Rain Boy - Annette Gwozdz - E-Book

Rain Boy E-Book

Annette Gwozdz

0,0

Beschreibung

Katharina hat genug: Jedes Mal, wenn sie obdachlosen Menschen etwas Geld gibt, muss sie sich von ihrem Freund Jakob anhören, das Obdachlose in Wirklichkeit keine armen Leute, sondern dreiste Abzocker, die irgendwelchen Banden angehören. Sie hat eine andere Meinung dazu und beschließt herauszufinden was wahr und was falsch ist. Dass das Experiment jedoch ab da gerade für sie, alles verändert, hat sie niemals gedacht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 63

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Bücher, sind nicht nur Bücher, es sind unsere Gefährten der Zeit.

(AnGwo)

„Wir können nicht immer alles verändern, doch wir können versuchen, das Beste draus zu machen.“

(AnGwo)

„Eleganz bedeutet nicht aufzufallen, sondern in Erinnerung zu bleiben.

(Georgio Armani)

So oft schon, bin ich an ihm vorbeigerauscht, ohne ihn wirklich wahrzunehmen.

Bin ich blind gewesen, oder war es nur deshalb so, weil er so war - wie er war; ein armer Obdachloser. Ungekämmt, irgendwie komplett unsauber eben total anders, als wie man es von sich selber kannte. Warum ich diese Berührungsängste hatte, konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären. Doch heute frage ich mich, warum ich diesen Schritt nicht schon früher gewagt hatte.

Ich heiße Katharina Lehmann, Freunde nennen mich Kati und dies ist meine Geschichte.

Es war an einem warmen, doch verregneten Sommertag, als ich wie schon so oft, an ihm vorbeihuschte.

„Oh Gott, der Arme“, denke ich jedes Mal, wenn ich den jungen Mann sehe. Er ist zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt und sitzt in unsere Stadt mitten auf dem Gehweg. Vor ihm steht ein kleiner Becher mit vielen Löchern sowie ein Schild mit der Aufschrift: „Ich bin obdachlos! Habe Hunger!“ Seine Klamotten sind dreckig, die Haare lang und klebrig.

„Der Arme könnte wirklich eine Dusche vertragen.“ Ich stelle mir jedes Mal die Frage, ob er wirklich obdachlos, arm und hungrig ist oder ob es nur eine Taktik ist, um den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Mein Freund Jasper warnt mich immer vor solchen Leuten. Er meint, dass sie einfach nur zu faul zum Arbeiten sind und eh nichts anderes als Alkohol und Drogen im Kopf haben. Außerdem würde er nie etwas zu essen annehmen. Leute wie der, die wollen nur Bares. „Mal sehen.“ Meine Neugier ist geweckt und ich habe einen Plan, wie ich es herausfinden kann. Jetzt ... erst ... recht!

Ein paar Meter weiter kaufe ich beim Bäcker eine Vanillestange und gehe zu dem jungen Mann rüber. Wäre Jasper dabei, hätte er es mir sofort ausgeredet und mir bestimmt noch eine gewaltige Gehirnwäsche verpasst. Kaum bin ich aus der Bäckerei raus, fängt es zu regnen an.

„So ein Scheiß aber auch!“

Mein Blick schießt sofort zur dem jungen Mann. Ich bin gespannt, was jetzt passiert und ob er meine Tüte annimmt. Meine Meinung war immer, dass eine Bande, die den Leuten das Geld aus den Taschen zieht, spätestens bei so einem Regen ihre Sachen packt und sich verzieht. Doch er sitzt immer noch da. Mit einer Regenjacke, die er sich über den Kopf hält, versucht er sich vor dem Regen zu schützen. Sein Gesicht jedoch hält er mit geschlossenen Augen den Regen entgegen. Die Jacke reicht nicht, um dem Regen zu entweichen, der armer Kerl ist klatschnass. Mein Herz zerreißt in tausend Stücke. Als ich vor ihm zum Stehen komme, blickt er zu mir hoch und ich erstarre beinahe vor Scham. Würde gern im Erdboden versinken. „Was für wunderschöne Augen er hat. Wie zwei Maronen blicken sie auf mich.“ Das kribbelige Gefühl in mir verschwindet, als er wieder auf dem Boden sieht und meint: „Was kann ich für dich tun? Ich habe nichts, also starre mich nicht so an. Verstanden?!“

„Ähm … Entschuldige bitte, ich wollte nicht unhöflich sein! Hier ist etwas Süßes für dich! Magst du Süßes?“, frage ich und reiche ihm die kleine Papiertüte mit der Vanillestange hin. Zugleich merke ich, wie peinlich doch diese Frage klingt.

„Ja, ich mag Süßes! Du bist süß“, kommt als Antwort, während er mir die Tüte aus der Hand nimmt und sich kurz bedankt.

„Okay, dann lass es dir schmecken! Bis dann mal“, stottere ich mit unsicherem Unterton. Auf dem Weg nach Hause grübele ich die ganze Zeit darüber nach, was ihm wohl widerfahren ist? Was war passiert, dass der Arme sein Leben da draußen verbringt? Immer wieder die gleiche Frage, das Karussell beginnt sich zu drehen. Ich laufe in der Wohnung auf und ab. Sein Blick hat es mit angetan. „Mensch, was ist in seinem Leben schiefgelaufen, dass er jetzt bettelnd im Regen sitzen muss?“ Ich habe keine Ruhe mehr, schnappe mir den größten Schirm und verschwinde Richtung Stadt. An der Stelle angekommen, wo er vorher gesessen hat, stelle ich fest, dass außer einem Stück zerfallenes Zeitungspapier nichts und niemand mehr da ist. „Oje, da war der Weg wohl umsonst.“ Mit einem Schmollmund und gesenktem Kopf, stehe ich nun da. Wie bestellt und nicht abgeholt. Na egal, allein der Wille zählt. Der Regen wird immer stärker und ich beschließe zurückzugehen.

Menschen, die an mir vorbeilaufen, kann man an den Fingern abzählen. „Was für ein Sommer! Schade, wie gern hätte ich ihm meinen Schirm gegeben!“ Als ich gerade gehen will, ertönt in einer Unterführung hinter mir eine Stimme – seine Stimme.

„Hey, du! Süße Vanillestange. Wohin?“

Ich drehe mich um und sehe den jungen Mann völlig durchnässt in einer Ecke auf seinem Rucksack sitzen. Vorsichtig gehe ich auf ihn zu.

Schließlich weiß ich nichts von ihm und habe Schiss, dass er etwas Blödes vorhat. Doch was sollte er mir den anhaben? Immerhin habe ich dazu beigetragen, dass er nicht verhungert! Etwas Dankbarkeit könnte er schon zeigen. In kleinen, langsamen Schritten gehe ich in seine Richtung. Überlege jedoch immer noch, ob es denn überhaupt richtig ist? Jasper würde wie ein Zäpfchen abgehen, wenn er wüsste, was ich da tue. Das aber weiß ich selbst nicht.

„Keine Angst, ich beiße nicht! Und hey, danke für die leckere Vanillestange!

Es war das i-Tüpfelchen des Tages.

Kaffee dazu wäre ein zusätzliches Highlight!“

„Kaffee …, Kaffee …, Kaffee“, murmele ich mehrmals hintereinander. „Aber das ist doch kein Problem, ich hol dir einen. Warte hier, nicht weglaufen, okay?“

„Blond und süß“, ruft er mir hinterher.

„Was? Wie bitte? Ich verstehe nicht“, tue ich blöd, weiß indes, dass er mich meint.

„Der Kaffee“, fügt er hinzu.

„Was ist mit dem Kaffee? Willst du einen oder nicht?“, frage ich erneut.

Mein Blick ist direkt in seine wunderschönen Augen gerichtet. „Oh Mann, warum kribbelt es überhaupt in meinem Bauch, wenn ich ihn ansehe?“, schwirrt mir immer wieder die Frage im Kopf herum und bringt ihn zum Schütteln. Ich fühle mich etwas beduselt, als ob ich soeben aus einem Schlaf erwacht wäre.

„Ja klar will ich einen! Blond und süß!

Übersetzt heißt es: ‚Kaffee mit Milch und Zucker‘. Hast es jetzt verstanden oder soll ich mitkommen?“

„Lieber Gott, lass unter mir ein Loch entstehen, in den ich in die tiefste aller Tiefen versinken kann. Wie peinlich ist das denn bitte. Das ist doch wohl klar, ich habe diesen Spruch schon so oft gehört. Und jetzt so was. Dämliche Kuh. Immer lächeln und sich nichts anmerken lassen, Kati.“

„Ähm, klar weiß ich es! Bleib ruhig da! Ich bin gleich zurück“, antworte ich und verschwinde um die Ecke.

Es ist so peinlich. Meiner Meinung nach kann es nicht mehr schlimmer werden. Doch es wird schlimmer und peinlicher, als ich bemerke, dass ich meine Tasche samt Brieftasche gar nicht mitgenommen habe. „Bitte, bitte lass mich im Erdboden versinken oder in Ohnmacht fallen. So wäre ich aus dem Schneider. Oder?“ Hilft alles nichts. Also gehe ich wieder zur ihm zurück. Mit den Händen in den Hosentaschen tappe ich langsam und total verschämt auf ihn zu.

„Hi“, flüstere ich und bemerke, wie mir die Hitze, Röte und alles andere in die Birne steigt. „Immer lächeln, das hilft bei Männern doch immer. Hoffentlich auch bei ihm.“