfachsten Kommunikationsregeln konsequent ignorieren konnten und trotzdem gut durchs Leben kamen? Natürlich musste ich den Vertrag nicht gleich abholen. Aus irgendeinem idiotischen Grund hatte ich gedacht, die 11.000 Euro könnten sie interessieren. Das nächste Mal würde ich sagen, dass ich jetzt leider los müsse, weil der Michel um i8 Uhr schließe und ich mich noch vom Turm stürzen wolle. Wahrscheinlich würde sie auch darauf antworten: »Ach, das ist aber schön. Papa sagt auch immer, von nichts kommt nichts.«

Ich schüttelte den Kopf, um die lästigen Gedanken zu vertreiben. Mutti war kein bösartiger Mensch, tröstete ich mich. Sie war einfach nur ein bisschen verrückt. Und verrückte Menschen waren mir eigentlich grundsätzlich sympathisch. Vermutlich, weil ich selbst ein bisschen durchgeknallt war. Und ein bisschen zu dick, sagte ich mir, als ich auf dem Weg zur Couch am großen Flurspiegel vorbeikam. Ich musste abnehmen. Ich beschloss, schwimmen zu gehen. Jetzt. Obwohl ... doch besser morgen früh. Man sollte nicht mit vollem Magen schwimmen. Was da alles passieren konnte! Und beschwipst sollte man es erst recht sein lassen! Aber ich konnte ja schon mal alles zusammenpacken. Während ich Badeanzug, Handtuch und Duschgel in meine Sporttasche warf, überlegte ich, warum meine Mutter eigentlich angerufen hatte. Am Ende wollte sie wirklich nur meine Stimme hören.

Schläfrig legte ich mich danach auf die Couch. Das Dumme am Prosecco war, dass es einen hundemüde machte, wenn man zu früh damit anfing. Ab i8 Uhr war das kein Problem mehr. Da schaltete mein Körper aus einem mir unerfindlichen Grund irgendwie um, aber vorher ...

Angenehm benebelt schloss ich die Augen ...

... um sie eine Sekunde später sofort wieder aufzureißen.

Es ist wie verhext, aber es passiert mir immer wieder: Kaum mache ich die Augen zu, habe ich Tims Gesicht vor mir. Und wenn ich ein Gesicht auf der Couch ganz bestimmt nicht vor mir haben wollte, dann wohl seins. Es war aus. Schluss. Vorbei. Seit 372 Tagen. Aber wenn es schon einmal so weit war, konnte ich es auch nicht mehr ändern. Also dachte ich zum x-ten Mal daran, wie wir uns kennen gelernt hatten. Ich kann mich noch immer nicht entscheiden, ob er mir von meinem wohlmeinenden Schutzengel oder einer verkaterten Laune des Schicksals gesandt worden war. Fest steht jedenfalls, dass ich ihn vor sieben Jahren und sieben Monaten (schicksalhaft, so viele Sieben, finde ich) zum ersten Mal gesehen und er sich vor sieben Jahren und sechs Komma neun Monaten auf eine Affäre mit meiner damals besten Freundin Eli eingelassen hatte.

Nach meinen gescheiterten Versuchen, in der Wissenschaft meine Bestimmung zu finden, war ich, wie gesagt, wieder nach Celle gezogen. Vielleicht kennt ja jemand Celle. Wer häufig auf der Autobahn Hamburg–Hannover unterwegs ist, erinnert sich womöglich an das braune Schild, auf dem man für die »Alte Residenzstadt« wirbt. Das Celler Schloss ist darauf abgebildet. Die Geschichte mit dem Celler Loch ging ja auch mal durch die überregionalen Medien. Damals wurden zur Unterstreichung der terroristischen Gefahr von Regierungsseite Löcher in die Justizvollzugsanstalt gebombt. Heute kommt man von Norden nach Celle, indem man zunächst das Hermann-Löns-Denkmal in der Lüneburger Heide, dann den Truppenübungsplatz der britischen Alliierten in Bergen und schließlich die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen passiert. Viel Geschichte rund um Celle.

Ich jedenfalls hoffte, nach meinen verunglückten Semestern in Hannover und dem traumhaften Jahr in Barcelona in Celle nicht intellektuell zu versauern. Und da war ich natürlich begeistert, von meinem Freund Harald zu hören, der es inzwischen zum Gymnasiallehrer gebracht hatte, dass ein versprengtes Häuflein kluger und alternativ denkender Menschen eine Kulturzeitschrift namens ›Visionen‹ ins Leben rufen wollte und Unterstützer gut gebrauchen konnte. Ich beratschlagte mich mit Eli darüber, die sich in ihrem Job bei der Touristeninformation auch nur langweilte und von daher sofort begeistert war.

Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre. Es war Sommer. Es war ein Dienstag. Es war 19 Uhr und außer Eli und mir war noch niemand im »Bistrot«, der Kneipe mit dem extravaganten »t« am Ende, in die man sich nur traute, wenn man sich in irgendeiner Hinsicht für auserwählt hielt. Wir setzten uns an einen der Resopaltische und bestellten einen Kaffee. Der Erste, der nach dem Wirt auftauchte, war Tim. Was mir sofort an ihm auffiel, war sein offenes Lachen und die Fältchen um die Augen. Total sympathisch. Egal, was Eli und ich vorher gedacht hatten, dass wir an einen Lügendetektor angeschlossen und auf unsere Eignung für ›Visionen‹ geprüft würden: Alles war mit Tims entwaffnendem Lächeln im Nu wie weggeblasen. Ich kam mir nicht mehr so bescheuert deplatziert vor. In seiner Gesellschaft fühlte ich mich wohl. Sofort.

Wie Eli sich fühlte, weiß ich nicht zu sagen. Wenn sie flirtet, scheint bei ihr irgendetwas auszusetzen. Sie machte sich jedenfalls mächtig interessant, zeigte ihren emanzipiertesten Augenaufschlag, köderte ihn, ließ ihn dann aber auflaufen, lachte lasziv auf und machte zu allem Überfluss auch noch so kluge Bemerkungen, dass ich anfing, nachdenklich die verkrusteten Milchreste aus meiner Kaffeeschale zu lecken. Neben so einem intellektuellen Vamp blieb mir nichts anderes übrig als zu schweigen und hin und wieder ein zustimmendes Lächeln zum Besten zu geben, das sich im Laufe des Abends mehr und mehr versteifte.

Irgendwann kamen auch Harald, Norbert, Lisa, Heinz und eine seltsame Frau namens Maren ins »Bistrot«. Sie war mir gleich aufgefallen, weil sie wunderschöne grüne Augen hatte, die sie zudem auf merkwürdige Art verdrehte, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte. Und weil sie mir von allen am natürlichsten erschien. Wenn es nicht von vornherein überflüssig gewesen wäre, hätte ich sicher ihr zuerst das Du angeboten.

Man diskutierte, argumentierte, ereiferte sich, stritt – wenn ich mich recht erinnerte, so drehte man sich im Kreis. Klar vor Augen steht mir nur noch, dass Eli mir gegen halb eins unauffällig einen Schubs unter dem Tisch gab. Sie wolle gehen, hieß das. Mir war das längst recht. Tim küsste sie zum Abschied flüchtig auf den Mund, bevor wir unsere Fahrräder aufschlossen und uns ohne ein Wort auf den Heimweg machten.

Irgendwann fragte ich sie dann doch: »Und, wie fandest du's?«

»Wie soll ich es schon gefunden haben?«, erwiderte sie knapp. »Unstrukturiertes Gewäsch ohne jede Basis.«

Auch das war Eli. Sie wollte immer gleich Nägel mit Köpfen machen. Aber ich hatte nicht den Arbeitskreis gemeint. Ich wollte wissen, wie sie es mit Tim hielt. Und so bohrte ich dann auch nach.

Sie lachte hell auf. »Tim? Kann man mal so mitnehmen.«

Wieder schwiegen wir. Ich empfand ein wachsendes Unbehagen. Aber was ging es mich an? Ich mochte Eli. Nur: Die Lachfalten um Tims Augen mochte ich auch ...

Eli und Tim sahen sich zwei Tage nach dem ersten Treffen wieder und landeten, wie bei Eli nicht anders zu erwarten, auch direkt im Bett. An ihrer Einschätzung, dass man Tim »mal so mitnehmen kann«, schien sich auch nach dem dritten, vierten und fünften Treffen nicht viel geändert zu haben. Kurz und gut: Eli hatte eine Affäre mit Tim. Was Tim mit Eli hatte, wusste ich nicht. Bis zu dem Tag von Haralds Party, etwa drei Wochen, nachdem die beiden sich kennen gelernt hatten. Mir gegenüber sprach Eli bereits davon, dass sie die Geschichte demnächst beenden würde. Aber davon wollte sie später natürlich nichts mehr wissen.

Es war schon relativ spät, als Tim bei Harald auftauchte. O Gott, man stelle sich vor, die Tür ging auf, und hereingestürmt kam ein Tim, der, an Eli vorbei, auf mich, ich wiederhole: auf mich zueilte. Er baute sich vor mir auf, und es folgte der bis heute unvergessene Satz. O-Ton: »Thelse, ich komme geradewegs mit dem Auto aus Hannover. Ich bin also noch nüchtern. Thelse, ich bin nur aus einem einzigen Grund noch nüchtern: Ich musste dich unbedingt sehen. Ich wollte nur zu dir!«

Schweigen. Ich starrte ihn ungläubig an. Ich musste nachdenken. Ich war ganz durcheinander.

»Du hast aber was mit Eli!«

»Ich hatte!«

»Ich muss mal.« Um Zeit zu schinden, rannte ich aufs Klo, schloss mich dort zum Missfallen vieler Partygäste zwanzig Minuten lang ein und versuchte meine Gedanken zu sortieren.

Tim hatte eine Affäre mit meiner besten Freundin. Selbiger Tim hatte mir aber soeben zu verstehen gegeben, dass er in mich verliebt war. Weil Tim eine Affäre mit meiner besten Freundin hatte, hatte ich mir nie überlegt, ob mir außer den Lachfältchen noch mehr an ihm gefiel. Das Einzige, was ich immer wieder merkte, war, dass ich mich in seiner Gegenwart wohl fühlte. Sauwohl. Wollte ich ihn näher kennen lernen?, fragte ich mich auf dem Klo, während draußen mindestens drei unterschiedliche Fäuste gegen die Tür hämmerten. Natürlich, hörte ich mich antworten. Ich war seit zwei Jahren solo, und Tim war ein interessanter, netter, gut aussehender Mann. War ich bereit, meine Freundschaft mit Eli aufs Spiel zu setzen? Eine blöde Überlegung vielleicht, aber ich kannte Eli und ihre feministischen Besitzansprüche. Die Frage erübrigte sich jedoch in dem Moment, als ich die Toilette unter Applaus wieder verließ. Eli war verschwunden. Stocksauer, wie ich hörte. Kindergarten.

Meine erste Nacht mit Tim endete morgens um neun mit einem Spaziergang im Nussbaumwäldchen – meinem liebsten Rückzugsort in Kindertagen. Als ich mich müde und irgendwie glücklich in mein Bett fallen ließ, hatte ich a) keine beste Freundin mehr, b) einen neuen Freund und c) vor mir selbst den Eid geleistet, mit Tim mindestens vier Wochen durchzuhalten, damit Eli nicht denken konnte, ich wäre nur mit ihm ins Bett gegangen, um ihr eins auszuwischen. Aus den vier Wochen wurden fast sieben Jahre. Sieben Jahre des Liebens, des Streitens, des Geschirr-Zerschmetterns, des Fernreisens, des Bangens, des Hoffens, des Sich-Verlobens, des Sich-Trennen, des Heiraten-Wollens.

Tim hatte sich getrennt. Vor gut einem Jahr.

Ich musste wohl auf dem Sofa eingeschlafen sein, denn als ich mit reichlich verquollenen Augen (ich hatte doch wohl nicht geheult?) auf die Uhr schaute, war es schon halb eins. Definitiv zu spät, um bei Babette anzurufen, also schickte ich ihr schnell noch eine SMS: »Danke, hat geklappt. 11.000 Euro. Habe einen Plan. Kuss, Th.« Ohne mir die Zähne zu putzen, wankte ich dann ins Bett, mit dem festen Vorsatz, den nächsten Tag etwas sinnvoller zu beginnen, als ich diesen beendet hatte.

Kapitel 3

Es klingelte.

»Komm, mach du auf«, murmelte ich.

Es klingelte erneut.

»Geh schon, es ist der Postbote. Ich hab ihn doch eben noch mit der Nachbarin reden hören. Es ist der Vertrag ...«

Schrill und penetrant klingelte der Apparat weiter, bis er mich aus meinen Träumen riss. Darin hatte ich neben Tim in Celle im Bett gelegen; wir warteten schon seit Tagen auf den Vertrag aus New York, weil unser gemeinsames Buch ›Kreatives Leben. Willkommen in der Provinz Europa!‹ tatsächlich ins Englische übersetzt werden sollte. Erst nach einer Weile begriff ich, dass es mein Telefon war. Ich sah auf den Wecker. O Gott, 7.14 Uhr. Wer konnte es wagen? Wusste nicht jeder, dass ein schöpferischer Geist wie ich erst am späten Vormittag und nach einer Kanne Kaffee gestört werden durfte? Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf. Neinneinnein. Das penetrante Klingeln hörte nicht auf, weil ich den Anrufbeantworter ausgemacht hatte. Inzwischen hellwach, nahm ich in meiner dumpfen Höhle zwölf Klingeltöne wahr. Dann herrschte Stille – bis ich etwa fünf Minuten später den durchdringenden Ton meines Handys hörte. Ich hielt mir die Ohren zu und zählte bis fünfzig. Als ich die Hände wieder wegnahm und die Decke zurückschlug, war alles ruhig. Na also, dachte ich mir, geht doch. An Weiterschlafen war jetzt allerdings nicht mehr zu denken. Also stand ich mürrisch auf, schlurfte barfuß ins Badezimmer, ging aufs Klo, doch kaum dass ich saß, ging das Gebimmel von vorne los.

Kann sich jemand einen handlungsunfähigeren Menschen vorstellen?

Zum Glück konnte ich mich auf die Hartnäckigkeit des Anrufers verlassen (ich war mir sicher, es war derselbe wie eben). Beim siebten Klingeln hob ich ab.

»Thelse Simon.«

»Thelse ... du alte Schlafmütze. Habe ich dich geweckt?«

Jedem anderen hätte ich erst mal etwas gehustet, aber in dem Fall war ich bereit, eine Ausnahme zu machen. »Babette! Wie kommst du denn da drauf? Ich komme gerade vom Joggen.«

Sie lachte. Putzmunter. Das war allerdings auch nicht normal. »Tatsächlich? So hörst du dich aber gar nicht an.«

»Geschenkt«, sagte ich, »was gibt's?«

»Du bist witzig! Hast du mir gestern noch eine SMS geschickt oder war das deine Zwillingsschwester?«

Ach so, das meinte sie. So langsam dämmerte mir, dass ich vor vierzehn Stunden um 11.000 Euro reicher geworden war. Ich erzählte ihr also ausführlich von dem Deal mit Meisinger, erwähnte ganz beiläufig mein grandioses Verhandlungsgeschick und machte auch aus meinen verkürzten Rechercheabsichten keinen Hehl.

»Du willst was? Einfach abschreiben?«

Für meinen Geschmack klang das eine Spur zu entsetzt. »Na ja, nicht nur«, verteidigte ich mich. »Für Januar plane ich einen längeren Wellnessurlaub auf einer der Inseln. In einem von diesen schicken Hotels, so mit Unterwassermassagen, Ganzkörperpeeling, Ziegenbuttermilch-Aromatherapien und solchen Sachen. Das ist wichtig für das Buch.« Von einer Fußreflexzonenmassage sagte ich bewusst nichts. Meine Füße waren ein wirklich sensibles Thema.

Babette seufzte. »In erster Linie ist das wohl eher wichtig für dich. Also, wenn du meine Meinung hören willst, so hast du sie nicht mehr alle. Denk daran: Ich habe dich weiterempfohlen. Lass dich bloß nicht beim Mogeln erwischen.«

Wo denkst du hin?, dachte ich. Ich bin doch Thelse!

»Geht ja gar nicht«, sagte ich. »Ich glaube nämlich nicht, dass sich die Kathedrale von Palma dem weiblichen Betrachter heute anders darstellt als vor zwei Jahren einem männlichen Touristen.« Da Babette offensichtlich nicht in der Stimmung war, mich überschwänglich zu meinem genialen Einfall zu beglückwünschen, wechselte ich das Thema. »Sag mal, gibt es sonst noch einen Grund, warum du in aller Herrgottsfrühe schon zum Hörer greifst? Das kenne ich so gar nicht von dir.«

Kichern.

»Babette?«

Erneutes Kichern. Nanu?

»Alles in Ordnung?«

»Ja«, gluckste sie.

»Was ist denn?«

»Nichts.« Kichern. Glucksen.

»Nun sag schon! Haben Sie dich zur Geschäftsführerin von ›Worldseeing‹ gemacht? Will euch einer deiner Verehrer ein Haus an der Elbe schenken? Was ist los?«

»Es ist wirklich nichts. Ich habe einfach nur ... gute Laune.«

»Aha. Das freut mich aber! Bewahr sie dir. Kommt schließlich selten genug vor, dass man von seinem eigenen Lachen geweckt wird.«

Ich fand den Spruch eigentlich nicht besonders lustig, aber Babette lachte schon wieder lauthals los.

»Hör mal, Süße, nichts für ungut, aber ich glaube, ich lege jetzt doch besser auf. Ich will nämlich zum Schwimmen.«

Das Letzte, was ich vor dem Klacken hörte, war schallendes Gelächter. Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Weg ins Bad. Ich hatte schließlich einiges vor heute.