Prüfungsangst - Hans-Werner Prahl - E-Book

Prüfungsangst E-Book

Hans-Werner Prahl

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Beschreibung

Dr. Hans-Werner Prahl beschreibt die Symptome der Prüfungsangst in Schule und Hochschule, diskutiert die wichtigsten Erklärungsansätze und zeigt den Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsstruktur und den Folgen der Prüfungsangst auf. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Hans-Werner Prahl

Prüfungsangst

Symptome – Formen – Ursachen

FISCHER E-Books

Inhalt

I. Einleitung1. Prüfungsangstforschung zwischen Verdrängung und Entlarvung2. Konzepte und Hypothesen3. Aufbau des BuchesII. Symptome der PrüfungsangstIII. Determinanten der Prüfungsangst1. Formen der Inszenierung2. Die Teilnehmer3. Die Prüfer4. Warum haben Prüfer Angst?IV. Erklärungsversuche1. Lerntheorien: Iowa-Schule2. Lerntheorien: Yale-Schule3. Die Yerkes-Dodson-Regel4. Erfolgshoffnung und Mißerfolgsfurcht (Motivationspsychologie)5. Frühe Ängste (Psychoanalyse)a) Prüfung und Ich-Regressionb) Prüfung als Versuchungc) Prüfung als Bestrafungd) Prüfung als Kränkunge) Vom Klassencharakter der Psychoanalyse6. Prüfungsangst und soziale HerkunftV. Die Folgen: Angst und Ritual1. Angst ersetzt Didaktik2. Reifung durch Angst3. Angst und Durchsetzungsvermögen4. Herr und Knecht5. Initiation und RitualVI. Was noch zu tun istVIII. LiteraturverzeichnisIX. RegisterX. Namenregister

I. Einleitung

Statt auf das Leben vorzubereiten, treiben Westdeutschlands Schulen manchen Schüler in den Tod. Zumindest zweimal im Jahr, wenn es Zeugnisse gibt, schnellt die Zahl der Selbstmorde von Schülern in die Höhe. Allein in Bayern machten Anfang 1976 nach der Ausgabe von Halbjahreszeugnissen mindestens zehn Schüler durch Freitod ihrem Leben ein Ende.[1] Auch Studenten versuchen oder verüben Selbstmord sehr viel häufiger im Zusammenhang mit Prüfungen als bei allen anderen Anlässen. Die Angst vor Prüfungen und vor den mit ihnen verbundenen Entscheidungen hat bisweilen selbstmörderische Konsequenzen. Aber auch wenn diese letzte Konsequenz ausbleibt, wird die Angst vor Prüfungen vielfach zu einer schweren Belastung. Schon jedes sechste Kindergarten-Kind – so ergab eine umfangreiche Untersuchung in Berlin – hat Angst vor Leistungssituationen. Etwa jedes dritte Schulkind – so das Fazit anderer Untersuchungen – leidet im Zusammenhang mit Prüfungen unter Verhaltensstörungen, bei jedem fünften Schulkind sind die angstbedingten Verhaltensstörungen sogar so stark, daß therapeutische Maßnahmen angebracht erscheinen.[2] »Die Schule ist zum führenden pathogenen Faktor bei der Entstehung kindlicher Verhaltensstörung geworden, zumindest zum Kristallisationspunkt«, stellte der Kinderpsychologe LEMPP (1975, S. 44) fest. Und ein Parlamentsabgeordneter[3] fragte: »Wie lange soll die Quälerei in den Schulen noch dauern?« Wer die Quälerei in den Schulen überstanden hat, ist längst nicht aller Sorgen ledig. In den Universitäten oder den beruflichen Ausbildungsstätten warten neue Prüfungsängste auf ihn. Angesichts von Numerus clausus, Jugendarbeitslosigkeit, Berufsunsicherheit der Akademiker und Bürokratisierung des gesamten Bildungswesens werden die Konsequenzen, die sich aus dem Erfolg bzw. Mißerfolg in den Prüfungen ergeben, immer gravierender. Die Belastung, in der Prüfung Erfolg haben zu müssen, wird immer größer, die Angst vor dem Versagen nimmt zu. Etwas übereilt ist die Prüfungs- und Leistungsangst zur eigentlichen Quelle zahlreicher Krankheiten und Verhaltensdeformierungen hochstilisiert worden. Schon haben clevere Unternehmen erkannt, daß mit der Angst im Bildungswesen Profite zu machen sind – wenn z.B. die Produzenten von Psychopharmaka ihre Beruhigungsmittel als wirksame Hilfen im Kampf gegen die Leistungsangst anpreisen oder wenn kommerziell orientierte Verhaltens- bzw. Psychotherapeuten ihre Dienste bei der Behebung von Prüfungsangst anbieten. In den USA offeriert die pharmazeutische Industrie einige Beruhigungsmittel auf einem Plakat, auf dem ein Prüfling und eine besorgte Mutter zu sehen sind mit der Unterschrift »summa cum depressione«. Und es wird gewiß nicht mehr lange dauern, bis zahllose Handbücher und Broschüren mit populärwissenschaftlichen Anleitungen zur Verminderung von Prüfungsängsten den Buchmarkt überschwemmen werden.

Freilich sind derart massive Leistungs- und Prüfungsängste nicht ausschließlich Kennzeichen spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme. Auch in sozialistischen Gesellschaften mit hochgradig bürokratisierten Ausbildungssystemen und stark formalisierten Auslesekriterien wird darüber geklagt, daß Prüfungsängste erheblich belasten und zu Verhaltensdeformationen führen. Die zahlreichen gravierenden Ausleseprüfungen erzeugen – wie die Untersuchungen von Kinderpsychiatern und Hochschulpsychologen ergaben[4] – auch in den Gesellschaften Osteuropas bei Schülern und Studenten Angstsymptome, die zur Beeinträchtigung des Denkens und zur Veränderung des Verhaltens führen. Forderungen nach Veränderung der bestehenden Prüfungsformen bzw. -praktiken sind auf manchen wissenschaftlichen Konferenzen in Osteuropa erhoben worden, Berichte über erfolgreiche Prüfungsreformen sind bislang allerdings selten.

Auch wenn der Leistungsdruck in der Gegenwart beängstigende Formen angenommen hat, sind Leistungs- und Prüfungsängste keineswegs ein eindeutiges Merkmal unserer unmittelbaren Gegenwart.[5] Die Geschichte kennt manche Klagen über Prüfungsängste. Schon das erste formalisierte Prüfungswesen, das System der Bürokratenauslese im kaiserlichen China, das vor mehr als zwei Jahrtausenden institutionalisiert wurde, soll nach den vorliegenden Zeugnissen die Prüflinge stark geängstigt und manchen von ihnen in den Freitod getrieben haben.[6] Das mittelalterliche Universitätswesen, das hochritualisierte Prüfungssysteme besaß, dürfte kaum weniger Angst erzeugt haben. Der Pariser Hochschullehrer R. de Sorbonne z.B. soll bereits im 13. Jahrhundert die Prüfungen mit dem Jüngsten Gericht verglichen haben – allerdings mit dem Unterschied, daß vor dem Jüngsten Gericht gewiß milder geurteilt werde als in den Hochschulprüfungen.[7] Luther geißelte in seinen Tischreden die rigiden und unmenschlichen Prüfungsrituale seiner Zeit, welche die volle Identität des Prüflings in Zweifel ziehen und ihn in seiner Existenz bedrohen würden. Aber auch spätere Jahrhunderte sind voll von Klagen über Prüfungsängste. Als sich das Prüfungswesen immer stärker auch in Verwaltung, Schule, Militär und anderen organisierten Lebensbereichen durchgesetzt hatte, schrieb z.B. der deutsche Staatsrechtler ROBERT VON MOHL (1869, S. 256): »Als ein … Nachtheil der strengen und folgenreichen Prüfungen erscheint die Angst und Qual, welche die Aussicht auf sie erzeugt und so Vielen die schönsten Jugendjahre verdirbt. Tausenden sind sie jahrelang ein Schrecken, und Jeder, der sie durchgemacht hat, wird nicht sowohl die kurze Erstehung selbst als die Vorbereitungszeit für einen der bangsten und dumpfsten Abschnitte seines Lebens erklären. Wie Mancher hat den Muth nicht gehabt, sich dieser Tortur zu unterwerfen, und ist dadurch für sein ganzes Leben verkommen und aus jeder nützlichen Beschäftigung geworfen worden, obgleich es ihm vielleicht nicht einmal an den nöthigen Kenntnissen fehlte. Allein je länger er es in seiner Angst anstehen liess, desto steiler wurde der Berg, über den er weg sollte. Dazu nehme man noch die bange Besorgniss der Familien, deren ganzes irdisches Glück vielleicht von dem Erfolge einer Prüfung abhängt; die Thränen der verwittweten Mutter, der verwaisten Schwestern, der Braut, wenn es unglücklich ablief! Alle diese Folgen treten aber um so greller hervor, wenn der Prüfungen mehrere sind und sie gesetzlich durch Jahre lange Zwischenräume von einander getrennt sind. Es ist hart, wenn ein Mann gegen dreissig Jahre alt wird, ehe er seine letzte Prüfung machen kann, er also weit über die Hälfte des durchschnittlichen Lebens hinaus unter dem Damoklesschwert bleibt. Und dann denke man sich einen Familienvater, welchem noch diese Entscheidung über sein und der Seinigen Lebensglück bevorsteht, den Frau und Kinder noch zu einer Prüfung gehen sehen müssen.« Mohls Schilderungen deckten sich mit zahlreichen Klagen seiner Zeitgenossen.

Ein halbes Jahrhundert später, als sich in der Wissenschaft die Einsicht in die Bedeutung des Unbewußten durchzusetzen begann, analysierte FREUD (1968, S. 280f.) die Hartnäckigkeit, mit der Prüfungsangst in Träumen wiederkehrt und neue Angst auslöst: »Jeder, der mit der Maturitätsprüfung seine Gymnasialstudien abgeschlossen hat, klagt über die Hartnäckigkeit, mit welcher der Angsttraum, daß er durchgefallen sei, die Klasse wiederholen müsse u. dgl. ihn verfolgt. Für den Besitzer eines akademischen Grades ersetzt sich dieser typische Traum durch einen anderen, der ihm vorhält, daß er beim Rigorosum nicht bestanden habe, und gegen den er vergeblich noch im Schlaf einwendet, daß er ja schon seit Jahren praktiziere, Privatdozent sei oder Kanzleileiter. Es sind die unauslöschlichen Erinnerungen an die Strafen, die wir in der Kindheit für verübte Untaten erlitten haben, die sich so an den beiden Knotenpunkten unserer Studien, an dem ›dies irae, dies illa‹ der strengen Prüfungen in unserem Inneren wieder geregt haben. Auch die ›Prüfungsangst‹ der Neurotiker findet in dieser Kinderangst ihre Verstärkung. Nachdem wir aufgehört haben, Schüler zu sein, sind es nicht mehr wie zuerst die Eltern, die unsere Bestrafung besorgen; die unerbittliche Kausalverkettung des Lebens hat unsere weitere Erziehung übernommen und nun träumen wir von der Matura oder von dem Rigorosum, – und wer hat damals nicht selbst als Gerechter gezagt? – so oft wir erwarten, daß der Erfolg uns bestrafen werde, weil wir etwas nicht recht gemacht, nicht ordentlich zustande gebracht haben, so oft wir den Druck einer Verantwortung fühlen.«

1. Prüfungsangstforschung zwischen Verdrängung und Entlarvung

Mit diesen Überlegungen wurde der Versuch eingeleitet, die Prüfungsangst nicht bloß zu beschreiben und zu beklagen, sondern auch ihre Ursachen zu erforschen. Trotz dieser Anstöße und der kaum zu übersehenden Klagen über die Prüfungsangst konnte eine wissenschaftliche Forschung, die sich mit der Ausprägung und den Ursachen der Prüfungsangst befaßte, nicht recht gedeihen. So fand MOELLER (1967) in einer Literaturübersicht heraus, daß in den ersten sechs Jahrzehnten dieses Jahrhunderts nur etwa zwanzig Buch- und Zeitschriftenpublikationen erschienen sind, die sich psychologisch bzw. psychoanalytisch mit den Ursachen der Prüfungsangst beschäftigten. In der Zwischenzeit hat sich zwar die Zahl der Publikationen zur Prüfungsangst deutlich vermehrt, doch bleibt der Eindruck bestehen, daß sich die Wissenschaft bislang nicht nur ungenügend der Erforschung der Prüfungsangst gewidmet hat, sondern in dieser Frage einer regelrechten Selbstzensur unterliegt.[8]MOELLER (1969c, S. 214) hat diese erschreckende Forschungslücke auf gesellschaftliche und wissenschaftliche Verdrängungsprozesse zurückgeführt: »Es ist erstaunlich, daß die Prüfung als eines der entscheidenden Meßinstrumente der Gesellschaft, mit der bis heute die Bildungs- und Kulturselektion durchgeführt wird, selbst so wenig Anlaß zu wissenschaftlichen Untersuchungen bot. Dieses Phänomen dürfte in einen Bereich gehören, den man ›Psychodynamik der Themenwahl‹ nennen könnte. Die ›wissenschaftliche Lücke‹ (STENGEL, 1938) der Arbeiten über die Genese der Prüfungsangst repräsentiert eine Verdrängung, die mit den beiden großen gesellschaftlichen Tabus zusammenhängt, den Tabus der autoritären Position und der sexuellen Beschränkung.« Dieser Verdrängungsprozeß darf allerdings nicht als individuelles Forscherproblem gesehen werden – etwa in der Ableitungskette: Forscher seien zumeist selbst auch Prüfer und als solche mit Autorität ausgestattet sowie zu affektiver (Trieb-)Neutralität verpflichtet, so daß sich die genannten gesellschaftlichen Tabus in den Forschern widerspiegelten und diese von der Erforschung der Prüfungsangst abhielten. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß Trieb und Herrschaft in den meisten Gesellschaften zentrale Tabu-Bereiche darstellen, die das menschliche Denken und Verhalten beschränken und die wissenschaftliche Themenwahl beeinflussen. Die Thematisierung dieser Tabu-Bereiche wird zwar nicht direkt negativ sanktioniert, doch bleibt sie in der wissenschaftlichen Sozialisation weitgehend ausgespart und erweist sich wissenschaftlicher Methodik eigentümlich unzugänglich. Gewiß: Diese Tabus mögen in der wissenschaftlichen Forschung angegangen und »entlarvt« werden, doch macht gerade diese vermeintliche »Entlarvung« die Tabus eher noch stärker, denn sie werden so auf eine Ebene verschoben, auf der sie nur noch sublimer wirken. Indem die Tabu-Bereiche Herrschaft und Trieb wissenschaftlich thematisiert werden, werden sie zwar vom Zustand des Vorbewußten in den Zustand des Bewußten gehoben. Aber solange Wissenschaft nicht in gesellschaftliche Praxis umgesetzt werden kann, wirkt das Tabu der autoritären Position oder das Tabu der sexuellen Beschränkung fort, ohne aufgehoben zu werden. Mit dem Etikett, wissenschaftlich »entlarvt« zu sein, erlangen diese Tabu-Bereiche neue Immunität. Solange Wissenschaft diese Dialektik von Entlarvung und Immunisierung nicht überwinden kann, erscheint der Hinweis auf die »Selbstzensur der Wissenschaft«, die für die mangelhafte Erforschung der Prüfungsangst verantwortlich gemacht wurde, plausibel. Jedoch sind diese Hinweise viel zu allgemein, um den bisherigen Mangel an Forschungen zur Prüfungsangst hinreichend erklären zu können. Ergänzende Hypothesen müssen berücksichtigt werden.

Eine vordergründige trivial erscheinende, hintergründig aber mit dem genannten Verdrängungsprozeß in Einklang stehende Hypothese kann in der bisherigen Individualisierung der Prüfungsangst gesehen werden. Prüfungsangst wurde bislang und wird überwiegend auch noch heute als ein individuelles Problem betrachtet, mit dem der jeweilige Prüfling mehr oder minder gut fertig wurde, wie LAUTMANN (1970/71, S. 360) betont: »Prüfungen werden oft nur als individuelles Problem gesehen: wie gut der einzelne auf sie vorbereitet ist, welche Ängste er entwickelt, wie er mit dem Prüfer fertig wird und der Prüfer mit ihm, und anderes.« Wenn aber die Prüfungsangst als von der jeweils individuellen Disposition des Prüflings abhängig angenommen wurde, so bestand kaum ein Anlaß, die Prüfungsangst genauer zu erforschen. Solange unterstellt wurde, daß die Angst vor Prüfungen nur das Problem einzelner Prüflinge sei, also bei einigen von ihnen auftrat, bei anderen nicht, und solange jeder in ganz unterschiedlicher Weise mit diesem Problem fertig zu werden schien, mochte man sich zwar für den Einzelfall interessieren, doch dem Problem kaum allgemeinere Relevanz zusprechen. Eine solche Individualisierung des Problems erlaubte es, das Problem der Prüfungsangst gesellschaftlich zu verdrängen.

Mit dieser Hypothese hängt eine andere Hypothese eng zusammen, nach der die Prüfungsangst als normal und für die Entwicklung der Prüfungskandidaten als förderlich angesehen wird. Diese Annahme kann sich auf SPRANGERS Diktum[9] berufen: »Im ganzen späteren Leben muß man immer wieder vor die Kanonen.« In angeblich wissenschaftlicher Formulierung eines Psychologie-Professors[10] liest sich dieses Argument dann so: »In Anbetracht alles dessen kann nicht genügend betont werden, daß Angst in dieser Situation absolut normal und sogar nötig ist. Jede Maximalleistung hat Angst zur Voraussetzung … Angst wird so zum Anreiz oder zur Leistungsmotivation. Sie ist überhaupt die ›dira necessitas‹ des Lebens und bleibt weiterhin notwendig. Ohne Angst ist der Mensch unmenschlich.« Die Prüfungsangst wird so zu einer unabdingbaren Voraussetzung jeder Leistung hochstilisiert, die für die Bewältigung der Leistungssituation funktional sei. Sollte diese Annahme zutreffen, so müßte die wissenschaftliche Forschung daran interessiert sein, daß die Angst zur Erreichung möglichst guter Leistungen noch gesteigert und adäquat eingesetzt werden kann. Die Widersinnigkeit einer solchen Argumentation ist unmittelbar einleuchtend, dennoch darf ihre Bedeutung für den Mangel an Prüfungsangstforschungen nicht unterschätzt werden. Denn wenn die Prüfungsangst als normal und funktional deklariert wird, besteht wenig Anlaß, ihren Ursachen und Determinanten genauer nachzugehen. Zumal dann, wenn man von der Erwartung ausgeht, daß man »im ganzen späteren Leben immer wieder vor die Kanonen muß«, also immer wieder Grenzsituationen bewältigen muß, glaubt man ein Argument dafür zu haben, auch im Examen Extremsituationen zu erproben. Eine solche Denkweise erscheint ohne weiteres Nachdenken zunächst einmal plausibel und enthebt von der Aufgabe, über die Ursprünge und Ausprägungen der Prüfungsangst weiter nachzusinnen. Bedenkt man, mit welch’ niedrigem Grad an Plausibilität sich manche Wissenschaften bisweilen zufriedengeben, so kann die hier genannte Hypothese durchaus zur Erklärung des Mangels an Prüfungsangstforschung herangezogen werden. Es hieße vielleicht, die Reflexivität mancher Wissenschaften zu überfordern, wenn neben solchen unmittelbar plausiblen Gedanken auch noch alternative Überlegungen durchdacht werden sollen, wie es SEIFFERT (1969, S. 186) tut: »Man fragt sich, ob in dieser Argumentation ein Sinn steckt. Wenn man ohnehin immer wieder ›vor die Kanonen‹ muß – warum muß man es dann im Examen noch zusätzlich? Dann lernt man es offensichtlich auch ohne Examen.«

Die bisherigen Hypothesen gingen von gesellschaftlichen oder individuellen Verdrängungsprozessen aus, die eine Thematisierung der Ursachen und Determinanten der Prüfungsangst verhinderten. Diese Hypothesen sind aber zumindest um weitere Annahmen zu ergänzen, die sich auf die Strukturen und Verwertungsbedingungen der Wissenschaft beziehen. Um mit den einfachsten Annahmen zu beginnen: Psychologie, Pädagogik und Soziologie sind nicht nur allesamt Wissenschaftsdisziplinen relativ neuen Datums, sondern untereinander – nicht zuletzt wegen ihrer Profilierungsbedürfnisse und Statusunsicherheiten – auch wenig kooperativ. Da es aber gerade diese Disziplinen sind, die sich am ehesten der Erforschung der Prüfungsangst widmen könnten, mag es nicht verwundern, daß von ihnen bislang nur wenig zur Erforschung der Prüfungs- bzw. Leistungsangst unternommen wurde. Mit diesem allgemeinen Entwicklungsstand der genannten Wissenschaften hängen methodische Schwierigkeiten zusammen: Die experimentell arbeitende Psychologie kann nur Phänomene erforschen, die sich auch unter Laborbedingungen kontrollieren lassen, die Psychoanalyse kann nur Einzelfallanalysen anstellen, die nicht ohne weiteres verallgemeinert werden können, die Motivationspsychologie kann nur Annahmen über die Entwicklung von Motiven akzeptieren, die sich auch unter Experimentalbedingungen überprüfen lassen, die Erziehungswissenschaften können nur Bedingungen für angstfreies Lernen angeben, die mit der pädagogischen Praxis freilich selten übereinstimmen, die Soziologie kann Angaben über die allgemeine Angstentstehung in der primären und sekundären Sozialisation oder über die gesellschaftlichen Funktionen von Prüfungsritualen und -legitimationen machen, die zur Erklärung der konkreten Prüfungsangst nicht unbedingt anwendbar sind usw. Kurzum: Die methodischen Maßstäbe der einzelnen an der Erforschung der Prüfungsangst beteiligten Disziplinen können angesichts der in hohem Maße durch Irrationalismen gekennzeichneten Prüfungsinstitutionen nur unzulänglich erfüllt werden.[11] Die methodische Rigidität insbesondere der strikt positivistisch orientierten Wissenschaften ist nach KVALE (1972, S. 108) nicht nur für die mangelhafte Erforschung der Prüfungs-, angst, sondern allgemein für die seltene Erforschung des Prüfungswesens verantwortlich zu machen: »Eine mögliche Ursache für das mangelnde Interesse, das Prüfungssystem zum Thema der Forschung werden zu lassen und Verbesserungen vorzunehmen, mag in einem positivistischen Verständnis von Wissenschaft zu vermuten sein. Hochschulexamina sind oft so unmethodisch, ihre Beurteilungen oft so umstritten, daß Forschung sich schwerlich so streng methodisch und unparteiisch ereignen wird, wie dies die strenge positivistische Methodenlehre voraussetzt … Standardisierung, Quantifizierung und Normalverteilung von akademischem Wissen und Denken, die in der psychometrischen Examensforschung dominieren, stehen in offenem Widerspruch zu den Idealen einer akademischen Bildung.« Diese Feststellungen scheinen für die Erforschung der Prüfungsangst in besonderem Maße zu gelten. Denn wenn es schon kaum möglich erscheint, die methodischen Standards bei der Erforschung der Notengebung oder der Vorgänge der Leistungsmessung einzuhalten, dürften sich die seelisch irrealen bzw. irrationalen Mechanismen der Prüfungsangst noch viel weniger den methodischen Standards fügen. Die methodischen Schwierigkeiten haben gewiß viel dazu beigetragen, daß bis heute die Prüfungsangst weniger genau als zahllose andere psychische Probleme erforscht worden ist.

Es muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß die Prüfungsangst erst in der unmittelbaren Gegenwart zu einem massenhaft sichtbar werdenden Problem geworden ist. Zwar haben Prüfungen im Bildungswesen und in der Bürokratie schon immer Auslesefunktionen gehabt, doch ist es erst in der Gegenwart mit der starken Expansion des Bildungswesens, der wachsenden Bedeutung intellektueller Tätigkeiten und der Überbetonung von Bildungszertifikaten als einzigem Auslesekriterium zu einer starken Verschärfung des Leistungs- und Selektionsdrucks gekommen. Da Bildungs- und Berufskarrieren in immer stärkerem Maße an den Erwerb formalisierter Zertifikate, die nur durch Prüfungen erlangt werden können, geknüpft werden, wächst die Bedeutung von Erfolg bzw. Mißerfolg im Examen für immer breitere Bevölkerungsschichten. Der Ausgang des Examens wird für immer mehr Menschen zu einem entscheidenden Datum des weiteren Lebensweges. Zwar mag die Verschiebung der Selektionskriterien von den relativ intransparenten Auslesemechanismen vorangegangener Geschichtsperioden (z.B. soziale Herkunft, Geschlecht, Aussehen usw.) zu den relativ transparenten Kriterien des formalisierten Prüfungswesens gesellschaftlich als ein »Demokratisierungs-Erfolg« gefeiert werden[12], psychohygienisch ist diese Verschiebung mit einer gravierenden und massenhaften Belastung durch Leistungsängste erkauft worden.

Nun ist die Prüfungsangstforschung nicht etwa nur deshalb so spät entstanden, weil das Problem der Prüfungsangst in früheren Entwicklungsperioden nicht als massenhaftes Phänomen erkennbar war, sondern vor allem wohl deshalb, weil in der jüngsten Gegenwart dominierende gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessengruppen auf eine Effektivierung und Funktionalisierung des Bildungswesens drängten. Die durch Prüfungsängste verursachten Reibungsverluste des Bildungswesens sollten reduziert werden, damit es besser den sozioökonomischen Verwertungsinteressen eingepaßt werden könnte. In seiner Literaturübersicht hat DÖRNER (1967) für die USA aufgezeigt, wie das Interesse an der Hochschulpsychiatrie und an den Problemen der Examensangst sowie den psychischen Prozessen des Studienabbruchs parallel mit der ökonomischen Funktionalisierung bzw. Effektivierung des Hochschulwesens anstieg. In einer Literaturübersicht über internationale Hochschulforschungen kommt NITSCH (1973) zu ähnlichen Ergebnissen. Daher muß angenommen werden, daß die Erforschung der Prüfungsangst in engem Zusammenhang mit der Integration des Bildungswesens in sozioökonomische Verwertungsinteressen vollzogen wurde. Solange das Interesse an einer Effektivierung bzw. Funktionalisierung des Bildungswesens gering war, bestand auch wenig Interesse an der Erforschung der Prüfungsangst. In dem Maße aber, in dem Prüfungsangst die reibungslose Bildungsproduktion beeinträchtigte und durch hohe Quoten von Examensversagen und drop out zu erheblichen Kosten führte, stieg auch das Interesse an Untersuchungen zur Prüfungsangst. Zumindest kann dies für jene Teile der Prüfungsangstforschung angenommen werden, die sich unmittelbar zur Effektivierung des Prüfungswesens und zur Reduzierung von Reibungsverlusten zu eignen scheinen. Für andere Bereiche der Prüfungsangstforschung, die die Prüfungsängste direkt auf gesellschaftliche Bedingungen zurückführen oder den Sinn des Prüfungswesens problematisieren, kann ein solcher Zusammenhang kaum gelten. Dementsprechend sind – wie in einem späteren Literaturüberblick noch zu zeigen sein wird – in den vergangenen zwei Jahrzehnten, als die Prüfungsangstforschung allmählich zum Durchbruch gelangte, aber auch viel öfter Untersuchungen angestellt worden, die sich unmittelbar in den skizzierten Verwertungszusammenhang einpassen lassen, als Studien, die die Prüfungsangst auf gesellschaftliche Strukturen zurückführen oder den Sinn der Prüfungsinstitutionen bezweifeln.

2. Konzepte und Hypothesen

Die bislang diskutierten Hypothesen können zumindest teilweise erklären, warum in der Vergangenheit eine wissenschaftliche Erforschung der Ursachen, Determinanten und Symptome der Leistungs- bzw. Prüfungsangst so zaghaft erfolgt oder ganz unterblieben ist. Zugleich haben aber die Hypothesen, die sich auf den Verwertungszusammenhang und den Entwicklungsstand der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen bezogen, Hinweise darauf geben können, warum in den letzten Jahren das Interesse an der Prüfungsangstforschung gestiegen ist und zu einer in der Zwischenzeit beträchtlich angewachsenen Menge von psychologischen, medizinischen, pädagogischen und soziologischen Untersuchungen geführt hat.

Ganz grob lassen sich dabei mindestens sechs Forschungsansätze[13] ausmachen, die sich nach den beteiligten Wissenschaftsdisziplinen und den jeweiligen Informationsquellen unterscheiden:

physiologisch-medizinische Forschungen,

experimentalpsychologische und lerntheoretische Untersuchungen,

motivationspsychologische Konzepte,

psychoanalytische Einzelfall-Studien,

sozialisationstheoretische Erklärungsversuche,

soziologische Materialien und Interpretationen.

Diese Forschungsansätze stehen in der bisherigen Prüfungsangstforschung relativ unverbunden nebeneinander und haben bislang noch zu keiner umfassenden und befriedigenden Erklärung der Ursachen und Determinanten von Prüfungs- bzw. Leistungsangst geführt. Bevor im Hauptteil dieses Buches die bisherigen Ergebnisse dieser Forschung referiert werden, sollen vorab kurz die grundsätzlichen und methodischen Probleme dieser Forschungsansätze angesprochen werden.

Zu a): In der physiologischen bzw. medizinischen Forschung[14] ist versucht worden, Symptome der Prüfungsangst zu messen und die Reaktionen der von Prüfungsangst Betroffenen festzuhalten. Soweit in diesen Forschungen Erklärungen versucht worden sind, sind diese aus allgemeineren Kenntnissen über die Ursachen von Angst und die jeweiligen Reaktionen in angstverursachenden Situationen abgeleitet worden. Beispielsweise wurden manche Angstreaktionen auf Ungleichgewichte in der Hormonproduktion einiger Nebennierendrüsen zurückgeführt. Da diese Forschungen aber bislang relativ unabhängig von Annahmen über den Ablauf psychischer Prozesse und deren gesellschaftliche Bedingtheit durchgeführt wurden, sind von dieser Forschungsrichtung – vielleicht mit Ausnahme der Streß-Forschung, die allerdings Prüfungen nur am Rande einbezogen hat – bisher keine konsistenten Erklärungsansätze geliefert worden. Die physiologisch-medizinischen Untersuchungen haben gewiß zahlreiche Befunde zur Symptomatologie der Prüfungsangst geliefert und werden später auch unter diesem Aspekt referiert; zur Formulierung komplexerer Erklärungsmodelle haben sie bislang nur bescheidene Ansätze geliefert.

 

Zu b): An die physiologischen Messungen anknüpfend und unter Berücksichtigung der verhaltenstheoretischen Psychologie haben experimentalpsychologische Forschungen[15] den Versuch unternommen, allgemeine menschliche Verhaltensdispositionen unter jeweils spezifischen Situationsbedingungen in Laborexperimenten nachzuweisen. Dabei ging diese Forschungsrichtung davon aus, daß der menschliche Organismus Anpassungsreaktionen auf situativ gegebene Reize erlernt und über diese Lernprozesse zu Verhaltensgeneralisierungen gelangt, welche die Bewältigung analoger Situationen erleichtern. Auf diese Weise erlernt der Organismus ein Repertoire von Verhaltensmustern, um angstverursachende Situationen zu bewältigen. Andererseits können aber auch diese erlernten Verhaltensmuster die Wirkung der angsterregenden Faktoren verstärken. Welche Reaktionstendenz wirksam wird, hängt dann von den erlernten Verhaltensdispositionen und den Situationsvariablen ab. Diese Forschungsrichtung ist bemüht, die Ursachen und Ausprägungen der Prüfungsangst aus den jeweiligen individuell ausgeprägten Ängstlichkeitsdispositionen und den Situationsbedingungen abzuleiten. Zur Überprüfung dieser Annahmen geht sie auf einfache Experimente zurück, da nur in ihnen alle Faktoren nach den rigiden methodischen Standards positivistischer Wissenschaft hinreichend kontrolliert werden können. Die Grundüberlegung ist dabei, daß die unter Experimentalbedingungen isolierten, reduzierten und labilisierten Faktoren später wieder zu einem komplexeren Modell zusammengefügt und anschließend auf die Prüfungssituation übertragen werden können. Analog zu den in Physik und Chemie überwiegenden Methoden – Zerlegung des Forschungsgegenstandes in Einzelfaktoren, Analyse dieser Faktoren in experimentellen Untersuchungen sowie deren nachfolgende Zusammenfassung in generalisierbaren Modellen – werden von der Experimentalpsychologie nur Phänomene erforscht, die sich dem Forschungsdesign und den Meßmethoden einpassen lassen. In ganz ähnlicher Weise gehen auch die unter c) angesprochenen motivationspsychologischen Forschungen vor.

Auf ein solches Vorgehen scheint ein gerüttelt Maß der von HOLZKAMP (1972) formulierten Kritik zuzutreffen. Er macht darauf aufmerksam, daß im Gegensatz zur Physik, in der der Experimentator die Ausgangsbedingungen der durch handwerklich-technische Realisationsakte entstandenen Beschaffenheiten des Gegenstandes kontrollieren könne, die Ausgangsbedingungen der Psychologie immer nur indirekte, durch verbale oder nichtverbale Handlungsanreize bzw. Handlungsweisen der Versuchspersonen entstandene oder durch den objektiven Niederschlag von Einstellungen, Sichtweisen usw. dieser Subjekte geprägte Bedingungen sein können. »Der Psychologe stößt mit den von ihm hergestellten Ausgangsbedingungen sozusagen blind in das ihm grundsätzlich nicht zugängliche komplexe Bedingungsgefüge der Stellungnahmen und Sichtweisen des Versuchssubjektes. In den Reaktionen der Versuchsperson (Vp) kommt also immer und notwendigerweise mehr und anderes zum Ausdruck, als der Experimentator bei der Schaffung seiner Ausgangsbedingungen intendierte. Das bedeutet, daß die Kontrollierbarkeit der Effekte stets unbefriedigt läßt. Um die Kontrollierbarkeit wenigstens bis zu einem gewissen Grade zu erhöhen, muß der Experimentator versuchen, durch ein Netz von immer spezifizierteren Ausgangsbedingungen die Vp in immer höherem Maße festzulegen. Das bedeutet, daß er bei der Verfolgung seiner methodologischen Interessen die Anzahl der unabhängigen Variablen immer mehr vergrößert. Da diese Variablen nun aber nicht, wie in der Physik, sozusagen durch den Forschungsgegenstand selbst zusammengehalten werden, sondern, sofern man ausschließlich auf die genannte methodische Verfeinerung gerichtet ist, mehr oder weniger unverbunden nebeneinander stehen, darf es einen nicht verwundern, daß man auf diese Weise immer mehr zu einer desintegrierten und unüberschaubaren Anhäufung von Untersuchungsbefunden kommt, an die Relevanzkriterien schon wegen des mangelnden Integrationsgrades kaum sinnvoll anzulegen sind … Der wissenschaftliche Fortschritt besteht hier häufig in einer bestimmt gearteten experimentellen Kritik an jeweils früher durchgeführten Experimenten. Man weist nämlich nach, daß ein gewisser experimenteller Effekt gar nicht durch die von dem anderen Experimentator gemäß seiner Theorie eingeführten Bedingungen hervorgerufen worden ist, sondern daß dieser Effekt auf einen anderen Faktor zurückgeht, der mit den eingeführten Bedingungen unbemerkt mitvariiert wurde. Das Ergebnis einer solchen fortlaufenden Kritik ist die immer weitere Aufsplitterung der einzuführenden Variablen, so daß bei laufend verbesserter Präzision der experimentellen Technik die anfangs vielleicht noch halbwegs integrierte Theorie immer mehr zu einem Aggregat unverbundener Einzelansätze wird, in dem bald niemand mehr einen einheitlichen Sinn zu entdecken vermag« (S. 15/16).

In der Tat zeichnet sich nahezu die gesamte experimentalpsychologische und ein großer Teil der motivationspsychologischen Prüfungsangstforschung durch eine Anhäufung desintegrierter Detailstudien aus, deren Hauptaufgabe in der Vervollkommnung methodischer Präzision unabhängig vom eigentlichen Forschungsgegenstand zu liegen scheint. Die Gewinnung inhaltlich gefüllter Aussagen über die Prüfungsangst scheint für diese Forschung im besten Falle eine Nebenfunktion zu sein.[16] Die Erklärungskraft dieser Untersuchungen, die hier bei der Diskussion der Determinanten der Prüfungsangst und der experimental- wie motivations-psychologischen Erklärungsansätze beispielhaft referiert werden, ist äußerst begrenzt. Dies kann angesichts der methodologischen Begrenzungen solcher Forschungsansätze kaum verwundern.

HOLZKAMP (1972, S. 20) faßt das methodische Vorgehen so zusammen: »Die eingeführten experimentellen Ausgangsbedingungen müssen so weit zerlegt und isoliert werden, daß jeweils nur die in der übergeordneten Hypothese definierte Variable, nicht aber andere, mit dieser Variablen zusammenhängende Momente den möglichen experimentellen Effekt bedingen … Man könnte hier also von einer methodengeforderten, immer weiter zu treibenden Parzellierung der Ausgangsbedingungen sprechen. Weiter muß der Experimentator im Interesse seiner methodologischen Standards bemüht sein, den Effekt von Störbedingungen, die seinen Befund außer den eingeführten experimentellen Bedingungen beeinflussen könnten, möglichst weitgehend auszuschalten oder zum mindesten zu neutralisieren. Das bedeutet, daß in der experimentellen Realität das komplexe Bedingungsgefüge, das normalerweise die Selbst- und Weltsicht der Versuchsperson und damit ihre Reaktion beeinflußt, so weit wie möglich zu reduzieren ist … Wenn man sich nun vergegenwärtigt, daß … der angestrebte experimentelle Effekt häufig selbst dann nicht erreichbar sein wird, wenn man die genannte Parzellierung und Reduktion so weit wie möglich vorangetrieben hat, weil immer noch durch die objektiven Bedingungen nicht kontrollierbare, in der Selbst- und Weltsicht des Forschungssubjektes liegende Faktoren die Befunde beeinflussen, so wird verständlich, daß der psychologisch Forschende häufig noch einen anderen methodischen Kunstgriff anwendet. Gemeint ist die Labilisierung der Reizsituation, in die die Versuchsperson gestellt ist. Das soll heißen, daß der Vp oft möglichst weitgehend alle Informationen, die ihr Wahrnehmungsfeld stabilisieren könnten, vorenthalten werden. Sofern das gelingt, reagiert die Vp ohne Einführung der experimentellen Variablen auf die Reizsituation rein zufällig … Durch den Trick der Labilisierung kann der Experimentator mithin selbst bei minimaler Wirksamkeit seiner in der Hypothese formulierten Variablen noch zu dem so ersehnten signifikanten Ergebnis kommen und mithin seine Hypothese als bestätigt ausgeben.«

Die durch solche Forschungsprozeduren gewonnenen Ergebnisse können natürlich nur in sehr begrenztem Umfange zur Erklärung der Ursachen und Determinanten der Prüfungsangst beitragen. Trotz dieses Mankos hat sich die erdrückende Mehrzahl der Untersuchungen zur Prüfungs- und Testangst (besonders in den USA) eben dieser Methoden bedient. Entsprechend karg fällt der Informationsgehalt solcher Studien, die zumeist mit erheblichem forschungstechnischem und finanziellem Aufwand betrieben wurden, aus. Ihre Scheinexaktheit erlaubt aber, diese Art von Forschungen in die eingangs skizzierten, zunehmend an Einfluß gewinnenden Verwertungsinteressen zu integrieren – zumal ihre relative Inhaltslosigkeit allenfalls technische Reformen erforderlich macht und den Sinn des Prüfungswesens kaum in Frage stellt.

 

Zu c): Die bisher diskutierten Mängel der experimentalpsychologischen Prüfungsangstforschung treffen auch auf die Mehrzahl der motivationspsychologischen Untersuchungen[17] zu, die die Ausprägung und Entstehung von Leistungs-, Erfolgs- oder Mißerfolgsmotiven experimentell überprüfen wollen. Diese Untersuchungen gehen davon aus, daß Prüfungsangst durch einen Konflikt zwischen divergierenden Handlungsmotiven, die sowohl situationsaufsuchende wie -meidende Tendenzen haben, entsteht. Dabei sind diese Motive (zumal das Motiv, Erfolg zu haben, und das Motiv, Mißerfolg zu vermeiden) je nach der individuellen Entwicklung unterschiedlich ausgeprägt. Im Gegensatz zur Experimentalpsychologie, die von generellen Verhaltensdispositionen des menschlichen Organismus ausging, bezieht die Motivationspsychologie aber die gesellschaftlichen Bedingungen der Motiventstehung bzw. -entwicklung mit ein. Sie erklärt zumindest einen Teil der Motiventstehung aus dem Erziehungsklima in der jeweiligen Herkunftsfamilie oder in den besuchten Bildungsinstitutionen. Gerade diese Einflußgrößen lassen sich aber im Experiment nur höchst unzulänglich oder kaum simulieren, so daß die Motivationspsychologie in diesem Punkt die methodologischen Fesseln der Experimentalpsychologie abstreifen muß, um zu realitätsangemesseneren und differenzierteren Aussagen zu gelangen. So sieht sich die motivationspsychologische Prüfungsangstforschung gezwungen, Anleihen bei der Psychoanalyse und Sozialisationsforschung zu machen und deren Forschungsergebnisse zu rezipieren. Gerade dies scheint geeignet zu sein, die durch übertriebene Formalisierung und Modellschnitzerei drohende Inhaltsentleerung motivationspsychologischer Forschung aufzuhalten.

 

Zu d): Im Gegensatz zu den bisher diskutierten Forschungsansätzen geht die Psychoanalyse von konkreten Fällen der Prüfungsangst aus. Während die physiologischen, experimental- und motivationspsychologischen Forschungen bemüht waren, generelle Aussagen über Entstehung und Verlauf von Prüfungsangst in Analogie zur Vorgehensweise der analytischen Naturwissenschaften zu erreichen, beschränkt sich die pschoanalytische Forschung[18] auf die Analyse tatsächlich empfundener Prüfungsangst und versucht, durch die Anhäufung derartiger Fallstudien generelle Zusammenhänge ableiten zu können. Dazu bedarf sie nicht der fragwürdigen Experimentalsituation, sondern kann sich auf die nach bestimmten Regeln erfragten Angaben und Symptome der von Prüfungsangst Betroffenen stützen. Erst aus der Analyse des umfangreichen Aussagematerials und der »Krankheitsgeschichte« der Betroffenen lassen sich Rückschlüsse auf die Ursachen und Bestimmungsgründe der Prüfungsangst ziehen. Dabei geht die psychoanalytische Forschung nicht von der Ängstlichkeit als einer generellen Persönlichkeitsdisposition aus, die dem Individuum »wesenhaft« oder aufgrund seiner »Lerngeschichte« eigen sei, sondern nimmt an, daß in der Prüfungssituation durch Wiederholung bestimmter strukturell ähnlich erscheinender Erfahrungsmuster frühkindliche Sozialisationskonflikte reaktualisiert werden und bislang unbewußte Ängste ins Bewußtsein vordringen. Die seit der frühesten Kindheit erlebten Sozialisationskonflikte – z.B. die Auseinandersetzung mit den liebenden bzw. strafenden Eltern oder die Probleme des eigenen Triebbereichs – haben Angst verursacht, die durch Verdrängung im Stadium des Unbewußten gehalten werden. In der Extremsituation der Prüfung drohen nun die verdrängten Angstfraktionen wieder in das Stadium des Bewußten gehoben zu werden und neue Ängste zu verursachen. Die Prüfung stellt eine Versuchung unbewußter Ängste dar, die die ohnehin schon durch die Situation gegebenen Angstfaktoren verstärken können. Daher unterscheidet die psychoanalytische Prüfungsangstforschung zwischen »normaler« und »neurotischer« Prüfungsangst. Die normale Prüfungsangst ergibt sich aus der jeweiligen Prüfungssituation – z.B. schlechte Vorbereitung, gesundheitliche Indisponiertheit, Intransparenz der Prüfung, Unberechenbarkeit des Prüfers usw. Die neurotische Prüfungsangst ergibt sich dagegen aus unbewältigten Sozialisationskonflikten, die durch Reaktualisierung in der Prüfung zusätzliche Ängste produzieren – z.B. dadurch, daß in der Prüfer-Prüflings-Beziehung die frühere Eltern-Kind-Konstellation wieder auftaucht, oder dadurch, daß die intellektuelle Leistung zum Repräsentanten des Triebbereichs wird und so libidinös oder aggressiv besetzt sein kann usw. Da aber nach Ansicht der meisten Psychoanalytiker in vielen Gesellschaften die Sozialisation kaum konfliktfrei abläuft, ist damit zu rechnen, daß auch in jede Prüfung ein mehr oder minder großer Anteil neurotischer Prüfungsangst eingeht. Zwar gewinnt die psychoanalytische Prüfungsangstforschung ihre Erkenntnisse überwiegend aus Fällen, in denen sich neurotische Prüfungsangst überdeutlich manifestiert und zumeist zu krankhaften Belastungen geführt hat, doch sprechen gewichtige Befunde dafür, daß in jede Prüfungsangst neurotische Elemente eingehen. Daher ist für die Psychoanalyse jede Prüfungsangst ein Gemisch aus »normalen« und »neurotischen« Angstfraktionen.

Die Problematik dieser Forschungsrichtung, die sehr wesentliche Aufschlüsse über Ursachen und Bestimmungsgründe der Prüfungsangst erbracht hat, ist nicht zu übersehen: Die Anzahl der »Fälle«, aus denen die psychoanalytischen Erkenntnisse gezogen werden, ist nicht nur wegen des erheblichen zeitlichen, personellen und forschungstechnischen Aufwandes begrenzt, sondern auch einseitig ausgerichtet, da es sich überwiegend um Probanden handelt, die sich freiwillig in psychoanalytische bzw. -therapeutische Behandlung begeben – großangelegte psychoanalytische »Reihenuntersuchungen« sind bislang kaum möglich. Zudem setzt die psychoanalytische Forschung ein gewisses Maß an Verbalisierungs- und Erinnerungsvermögen voraus, das nicht bei allen von der Prüfungsangst Betroffenen in gleichem Umfang gegeben sein dürfte. Daher muß eine systematische Verzerrung zugunsten der sich freiwillig in die Analyse begebenden und über hinreichende Verbalisierungs- und Erinnerungsmöglichkeiten verfügenden Kandidaten angenommen werden. Zu diesen sich aus der Auswahl der Probanden ergebenden Schwierigkeiten kommen Probleme der Analyse hinzu, denn das Aussagematerial und die erkennbaren Symptome bedürfen der Interpretation durch den Analysierenden, was zwangsläufig zu persongebundenen Verzerrungen und Fehlinterpretationen führen muß. Außerdem arbeitet die Psychoanalyse mit dispositiven Konzepten, die nicht ohne weiteres in systematische psychologische Forschungen transformiert werden können. Ein Haupteinwand gegen die psycho-analytische Forschung scheint aber darin zu liegen, daß sie die Sozialisationskonflikte als individuell vermittelt ansieht und nicht konsequent auf gesellschaftliche und historische Verhältnisse rückbezieht.[19]

 

Zu e): Diesem letztgenannten Mangel versucht die sozialisationsorientierte Prüfungsangstforschung[20] beizukommen. Sie leitet die Entstehung und Bewältigung der Prüfungsangst aus der Sozialisation in der Familie (primäre Sozialisation) und in der Schule (sekundäre Sozialisation) bzw. in den weiterführenden Bildungseinrichtungen (tertiäre Sozialisation) ab. Zusätzlich zu den von der Psychoanalyse herausgearbeiteten Sozialisationskonflikten rückt dieser Forschungsansatz besonders die Belohnungs- und Bestrafungs-Techniken der jeweiligen Sozialisationsinstanzen in den Vordergrund der Betrachtung. Je nachdem, ob die Sanktionstechniken rigide, akommunikativ und direkt oder aber erklärend, orientierend und indirekt angewandt wurden, entsteht mehr oder weniger Angst vor Leistungssituationen. Diese relativ einfache Beziehung wird dann durch zusätzliche Annahmen über Handlungsmotive, Entwicklungsstadien oder Rollenzwänge differenziert. Auf diese Weise versucht die sozialisationsorientierte Prüfungsangstforschung die von der Motivationspsychologie und der Psychoanalyse erarbeiteten Konzepte bzw. Ergebnisse miteinander zu verbinden. Dabei rücken dann die unterschiedlichen Bedingungen der jeweiligen Gesellschaftsschicht in den Vordergrund – besonders die schichtspezifischen Sozialisationstechniken, Sprachstile, Leistungsorientierungen oder Zeitperspektiven. Dieser Forschungsansatz macht die Prüfungsangst nicht zum individuellen Problem, sondern versucht, sie – wenigstens teilweise – aus der sozialen Herkunft der Prüflinge zu erklären. Sofern es diesem Ansatz gelingt, nachzuweisen, welche Prüflinge durch Prüfungsangst besonders benachteiligt und welche durch geringe Prüfungsangst relativ bevorteilt werden, sind indirekt Rückschlüsse auf gesellschaftliche Auslesemechanismen möglich, die möglicherweise bestimmte Gesellschaftsschichten bevorzugen oder benachteiligen.

Allerdings liegt hierin auch die eigentliche Schwäche dieses Ansatzes begründet, denn die Rückschlüsse auf die Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Gesellschaftsschichten sind – zumal einschlägige Untersuchungen speziell zur Prüfungsangst unter diesem Gesichtspunkt noch ausstehen – nicht sehr eindeutig. Wohl bieten sich unter Berücksichtigung anderer Ergebnisse aus der Sozialisationsforschung Interpretationen an, die die genannten Zusammenhänge relativ plausibel machen, doch fehlt es an sehr eindeutigen Befunden. Dies mag zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen sein, daß die bisherige Prüfungsangstforschung die Sozialisationsproblematik überhaupt nicht oder nur auf individueller Ebene berücksichtigt hat und systematische Untersuchungen über den Zusammenhang von Sozialisation und Prüfungsangst noch ausstehen. Doch mag es auch daran liegen, daß die Zusammenhänge zwischen schichtspezifischen Sozialisationsstilen und Prüfungsangst vielleicht nicht so stringent sind wie die Beziehungen zwischen der Sozialisation und anderen Merkmalen. Hinzu kommen gewiß auch die Operationalisierungsschwierigkeiten der Sozialisationsforschung, die sich nicht allein dadurch ergeben, daß für relativ lange Sozialisationszeiträume angemessene Kategorien nur schwer zu operationalisieren sind, sondern eben auch damit zusammenhängen, daß Prüfungsangst bislang im wesentlichen als ein individuelles Problem angesehen wurde und die Sozialisationsforschung diesem Problem daher bisher nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat.

 

Zu f): Von dem letztgenannten Forschungsrückstand ist die soziologisch ausgerichtete Prüfungsangstforschung[21] noch weit stärker betroffen. Dieser Ansatz versucht zum einen, die von den übrigen Ansätzen gelieferten Ergebnisse auf die gesellschaftliche Selektivität des Prüfungswesens zu beziehen und nachzuweisen, welche Gesellschaftsschichten in welchem Umfange von Prüfungsangst betroffen und tendenziell durch diese bevorteilt oder benachteiligt werden. Zum zweiten ist dieser Ansatz bemüht, aufzuzeigen, in welchem Umfang gesellschaftliche Rollenerwartungen, Stereotype und Leitbilder in die Entstehung und Entwicklung von Prüfungsangst eingehen. Zum dritten weist dieser Ansatz auf die Rolle der Prüfungsangst für das Funktionieren der formalisierten Bildungsinstitutionen und für die in diesen ablaufenden Lern- und Arbeitsprozesse hin. Zum vierten ist die soziologisch orientierte Prüfungsangstforschung bestrebt, die Zusammenhänge zwischen Angst und Leistung und der jeweiligen Gesellschaftsstruktur aufzuzeigen und damit zum fünften die historische Bedingtheit und den archaischen Charakter der Prüfungsinstitutionen nachzuweisen. Gerade an diesem letztgenannten Aspekt kann deutlich gemacht werden, daß gegenwärtige Prüfungen auf der einen Seite eine starke Ähnlichkeit zu den Initiationsriten einfacher Gesellschaften aufweisen, also archaischen Charakter haben, daß Prüfungen auf der anderen Seite aber unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen entstanden sind und zahlreiche historische Sedimente enthalten. An eben dieser Stelle muß eine Prüfungskritik[22] ansetzen, die das Prüfungswesen nicht nur an einzelnen Punkten verändern, sondern insgesamt überwinden will, denn der archaische Charakter und die historisch-gesellschaftliche Relativität des Prüfungswesens machen deutlich, daß Prüfungen keineswegs unabdingbare und unveränderliche Institutionen jeder menschlichen Gesellschaft, sondern unter ganz bestimmten Bedingungen entstandene und damit unter anderen Bedingungen möglicherweise entbehrliche Institutionen sind. Wenn Prüfungsinstitutionen von der Gesellschaft gemacht worden sind, so können sie auch von der Gesellschaft wieder abgeschafft werden. Aus diesem Grund kann die Prüfungsangstforschung zur Fundamentalkritik jeglichen Prüfungswesens werden. Wenn man diese Feststellung umdreht, wird unmittelbar deutlich, warum gerade die soziologisch orientierte Prüfungsangstforschung bislang nur rudimentär entwickelt wurde: Sie könnte den an der Prüfung Leidenden Munition gegen die angstverursachende Institution liefern – und daran war aus den eingangs skizzierten Überlegungen zur Selbstzensur der Wissenschaft kaum jemand bereit.

3. Aufbau des Buches

Mit diesem knappen Überblick über die wichtigsten Forschungsrichtungen, die bestrebt sind, die Ursprünge und Determinanten der Prüfungsangst zu erklären, ist auch schon der Aufbau dieses Buches skizziert: An diese Einleitung wird sich ein Überblick über die Symptome der Prüfungsangst anschließen, wie sie bevorzugt von der physiologischen bzw. medizinischen Forschung nachgewiesen worden sind; sodann werden die wichtigsten Determinanten der Prüfungsangst zusammengestellt, die vor allem von der experimentalpsychologischen Prüfungsforschung eingehend untersucht worden sind; in dem sich anschließenden Hauptteil des Buches werden die vier wichtigsten Forschungsansätze – die experimentalpsychologischen, motivationspsychologischen, psychoanalytischen und sozialisationsorientierten Ansätze – dargestellt und diskutiert, um auf diese Weise Erklärungen für die Prüfungsangst zu finden, bevor schließlich im Schlußteil die Überlegungen der soziologisch orientierten Prüfungsangstforschung mit einbezogen werden, um die gesellschaftliche Relevanz der Prüfungsangst zu verdeutlichen. Angesichts der Grundannahme dieses Buches, daß Prüfungsangst in starkem Maße durch die jeweilige Sozialisationsbiographie und damit durch die gesellschaftlichen Grundlagen dieser Sozialisation bedingt ist, wird darauf verzichtet, Rezepte für eine kurzfristige Linderung der Prüfungsangst anzubieten, zumal solche Rezepte doch kaum darüber hinwegtäuschen könnten, daß langfristig nur grundlegende Veränderungen des Prüfungswesens und der es bedingenden Gesellschaftsstrukturen die Prüfungsangst beseitigen können.