Quellen zur Geschichte der Holsteinischen Elbmarschen -  - E-Book

Quellen zur Geschichte der Holsteinischen Elbmarschen E-Book

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Beschreibung

Dies ist der 3. Band der neuen Publikationsreihe der Detlefsen-Gesellschaft. Immer wieder tauchen in privaten Sammlungen und aus Nachlässen Quellen zur Geschichte der holsteinischen Elbmarschen auf. Leider werden diese nicht immer den Archiven zur Verfügung gestellt. Für die Forschung sind diese daher nicht zu nutzen. Nicht selten verschwinden diese bedeutsamen Archivalien nach dem Tod der Besitzer im Müll. Um sie für die Forschung nutzbar zu machen, werden diese Funde publiziert und innerhalb dieser Reihe der Öffentlichkeit in loser Reihenfolge zur Verfügung gestellt. Band 3: Die vorliegenden vier Quellen aus den Jahren 1813 bis 1815 sind - jede für sich - von besonderem Wert für die Regionalgeschichte. Aber gerade in ihrer Zusammenstellung können sie helfen, die Napoleonischen Kriege multiperspektivisch zu erschließen.

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


Inhalt

Vorwort

Friedrich Wilhelm Koch

Aus der Schreckenszeit Glückstadts während der Belagerung i. J. 1813

Unbekannt

Von der Belagerung und Einnehmung Glückstadts im Jahr 1813 – Ein Augenzeugenbericht

Valentin Schmidt

Die Belagerung Glückstadts aus bäuerlicher Sicht. Die Aufzeichnungen des Gevollmächtigten Valentin Schmidt aus Sommerland über die Jahre 1813/1814

Gesammelt von Johann Schwarck

Die Geschichte der für die Stadt Wilster so denkwürdigen Zeit von Juni 1813 bis den 31. Juli 1815

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

1813 als Freiwilligenverband aufgestellt, waren sie in den sog. Befreiungskriegen nur von geringer militärischer Bedeutung, boten aber den Stoff für die Mythen einer erwachenden deutschen Nation: die Lützower Jäger. Die Dichter Theodor Körner und Joseph von Eichendorff gehörten dem Freikorps ebenso an wie „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn oder der Pädagoge Friedrich Fröbel, der spätere Begründer der Kindergärten. Vor allem die wilhelminische Nachwelt erklärte sie zu deutschen Helden, die Nationalsozialisten wiederum instrumentalisierten sie für ihre Zwecke. Die Lützower trugen schwarze Uniformen mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen; deshalb, aber auch weil sie in den Augen ihres französischen Gegners nicht als reguläre Truppe angesehen wurden, erhielten sie den Namen „brigands noirs“ – „schwarze Banditen“. Auch der Gevollmächtigte Valentin Schmidt (1771–1832) aus Sommerland, der aus bäuerlicher Sicht die Belagerung und Beschießung der Festung Glückstadt 1813/1814 zusammenzufassen versucht, knüpft an die Uniformfarbe der Lützower, die Anfang Januar 1814 in Süderau und Grevenkop lagerten, an und charakterisiert deren Disziplin in seinen Aufzeichnungen scharf: „So viele Klagen sich allenthalben über die Aufführung dieser deutschen Truppen hören ließen, sowohl beim Durchmarsch unter Ausübung von Exessen, als der übergroßen Lästigkeit im Quartier durch Schwelgen, Praßen unter beständiger Chicane und Prellerey, ja öfters sogar heimlich und öffentlich Beraubungen der Bequartirten – hätte man Grund zu behaupten, daß durch sittenlose Lebensart dieser Schlechten ihr Herz eben so schwarz wie das Sinnbild ihres äußern Costüms war.“ Den hohen Wert dieses Manuskripts für die Regionalgeschichte – von Klaus-J. Lorenzen-Schmidt aufgefunden und 1983 erstmals herausgegeben – beschreibt dieser in seinem Vorwort selbst. Für den vorliegenden Band haben wir uns entschlossen, die Edition erneut abzudrucken.

Schmidts Aufzeichnungen werden flankiert von dem Manuskipt des Glückstädter Arztes Dr. Friedrich Wilhelm Koch, der die Ereignisse vom 6. Dezember 1813 bis zum 16. Februar 1814 sehr detailliert schildert. Anhand seiner Aufzeichnungen ist es sogar möglich, die Beschießung im Stadtplan konkret zu verorten: „In Johann Friedr. Schröders Haus war eine Bombe gefallen, und hatte durch den Hausboden, durch die Zimmerdecke, und so durch den Kellerboden geschlagen, wo ein großes Faß Madera gelagen, auch solches durchgeschlagen und in dem Wein sich erstickt.“ Dass ihm das Schicksal der Zivilisten besonders anrührt, kann man nicht nur folgender Schilderung vom 27. Dezember entnehmen: „[S]ehr zu beklagen ist es, daß bei diesem heutigen Bombardement eine brave gute Bürgersfrau mit ihrem Kinde, welche von der Kremperstraße in einen Keller endlich geflüchtet war, durch ein Stück einer zersprungenen Haubitz-Granate erschlagen wurde.“

Der Augenzeugenbericht eines Unbekannten, wahrscheinlich eines während der Kampfhandlungen in Glückstadt stationierten Soldaten, ergänzt Kochs Bericht, fällt aber knapp aus. Wichtig scheint ihm insbesondere das Kräfteverhältnis der Kriegsparteien zu sein, wenn er abschließend und durchaus rechtfertigend, aber nicht ohne Selbstgefühl erwähnt: „Am Mittwoch den 5. Jan. ist Glückstadt an die Schweden übergeben worden. Die Zahl der Belagerer soll 11000 Mann gewesen seyn, während Glückstadt nur 2 bis 2500 Mann Besatzung hatte, von denen nicht mehr als 150 Mann mit Einschluß einiger Bürger ums Leben gekommen sind.“

Von Johann Schwarck aus Wilster stammen die erstmals 1919 veröffentlichten Aufzeichnungen, die in Teilen für die vorliegende Quellensammlung erneut abgedruckt wurden. In seinem Tagebuch nimmt sich der Bäckermeister vornehmlich der Einquartierung von Truppenteilen und der durch Requirierungen mitunter angespannten Lebensmittelversorgung in Wilster und Umgebung an. Dabei versäumt er es nicht, die Lebensweise der Kosaken und Ulanen sowie ihr militärisches Reglement und Zeremoniell wie auch ihre Beziehungen zu den Bürgern der Stadt Wilster zu beschreiben. Über die im Januar 1814 chaotisch ablaufende Einquartierung von mindestens 450, z.T. aus Sibirien stammenden Ulanen konstatiert Schwarck: „Da es aber gänzlich an Ordnung fehlte, so quartierten sie sich selbst ein, wo es ihnen am besten gefiel, oder liefen von einem Quartier zum andern, wo es dann nicht selten war, daß einige zwei bis drei Quartiere hatten. Sehr schlimm war es, daß nicht dafür gesorgt war, daß die Pferde in einige besondere Ställe gebracht werden konnten. Denn viele zogen ihre Pferde bei den Bürgern in die Stube. Und wenn man sich hierin weigerte, so hieß es ,Stub nix gut für Pferd‘. Nur mit Mühe konnte man sie soweit bringen, ihre Pferde doch in einen nahen Stall zu ziehen. Indessen mußten einige Bürger die Pferde auf der Diele stehen haben.“ Mit etwas Wehmut, wenngleich doch erleichtert, blickt Schwarck auf den Abschied eines anderen Ulanenregiments, das nach über 20 Wochen Einquartierung am 29. Dezember 1814 die Stadt verließ: „Es war daher auch recht gut mit ihnen umzugehen. Von Prügeln und Spektakel war fast nichts zu hören. Sie erwarben sich auch deswegen bei den Einwohnern Zutrauen und Liebe. Man bewirtete sie zu ihrer größten Zufriedenheit, wofür sie auch jedesmal Dank sagten. [...] Viele Offziere machte der Abschied so rührend, daß sie an zu weinen fingen. Sie bedankten sich sehr viel für alles Gute, so sie hier empfangen hatten und versicherten, daß sie niemals die Wilster vergessen würden. [...] So war man dann endlich doch diese Einquartierung losgeworden, und es war nicht anders als wenn ein Teil der Einwohner ausgewandert war, so sehr war man schon an ihren Umgang gewöhnt.“

Die vorliegenden vier Quellen sind – jede für sich – von besonderem Wert für die Regionalgeschichte. Aber gerade in ihrer Zusammenstellung können sie helfen, die Napoleonischen Kriege multiperspektivisch zu erschließen.

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre und bleiben Sie uns gewogen.

Borsfleth / Glückstadt im September 2022

Christian Boldt, Sönke Loebert, Michael Boldt

Aus der Schreckenszeit Glückstadts während der Belagerung i. J. 1813

Friedrich Wilhelm Koch

Die folgenden Mittheilungen gehören einem Manuscript an, welches den Titel führt:

„Diarium der Kriegs-Vorfälle um, in und bei Glückstadt vom 19. December 1813 bis zum 16. Januar 1814“.

Dasselbe stammt aus der Familie des weiland Physicus Dr. Koch, welcher zugleich mit dem derzeitigen Dr. med. Jahn, in der schweren Leidenszeit des Bombardements der Stadt durch die englische Flotte, nachdem die Familie nach Heide in Sicherheit gebracht war, als pflichtgetreuer Arzt, während des Kugelregens sich an den Mauern der Häuser haltend, den Verwundeten Hilfe brachte. Da dieses Tagebuch manche neue, wohl den meisten heutigen Bewohnern der Stadt unbekannte Einzelheiten enthält, welche selbst in dem Specialwerk des ehemaligen Conrectors des hiesigen Gymnasiums A. C. Lucht: Glückstadt, oder Beiträge zur Geschichte dieser Stadt und des dreißigjährigen Krieges in unserem Lande, Kiel 1854, pp. 170-192 nicht zu lesen sind, scheint es nicht uninteressant, jenes Diarium, wenigstens theilweise, zur öffentlichen Mittheilung zu bringen.

Die Worte lauten nun so:

Anno 1813 den 6. December wurde die Festung Glückstadt von ihrem Commandanten, dem Generalmajor von Czernikow, in Belagerungszustand erklärt, weil die alliirten russisch-preußischen und schwedischen Armeen über die Grenze Holsteins vorgerückt waren. Das holsteinische Obergericht ließ Wagen requiriren, um sowohl das Archiv als auch das Personal desselben nach Schleswig zu bringen. Mit genauer Noth kam das Archiv und einige Mitglieder im Schleswigschen an; allein einige derselben sahen sich genöthigt, in Itzehoe, andere gar hier zu bleiben, weil die russischen Kosaken bei und um Itzehoe streiften. Die Stadtthore wurden verschlossen gehalten und die Communikation fing an aufzuhören; auch wurde den Einwohnern angezeigt, daß, wer sich nicht auf 6 Monate verproviantirt hätte, die Festung verlassen müsse.1 Das in der Festung befindliche kleine Corps Ewaldscher Husaren ritt fleißig zum Recognoscieren2 bis Krempe und hatte kleine Scharmützel mit den dort bereits sich aufhaltenden Feinden.

Den 19. Dezember, am Sonntage, Morgens früh, wollten die in Krempe und Wewelsfleth sich aufhaltenden feindlichen Truppen, die auf dem Deich beim Eingange der Stör auf der Batterie noch stehen gebliebenen 4 Stück schweres Geschütz, 36 pfündigen Kalibers, wegnehmen. Die dabei postirte Mannschaft von unseren Leuten vertheidigte sich tapfer, verlangte aber von dem Commandanten der Festung Succurs3 und Verstärkung. Es marschirten darauf 150 Mann von dem sich hier in der Festung aufhaltenden Depot, der von dem Auxiliär-Corps4 hier eingetroffenen Reconvalescenten5, in aller Eile nach der Batterie hinaus und zerstreuten das feindliche Corps, behaupteten auch die Batterie; sahen sich aber genöthigt, weil die Kanonen von zu großem Kaliber waren, um solche durch den fast grundlosen Weg durchzubringen, solche zu vernageln6 und vom Deich herunter zu rollen. Während sie dabei beschäftigt sind, kommt ein starkes Corps von 5 Cavallerie- und Infanterie-Abtheilungen anmarschirt. Die Unsrigen sahen sich daher genöthigt, fechtend sich zurückzuziehen, endlich die Flucht zu nehmen und trafen glücklich, von feindlicher Cavallerie verfolgt, ohne großen

Postkarte der Höheren Töchterschule. Heinrich-1. Struck, Glückstadt, um 1920. Sammlung U. Evers.Verlust7 auf dem sogenannten Eselskop8 bei Hinrich Mincks Hause ein, wo sie von Königs-Matrosen mit den Grönländischen Chaloupen, welche längs des Burggrabens gelegt waren, um damit bei eintretendem Frost den Festungsgraben aufzueisen, glücklich übergesetzt wurden und so wieder in die Festung kamen. Ihre Flucht wurde von den Batterien beim Deichthor, welche mit Kartätschen nach den Feinden, so ihnen nachsetzten, geschossen, unterstützt und von ihnen in ziemlicher Entfernung zurückgehalten. An dem Tage nahmen die Feinde Posto längs dem Deich bis Johann Mincks Hause. Die Commandantschaft fand es für nöthig, daß Hinrich Mincks Haus und die übrigen Häuser am Deich, bis Henning Minck seinem Hause9 in Brand geschossen werden sollten, und beredete solches am anderen Tage, wo Hinrich Mincks Haus darauf in Flammen aufging; die übrigen blieben aberstehen. Die Kremperthors-Brücke wurde auch in Brand gesteckt, weil sich auch schon feindliche Streifpartieen auf dem Steindamm sehen ließen.

Das Deichtor 1744, Frontseite. Detlefsen-Museum Glückstadt.

Den 20. December wurde auch die Neuthors-Brücke in Brand geschossen, denn es zeigten sich schon Feinde bei Hauschildt und Bornholt. Die Schleusen wurden geöffnet und das Land unter Wasser gesetzt.

Den 21. beabsichtigte man Hauschildt‘s Haus und die beistehenden kleinen Häuser mit glühenden Kugeln in Brand zu schießen; es mißlang aber, weil, wenn die kleinen Feuer gefangen hatten, gleich von den Preußen, Russen und Schweden wieder gelöscht wurden. Es wurden demnach, um die Verbrennung zu bezwecken, weil die Feinde hinter Hauschildt‘s Hause eine Batterie aufwerfen wollten, Haubitzen-Geschütze, auf den Wall hinter Blaffert‘s Mühle10 gebracht, und

am 22. mit glühenden Kugeln nach dem Hause geschossen, worauf es denn auch gleich in Flammen stand. Zugleich geschah selbigen Tages, des Morgens um 8 Uhr, ein Ausfall von unserer Seite mit ca. 400 Mann und 2 Feldkanonen, um die im Holländer Gange und längs dem Steindamm sich einnistenden Feinde zu vertreiben11, wobei zugleich die Ordre gegeben war, die Häuser im Holländer Gange, wie auch die Häuser längs dem Steindamm mit Inbegriff des Koopmannschen Hofes in Brand zu stecken, welches denn auch schon gegen 10 Uhr Vormittags zur Ausführung kam. Um sich zu rächen, warfen die Feinde von ihrer Verschanzung bei Henning Mincks Hause Brand-Raqueten12 in die Festung (es waren nach Lucht die ersten, etwa 10 Brand-Raketen, welche während der Belagerung in die Stadt fielen. Eine davon ist bei Schlachter Brandts Hause eingeschlagen, hat aber nicht gezündet; eine andere ist in des Kapitän Kruse Haus gefallen, ist aber gleich gelöscht worden, und andere mehr.) Nun ward es wieder stille und es geschah auch den ganzen Abend und selbst in der Nacht nicht mehr. Zur Vorsicht und, um die Löschung bei ausbrechenden Feuer zu befördern, wurde jedem Einwohner angesagt, ein Behältniß mit Wasser vor der Thür und auf dem Boden bereit stehen zu haben.

Congrevesche Raketen-Munition. Zeichnung aus „Details of the Rocket System by Colonel Sir William Congreve“, London 1814. Reprinted by the R.A. Printing Press Ltd., London.

Den 23. ließ sich Morgens um 8 Uhr schon der Kanonendonner in einiger Entfernung hören, man sah englische Schiffe in großer Anzahl13mit der Flut aufkommen, welche sich immer mehr und mehr der Festung näherten, so daß man für nöthig fand, die Hafenkette aufzuwinden. Alle, die von hier ausflüchten wollten, und sich schon mit ihrem Gut auf die Schiffe begeben hatten, konnten nicht aus dem Hafen kommen.14 Von unserer Batterie bei Holstein (am oberen nördlichen Hafenende, in dem Winkel, den der Hafen und die Docke, das Königliche Schiffbassin, bilden) wurde stark auf die Engelländer geschossen, dies hielt sie im Avanciren15 auf. Die Feinde, welche sich bei dem Koopmannschen Hause postirt hatten, versuchten die Ravelin‘s zu attaquiren, werden aber von den Batterieen daselbst daran verhindert und zurück getrieben. Die Feinde waren längs der Contre-Skarps (die Böschungen der Festungsgräben) schon so nahe gekommen, daß ihre Haubitz-Kugeln beim Kirchhofe und auf dem Markt herumflogen; eine Kugel ist durch die Glas-Scheibe des Dielenfensters in Th... Siemens Hause gegangen; auch eine Kugel, vielleicht von den englischen Schiffen, ist in Happels Dach gegangen, so in Schaar‘s obere Zimmer geflogen, die sich da nachher gefunden; sie ist wohl so groß wie ein Gravensteiner Apfel und kann dem Ansehen nach 12 Pfd schwer sein. Den Nachmittag sowohl wie den Abend blieb es ruhig. Die Engelländer waren mit ihren Schiffen bei eingetretener Ebbe wieder hinunter nach Störort gegangen. Vielleicht würde die Attaque von der Wasser- sowohl als auch Landseite schärfer gewesen sein, wenn nicht ein starker Nebel das Gesicht beschränkt hätte.16

Zeichnung der Befestigung von Glückstadt bei der Belagerung von 1813. Nach der Skizze des Leut. Timm im Besitz von Capt. Lange, durchgepaust von D. Detlefsen. Detlefsen-Museum Glückstadt.

Den 24. December fiel nicht Bedeutendes vor; man hörte wohl in der Ferne schießen, es kam aber nicht näher; von unserer Seite wurde oft von den Batterieen beim Deichthor nach den Feinden geschossen, um zu verhindern, daß sie keine Batterie, womit sie bei Henning Minck‘s Hause und auf dem Deich bei Minck selbst (?) beschäftigt waren, zu Stande bringen konnten; und von dem Wall beim Neuthor ebenfalls nach der vorbenannten Hofstelle bei Hauschildt, und von der Batterie beim Siehdichvor (Siehdichvor ist der heutige neue Rhin beim Pulverthurm hinterm Rethhövel), um auch da ihre Absicht, sich zu verschanzen und Batterien aufzuwerfen, zu vereiteln.

Den 25. wurde Generalmarsch geschlagen, weil die Feinde sich zu nähern drohten.17 Es wurde zwar von unseren Batterien und Wällen stark kanonirt, es fiel aber nichts von Erheblichkeit vor, außer das von Feindes Seite mit der hiesigen Commandantschaft häufig parlamentirt wurde. Und selbst der schwedische General-Major Freiherr v. Boye, welcher sein Hauptquatier in Krempe hat, war mit dem Kriegsrath18 Möller hier angekommen, und unterredeten sich mit dem Commandanten, wurden auch freundschaftlich bei dem Platz- und Stadtmajoren von Vendt bewirthet, und gingen darauf wieder ab. Es verlautete aber nichts im Publikum, was von feindlicher Seite war verlangt, oder von dem Commandanten darauf erwidert worden.19

Den 26. bis gegen 12 Uhr hielt sich der Feind ruhig, weil noch den Vormittag über von Seiten der Feinde mit unserem Commandanten parlamentirt wurde.20 Man sagte, der Commandant solle aufgefordert sein, die Festung zu übergeben; allein er habe es von sich gewiesen. Ein Ausschuß von 24 der vorzüglichsten Bürger hielten eine Zusammenkunft bei dem Herrn Advocaten Piening, um sich darüber zu bereden, welches der Inhalt der Bitte sein solle, dem Commandanten um Schonung der Stadt Vorstellung zu machen. Es verfügten sich demnach einige der 8 Bürger (?), worunter Cornelsen der Sprecher war, und ein paar der anderen Ausschußmänner zu dem Herrn Commandanten, und baten, wo möglich es so zu arrangiren, daß die Stadt und ihre Bewohner geschont werden möchten; ohne jedoch ihm, dem Herrn Commandanten, vorschreiben zu wollen, anders als mit einer ehrenvollen Capitulation die Festung zu übergeben. Der Commandant erwiderte hierauf, daß er es so zu arrangiren suchen werde, daß die Stadt und ihre Einwohner so viel wie möglich geschont würden; indessen wären ihm von Seiten der Feinde solche fade Anträge geschehen, daß er sie nicht habe annehmen können, und er als Soldat so wenig, wie auch als Unterthan und Diener seines Königs und Vaterlandes, seine Ehre dabei werde behaupten können, daher er sie hätte verwerfen müssen.21 Inzwischen erwarte er augenblicklich einen englischen Parlamentair, und er werde hören, was der vorzutragen hätte. Er entließ hierauf die Deputirten der Bürgerschaft, und selbige verfügten sich wieder nach Herrn Piening‘s Hause, wo mittlerweile von Piening eine dringendere Vorstellung und Bitte, um Schonung der Stadt und ihrer Einwohner an den Herrn Commandanten concipirt worden war, die in möglichster Eile ins Reine geschrieben, und von den anwesenden Bürgern Mittags um 12 Uhr unterschrieben wurde, um solche dem Herrn Commandanten zu übergeben, bevor der englische Parlamentair wieder von ihm entlassen würde, welcher bereits bei ihm angelangt war. Aber kaum, daß die Vorstellung unterschrieben war,22 fing schon die Kanonade des Bombardements der Feinde an. Sie warfen von der Batterie aus dem Deichthor vorzüglich mit Brand-Raqueten und gefüllten Haubitz-Granaten, welches von den feindlichen Batterieen aus dem Neu- und Kremperthor mit Lebhaftigkeit geschah, wobei auch von den englischen Schiffen, welche sich in der Nähe von der Festung auf der Elbe postirt hatten, ebenfalls mit Brand-Raqueten und gefüllten Haubitz-Granaten auf die Häuser geworfen wurde. Das Schießen dauerte von 12 Uhr bis des Abends um 6 Uhr fort. Und die gefüllten Haubitz-Kugeln sowohl als die nicht minder gefüllten Kugeln an den Brand-Raqueten,23 richteten bedeutenden Schaden an den Häusern an, zündeten auch hin und wieder, doch wurde das glimmende Feuer noch glücklich wieder gelöscht, so daß mit göttlicher Hülfe verhütet wurde, daß nicht in einem Hause das Feuer in Flammen ausbrach. Um 6 Uhr hörte das feindliche Schießen nach und nach auf, indessen fiel es den Feinden doch zuweilen ein, Brand-Raqueten in die Luft steigen zu lassen, wovon eine in die Gegend des Hauses des Herrn Kanzleirath von Prangen gesprungen war, wodurch einige Fensterscheiben in der Wohnstube zersprangen und die Glassplitter rund herum in die Stube schleuderte.

Den 27. die Nacht über war es ruhig, wiewohl man befürchtete, daß der Feind um Mitternacht die Festung wieder beschießen würde. Allein am Morgen gegen 8 Uhr hörte man schon in der Entfernung schießen, welches vermuthlich von den englischen Schiffen kam, die der Festung immer näher kamen. Gegen 10 Uhr fing die Kanonade von der Feinde Seite immer heftiger zu werden an. Von unseren Batterieen und Wällen wurde wieder derbe geantwortet. Die gefüllten Haubitz-Kugeln und die Brand-Raqueten flogen in die Kreuz und Queer über den Häusern herum,24 und wo sie fielen, zerplatzten sie. Einige gefüllte Bomben waren 100 bis 130 Pfd schwer. Inzwischen sei dem Höchsten dafür gedankt, daß kein Brand in der Stadt entstand, wiewohl die Feinde es gerne gesehen hätten.25 Gegen 1 Uhr war das feindliche Schießen lange so heftig nicht mehr, und endlich hörte es ganz auf. Allein gegen 2 Uhr wurde das Schießen immer lebhafter wieder, und die Haubitz-Kugeln wie auch die Brand-Raqueten flogen wieder in unzähliger Menge in der Luft herum, schlugen auch ein, zündeten aber nicht. Dieses dauerte wohl bis gegen 4 Uhr, da dann die Engelländer aufhörten zu schießen, und mit der Ebbe wieder ganz hinunter gingen, so daß man sie bald aus dem Gesichte verlor. Die von den Batterieen bei Henning Minck und außen am Kremperthor, wie auch aus dem Neuenthor continuirten indessen noch mit den Brand-Raqueten und Haubitz-Kugeln; doch entstand glücklicherweise kein Brand. Gegen 5 Uhr waren immer größere Pausen im Schießen, endlich hörte es ganz auf. Und es ist zu erwarten, daß die Feinde sich die kommende Nacht ruhig verhalten werden; nur sehr zu beklagen ist es, daß bei diesem heutigen Bombardement eine brave gute Bürgersfrau mit ihrem Kinde, welche von der Kremperstraße in einen Keller endlich geflüchtet war, durch ein Stück einer zersprungenen Haubitz-Granate erschlagen wurde.26 Was ein schwedischer Parlamentair dem Commandanten, welcher ihn selbst wieder zum Thore hinaus begleitet haben soll, überbracht habe, ist fürs Publikum noch ein Geheimniß. Auch was ein französischer Officier, welcher von dem Prinzen Eckmühl an den Herrn Commandanten mit Depeschen abgefertigt sein soll, überbracht habe, davon muthmaßte man Verschiedenes, aber mit Gewißheit ließ sich nichts bestimmen. Bis gegen 1 Uhr Nachts hörte man keinen Kanonendonner mehr. Die Feinde schienen aber etwas wieder im Sinne zu haben,27 indem sie wieder anfingen von ihren Brand-Raqueten in die Festung zu werfen, welche aber glücklicherweise nicht zündeten. Von unseren Batterien wurde einigemal auf sie geschossen, worauf es wieder anfing ruhig zu werden.28 Diese Waffenruhe dauerte bis den 28. gegen Morgen 8 Uhr, wo schon der Kanonendonner zu erkennen gab, daß der Feind wieder in Bewegung sei. Die englischen Schiffe, bestehend aus einer Fregatte, 3 Briggs und 11 Kanonenböten, nahmen posto zwischen Glückstadt und der Stör, und fingen fürchterlich mit Kugeln und Haubitz-Granaten auf den Hafen und die Stadt zu schießen; worunter zuweilen auch Bomben über 100 Pfd schwer, und mehrere Brand-Raqueten auf die Häuser geschossen wurden, wobei der Feind vorzüglich sein Augenmerk auf den Kirchthurm, die Mühlen, und Kornmagazine gerichtet zu haben schien. Die dänische Brigg, so den Sommer über, statt Wachtschiff auf der Elbe vor unsrem Hafen gelegen, hatte sich, nebst den 7 Kanonenböten, unter die Kanonen unsrer Festung vor unsrem Hafen hingelegt, und feuerten fürchterlich gegen die englischen Schiffe an. Ein gleiches geschah auch von der Seebatterie bei dem Dockthor und der holsteinischen Wache, welche von den Königlichen Matrosen unter Commando ihrer Officiere bedient wurden. Das Zeugniß aller bestätigte es, daß selbige mit aller Hartnäckigkeit und Geschicklichkeit die Batterie in Thätigkeit erhalten, und den Engländern beträchtlichen Schaden zugefügt hatten.29

28. Decbr. Die Kanonen der feindlichen Batterie bei Henning Mincks Hause und aus dem Kremperthor bei dem abgebrannten Koopmann‘schen Hofe spielten dabei unaufhörlich auf die Festung und auf die Batterie beim Deichthor, und... Buretine (?)30 vorm Kremperthor; nur die feindliche Batterie aus dem Neuenthor blieb dabei außer Action. So hitzig nun gleich der Angriff der Feinde auf die Festung nach der Elbseite, und obgleich viele gefüllte Haubitz-Kugeln und Brand-Raqueten auf die Häuser und auf die Straße, auch 100 Pfd schwere Bomben, fielen, so kam doch kein Haus in Brandt, sondern wurde, wo es gezündet hatte, gleich wieder gelöscht. Ein Ewer mit Kaufmanns-Gütern beladen, welcher im Hafen bei Lecks Hause lag, ward durch eine Brand-Raquete beschädigt. Gegen 12 Uhr wurde von den Engelländern von der Elbseite her nicht mehr geschossen. Die Engelländer begaben sich weiter die Elbe herunter, und legten sich zwischen Brockdorf und der Stör vor Anker. Nach und nach hörte auch die feindliche Batterie aus dem Deich- und Kremperthor zu schießen auf. Von der Batterie beim Erb-Prinzen31