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Texasgirl meets Großstadtboy Als Sierra erfährt, dass die Ranch, auf der sie aufgewachsen ist, verkauft werden soll, bricht eine Welt für sie zusammen. Ausgerechnet Alec, ein reicher Typ aus der Stadt, soll ihr dabei helfen, den Familienbesitz zu retten. Die beiden können sich beim besten Willen nicht leiden. Doch als Sierra merkt, dass mehr hinter Alecs arroganter Fassade steckt, kommen sie sich langsam näher. Bis ihre Gefühle auf einen Schlag auf die Probe gestellt werden: Denn Sierra findet heraus, wer ihre geliebte Ranch in Wahrheit kaufen will...
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Seitenzahl: 375
Veröffentlichungsjahr: 2023
Ranch of Promises
Roxana Hube ist im schönen Münsterland aufgewachsen, wo sie jetzt noch lebt. Zurzeit arbeitet sie in einer Kanzlei als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Mit dem Schreiben begann Roxana im Alter von 13 Jahren auf der Plattform Wattpad, dort hat sie Fanfictions zu ihrern Lieblingssänger:innen veröffentlicht. Neben dem Schreiben singt Roxana für ihr Leben gern. Seit 2022 ist sie auch auf Bookstagram zu finden.
Texasgirl meets Großstadtboy
Als Sierra erfährt, dass die Ranch, auf der sie aufgewachsen ist, verkauft werden soll, bricht eine Welt für sie zusammen. Ausgerechnet Alec, ein reicher Typ aus der Stadt, soll ihr dabei helfen, den Familienbesitz zu retten. Die beiden können sich beim besten Willen nicht leiden. Doch als Sierra merkt, dass mehr hinter Alecs arroganter Fassade steckt, kommen sie sich langsam näher. Bis ihre Gefühle auf einen Schlag auf die Probe gestellt werden: Denn Sierra findet heraus, wer ihre geliebte Ranch in Wahrheit kaufen will...
Roxana Hube
Roman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin März 2023 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN 9783958187474
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Playlist
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Epilog
Leseprobe: Logan
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Playlist
Blue Ain’t Your Color – Keith Urban
One Of Them Girl – Lee Brice
Bless The Broken Road – Rascal Flatts
I Need You – LeAnn Rimes
Hurricane – Luke Combs
Afterglow – Ed Sheeran
Coney Island – Taylor Swift
Crazier – Taylor Swift
Come Back When You Can – Barcelona
Visiting Hours – Ed Sheeran
In Case You Didn’t Know – Brett Young
You And Me – Niall Horan
Family Tree – Matthew West
No Place Like You – Maddie & Tae
Home Is Where The Heart Is – Lady A
Look At Us Now – Dylan Scott
»Ganz sicher hat er seine Frau betrogen«, behauptet Stephen, während er mit einem Nicken auf den großen bärtigen Typen deutet, der nur wenige Meter von uns entfernt mit einem Kollegen spricht. Er trägt einen dieser schicken blauen Anzüge, die im Licht glänzen. Genau wie all die anderen Snobs hier auf der Wohltätigkeitsgala meines Vaters, einer der reichsten Immobilienbesitzer in Dallas. Fast jeder seiner Gäste denkt, er wäre etwas Besseres, nur weil er viel Geld besitzt und in diesen spießigen Klamotten rumläuft. Und was soll dieses Blau überhaupt? Gibt es keine anderen Farben mehr? Ich schaue an mir herunter. Verdammt. Ich trage auch so einen Anzug. In derselben Farbe wie alle anderen Männer in diesem Raum. Ab sofort wird das meine Hassfarbe sein. Nie wieder kaufe ich etwas Blaues. »Ich meine, sieh ihn dir mal an. Dieses anzügliche Grinsen und wie sein Blick ständig über den Körper der Kellnerin wandert. Als wüsste er genau, was er mit ihr anstellen möchte, wenn er sie allein erwischen würde. Wenn du mich fragst, legt er jede flach außer seine eigene Frau.«
Als ich den Mann näher betrachte, fällt mir auf, dass Stephen tatsächlich recht hat. Für diesen Typen ist die junge Frau, die den Job als Kellnerin vermutlich nur angenommen hat, weil sie keine andere Wahl hat, ein weiteres Objekt seiner Begierde. Ob er tatsächlich seine Frau betrügt, lässt sich nur erahnen. An ihrer Stelle jedoch würde ich mir schleunigst jemand anderen suchen. Am besten jemanden mit mehr Haaren und mehr Anstand. Jemanden, der keinen jungen Frauen hinterhergafft wie ein pubertierender Teenager. Schnell trinke ich den letzten Rest Bourbon aus meinem Glas, um diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Wenn er sie begrabscht, dann werde ich sicherlich nicht tatenlos rumstehen.
Zwischen den verwöhnten Reichen habe ich mich schon immer wie ein Außenseiter gefühlt. Leider wurde ich schon von klein auf dazu gezwungen auf diverse Veranstaltungen wie diese Gala zu gehen. Damals hatte ich genauso wenig eine Wahl wie heute. Der einzige Unterschied ist der, dass ich als Kind zu dem Mann aufgesehen habe, der sich mein Vater nennt. Ich war fasziniert davon, wie viel Macht er hat. Mit Worten kann er eine Person regelrecht in seinen Bann ziehen. Doch je älter ich wurde, desto mehr langweilte mich diese Welt, in der ich lebe. Und das passt meinem Vater gar nicht in den Kram. Mein Leben besteht nur aus Wohltätigkeitsveranstaltungen, Teammeetings in der Firma meines Vaters und darin, dafür zu sorgen, dass der gute Ruf unseres Namens aufrechterhalten wird. Freizeit ist ein Fremdwort für mich. Und wenn ich sie mal hatte, wollte ich mir keine Gedanken mehr um das Unternehmen machen. Also fing ich mit zwölf Jahren an, mich für Musik zu interessieren und kaufte mir von meinem angesparten Taschengeld meine erste Gitarre. Mit YouTube Videos lernte ich schnell darauf zu spielen und mit vierzehn schrieb ich meine eigenen Songs. Wochenlang übte ich und schwänzte das eine oder andere Meeting, bei dem ich eigentlich auftauchen sollte. Mein Vater ist der Meinung, dass das Musikmachen die größte Zeitverschwendung ist. Hin und wieder verbot er mir zu spielen und zwang mich stattdessen, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Obwohl meine Mutter ihm oft gesagt hatte, er solle mich doch Kind sein lassen, sorgte er dafür, dass ich immer überall dabei war, wenn er seine Geschäfte machte. Ich sollte die Abläufe der Geschäftsabwicklung und seine Strategien kennen. »Mein Junge muss lernen, dass es viel Arbeit und Zeit braucht, um ein eigenes Imperium zu erschaffen«, hat er immer gesagt. »Nichts kommt von allein.« Und obwohl ich ihn für einen riesen Arsch halte, weiß ich, dass er recht hat. Dummerweise weiß er das auch. Das ist das, was ich am meisten an ihm hasse. Verdammt. Genau das weiß er leider auch.
»Siehst du die Frau da? Ich glaube, sie versteckt einen Babybauch«, höre ich Stephen sagen. Mittlerweile hat er schon ein neues Getränk in der Hand. Ich schaue zu der Frau, die mit ihrer rechten Hand behutsam über ihren Bauch streicht. Sie trägt ein weites Kleid, sodass man ihre Figur nicht erkennen kann. Doch auch wenn sie sich so aufgebrezelt hat, dass man meinen könnte, das Kleid wäre ein teures Designerstück, das sie unbedingt allen zeigen wollte – und seien wir mal ehrlich, die meisten Frauen kommen nur zu solchen Veranstaltungen, um mit ihrem guten Aussehen und ihren teuren Designerkleidern anzugeben -, verrät ihre Hand, dass unter diesem schicken Outfit ein kleines Wesen heranwächst.
Dieses Spiel haben Stephen und ich uns ausgedacht, als wir vor einigen Monaten auf einer von vielen öden Benefizveranstaltungen waren. Wir hatten viele Galas erlebt, doch diese war mit Abstand die langweiligste gewesen. Die Menschen, die sich dort zusammenfanden, waren noch versnobter als wir es gewohnt waren. Als Stephen und ich irgendwann angetrunken allein an einem Tisch gesessen hatten, begannen wir die Leute zu beobachten und zu überlegen, was hinter der Fassade steckt. Ob wir mit unseren Vermutungen richtig lagen, wissen wir bis heute nicht. Das spielt aber keine Rolle. Denn durch das Beobachten der Schnösel entstanden die absurdesten Geschichten. Seitdem ist es eine Art Ritual geworden.
»Ich hoffe nur, es wird nicht so verkorkst wie seine Eltern«, kommentiere ich nachdenklich und schaue meinen besten Freund an. Dieser legt den Kopf schief und sieht mich an, als wäre ich ein naiver kleiner Junge, der es eigentlich besser wissen müsste.
»Es wird in die Welt der Reichen hineingeboren. Natürlich wird es verkorkst sein«, entgegnet Stephen, was mich zum Lachen bringt. Er hat ja so was von recht. Ich blicke in die Richtung meines Vaters, der sich gerade mit einem seiner Klienten unterhält. Die meiste Zeit interessiert er sich bloß für sich selbst. Als meine Mutter uns verlassen hat, habe ich mir geschworen, niemals so zu werden wie er. Ein selbstsüchtiger, machthungriger Idiot, der nichts anderes im Kopf hat als seinen Umsatz. Mir wäre es lieber, wir würden in einer Wohnwagensiedlung leben und uns täglich überlegen müssen, wie wir über die Runden kommen, wenn mein Vater sich auch nur ein klein wenig für mich interessieren und fragen würde, was ich will. Aber das ist Wunschdenken. Ohne meinen besten Freund würde ich diese Gala nicht eine Sekunde überstehen. Ich würde mich wegschleichen, mir meine Gitarre schnappen und für eine Weile verschwinden. Kurz vor Ende der Gala würde ich noch einmal auftauchen und meinem Vater verklickern, dass ich nie weg, sondern genau hier gewesen bin und mich mit den Leuten unterhalten habe. Die meiste Zeit kauft mein Vater mir mein Schauspiel ab. Oder er gibt zumindest vor, mir zu glauben. Ist mir beides recht, solange er nichts dazu sagt und mich in Ruhe lässt.
»Wie lange müssen wir wohl noch so rumstehen und so tun, als würde uns das alles interessieren?«, frage ich und stecke meine linke Hand in die Tasche meiner Stoffhose. Mit der anderen schnappe ich mir ein Glas Sekt vom Tablett der jungen Kellnerin, die vor uns stehen geblieben ist. Kurz mustere ich sie. Sie sieht noch sehr jung aus. Gibt es keine passenderen Jobs für so junge Frauen? Jobs, die keine verwöhnten Typen beinhalten, die ihr auf den Hintern glotzen? Ich schwöre, der Mistkerl von eben hat ihr gerade wirklich auf den Allerwertesten geschaut. Mit einem bösen Blick gebe ich ihm zu verstehen, dass er bloß weggucken soll. Für den Rest des Abends steht die junge Frau offiziell unter meinem Schutz. Und wehe, er sucht sich ein neues Opfer. Als der Snob meinen Blick bemerkt, wendet er sich schnell von mir ab. Ja, gut so. Schön wegschauen und Hände bei dir behalten.
»Ich schätze, nicht mehr ganz so lange. Dein Alter sieht so aus, als würde er gleich eine Rede halten.« Stephen deutet nach vorne zur hellen Marmortreppe. Mein Vater steht selbstbewusst mit einem Glas Sekt in der Hand auf der vierten Stufe und gibt den Leuten zu verstehen, dass sie leise sein sollen. Immer muss er sich größer machen als er ist. Nur deshalb hat er sich auf die Treppe gestellt. Um seine Macht zu demonstrieren und die Rangordnung aufrechtzuerhalten.
Nur wenige Sekunden später ist es totenstill im Salon. Es ist unglaublich, wie er alle im Griff hat. Mit einem einzigen Blick kann er eine Masse zum Schweigen bringen. Noch etwas, das ich an ihm hasse.
»Ich heiße Sie alle herzlich willkommen! In den vielen Jahren, in denen ich Sanders Construction leite, habe ich einige Dinge gelernt. Nicht nur, dass es einer Menge Arbeit bedarf, um ein solches Unternehmen zu führen, sondern auch, dass Organisation und Disziplin das A und O sind«, beginnt mein Vater seine Rede. Noch bevor er weiterspricht, habe ich mein Glas schon leer getrunken. Ohne Alkohol werde ich das Ganze nicht überleben. Blöderweise ist der Sekt nicht stark genug. Wo zur Hölle ist das richtige Zeug? »Damals, als ich angefangen habe, ahnte ich nicht, wie erfolgreich diese Firma einmal sein würde. Gemeinsam mit unserem Team konstruieren wir die schönsten Gebäude in ganz Texas. Egal ob Einfamilienhäuser, Hotels oder Einkaufszentren. Kein Projekt ist uns zu groß! Es freut mich, Ihnen verkünden zu können, dass unser neuestes Konzept größer ist als alles, was wir bisher auf die Beine gestellt haben. Sanders Construction wird eine ganze Reihe Hotels in ganz Texas bauen. Dennoch muss ich Ihnen heute mitteilen, dass es das letzte unter meiner Leitung sein wird. Nach vielen erfolgreichen Jahren ist es an der Zeit mich zur Ruhe zu setzen. Es muss einen Nachfolger geben. Und obwohl es mich traurig macht, meinen Ausstieg zu verkünden, freue ich mich umso mehr, den zukünftigen Geschäftsführer vorzustellen.« Mein Vater hat nicht mit einem Wort erwähnt, dass er in Rente gehen will. Was mich nicht überrascht, da wir in letzter Zeit kaum miteinander sprechen. Die Beziehung zwischen uns hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Er und ich haben einfach zu verschiedene Ansichten, was bestimmte Dinge betrifft. Besonders, wenn es um seine Firma geht, mit der ich am liebsten nichts zu schaffen hätte. Immerhin bleibt mir die große Diskussion darüber erspart, wie es mit der Firma weitergehen soll. Dennoch bin ich verblüfft, dass er offenbar schon längst einen Ersatz gefunden hat. Der Typ tut mir jetzt schon leid, dabei weiß ich noch gar nicht, wer den Job übernehmen darf.
»Nach langem Überlegen habe ich beschlossen, dass das Unternehmen in der Familie bleiben wird. Sanders Construction ist mein größter Schatz. Wer wäre also als Leitung besser geeignet als mein eigenes Fleisch und Blut. Mein Sohn, Alexander Sanders.« Auf einmal ist alle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet, was nicht einmal das Schlimmste an dieser Geschichte ist. Während die Gäste meines Vaters applaudieren, fängt sich in meinem Kopf alles an zu drehen. Das darf einfach nicht wahr sein. Nein, das muss ein Albtraum sein, anders kann ich mir das Ganze nicht erklären. Der Applaus dringt kaum zu mir durch. Ich höre nur noch das Rauschen meines eigenen Blutes. Immer und immer wieder höre ich die Stimme meines Vaters, die meinen Namen sagt. Ist das sein scheiß Ernst?
»Alter, wusstest du das?«, flüstert Stephen, doch ich kann nur den Kopf schütteln. Natürlich wusste ich nichts davon. »Du steckst so was von in der Scheiße …« Damit hat er recht. Anstatt mit mir zu reden, hat mein Vater einfach über meinen Kopf hinweg entschieden. So wie er das immer macht. Er weiß genau, dass ich nichts dagegen unternehmen würde, wenn er mich in einem Moment konfrontiert, in dem ich so etwas am wenigsten erwarte. Noch etwas, das ich an ihm hasse.
Leicht neige ich meinen Kopf nach links. Dann wieder nach rechts. Doch je länger ich das Bild aus bunten Farbklecksen an der Wand betrachte, desto weniger kann ich darin erkennen. Mir ist es ehrlich gesagt schleierhaft, was Bree an diesem Bild findet. Die Farbe ist wahllos übereinander angeordnet worden. Wenn man das überhaupt eine Anordnung nennen kann. Meine dreijährige Nichte hätte genauso ein Bild malen können.
»Sag schon, wie findest du es?«, fragt Bree mich aufgeregt. Ihre braunen Augen sind so groß geworden wie die einer japanischen Comicfigur. Überhaupt sieht sie wie eine aus, mit ihren langen blonden Zöpfen und ihrer schlanken Figur. Es fehlen nur noch das breite unschuldige Grinsen und die bunten Haare. Dann wäre sie selbst ein Kunstwerk. Ein japanisches Manga-Kunstwerk.
»Es ist … Es ist nett«, bringe ich nach kurzem Schweigen hervor. Bree verschränkt die Arme vor der Brust. Ihr Lächeln erstirbt.
»Du findest es schrecklich.«
»Wenn ich ehrlich bin, sieht es aus, als hätte sich ein Pfau drauf übergeben.«
»Sierra!«
»Tut mir leid. Wie viel hast du dafür bezahlt?«
»Etwa hundertfünfzig Dollar.«
Entsetzt öffne ich den Mund. Für hundertfünfzig Dollar hätte sie auch etwas für ihre Bar besorgen können. Vielleicht neues Geschirr oder irgendwas anderes, das nützlich sein könnte. Oder sie hätte das Geld sparen und sich etwas Schönes für ihre Wohnung kaufen können. Eine neue Couch zum Beispiel, denn ihre quietscht furchtbar. Ich habe mich zwar langsam daran gewöhnt, aber ab und zu erschrecke ich immer noch, wenn ich mich darauf niederlasse.
»Hundertfünfzig Dollar sind eine ganze Menge Geld«, stelle ich fest und fange an, die dreckigen Gläser von den Tischen abzuräumen. Andere würden so viel Geld nutzen, um beispielsweise einen kaputten Zaun reparieren zu lassen.
»Ja, aber ich liebe Kunst und du weißt, dass ich immer Geld dafür übrighabe. Mir ist egal, was du darüber denkst. Mir gefällt das Bild.« Sie sagt das so selbstsicher, dass ich gar nicht anders kann als zu schmunzeln. Bree liebt Kunst wirklich. Ich habe sie zwar nie selbst malen sehen, doch wenn sie mehr Zeit hätte, dann bin ich mir sicher, würde sie große Kunstwerke erschaffen. Und bestimmt wären ihre Bilder um einiges kreativer als das hier. Was sich der Ich-klatsch-mal-ein-bisschen-Farbe-auf-die-Leinwand-mal-sehen-was-draus-wird-Künstler wohl wirklich dabei gedacht hat?
Mittlerweile sind die meisten Gäste wieder nach Hause gegangen. Nur noch ein paar Leute sitzen in der Bar und trinken, während sie der ruhigen Musik lauschen, die aus dem Radio erklingt. In einer Kleinstadt wie Sandy Ville ist es gar nicht so untypisch, dass nur wenige Leute unter der Woche nach zwölf Uhr nachts noch in Brees Bar sitzen. Die meisten müssen am nächsten Morgen früh raus. Diejenigen, die bis spät in die Nacht noch etwas trinken gehen, sind die, die einsam sind. Einer von diesen Leuten ist mein Vater, der allein an der Bar sitzt und gedankenverloren seine Flasche Bier hin- und herschwenkt. Die Einsamkeit hat ihn viel älter gemacht als er eigentlich ist. Seine Haare sind schon fast vollständig ergraut und sein Bart wirkt nicht mehr so gepflegt, wie er einmal war. Die Barthaare stehen in alle Richtungen ab und verbergen seinen Mund, sodass man seine nach unten gezogenen Mundwinkel nicht mehr wirklich sehen kann. Früher hat er oft gelächelt. Doch das macht er schon lange nicht mehr. Mitleidig sehe ich ihn an.
»Wie lange ist es jetzt her?«, fragt sie mich leise. Ihre Stimme klingt bedrückt.
»Etwa drei Jahre.«
»Langsam sollte er darüber hinwegkommen, meinst du nicht?« Bree zieht die Nase kraus.
»Einen geliebten Menschen kann man nicht einfach vergessen, Bree.«
»Von vergessen spreche ich ja gar nicht. Aber er muss nach vorne sehen. Mit dem Leben weitermachen. So wie du.«
»Manchen Menschen fällt so etwas nun einmal sehr schwer«, entgegne ich.
Entschlossen nehme ich die Gläser und begebe mich hinter den Tresen. In einer Kleinstadt wächst einem jeder irgendwann ans Herz. Das passiert schnell, wenn man dieselben Menschen jeden Tag sieht und ihre Geschichten hört. Aus einem einfachen Hallo entstehen bald enge Freundschaften. So ähnlich war es bei Bree und mir auch. Als wir fünfzehn waren, sind wir in dieselbe Klasse gekommen und da haben wir uns angefreundet. Seitdem sind wir unzertrennlich. Da ich einen Ausgleich zur Arbeit auf der Ranch brauchte, schlug Bree vor, dass ich in ihrer Bar arbeiten könnte. Diese Tätigkeit sorgt nicht nur für einen kleinen Nebenverdienst, sondern auch dafür, dass ich meine Freundin öfter sehen kann. Wir teilen alles, unser Essen, unsere Klamotten und auch unsere Erfahrungen mit Männern. Geheimnisse hatten wir nie voreinander. Zwar ist sie meine einzige richtige Freundin, aber dafür unersetzlich. Die meisten in unserem Alter gehen aufs College und verlassen die Stadt, sobald sie ihren Abschluss gemacht haben. Doch Bree und ich blieben in Sandy Ville. Ich kann mir nicht vorstellen, die Stadt hinter mir zu lassen. Zu viele Erinnerungen verknüpfe ich mit diesem Ort. Und zu viele Menschen sind Teil meines Herzens geworden.
Die Bewohner von Sandy Ville sind wie eine zweite Familie für mich. Das ist wichtig, weil man ständig aufeinander hockt. Manchmal frage ich mich, ob die anderen das auch so sehen. Ob meine Familie und ich den Leuten auch wichtig sind. Mein Vater zumindest gab früher allen Bewohnern dieses Gefühl. Er hatte immer ein offenes Ohr und verteilte Ratschläge, auch dann, wenn man sie überhaupt nicht hören wollte. Er war auch der erste, der einen von der anderen Straßenseite aus grüßte. Doch er hat sich verändert. Und obwohl ich früher geglaubt habe, dass Veränderungen immer nur positiv sein können, weiß ich heute, dass ich mich geirrt habe.
Als meine Mum vor drei Jahren starb, brach für meinen Dad eine Welt zusammen. Meine Mum war selbstbewusst und manchmal auch sehr waghalsig. Aber jeder hat sie geliebt. Sie war einzigartig. Und für meinen Vater war sie die große Liebe. Ich habe oft gehört, dass der Verlust einer großen Liebe bedeutet, dass man auch einen Teil von sich selbst verliert. Und als ich Dads Gesicht sah, als er erfuhr, dass Mum an einer Rauchvergiftung im Krankenhaus gestorben war, erkannte ich, dass er mehr als seine Ehefrau verloren hatte.
»Hey«, begrüße ich ihn mit einem breiten Lächeln. »Wie ist dein Bier?« Mein Vater lacht leise auf und sieht mich an. Seine grauen Augen wirken müde. Er hat wohl kaum geschlafen.
»Es schmeckt gut, so wie immer«, antwortet er mir mit seiner rauen Stimme. Während ich die klebrigen Gläser sauber mache, beobachtet er mich dabei. Und in die Stille hinein, beginnt er ein Gespräch.
»Hast du schon von diesem neuen Projekt gehört?«
»Du meinst, dass diese Immobilienfirma aus unserer Stadt einen Ort für Touristen machen will?«, frage ich und stoße ein freudloses Lachen aus. »Ja, der Bürgermeister war sehr deutlich.«
»Das ist wirklich unglaublich, oder? Seit wann brauchen wir Touristen?«
Sandy Ville ist eine der schönsten Kleinstädte Texas und sie wollen es verunstalten, nur damit ein paar Touristen ihr Geld bei uns lassen. Als der Bürgermeister seine Pläne verkündete, war er völlig aus dem Häuschen. In seinen Augen blitzten Dollarzeichen auf. Natürlich stimmt es, dass die Stadt wenig Geld hat. Touristen würden finanziell sicher eine Hilfe sein. Allerdings würden die Einnahmen nicht dafür genutzt die Einheimischen zu unterstützen, sondern dafür den Massentourismus noch weiter auszubauen. Die gemütliche Stimmung, das überschaubare Kleinstadt-Leben, all das würde verschwinden.
»Weißt du, Sierra, wenn der Bürgermeister aus Sandy Ville wirklich eine Touristenstadt für diese ganzen Aasgeier machen will, dann können wir nichts dagegen tun. Manche Dinge können wir nicht beeinflussen«, spricht mein Gegenüber seine Gedanken laut aus. Sofort bekommt er meine ganze Aufmerksamkeit, und auch meine Wut zu spüren.
»Ich bin da ganz anderer Meinung«, sage ich bestimmt. Es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Naturkatastrophen, Krankheiten und brennende Häuser, in denen Menschen sterben. Aber wir sind durchaus in der Lage unseren Mund aufzumachen und dem Bürgermeister zu sagen, was wir wirklich denken. »Diese Stadt ist voller Leben. Diese Stadt hat hunderte Geschichten zu erzählen. Und plötzlich soll sie für jeden zugänglich sein, eine Touristenattraktion werden und all das verdrängen, was die Stadt ausmacht? Jetzt mal im Ernst, das Ganze ist doch ein schlechter Scherz. Brauchen wir tatsächlich Menschen, die uns hier ihren Müll hinterlassen? Also ich nicht. Ich lerne gern neue Menschen kennen, aber viele der Besucher wussten unsere Kultur hier nicht zu schätzen. Und sie werden es auch nie, wenn Sandy Ville ihnen keine Attraktionen zu bieten hat.« Als ich fertig mit meiner Ansprache bin, ist mir wirklich warm geworden- mein Gesicht ist sicher ganz rot. Dieses Thema frustriert mich schon seit Wochen und das musste einfach mal raus. Und jetzt, da alles gesagt ist, fühle ich mich gleich viel besser.
Mein Vater trinkt den letzten Rest seines Biers aus und stellt die leere Flasche vor mir auf den Tresen, ehe er aufsteht und etwas Geld aus seiner Hosentasche kramt. »Du bist ein tolles Mädchen, Sierra. Doch nicht mal du kannst dafür sorgen, dass alles so bleibt wie es ist.« Seufzend legt er das Geld neben die Bierflasche und zieht sich seine Jacke an.
»Einen Versuch ist es immer wert«, sage ich selbstsicher, auch wenn ich eigentlich weiß, dass er recht hat.
»Weißt du, du erinnerst mich an deine Mutter. Du bist genauso stur wie sie.« Mit diesen Worten dreht er sich um und verlässt die Bar. Und während die warme Stimme von Hunter Hayes aus dem Radio dringt, schaue ich meinem Vater, der mir definitiv zu viel Trinkgeld gegeben hat, schockiert hinterher. Nicht, weil er meint, dass es viel zu spät ist, etwas zu unternehmen, sondern weil er zum ersten Mal seit drei Jahren seine tote Frau erwähnt hat. Oh Mum, wärst du nur hier.
Frustriert knalle ich die Tür hinter mir zu und lehne mich dagegen, während ich wild an meiner dämlichen Krawatte zerre. Wenn ich die nicht abbekomme, kann ich nicht atmen und sterbe am Ende noch eines Erstickungstodes. Und diese Genugtuung gebe ich meinem Vater ganz sicher nicht. Dass ich seine Firma übernehmen soll, ist eine Sache, aber das Ganze laut vor allen Leuten zu verkünden, ohne dass er mich wenigstens vorwarnt, ist wirklich unglaublich. So wütend wie in diesem Moment war ich schon lange nicht mehr. Hätte Stephen mich nicht davon abgehalten, hätte ich Dad vor versammelter Mannschaft angebrüllt und ihm eventuell noch eine reingehauen. Bis zu dem Moment, als er meinen Namen ausgesprochen hat, dachte ich tatsächlich, diese langweilige Gala wäre mein größtes Problem. Scheinbar habe ich mich geirrt.
Wütend werfe ich die Krawatte auf den Boden und schmeiße mein Jackett gleich hinterher. Wenn er tatsächlich denkt, ich mache bei seinen Spielchen mit, hat er sich geschnitten. Nach der Aktion kann er das sowieso knicken. Aber selbst, wenn er mich im Vorfeld gefragt hätte, ich würde seine Firma nie übernehmen. Nicht mal, wenn es der einzige Job wäre, den ich jemals bekommen würde. Lieber würde ich unter einer Brücke schlafen. Wieso will er überhaupt so schnell in den Ruhestand? Na gut, der Mann geht auf die Sechzig zu, aber noch ist er topfit. Wo ist also das Problem?
Ich trete mein Jackett aus dem Weg und begebe mich ins Bad, wo ich mich erst einmal vor das Waschbecken stelle und mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze. Doch leider geht es mir davon auch nicht besser. Ich fahre mir mit den Händen über das Gesicht und schaue in den Spiegel, nur um in die Augen eines Jungen zu blicken, der immer alles getan hat, um seinen Vater zufrieden zu stellen. Wieso muss ich auch die gleichen blauen Augen haben wie er? Mein Blick wandert zu meinen dunklen Haaren, die mittlerweile zu allen Seiten abstehen. Wenigstens die Haarfarbe habe ich von meiner Mutter. Genau wie die etwas zu breit geratene Nase und die ausgeprägten Grübchen. Ich greife nach einem der weißen Handtücher, die akkurat auf dem Schränkchen neben dem Waschbecken gestapelt sind, und trockne mein Gesicht.
Während ich von der Gala abgehauen bin, hat sich mein Vater bestimmt eine perfekte Ausrede für meine Abwesenheit einfallen lassen. Stephen hat vorgeschlagen, gemeinsam zu verschwinden und in der nächsten Bar was trinken zu gehen, um mich abzulenken. Doch ich bin nicht in der Stimmung dafür. Viel lieber möchte ich allein sein und meine Ruhe haben. Ich gehe wieder zurück in mein Zimmer. Ich ziehe Hemd und Hose aus und schlurfe nur mit meinen Boxershorts bekleidet zu meinem Kleiderschrank. Zähneknirschend ziehe ich mir ein einfaches Shirt heraus und achte darauf, bloß nichts Blaues zu erwischen. Was mache ich hier eigentlich? Lege ich mich jetzt einfach ins Bett und vergesse, was passiert ist? Das kann ich nicht. Morgen beim Frühstück werde ich das ganze Thema sowieso mit meinem Vater durchkauen müssen und er und ich wissen beide, wie es enden wird. Er wird so lange auf mich einreden, bis ich nachgebe. Dann werde ich diese verdammte Firma leiten, während er sich ein schönes Leben macht. Vielleicht auch noch in unserem Strandhaus in Kalifornien. Das kann er so was von vergessen. Diesmal reicht es mir endgültig. Er will in den Ruhestand gehen, bitte. Soll er machen. Aber ich werde nicht die Drecksarbeit erledigen, während er sich am Strand seinen reichen Arsch bräunt. Allein der Gedanke daran macht mich schon wieder so rasend, dass ich mir mit zusammengezogenen Augenbrauen meine Reisetasche schnappe und wahllos ein paar Klamotten hineinstopfe. So schnell ich kann, packe ich alles zusammen, was ich für ein paar Tage – vielleicht auch Wochen, man weiß ja nie, wie sich alles entwickelt – brauche. Während ich den Reißverschluss der Tasche zuziehe, bleibt mein Blick an meiner Gitarre hängen. Wenn er merkt, dass ich weg bin, verkauft er die Gitarre vielleicht ohne mein Wissen auf eBay. Das kann ich auf keinen Fall zulassen. Ich greife nach dem Gitarrenhals und packe mein Prachtstück in einen Gitarrenkoffer, den ich unter meinem Bett hervorziehe. Bevor ich mir mein Handy schnappe, ziehe ich mir schnell eine schwarze Hose an – natürlich eine schwarze, weil ich die Farbe Blau von nun an verabscheue – und tippe eine Nachricht an Stephen, dass ich für ein paar Tage von der Bildfläche verschwinde. Bevor ich es wegstecke, schreibe ich noch eine weitere Nachricht, in der steht, dass er meinen Vater bloß nicht darüber informieren soll. Außerdem, dass ich mich so bald wie möglich wieder bei ihm melde. Mit schnellen Schritten begebe ich mich zu meinem Fenster und öffne es. Wenn ich vorne rausgehe, könnte mein Vater oder ein anderer dieser Snobs mich sehen und das kann ich einfach nicht riskieren. Kurzerhand nehme ich meine Reisetasche und werfe sie aus dem Fenster. Aber was ist mit meinem Gitarrenkoffer? Verdammt. Wenn ich den hinunterschmeiße, geht meine Gitarre kaputt. Dann kommt mir eine Idee. Zügig schreite ich zu meinem Schrank und hole eine Kiste hervor. Neben diversem Kleinkram aus meiner Kindheit ist auch ein Springseil da drin. Bingo. Genau das, was ich brauche. Das eine Ende befestige ich mit einem Doppelknoten an den Henkel meines Gitarrenkoffers. Dann gehe ich damit zum Fenster und lasse den Koffer mithilfe des Seils langsam nach unten sinken. Als ich sicher bin, dass der Koffer heil auf dem Boden angekommen ist, lasse ich das Seil los. Nun fehle nur noch ich. Schnell ziehe ich mir meine schwarzen Vans an und klettere auf die Fensterbank. Während ich einen Fuß auf einen der Äste setze, halte ich mich an einem anderen Ast fest und springe rüber. Auf dem Baum angekommen, atme ich erst mal aus. Als Kind bin ich ständig auf diesen Baum geklettert. Seit wann habe ich Angst davor? Reiß dich zusammen, Alec. Langsam nehme ich Ast für Ast und klettere nach unten. Zwischendurch bete ich, dass mir nichts passiert, wobei ich mir echt lächerlich vorkomme, zumal ich nicht einmal in die Kirche gehe. Unten angekommen bin ich erleichtert, löse das Seil von dem Koffer und sprinte samt Gepäck rüber zu meinem schwarzen Mercedes. Nachdem ich mein Zeug auf der Rückbank verstaut habe, steige ich ein und stecke den Schlüssel ins Schloss. Vielleicht lernt mein Vater was dazu, wenn ich für eine Weile weg bin.
Ich schnalle mich an, fahre aus der Einfahrt und dann gebe ich Vollgas. Ich habe keinen Plan, weiß nicht, wohin mich die Straßen führen werden. Doch sobald ich aus Dallas raus bin, fühle ich mich schon viel freier. Viel Glück dabei, dir jemand anderes für deine Drecksfirma zu suchen, Dad. Und während ich mir ausmale, wie er wohl reagiert, wenn er morgen in mein Zimmer kommt und ein leeres Bett vorfindet, leiten mir die Sterne den Weg. Es ist eine schöne Nacht. Die beste, die ich seit langer Zeit hatte.
Der frühe Vogel fängt den Wurm ist nur einer der vielen Sprüche, die mein Dad immer von sich gab, als ich noch klein war. Damals hat er mir schnell zu verstehen gegeben, dass man immer nur dann besonders produktiv sein kann, wenn man morgens früh aufsteht. Das ist auch heute noch mein Motto. Im Gegensatz zu meiner jüngeren Schwester Stacey habe ich mich noch nie beschwert, wenn ich aus dem Bett geschmissen wurde, um auf der Ranch mitanzupacken. Das ist nur eines der vielen Dinge, die mich von ihr unterscheiden. Ich liebe es, draußen zu sein, während sie lieber drinnen sitzt und ein gutes Buch liest. Für sie ist lesen wie atmen. Doch ich atme viel lieber die frische Luft draußen ein und habe auch kein Problem damit, mir die Finger schmutzig zu machen.
Mein Tagesablauf ist meist der gleiche. Tiere füttern, Eier einsammeln und die Pferde striegeln, bevor ich ins Haus gehe, um das Frühstück vorzubereiten. Oft helfe ich dann meiner großen Schwester bei der Ernte oder kümmere mich um meine jüngeren Geschwister. Abends, wenn der Tag dann langsam endet, kellnere ich in Brees Bar, um mir etwas Geld zu verdienen. Und obwohl ich von Tag zu Tag oft dasselbe mache, langweilt es mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil.
Auch heute bin ich meiner Routine gefolgt. Tiere füttern, Eier einsammeln, die Pferde striegeln. Und nun stehe ich hellwach in der Küche – was womöglich an den zwei Tassen Kaffee liegt, die ich bereits getrunken habe – und bereite das Frühstück vor. Ich schlage die Eier in einer Schüssel auf, verrühre das Ganze mit etwas Salz und Pfeffer und gieße alles in eine Pfanne. Nur wenige Minuten später kommt meine ältere Schwester in die Küche. »Das riecht aber lecker«, sagt sie lächelnd und tätschelt kurz meinen Rücken, bevor sie die Kaffeemaschine anschmeißt. Auf ihrem Arm sitzt meine Nichte Gracie, die mich sofort anstrahlt, sobald sie mich entdeckt.
»Es ist nur Rührei, Nicole. Dieser Geruch ist keine Seltenheit bei uns«, entgegne ich lachend. Ich verteile das Ei auf vier Teller und stelle sie auf den runden Holztisch. Nicole und ihr Verlobter Marc wohnen im Gästehaus nebenan. Da Marc schon sehr früh das Haus verlässt, weil er in die Werkstatt muss, schmiert er sich meistens schnell ein Brot und isst es auf dem Weg zur Arbeit. Fast lasse ich ein Glas fallen, als ich es aus dem Schrank hole, fange es jedoch rechtzeitig auf. Definitiv hätte ich es bei einer Tasse Kaffee belassen sollen. Dann würden meine Hände nicht so zittern. »Wo sind die anderen?«, frage ich neugierig nach, weil ich meine Schwestern nirgends entdecken konnte, als ich auf dem Hof war.
»Theresa und Stacey sind auf dem Maisfeld. Sie sind schon länger wach. Theresa hat Stacey geweckt, indem sie so lange auf ihrem Bett rumgehüpft ist, bis sie nachgegeben hat. Wie du weißt, folgt sie getreu dem Motto der frühe Vogel kann mich mal«, beginnt meine Schwester amüsiert.
Schmunzelnd stelle ich einen Teller mit Toasts auf den Tisch. Als ich einen Krug mit Orangensaft aus dem Kühlschrank hole, fällt mein Blick auf einen geöffneten Briefumschlag auf dem Küchentresen. Zunächst denke ich mir nichts dabei, weil ich vermute, dass es um die anstehende Hochzeit von Nicole geht, doch als ich sehe, dass der Absender der Bürgermeister ist, werde ich skeptisch. »Was ist das?«, frage ich und greife danach. Bevor Nicole antworten kann, stürmt meine kleine Schwester Theresa in die Küche. »Guten Morgen!«, ruft sie fröhlich und nimmt Platz. »Ich hab den größten Maiskolben überhaupt geerntet!«
Ich überfliege die Zeilen auf dem Papier in meiner Hand. Ihr Grundstück wäre perfekt dafür geeignet künftig unsere Gäste unterzubringen. Ich habe mir erlaubt angehängte Firma auf Ihr Grundstück aufmerksam zu machen und kann Ihnen heute mit Freude mitteilen, dass sie Ihnen ein großzügiges Angebot macht. Eine Abschrift des Vertragsangebotes ist diesem Schreiben angefügt. Blah blah blah. Dass ich nicht lache! Mit anderen Worten heißt das, Wir wollen die Ranch platt machen und ein riesen Hotel auf das Grundstück bauen. Ist uns egal, was dabei mit euch passiert.
»Oh Sierra, vielleicht solltest du das nicht lesen«, meint Nicole und sieht mich bedrückt an. Doch ich schüttele den Kopf. Dafür ist es längst zu spät.
»Nein, ich sollte das lesen«, widerspreche ich. »Dass Bürgermeister Chesterfield Touristen anlocken will, ist eine Sache, aber aus unserer Ranch ein blödes Hotel bauen? Das geht nicht! Ich mein, kann er das überhaupt? Und darf er irgendeine Immobilienfirma ohne unsere Zustimmung auf unsere Ranch aufmerksam machen?« Rasend vor Wut schaue ich zu Stacey, die grimmig in die Küche kommt. Die Sprüche meines Vaters haben sie noch nie beeindruckt. Sie war schon immer ein Morgenmuffel. Allerdings habe ich gerade andere Probleme als die Tatsache, dass meine kleine Schwester aussieht wie ein Zombie.
Als sie meinen Gesichtsausdruck sieht, schaut sie mich fragend an. »Ist etwas passiert?«, fragt sie verwirrt.
Und ob etwas passiert ist. Aufgebracht blicke ich zu Nicole, die mir bisher noch nichts erklärt hat. »Bitte sag mir, dass du die Ranch nicht verkaufen wirst«, sage ich deutlich.
Stacey schaut Nicole wissend an. »Wer hat ihr von dem Brief erzählt?«, fragt sie vorwurfsvoll in die Runde. Ist das wirklich ihre einzige Sorge?
»Ich war es nicht!«, ruft Theresa sofort und hebt die Hände.
Nicole verdreht die Augen.
Entsetzt sehe ich meine Schwestern abwechselnd an. Ist das deren Ernst? » Wie … Ihr wusstet alle davon?« Meine Wut vergrößert sich mit einem Schlag.
»Na ja, der Brief kam vor ein paar Tagen, als du schon weg warst. Und Nicole hat gesagt, wir sollen dir nichts sagen, weil dein Kopf immer so rot wird, wenn du wütend bist und du aussiehst als hättest du Verstopfung. So wie jetzt gerade«, erklärt Theresa schulterzuckend und schaufelt sich eine Ladung Rührei in den Mund. Nicole blickt Theresa mit großen Augen an. Stacey, die sich mittlerweile hingesetzt hat, schlägt sich ihre flache Hand gegen die Stirn. Es ist offensichtlich, dass ich nicht davon erfahren sollte. Wann ist meine Familie ein Lügenverein geworden? Und vor allem, sehe ich gerade wirklich aus, als hätte ich Verstopfung? Sofort schüttele ich den Gedanken ab. »Ich kann nicht fassen, dass ihr mir das verschwiegen habt«, sage ich enttäuscht.
»Wir wollten nur nicht, dass du dich darüber aufregst«, erklärt Nicole.
»Ich rege mich aber auf! Diese ganze Sache ist doch ein Witz!«
»Das ist ein Angebot, kein Kaufvertrag. Also beruhige dich bitte«, versucht sie mich zu besänftigen. Doch meine Wut lässt nicht nach. Immer wieder gehe ich die Zeilen des Schreibens in meinem Kopf durch. Wenn Mr Chesterfield wirklich glaubt, ein dämliches Schreiben würde meine Familie dazu bringen zu verkaufen, irrt er sich.
»Und jetzt setzen wir uns und essen in Ruhe das Frühstück, das du vorbereitet hast, einverstanden?« Nicole sieht mich durchdringend mit ihren grauen Augen an.
Widerwillig gebe ich nach und setze mich an den Tisch. »Okay, einverstanden. Aber das nächste Mal könnt ihr mir so etwas ruhig erzählen. Ich bin schließlich erwachsen.« Ich beginne zu essen. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie Theresa mich mit ihren großen braunen Augen mustert. Es ist nicht das erste Mal, dass ich sie dabei erwische, wie sie versucht mich zu analysieren. Manchmal glaube ich, dass ich so was wie ihr soziales Experiment bin. Ich ziehe fragend eine Augenbraue nach oben, woraufhin sie schnell den Blick abwendet. »Ach ja, und ich sehe nicht aus, als hätte ich Verstopfung, wenn ich wütend bin«, stelle ich noch einmal klar.
Theresa verdreht die Augen. »Doch tust du. Und dein Gesicht wird so rot wie eine Tomate.« Sie grinst so breit, dass man die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen sehen kann. Normalerweise versteckt sie die, weil sie ihr so peinlich ist.
»Für eine Zwölfjährige bist du ziemlich frech«, stelle ich fest. Theresa grinst nur noch breiter, was mich zum Schmunzeln bringt. Doch auch Theresas Grinsen oder die Witze, die sie am Frühstückstisch reißt, können mich nicht aufmuntern. Das ganze Theater muss endlich ein Ende haben. Es muss endlich jemand den Mund aufmachen.
Mit dem Schreiben des Bürgermeisters in der Hand steige ich wild entschlossen die Stufen zum Rathaus hinauf. Möglicherweise hilft es ja, wenn ich höchstpersönlich mit dem Mann spreche, der für unsere Stadt verantwortlich ist. Wenn er trotzdem weiter an seiner dämlichen Idee festhält, kann ich mich immer noch darüber aufregen. Dann habe ich es aber wenigstens versucht. Mit zitternden Händen öffne ich die schwere Tür und trete in das Gebäude ein. Das Rathaus mag von außen sehr groß aussehen, doch das Innere ist viel kleiner, als man erwarten würde. Eigentlich gibt es nur ein paar Büros und die Sekretärin sitzt an einem Schreibtisch aus Eichenholz im Flur. Zielstrebig gehe ich auf sie zu. »Entschuldigung. Mein Name ist Sierra Adams und ich müsste dringend mit Bürgermeister Chesterfield sprechen. Es ist wichtig«, sage ich und bin erstaunt, wie selbstsicher ich dabei klinge, obwohl mein Herz so schnell klopft, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.
Die ältere Dame vor mir sieht mich entschuldigend an. Kein gutes Zeichen. »Es tut mir leid, aber Mr Chesterfield ist beschäftigt«, entgegnet sie mir.
Noch gebe ich sicher nicht auf. »Bitte, es geht um ein Schreiben, das meine Familie bekommen hat. Wenn es nicht so dringend wäre, wäre ich jetzt nicht hier.«
»Wie gesagt, er ist beschäftigt. Wir können aber gerne einen Termin vereinbaren und Sie kommen ein anderes Mal wieder.«
»Ich sagte, es ist wichtig«, versuche ich es noch einmal mit etwas mehr Druck. Ich komme mir lächerlich vor, wie ich hier stehe und bettle.
»Und ich sagte, Mr Chesterfield ist beschäftigt.« Die Frau lächelt mich weiterhin an wie eine dieser Lotteriedamen im Fernsehen.
Ich habe es mit Höflichkeit versucht, aber ich befürchte, dass sie mich nicht in seine Nähe lassen wird. Nicht einmal wenn ich Muffins zur Bestechung mitgebracht hätte. Okay, nachdenken, Sierra. »Hören Sie, ich habe es auf die nette Weise versucht. Aber das bringt wohl nichts. Also entweder lassen Sie mich endlich da rein oder ich schwöre bei Gott, ich werde diese Tür eintreten.«
Die Frau sieht mich mit geöffnetem Mund an und greift dann zögernd zum Hörer. Ohne mich aus den Augen zu lassen, tippt sie eine Nummer ein und wartet. Ich verschränke die Arme vor der Brust und wippe ungeduldig mit dem Fuß auf und ab. »Mr Chesterfield, hier ist eine junge Dame, die Sie dringend sprechen möchte.« Es herrscht eine kurze Pause. »Ja, ich weiß, allerdings scheint es sehr wichtig zu sein.« Als sie mir einen hasserfüllten Blick zuwirft, verdrehe ich die Augen. Als ob mir das etwas ausmachen würde. »Mr Chesterfield erwartet Sie in seinem Büro«, teilt sie mir mit, nachdem sie aufgelegt hat.
Mit einem zuckersüßen Lächeln wende ich mich von ihr ab und betrete das kleine Büro unseres Bürgermeisters. Natürlich hätte ich diese Tür nicht eingetreten. Aber das muss sie ja nicht wissen. Im Büro sehe ich mich kurz um. Ein großer Schreibtisch steht in der Mitte des Raumes.
Dahinter sitzt Mr Chesterfield und sieht mich erwartungsvoll an. »Bitte setzen Sie sich.« Mit der Hand deutet er auf einen der Sessel, die vor dem Schreibtisch stehen. Eifrig lasse ich mich auf dem Sessel nieder. Mr Chesterfields Halbglatze deutet darauf hin, dass er schon einige Jahre hinter sich hat. Doch eigentlich ist er der jüngste Bürgermeister, den wir je hatten. Ich schätze, wenn man so einen wichtigen Job hat, fallen einem irgendwann automatisch die Haare aus. Der Bürgermeister faltet die Hände in seinem Schoß. »Was kann ich für Sie tun?«
»Zunächst mal könnten Sie damit aufhören, anderen Leuten Briefe zu schicken und sie zu bitten, ihr Zuhause an Wildfremde zu verkaufen. Und als nächstes könnten Sie darüber nachdenken, ob es wirklich nötig ist für Geld die Existenz der Bürger dieser Stadt zu gefährden«, sprudelt es einfach aus mir heraus. Sofort fühle ich mich besser. Wow, das war ja wirklich einfach.
Mr Chesterfield blinzelt einige Male, bevor er sich sammelt und das Wort ergreift. »Hier geht es also um das Angebot, das ich Ihrer Familie habe zukommen lassen. Sehe ich das richtig?« Er sieht es verdammt richtig. Immerhin ist er nicht auf den Kopf gefallen. Vorsichtig nicke ich und ignoriere meine zitternden Hände. »Ganz genau. Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass wir die Ranch nicht verkaufen werden«, stelle ich klar.
»Soweit ich weiß, gehört die Ranch nicht Ihnen. Wenn ich mich recht erinnere, gehört die Ranch Ihrem Vater. Und da der, sagen wir, nicht mehr geschäftsfähig ist, und Ihre Schwester Nicole eine Vollmacht besitzt, entscheidet sie, was mit der Ranch passiert.«
»Sie wird aber nicht verkaufen.«
»Also sind Sie hier im Auftrag Ihrer Schwester?«
Verdutzt schaue ich in das Gesicht des Mannes. Er sitzt vollkommen ruhig auf seinem Stuhl, als würden seine Pläne so oder so in die Tat umgesetzt werden. Ganz egal, was ich ihm jetzt sage. Ich atme tief durch, ehe ich weiterspreche. »Hören Sie, meine Schwester hat mich nicht geschickt. Ich bin hier, weil ich wissen will, was Sie mit unserer Ranch vorhaben.«
Mr Chesterfield legt die Hände auf den Tisch und beugt sich zu mir nach vorne. »Es geht nicht darum, was ich vorhabe. Es gibt eine Firma in Dallas, die uns ziemlich viel Geld bietet, um ein Hotel darauf zu errichten. Dem Geschäftsführer scheint das Grundstück, auf dem Ihre Ranch steht, besonders zu gefallen, weil es ziemlich groß ist und der Nationalpark in der Nähe ist. Und wenn Sie mich fragen, ich halte das für keine schlechte Idee.«
Ich lehne mich im Sessel zurück. »Meinen Sie nicht, dass es Unsinn ist, ein Hotel für nicht vorhandene Touristen zu bauen?«, frage ich.