With Music We Dream - Roxana Hube - E-Book

With Music We Dream E-Book

Roxana Hube

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Beschreibung

Für ihren Traum, endlich einen Moderatorenjob zu bekommen, würde Willow alles tun - zum Beispiel durch ein Toilettenfenster klettern, um ein Interview mit der weltberühmten Band Two Times Wise zu bekommen. Ihr Leben nimmt jedoch eine unerwartete Wendung, als sie dabei in die Arme des charmanten Bassisten Caleb stolpert und man die beiden fälschlicherweise für ein Paar hält. Kurz darauf taucht Caleb vor ihrer Tür auf und bittet sie, seine Freundin zu spielen. Doch das Leben im Rampenlicht ist viel komplizierter als Willow es sich vorgestellt hat. Erst recht, wenn die Grenzen zwischen Inszenierung und Realität zu verschwimmen drohen und sie nicht mehr unterscheiden kann, ob ihre Gefühle für Caleb gespielt oder doch echt sind.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
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Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Epilog

With Music We Dream

 

Roman

 

Von Roxana Hube

 

 

 

 

 

www.roxana-hube.jimdosite.com

www.instagram.com/roxana_hube_autorin

 

1. Auflage, Juli 2024

Copyright © Roxana Hube

 

Lektorat und Korrektorat: Nina Miller - www.ninas-zeilenzauber.de

Cover: LAB Buchdesign - © Lea Böttcher

Illustration: © Kristin Heldrung – Illustration – www.kristinheldrung.de

 

Impressum:

Roxana Hube

Kleine Viehstraße 33

48653 Coesfeld

[email protected]

© 2024

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

 

Vertrieb: Tolino Media GmbH & Co. KG, München

ISBN: 9783759212313

 

 

Dieses Buch ist für alle Fangirls da draußen.

 

Ein Fangirl zu sein ist ein Abenteuer, das ihr für immer in eurem Herzen tragen und das ihr niemals wieder vergessen werdet. Lasst euch nie etwas anderes einreden.

 

 

 

Träume haben den Ruf, unrealistisch zu sein. Dabei sind es Träume, die uns genau dorthin bringen, wo wir wirklich hingehören.

-

Rowan Thompson

(Leadsänger der Band Two Times Wise)

 

 

Playlist

 

Dream -Priscilla Ahn

Anti-Hero - Taylor Swift

Holding On To Heartache - Louis Tomlinson

Where Do Broken Hearts Go - One Direction

Golden - Harry Styles

Love Is A Selfish Thing - Giant Rooks

That’s The Way Love Goes - Louis Tomlinson

Falling - Harry Styles

Feels Like - Gracie Abrams

Forget Your Name - Only The Poets

London Boy - Taylor Swift (Taylor‘s Version)

Yellow - Coldplay

Enchanted - Taylor Swift (Taylor’s Version)

Heart Meet Break - Liam Payne

Bad Omens - 5 Seconds Of Summer

Believe - Mumford & Sons

Chicago - Louis Tomlinson

Protocol - The Vamps

Once in Lifetime - One Direction

blame’s on me - Alexander Stewart

Bigger Than Me - Louis Tomlinson

Kapitel 1

 

Einer meiner Lieblingssänger, Rowan Thompson, hat einmal gesagt: Träume haben den Ruf, unrealistisch zu sein. Dabei sind es Träume, die uns genau dorthin bringen, wo wir wirklich hingehören. Ich habe immer gedacht, er würde damit richtig liegen. Dass wir nur an unseren Träumen festhalten müssen und sie dann eines Tages einfach von selbst wahr werden, wenn wir nur fest genug daran glauben. Doch so einfach, wie sich diese motivierenden Sätze auch anhören: In der Realität bleiben Träume manchmal unerfüllt.

»Guten Morgen, Willow«, begrüßt mich Jessica vom Empfang, ehe sie mir einen kleinen Stapel ungeöffneter Briefe reicht. »Ricky möchte, dass du die Eingangspost durchgehst. Das Wichtigste sollst du ihm einfach auf den Schreibtisch legen.«

»Geht klar«, erwidere ich seufzend, nehme ihr die Post aus der Hand und biege um die Ecke, vorbei an dem riesigen Schild mit dem Logo des Radiosenders. Ein Kreis, in dessen Mitte sich eine Gitarre befindet. Der Gitarrenhals sieht aus wie eine Antenne und leuchtet in einem kräftigen Neonlila.

Mit erhobenem Kopf und mit Kaffee beladen, betrete ich den Ort, an dem mein Traum eigentlich hätte beginnen sollen. Doch nach einem Jahr bei Listen Up, Chicago, einer der beliebtesten Radiosender der Stadt, habe ich das Gefühl, immer noch an derselben Stelle zu stehen: nämlich ganz am Anfang.

Zielsicher bewege ich mich durch den langen, breiten Flur, während die Mitarbeiter an mir vorbeieilen. Die dunkelblonden Haare, die ich zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden habe, wackeln mit jedem Schritt hin und her. Normalerweise sind die Tage, an denen ich herkomme, bloß gewöhnliche Arbeitstage. Doch heute ist der Tag, an dem sich hoffentlich alles ändern wird. Deswegen stolziere ich auf meinen hohen Ankle Boots zielsicher in die Web-Abteilung, in der sich die zuständigen Mitarbeiter um die Website sowie die Social-Media-Plattformen des Radiosenders kümmern. Dort hat mein Boss mir einen Platz eingerichtet, als ich angefangen habe hier zu arbeiten. Für einen Assistentenjob hat es sich nicht gelohnt, mir ein eigenes Büro zu organisieren. Zumindest hat Ricky mir das erzählt.

Shannon sitzt an dem weißen Schreibtisch, während Brody neben ihr steht und auf sie einredet. Als sie die Augen verdreht und Brody gerade noch etwas hinzufügen will, stelle ich auch schon den Karton mit den Kaffeebechern mit einem lauten Geräusch auf dem Tisch ab. Sofort hellt sich die Miene von Shannon auf, deren Blick sich auf mich richtet.

»Sie hat Kaffee mitgebracht!« Begeistert und ohne zu zögern, steht sie auf und greift sich einem Becher, um einen Schluck daraus zu nehmen. Genüsslich schließt sie die Augen und brummt zufrieden. »Und es ist auch noch der gute.«

Mit einem amüsierten Lächeln sehe ich zu, wie auch Brody sich einen der Becher schnappt, den Deckel anhebt und vorsichtig an der dunklen Brühe schnuppert, ehe er das Logo des Cafés beäugt.

»Es ist der teure Kaffee. Der, für den sie normalerweise zu geizig ist.«

Genervt rolle ich mit den Augen.

»Guter Kaffee sollte kein Vermögen kosten«, stelle ich klar und beobachte, wie Shannons dunkler Afro sich beim Lachen langsam bewegt, als sie den Kopf schüttelt.

»Wieso so gute Laune?« Brody rückt die dicke schwarze Brille zurecht und trinkt einen Schluck aus seinem Kaffeebecher, ohne mich aus den Augen zu lassen.

»Weil heute der Tag ist, an dem ich Ricky sage, dass ich endlich selbst moderieren will«, entgegne ich ihm mit dem ganzen Selbstbewusstsein, das ich mir heute Morgen beim Aufstehen mit viel Mühe zusammengekratzt habe. »Ich möchte nicht nur bloß im Hintergrund sitzen und darauf hoffen, dass der Job, den ich eigentlich machen will, auf mich zukommt und darum bittet, dass ich ihn erledige. Ich muss Ricky davon überzeugen, dass ich für den Job gut geeignet bin.«

Vor knapp einem Jahr habe ich Woodfield, die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, hinter mir gelassen, um in Chicago groß rauszukommen. Dabei wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass es so hart ist, einen Job bei einem Radiosender zu bekommen. Als Ricky mich eingestellt hat, fühlte es sich nach den ganzen Absagen an wie ein Wunder. Da ahnte ich auch noch nicht, dass ich mir lediglich einen Assistentenjob geangelt habe. Rickys persönliche Assistentin zu sein, war zunächst nicht Teil meines Plans. Letztendlich habe ich mich damit abgefunden, weil ich mir erhofft habe, dass ich Erfahrungen sammeln könnte, die mir helfen, meinem Traum ein Stück näher zu kommen.

Den Poststapel lasse ich auf meinen Schreibtisch fallen. Brody verzieht das Gesicht und macht mir meinen Plan mit wenigen Worten zunichte: »Mhm. Blöde Idee.«

Mein Mund öffnet sich leicht, während meine Schultern in sich zusammensacken. Ich hätte erwartet, dass meine Freunde mich bei meinem Vorhaben unterstützen. Nicht, dass sie mich auch noch entmutigen. Shannon rammt ihren Ellenbogen in die Seite ihres Kollegen, der daraufhin schmerzvoll aufstöhnt.

»Aua! Was denn? Ricky lässt sich nicht einfach so überzeugen. Der Typ hört ja nicht einmal zu. Letztens wollte ich eine Gehaltserhöhung bekommen. Stattdessen hat er mich so lange bequatscht, bis ich dachte, seinen Papierkram zu erledigen, wäre meine Idee gewesen. Ich habe am Ende übrigens keine Gehaltserhöhung bekommen. Dafür sah sein Schreibtisch ordentlicher aus denn je.«

Ricky ist ein anstrengender Boss, der uns alle gelegentlich nervt, doch er ist auch derjenige, der mich zu Listen Up, Chicago geholt hat, weil er mir eine Chance geben wollte. Er kommt aus derselben Kleinstadt wie ich. Er ist älter als ich, zumindest ein paar Jahre. Trotzdem ist er der jüngste Mann, der jemals eine Radiostation gegründet hat und damit direkt erfolgreich geworden ist. Meine Mom sagt immer, dass ihm der Ruhm etwas zu Kopf gestiegen ist. Überwiegend, weil er sich kaum mehr in seiner Heimat blicken lässt. Aber ohne ihn wäre ich immer noch zu Hause bei meinen Eltern und würde vermutlich einen Aushilfsjob nach dem anderen machen, während ich meinen Träumen nachhänge. Im Grunde schulde ich ihm etwas.

Sehr lange Zeit habe ich ohne zu meckern für ihn gearbeitet, aber so langsam möchte ich endlich das tun, weshalb ich überhaupt nach Chicago gezogen bin. Als ich gestern mit meiner Mom telefoniert habe und sie mich gefragt hat, ob ich nun meinen Traum lebe, ist mir bewusst geworden, dass ich es nicht tue. Während meiner Zeit beim Sender habe ich mein Ziel völlig aus den Augen verloren. Einfach, weil ich froh war, überhaupt einen Job beim Radio ergattert zu haben. Es ist an der Zeit, wieder in die richtige Spur zu kommen. Daher habe ich den Entschluss gefasst, endlich wieder meinem Traum zu folgen.

»Lass es sie doch versuchen«, meint Shannon, während sie Brody einen grimmigen Blick zuwirft. »Ich finde es gut, dass sie auf ihn zugeht. Ihr ist das wichtig und du solltest sie unterstützen.«

»Sie wird sich bloß wieder von ihm einlullen lassen.«

»Sie ist ein großes Mädchen, sie schafft das.«

»Er ist einfach kein guter Mensch.«

Meine Freunde reden über mich, als wäre ich gar nicht anwesend. Bin ich etwa auf einmal unsichtbar geworden?

»Sie ist immer noch hier und kann euch hören«, werfe ich dazwischen und ziehe eine Augenbraue in die Höhe. »Und sie wird Ricky jetzt klarmachen, dass sie mehr kann, als bloß Kaffee kochen und Meetings planen. Ich schaffe das.«

Dieses Mal wird mich nichts und niemand davon abhalten.

 

*

 

Ricky läuft in seinem Büro auf und ab, während er über sein Handy telefoniert. Je weiter ich die Glastür zuziehe, desto mehr schrumpft mein Selbstbewusstsein auf die Größe einer Erbse. Dabei ist Ricky überhaupt nicht so furchteinflößend. Er ist nicht besonders groß und seine dunklen Haare stehen ihm jedes Mal wirr vom Kopf ab, als wäre er gerade erst aufgestanden. Zudem hat er noch nie jemanden angeschrien – zumindest habe ich es nie mitbekommen. Trotzdem gibt es etwas an seiner Art, die dafür sorgt, dass sich Angstschweiß unter meinen Achseln bildet, sobald ich vor ihm stehe. Denn wenn er jemandem seine Sichtweise aufzwingen will, dann redet er so lange auf die Person ein, bis man denkt, dass man ganz von selbst darauf gekommen sei. Es ist beeindruckend und erschreckend zugleich. Und der Grund, wieso mir die weiße Bluse am Körper klebt.

Erst als Ricky auflegt, schenkt er mir seine Aufmerksamkeit.

»Tut mir leid, dass du warten musstest, Willow.« Ricky legt das Handy auf seinen schwarzen Schreibtisch und läuft um ihn herum, um sich dem Zettelchaos zu widmen, das sich darauf breitgemacht hat.

»Ist schon okay.« Meine Stimme klingt belegt. Ganz anders als sonst, weshalb ich mich räuspere und versuche, mich zusammenzureißen. Du schaffst das, Willow. Einfach atmen. »Ich ... wollte mit dir reden.«

»Reden ist gut.« Ricky sieht nicht einmal zu mir auf.

Träume sind es, die uns genau dorthin bringen, wo wir wirklich hingehören. Dieses Zitat sage ich mir immer wieder wie ein Mantra im Kopf auf, während ich versuche, die passenden Worte zu finden.

»In letzter Zeit habe ich viel nachgedacht«, beginne ich und spiele an den Ärmeln meiner weißen Bluse herum. »Dass du mich in dein Team geholt hast, ist echt toll. Und dafür werde ich dir ewig dankbar sein, allerdings … Allerdings reicht mir das nicht mehr.«

Ricky schaut endlich von seinem Chaos auf und blickt mich direkt an. »Du willst kündigen.«

Was? Wie vom Blitz getroffen, starre ich ihn an. Sein Tonfall soll mir wohl zeigen, dass ihn die Vorstellung, dass ich kündige, traurig stimmt. Im Augenblick weiß ich nicht, ob er es wirklich ernst meint. Doch dann wirkt er sogar noch bedrückter. Vermutlich, weil ich immer noch keinen Ton von mir gebe und ihn weiterhin anstarre wie einen Außerirdischen.

»Nein!«, stelle ich sofort klar. »Nein, auf keinen Fall. Ich liebe es hier.«

Mehr oder weniger.

Erleichtert atmet mein Boss aus und wischt sich mit der Hand den imaginären Schweiß von der Stirn. »Und ich liebe es, dass du es hier liebst. Ja, wirklich.«

»Aber ich möchte nicht nur die Post bearbeiten und Kaffee holen oder hin und wieder die Website bearbeiten«, fahre ich fort. »Ich möchte moderieren. Du weißt, dass ich schon ewig von einer eigenen Radioshow träume. Und ich denke, es wird an der Zeit, diesen Traum endlich zu verwirklichen.«

»Willow.« Irgendwas an der Art, wie er meinen Namen ausspricht, gefällt mir nicht. Er atmet ihn schon fast aus und das Seufzen, das danach folgt, bringt mich in Alarmbereitschaft. Meine Nackenhaare stellen sich auf und meine Hände beginnen zu zittern. Ricky kommt um den Schreibtisch herum auf mich zu. Ich habe nicht gemerkt, dass ich immer noch mitten im Raum stehe. »Als du dich hier beworben hast, war das ein Glückstreffer, ja wirklich.« Ein vorsichtiges Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht. »Du bist wirklich talentiert und das von dir ausgedachte Format Chicago’s Top 10 kommt bei den Hörern wirklich gut an.« Man könnte meinen, dass er mir gerade mehrere Komplimente macht, aber ich wappne mich direkt für das große Aber. »Aber …« Na bitte, da haben wir es doch. »Du bist einfach noch nicht so weit.«

Niedergeschlagen lasse ich die Schultern hängen. Das Lächeln auf meinem Gesicht verschwindet schneller, als ich denken kann.

»Bin ich nicht?«, frage ich unsicher und bereue es auch schon, überhaupt in sein Büro gekommen zu sein. Ricky schüttelt den Kopf und sieht mich mitleidig an.

»Wenn es nach mir ginge, dann wärst du schon längst in der Moderation, glaub mir. Doch dafür muss man bereit sein. Und du, meine Liebe, bist es einfach noch nicht.«

Alles, was ich mir von diesem Gespräch erhofft habe, fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Habe ich tatsächlich gedacht, dass er mir einfach so einen Moderatorenjob gibt? Und viel schlimmer: Bin ich wirklich noch nicht so weit? Habe ich mir zu viel zugetraut?

»Wenn du allerdings unbedingt darauf bestehst ...« Ricky hebt die Hände und geht zurück zu seinem Schreibtisch, um sich auf seinen schwarzen Lederstuhl fallen zu lassen und die Hände hinter seinem Kopf zu verschränken. Hoffnung keimt in mir auf. Hat Brody ihn vielleicht völlig falsch eingeschätzt? »Das Orakel könnte noch Unterstützung gebrauchen.«

Mir klappt die Kinnlade nach unten.

»Wie bitte?«, frage ich fassungslos. Hinter dem Orakel verbirgt sich eine nächtliche Talkshow, in der Horoskope besprochen und Zeichen im Universum gesucht werden, um die verschiedensten Geschehnisse im Leben zu erklären. Sie findet zu einer Uhrzeit statt, zu der die meisten Leute schon längst schlafen. Zwar träume ich von einem Moderatorenjob, aber sicherlich nicht zu so später Stunde.

»Zu zweit wäre es einmalig, ja wirklich! Überleg es dir. Es ist eine einmalige Gelegenheit und du könntest dich beweisen.« Ricky zwinkert mir zu, als wäre das Orakel tatsächlich der nächste Schritt, um meine Karriere voranzutreiben.

Und was mache ich? Anstatt das Angebot abzulehnen und ihm zu sagen, dass es eine bescheuerte Idee ist, weil das Orakel nur wenige Zuhörer hat und ich mir nicht vorstellen kann, wie man aus Sternenkonstellationen herauslesen soll, wer mein Seelenverwandter ist, nicke ich bloß.

Denn nach nur einem Zipfel des Traumes zu greifen, ist immer noch besser als gar nicht.

Kapitel 2

 

Genervt streiche ich mir eine widerspenstige Strähne zurück. Obwohl die Stylistin, die uns für das Interview fertig gemacht hat, ungefähr zehn Tonnen Haarspray in meine blonden Haare gedonnert hat, will diese eine Strähne einfach nicht an Ort und Stelle bleiben und fällt mir andauernd in die Stirn.

»Du bist so eitel«, wirft mir Ethan vor, der hungrig in ein Schokocroissant beißt und auf meine Haare starrt.

»Ich bin nicht eitel«, entgegne ich ihm und stecke die Hände in die Taschen meiner schwarzen Skinny Jeans. »Was ist falsch daran, im Fernsehen gut aussehen zu wollen?«

»Nichts.« Ethan zuckt mit den Schultern. »Aber du spielst schon seit geschlagenen fünf Minuten an deinen Haaren herum.«

Ethan hat gut reden. Er zieht sich einfach eine Cap über und man sieht gar nicht, dass die grüne Farbe schon längst aus seinen Haaren gewaschen ist – und die Fans stehen auch noch auf diesen unordentlichen Look.

»Diese fiese Strähne stört mich einfach.« Grimmig wende ich mich von ihm ab und blicke mich im Studio um.

Überall tummeln sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die dafür sorgen, dass alles für die Show startklar ist, bei der wir heute Abend zu Gast sind. Die Moderatorin spricht im schnellen Französisch zu dem Kameramann, der daraufhin nickt und auch schon davoneilt, während die Moderatorin uns zulächelt und ebenfalls in ihrem makellosen roten Hosenanzug davonspaziert. Da wir in ein paar Monaten auf Tour gehen, dreht nicht nur unser Management total durch, sondern die ganze Welt. In den letzten Tagen waren wir in so vielen Städten in Europa, dass ich manchmal gar nicht mehr wusste, wo wir uns überhaupt gerade aufhalten. Nach dem Albumrelease ist es total hektisch geworden. Trotzdem freue ich mich, dass wir in Paris im Frühstücksfernsehen auftreten dürfen.

Seit wir den Durchbruch mit unserer Single Touch Of Dreams vor zwei Jahren geschafft haben, fühle ich mich manchmal völlig überfordert. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Ich nehme es, wie es kommt, aber hin und wieder entlädt sich meine Batterie, bis ich völlig übermüdet ins Bett falle, nur um dann nach zwei bis drei Stunden wieder aufzustehen und von vorne anzufangen. Mal davon abgesehen, dass mich die Vorbereitungen auf unsere erste richtige Welttournee ganz gut von meinem eigentlichen Problem ablenken. Auch wenn ich eigentlich über meine Ex-Freundin hinweg bin, juckt es mich immer wieder in den Fingern, mein Smartphone hervorzuholen und auf ihrem Instagram-Account vorbeizuschauen. Ich weiß, dass es armselig ist. Doch auch nach fast acht Monaten erinnert mich mein Gedankenkarussell immer wieder erneut daran, was passiert ist.

»Seht euch das an!«, ruft Rowan plötzlich und winkt uns zu sich. Will hört auf, mit den Drumsticks auf seinen Beinen herumzutrommeln, und geht auf unseren Bandkollegen zu. Rowan räuspert sich, ehe er den Artikel, den er auf seinem iPhone geöffnet hat, laut vorliest. »Von der Garage auf die Bühne des Madison Square Garden. Für Two Times Wise ist dies nicht nur ein Traum, sondern Realität. Die britische Band startet nun so richtig durch. Ihr zweites Studioalbum About Dreams & Hopes geht durch die Decke und ist bereits jetzt das meistgestreamte Album des Jahres. Die Fans freuen sich und auch wir sind begeistert. Ein wahrgewordener Traum. Jungs, ihr rockt!«

Grinsend geben sich Will und Ethan ein High Five.

»Wenn das so weitergeht, dann werden wir bald mindestens so berühmt wie Taylor Swift«, meint Ethan fröhlich.

»Niemand kann die Frau toppen«, widerspreche ich ihm spöttisch.

»Das sagst du nur, weil du sie liebst.« Ethan lacht, als ich ihm die Cap vom Kopf schlage. Die anderen Jungs brechen ebenfalls in Gelächter aus.

»Jeder liebt diese Frau.« Auch wenn sie sich über mich lustig machen, diese Frau ist eine beachtliche Musikerin und das kann niemand von ihnen leugnen. Rowan steckt das Handy wieder in seine Hosentasche und ich blicke zu dem Kameramann, der uns in einem gebrochenen Englisch zu verstehen gibt, dass wir uns vorbereiten sollen.

»Platz 1 der meistgestreamten Alben.« Ethan schüttelt den Kopf, als könnte er es nicht glauben. Auch ich kann kaum fassen, dass wir mittlerweile an einem Punkt unserer Karriere angelangt sind, wo wir in ausverkauften Hallen spielen und unser Album tausendfach gehört wird. Wir haben unsere gesamte Energie und unser Herzblut in das zweite Album gesteckt und die Fans scheinen dies bemerkt zu haben.

»Wir sind richtige Rockstars.« Will legt den Arm um mich und lächelt breit. Wenn ich mir überlege, dass wir damals in der Garage von Will angefangen haben zu spielen und unsere Gigs daraus bestanden, in London am Leicester Square zu spielen ... Das alles ist in kürzester Zeit zu dem hier geworden. Ein wahrgewordener Traum.

»Die Tour wird der Wahnsinn«, sage ich mit der Zuversicht, die nur von einem Optimisten kommen kann. Das wird die größte Tour, die wir je gemacht haben. Bisher haben wir bloß Konzerte in Europa gespielt, dieses Mal spielen wir auf der ganzen Welt. Die Unterstützung der Fans ist riesengroß, größer als wir uns das hätten vorstellen können.

Der Kameramann gibt der Moderatorin ein Zeichen und schon ist sie live, während wir darauf warten, angekündigt zu werden. Schnell richte ich noch mein schwarzes Jackett, streiche mir die widerspenstige Strähne aus der Stirn und setze mein strahlendstes Lächeln auf, als wir dazu aufgefordert werden, zu der Moderatorin zu gehen.

Der Artikel hat recht. Es ist ein wahrgewordener Traum. Und wir haben verdammtes Glück.

Kapitel 3

 

Wenn ich dachte, dass dieses Gespräch mit Ricky zu führen das Schlimmste war, was mir diese Woche passiert ist, dann habe ich mich geirrt. Ich möchte mich korrigieren. Das Schlimmste, das mir diese Woche passiert ist, ist neben Stephanie zu sitzen, auch bekannt als das Orakel. Wie schafft diese Frau es, die ganze Zeit bloß über Sternzeichen zu reden und das mit einer so beruhigenden Stimme, dass sogar ich beinahe einschlafe? Wenn ich noch einen Anruf entgegennehmen muss, bei dem jemand fragt, was die Sterne heute für ihr Liebesleben voraussagen, dann drehe ich durch. Umso glücklicher bin ich, als die Sendung endlich vorbei ist. Erleichtert nehme ich mir die Kopfhörer von den Ohren und blicke zu Shannon und Brody, die hinter der Glasfront stehen und mich die ganze letzte Stunde mental unterstützt haben – und das, obwohl die beiden schon längst hätten nach Hause gehen dürfen. Brody wird unausstehlich, wenn er nicht genug Schlaf bekommt. Dass er noch hier ist, um mir zur Seite zu stehen, sorgt für ein wenig Trost.

»Das hat Spaß gemacht«, höre ich Stephanie neben mir sagen. Sie greift nach der Wasserflasche, um einen Schluck daraus zu trinken, und lächelt mich so lieb an, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich überhaupt keinen Spaß hatte. Ich schenke ihr ein gequältes Lächeln und lege die schwarzen Kopfhörer auf den Tisch.

»Ja, es war ganz nett.«

Nett ist eine gute Art, das Ganze zu umschreiben, ohne Stephanies Gefühle zu verletzen.

»Du machst das echt gut«, füge ich noch hinzu, um ihr ein Kompliment zu machen und somit mein schlechtes Gewissen zu mildern. Ich blicke zu Brody, der mit seinem Kopf auf die Tür deutet, damit ich aus dem Studio komme. »Entschuldige mich.« Ein letztes Mal wende ich mich an Stephanie, die sich jedoch sowieso schon ihrem Smartphone widmet, und gehe zu Shannon und Brody, die auf mich warten.

»Und, wie ist es gelaufen?«, fragt Shannon neugierig und sieht mich abwartend an, als ich die Tür hinter mir schließe.

»Sie durfte neben dem Orakel sitzen, was denkst du denn?«, antwortet ihr Brody, bevor ich überhaupt zu einer Antwort ansetzen kann.

»Ich finde, du hast das gar nicht so schlecht gemacht«, versucht Shannon mich aufzumuntern und ignoriert Brody einfach. Zu dritt verlassen wir den Flur und steuern auf die Web-Abteilung zu. »Und ich weiß jetzt, dass ich mich heute lieber vor mysteriösen Männern fernhalten sollte.«

»Das hätte ich dir auch sagen können, ohne gleich das Orakel zu sein«, entgegnet ihr Brody und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen den Schreibtisch von Shannon. In der Abteilung herrscht gähnende Leere, weil die meisten schon nach Hause gegangen sind. Nachts lassen sich nur noch wenige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Station blicken. Hauptsächlich Moderatoren oder Moderatorinnen, die gegen Abend und in der Nacht live auf Sendung gehen.

»Nur Vollidioten hören sich diese Sendung an. Leute, die denken, dass sie mit jemandem nicht zusammen sein können, bloß, weil sie irgendwo hören, dass ihre Sternzeichen nicht zusammenpassen. So ein Bullshit!«

»Jetzt hör doch auf das Ganze schlecht zu reden.« Shannon blickt Brody mit einem wütenden Gesichtsausdruck an, doch sie muss das alles gar nicht schönreden. Selbst ich weiß, dass das alles eine vollkommen bescheuerte Idee von mir gewesen ist. Vielleicht meint Ricky es nur gut, aber es ist nicht ganz das, was ich mir unter einem Moderatorenjob vorgestellt habe.

»Lass die Menschen doch glauben, woran sie glauben möchten«, fügt Shannon noch hinzu.

»Brody hat recht«, unterbreche ich die beiden. »Diese Sendung ist das totale Gegenteil von dem, was ich tun will.«

Frustriert lasse ich mich auf einen freien Stuhl fallen. »Mein Traum war es immer, eine eigene Radioshow zu haben, in der es um Musik geht. Deswegen habe ich mir doch Chicago’s Top 10 ausgedacht. Damit man sich über die Lieblingssongs der Leute austauschen kann. Allerdings hatte ich gehofft, mit dieser Idee dafür zu sorgen, dass Ricky mich das Format selbst moderieren lässt.«

Leider war genau das Gegenteil passiert. Ricky fand die Idee gut, dass die Hörer in Chicago auf der Website für ihre Lieblingssongs voten können und die zehn meistgenannten Songs jeder Woche in einer Sendung nacheinander abgespielt werden. Er hat mich sogar vor allen Mitarbeitern gelobt, nur um jemand anderes moderieren zu lassen. Wahrscheinlich hätte ich schon längst etwas sagen sollen, doch ich erinnere mich immer wieder selbst daran, dass ich nur wegen Ricky beim Radio arbeite. Daher halte ich den Mund. Nach all den Absagen, die ich kassiert habe, bin ich so wenigstens ein bisschen in der Nähe meines Traums.

»Stattdessen macht das jetzt die immer strahlende Brenda, die sich durch nichts die Laune verderben lässt.« Brody macht eine kurze Pause. »Durch wirklich gar nichts.«

Er imitiert das breite Grinsen der Frau, das mit hoher Wahrscheinlichkeit festgewachsen ist, und bringt mich damit nach diesem kosmischen Fail ein wenig zum Lachen.

»Kopf hoch. Ricky ist ein Schwachkopf. Er weiß gar nicht, was ihm entgeht.«

Brodys Worte erwärmen mein Herz und mir wird klar, dass es wenigstens eine Sache in meinem Leben gibt, bei der ich nicht ins Klo gegriffen habe – und das ist die Wahl meiner Freunde.

»Das ist süß von dir«, sage ich und lächle meinen besten Freund warm an.

»Ricky will dich bloß kleinhalten. So wie uns alle«, fährt er nachdenklich fort und streicht sich eine blonde Strähne aus der Stirn, die sich aus seiner Frisur gelöst hat.

»Dabei hat er uns doch angeblich alle so lieb«, meint Shannon und dreht sich in ihrem Bürostuhl umher.

»Das hat er. Ja, wirklich.« Brody versucht unseren Boss nachzuahmen, vermutlich, um uns zum Lachen zu bringen. Doch in mir weckt es lediglich Übelkeit, wenn ich an Rickys nervende Angewohnheit denke, in jedem zweiten Satz die Worte ja, wirklich zu sagen.

Angewidert verziehe ich das Gesicht.

»Bitte lass das.«

»Vielleicht muntert dich ja das hier auf.« Shannon dreht den Bildschirm ihres Computers so, dass ich den Artikel sehen kann, den die SUN vor Stunden veröffentlicht hat. »Two Times Wise sind mit ihrem neuen Album AboutHopes & Dreams auf Platz 1 der meist gestreamten Alben dieses Jahr.«

»Bisher«, merkt Brody streng an und rückt seine Brille zurecht.

Two Times Wise ist eine Band aus Großbritannien, die ihren Durchbruch vor etwa zwei Jahren mit ihrem Hit Touch Of Dreams hatte. Seitdem haben sie nicht nur eine riesige Fangemeinde, sie haben vor Kurzem ihr zweites Album rausgebracht und gehen in wenigen Monaten auf große Welttournee. Im Moment machen sie eine Menge Promotion in Europa, geben Interviews und sind sogar für die Teen Music Awards nominiert, die dieses Jahr hier in Chicago stattfinden. Angefangen haben sie als Straßenmusiker – jetzt sind sie eine der größten Bands der Welt. Und eine meiner absoluten Lieblingsbands.

»Wie kommt es, dass Two Times Wise ihren großen Traum leben, während ich in meinem festhänge?«, jammere ich und komme mir selbst total blöd dabei vor. Diese Band hat alles erreicht, was sie erreichen wollte. Es ist eine Untertreibung, wenn ich sage, dass ich neidisch auf ihren Erfolg bin. Mir ist bewusst, dass es nicht jeder schafft. Die Welt ist ein großes Haifischbecken, in dem man entweder überlebt oder gefressen wird. Trotzdem wäre es schön, auch ein bisschen Glück zu haben.

»Besorg doch ein Interview mit der Band, vielleicht nimmt Ricky dich dann ernst.«

Brodys Vorschlag klingt völlig absurd. Mehr als das. Und dennoch spinnt sich in meinem Kopf gerade etwas zusammen. Möglicherweise ist es eine der miesesten Ideen, die ich je hatte. Oder aber die beste. Je nachdem, wie man die Sache sehen möchte.

»Das ist es!«, sage ich und falle vor Begeisterung fast von meinem Platz.

»Was?« Brody blinzelt irritiert und lässt die Arme sinken. »Willow, das war ein Witz.«

»Und wenn schon«, sage ich und erhebe mich energiegeladen.

»Wenn ich die Jungs ins Studio hole, lässt Ricky mich vielleicht doch moderieren. Er wird gar keine Wahl haben.«

»Oder er heuert wieder Brenda an.« Brody erntet einen Schlag auf den Hinterkopf von Shannon, wobei ihm seine Brille fast von der Nase rutscht.

»Ich werde ihm einen Deal vorschlagen«, entgegne ich. Ehrgeiz packt mich. Das Selbstbewusstsein, das Ricky mir genommen hat, ist auf einen Schlag wieder da.

»Er bekommt das Interview nur, wenn ich einen Moderatorenjob bekomme.«

»Wie willst du bitte an Two Times Wise kommen?«, meldet Shannon sich entgeistert zu Wort.

»Bald stehen doch die Teen Music Awards an. Und die finden dieses Jahr in Chicago statt.« Ich greife in meiner hinteren Hosentasche nach meinem Handy und fange an zu googeln. »Wenn ich es schaffe, irgendwie an diese Jungs zu kommen, wird sich mein Traum vielleicht doch noch erfüllen.«

Shannon und Brody tauschen unsichere Blicke, doch für mich ist es der letzte Strohhalm, nach dem ich greifen kann. Die letzte Chance, die ich nutzen muss, bevor es zu spät ist.

Kapitel 4

 

Müde scrolle ich durch Twitter, um mir die Posts der Fans anzusehen. Im Moment voten alle fleißig, damit sich unsere Band den Award für das beste Album des Jahres holen kann. Machen wir uns nichts vor, wir werden diese Auszeichnung sicher nicht bekommen, wenn wir mit anderen Weltstars konkurrieren, die durchaus mehr vorzuweisen haben als wir, aber eine schöne Vorstellung ist es dennoch. Wir können uns bereits glücklich schätzen, dass wir überhaupt bei der Show einen Song spielen dürfen. Die Frühstückssendung in Paris hat uns eine Menge Aufmerksamkeit beschert, was auf den Social-Media-Kanälen nicht zu übersehen ist. Die Fans geben sich eine Menge Mühe, Bilder von uns hochzuladen. Bei einigen weiß ich nicht einmal, wann sie entstanden sind, was gruselig ist. Nach einiger Zeit erwische ich mich dabei, wie ich die Fotogalerie in meinem Handy öffne und durch meine alten Bilder gehe. Bilder, die mich an Zeiten erinnern, die ich eigentlich vergessen möchte. Doch wie soll ich etwas vergessen, an dem ich sehr lange gehangen habe? Nach einer Weile merke ich, wie lächerlich es ist, dass ich den Erinnerungen nachhänge, und schalte das Handy aus. Ich blicke links von mir aus dem Fenster. Wir sind mitten in der Nacht ins Flugzeug gestiegen, um Paris zu verlassen. Hier in Chicago ist es noch Tag. Eigentlich bin ich extrem müde, doch wenn ich jetzt schlafe, werde ich es in der Nacht nicht können, weshalb ich versuche, wach zu bleiben. Will hingegen sitzt mit verschränkten Armen im Van, hat den Kopf zurückgelegt und den Mund leicht geöffnet. Mit dem Jetlag scheint er nie Probleme zu haben. Die Hochhäuser erstrecken sich bis in den Himmel, der von weißen Wolken bedeckt ist. Der September geht auch hier langsam in den Herbstmodus über und erinnert mich ein bisschen an zu Hause. Nur dass es in England zu der Zeit oft deutlich kälter ist.

»Denkt daran, Jungs, euch vernünftig auszuruhen«, redet Brian, unser Manager, auf uns ein. »Morgen ist ein hektischer Tag. Erst das Interview bei Waking Up With Chicago und dann die Proben in der Festhalle. Außerdem müsst ihr noch die Outfits anprobieren, nur für den Fall, dass sie plötzlich nicht mehr passen sollten. Und ehe ihr euch verseht, müsst ihr auch schon auf den roten Teppich. Die Zeiten habe ich euch über den Messenger weitergeleitet.«

Brians Blick bleibt an Will hängen, der ein leises Schnarchen von sich gibt. Mit dem Daumen deutet er auf unseren Drummer und zieht eine Augenbraue nach oben. »Ich werde für ihn nicht alles nochmal wiederholen.«

»Keine Sorge, wir übernehmen das«, entgegne ich und versetze Will mir gegenüber einen leichten Tritt. Er schreckt aus seinem Schlaf hoch und sieht sich verwirrt um.

»Was, wer ... Wo sind wir?«

Unser Manager schüttelt sprachlos den Kopf und geht gedanklich vermutlich jegliche Argumente durch, uns nicht einfach umzubringen.

»Was habe ich verpasst?«

Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Der Van kommt an einer roten Ampel zum Stehen.

»Chaotentruppe«, murmelt Brian leise vor sich hin, doch wir hören ihn trotzdem.

»Eine Chaotentruppe, die du trotz ihrer Eigenarten so sehr liebst«, sage ich und fasse mir theatralisch ans Herz, während sich der Wagen wieder in Bewegung setzt. Obwohl Brian gestresst und möglicherweise auch ein wenig genervt ist, erkenne ich ein kleines Schmunzeln auf seinen Lippen.

»Du sprichst wohl nur von deinen Eigenarten«, meldet Ethan sich zu Wort und schaut von seinem iPhone auf.

Irritiert ziehe ich die Augenbrauen zusammen und schaue in sein Gesicht. »Ich habe keine Eigenarten.«

»Und wie du die hast«, wirft Rowan ein, der breitbeinig und in sich zusammengesackt zwischen Will und Brian sitzt. »Zum Beispiel läufst du sehr oft und gerne ohne Hose herum.«

»Kein schöner Anblick am Morgen«, murmelt Ethan und schaut aus dem Fenster.

Ich bin geschockt. Sonst stört es sie überhaupt nicht, wenn ich ohne Hose herumlaufe. Mal abgesehen davon, dass das so oft nun auch wieder nicht passiert. »Als ob ihr keine komischen Angewohnheiten hättet. Ethan hat diesen schrecklichen Pikachu-Onesie, den er ständig trägt.«

»Das war ein Fan-Geschenk.« Ethan setzt sich beleidigt auf.

»Und Will schläft immer mit offenem Mund«, fahre ich fort und ernte ein entsetztes Schnauben.

»Stimmt doch gar nicht«, widerspricht Will, doch als ihn alle ungläubig ansehen, verschränkt er beleidigt die Arme vor der Brust. Bevor eine hitzige Diskussion entsteht, unterbricht Brian uns mit einer Handbewegung.

»Nun möchte ich nichts mehr über eure Eigenarten hören. Ich weiß sowieso schon viel zu viele Dinge, die ich eigentlich nicht wissen sollte.«

Das Kreischen der Fans dringt zu uns hindurch und sorgt dafür, dass ich nach draußen auf das Hotel blicke, in dem wir die nächsten Nächte verbringen werden.

»Heiliger Strohsack«, murmelt Ethan und beugt sich mit geweiteten Augen über mich, um selbst einen Blick auf die vielen Fans zu werfen.

»Woher wissen die, wo wir sind?«, frage ich irritiert an Brian gewandt, der frustriert mit dem Kopf schüttelt und wild auf seinem Handy herumtippt.

»Keine Ahnung, aber ich glaube, wir brauchen mehr als eine Handvoll Security Guards.«

In wenigen Sekunden hat er das Telefon auch schon am Ohr und spricht mit Paul, einem unserer Bodyguards. Die Menschenmenge wird immer größer. Mindestens hundert Mädchen stehen draußen, rufen unsere Namen und halten selbstgebastelte Plakate hoch, während die Security des Hotels versucht, sie davon abzuhalten, hinein zu stürmen.

Nachdem Brian sich wieder von seinem Handy löst, wendet er sich uns zu. »Okay, wir haben keine Wahl. Ihr müsst hier raus. Hoffen wir einfach, dass die Security stark genug ist. Ihr bleibt nicht stehen, ihr haltet den Blick gesenkt und geht so schnell wie möglich rein. Haben wir uns verstanden?«

Zustimmendes Gemurmel macht sich im Wagen breit. Auf Brians Kommando öffnen sich die Schiebetüren des Vans und lassen das Gekreische der Fans noch lauter werden. Im zügigen Tempo, so wie wir es gelernt haben, steigen wir aus und gehen mit gesenktem Blick auf die Eingangstür des Hotels zu.

»Caleb!«, ruft ein Mädchen und greift nach meinem Arm, doch die Security hält sie davon ab, mir noch näher zu kommen.

»Können wir ein Foto machen?«, fragt jemand anderes, doch ich schüttle bloß entschuldigend den Kopf. Solche Momente hasse ich. Ich würde gern stehen bleiben und mit ihnen reden, schließlich haben wir den Fans eine Menge zu verdanken. Doch die Anweisung ist klar und deutlich. Nicht stehen bleiben. Einfach weitergehen. Für die Fans tut es uns oft leid, doch das ist eben der Preis, den wir zahlen müssen, weil wir unbedingt unseren Traum leben wollen.

Sobald wir drinnen sind und die Türen zufallen, werden die Geräusche gedämpft.

»Verdammt, ich glaube, jemand hat mich mit ihren Nägeln gekratzt.« Ethan zieht den Ärmel seines schwarzen Hoodies hoch und blickt auf eine rote Stelle auf seinem nackten Arm. »Durch den Ärmel. Wie geht denn sowas?«

»Da war jemand ziemlich scharf auf dich.« Will wackelt anzüglich mit den Augenbrauen und fährt sich durch seine dunklen Locken.

»Sie hätte mich umbringen können!«

»Sie ist ein Fan, kein Piranha.«

»Manchmal sehe ich da keinen Unterschied.«

»Dieses Mädchen bezahlt dein Leben, also sei still«, entgegnet ihm Rowan und steckt die Hände in die Taschen seiner Jogginghose, während er sich im Hotel umsieht.

Brian ist völlig außer Atem, als er auf uns zukommt. »Ich habe hier eure Zimmerschlüssel. Die Fans werden nicht so schnell verschwinden, solange sie wissen, dass ihr hier seid. Also solltet ihr die Zimmer nicht verlassen.«

Ein genervtes Stöhnen verlässt Ethans Mund.

»Ist nur zu eurer Sicherheit«, fügt Brian hinzu und reicht uns die Schlüsselkarten. »Paul wird regelmäßig nach euch sehen. Ich habe noch einen Termin, komme aber zum Abendessen wieder. Wir sehen uns dann später.«

Brian klopft mir auf den Rücken, verabschiedet sich und macht sich vom Acker. Meine Augen bleiben an den Glastüren hängen, vor denen die Fans mit ihren Smartphones stehen und versuchen, einen Blick auf uns zu erhaschen. Völlig geistesabwesend bleibe ich an einem Mädchen hängen, das jemandem, den ich nur zu gut kenne, sehr ähnlich sieht. Einen Moment lang denke ich, dass sie es tatsächlich ist, doch da legt sich schon eine Hand auf meine Schulter und holt mich zurück in die Gegenwart.

»Alles in Ordnung, Mann?«, höre ich Ethan fragen.

»Ja, alles bestens«, murmle ich und wende den Blick von der Tür ab. »Ihr habt den Mann gehört.« Ich seufze hörbar auf und drehe mich zu meinen Bandmitgliedern um. »Ab auf eure Zimmer.«

»Du klingst wie meine Mom. Ist ja fast wie zu Hause.« Will grinst und lässt sich von mir Richtung Fahrstuhl schieben.

»Gewöhn dich nicht daran«, murmle ich amüsiert und steige mit meinen Freunden in den Fahrstuhl. Wenn wir zu Hause wären, würde ich viel zu viel nachdenken. Die Tournee wird mich hoffentlich endlich wieder auf andere Gedanken bringen.

Kapitel 5

 

Ricky lacht. Er lacht mich aus, während ich ihm einen Deal vorschlage, der mein Leben verändern könnte. Ich gebe zu, es ist nicht die beste Idee, die ich jemals hatte. Normalerweise überdenke ich meine Entscheidungen gründlich, bevor ich damit um die Ecke komme. Aber ich habe keine Zeit, denn Two Times Wise ist jetzt in Chicago und nicht erst in ein paar Wochen. Es bleibt also keine Zeit, um weiter darüber nachzudenken.

»Du denkst wirklich, dass du Two Times Wise dazu bekommst, bei uns eine Sendung aufzunehmen?«, meint er und haut lachend auf seinen Schreibtisch, während ich mich frage, ob mein Chef nun wirklich den Verstand verloren hat. Mit dem Finger wischt er sich ein paar Lachtränen weg und beugt sich über den Tisch.

»Ich weiß, es klingt verrückt«, gebe ich zu und setze mich auf meinem Stuhl aufrecht hin. »Aber wenn ich das Management davon überzeuge, bei uns auf Sendung zu gehen, dann ist das eine großartige Werbung für Listen Up, Chicago. Und für die Band ist Promo im Moment superwichtig.«

Natürlich ist die Chance, dass Two Times Wise in unser Studio kommt, sehr gering. Bisher haben wir nur wenige Stars hier gehabt und die meisten davon waren ganz am Anfang ihrer Karriere. Eine weltberühmte Band ist nochmal eine andere Nummer. Doch für seinen Traum muss man manchmal Risiken eingehen.

»Mädchen, da hast du dir aber etwas vorgenommen. Ja, wirklich.« Amüsiert schüttelt Ricky den Kopf. Es ärgert mich, dass Ricky mich nicht ernst nimmt. Als er und ich noch in unserer Heimatstadt gelebt haben, hatte ich den Eindruck, dass er ein aufgeschlossener, offener Mensch ist. Er wirkte nicht so wie jemand, der seine Mitarbeiter kleinhält oder ihre Träume verspottet. Ehrlich gesagt hatte ich geglaubt, bei ihm auf Verständnis zu treffen. Schließlich hatte er genau den gleichen Traum wie ich. Warum sonst hat er Listen Up, Chicago gegründet? Sicher nicht nur wegen des Geldes.

»Wenn ich die Band dazu bringe, mit uns ein Interview zu führen, darf ich dann endlich moderieren?«, frage ich hoffnungsvoll, aber Ricky scheint mir gar nicht mehr richtig zuzuhören. Sein Blick ist schon wieder auf den Computerbildschirm gerichtet.

»Klar doch ...«, murmelt er und bricht wieder in Gelächter aus. Doch das ist mir egal. Soll er mich auslachen und denken, dass ich es sowieso nicht schaffe. Das hält mich keinesfalls davon ab.

»Habe ich dein Wort, Ricky?«, frage ich nochmal mit etwas mehr Nachdruck und blicke meinen Chef mit ernstem Ausdruck an. Sofort verstummt er, dreht sein Gesicht in meine Richtung und nickt langsam. »Wenn du Two Times Wise dazu bringst, in unser Studio zu kommen, dann darfst du moderieren.«

»Aber nicht das Orakel«, füge ich entschlossen hinzu. »Ich möchte über Musik reden. Nicht über Sternenkonstellationen.«

»In Ordnung«, meint Ricky und macht eine Handbewegung, die mir zeigt, dass ich endlich gehen soll.

Zufrieden erhebe ich mich vom Stuhl und stolziere mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen aus Rickys Büro. Erst draußen auf dem Flur, als ich sein Büro hinter mir lasse, wird mir bewusst, was ich mir da eigentlich vornehme. Diese Band in unser Studio zu holen, wird nicht einfach sein. Es ist quasi eine unmögliche Aufgabe, die ich bewältigen möchte. Doch wenn ich dafür einen Moderatorenjob bekomme, nehme ich die harte Arbeit gerne in Kauf.

 

*

 

»Weißt du, was du da tust?«, fragt Brody mich, während er seinen Kopf über meine Schulter beugt, um die E-Mail, die ich an das Management schreibe, besser lesen zu können.

»Nein«, gestehe ich ihm seufzend und lasse die Schultern hängen. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was ich hier tue, doch irgendwo muss ich ja anfangen.

Bisher habe ich nur ein paar Zeilen. Allein für die Anrede habe ich mehrere Anläufe gebraucht. Wie spricht man den Manager einer weltberühmten Band auch an? Sehr geehrter Mr Manager? Lieber Mr Smith? Aus irgendeinem Grund hört sich alles, was ich formuliere, seltsam an, weshalb ich es bei einem einfachen Guten Abend, Mr Smith belasse. Das klingt nicht zu formell und hört sich nicht an, als würde ich einem Mitglied der Royals schreiben.

Es ist bereits dunkel draußen und die Radiostation ist vollkommen leer. Das einzige Licht, das noch brennt, ist die kleine Schreibtischlampe an meinem Platz. Normalerweise wäre ich auch schon längst zu Hause und würde mir eine weitere Folge von Gilmore Girls auf Netflix ansehen. Aber das hier sind besondere Umstände. Und besondere Umstände erfordern besonderen Einsatz.

»Und was ist deine Strategie?«, fragt Brody weiter und sieht mich skeptisch an. »Eine E-Mail verfassen und hoffen, dass sich in den nächsten paar Stunden jemand zurückmeldet?«

»Ja?«, antworte ich, jedoch klingt es aus meinem Mund mehr nach einer Frage als nach einer richtigen Aussage. Brody zieht eine Augenbraue in die Höhe, was dafür sorgt, dass ich einen frustrierten Laut von mir gebe. »Mann, ich weiß doch auch nicht. Aber um an ein Interview zu kommen, muss ich beim Management anfragen. So funktioniert das doch oder etwa nicht?«

»Und wenn du ein Bandmitglied direkt anschreibst?«, wirft Shannon ein und beißt in eine Brezel, während sie sich auf ihrem Stuhl hin und her dreht. Ihr Vorschlag entlockt Brody lediglich ein freudloses Lachen.

»Na klar.« Unser Freund verschränkt die Arme vor der Brust. »Liebes Two Times Wise Mitglied, entschuldige die Störung, aber würdest du in unser kleines Studio in Chicago kommen und dort ein Interview für uns geben, damit ich endlich eine Show moderieren darf? Liebe Grüße, dein größter Fan. Was denkst du eigentlich, wie viele Nachrichten sie über Direct Message bekommen, Shannon?«

»Du musst echt immer die Stimmung kaputt machen.« Shannon wirft ihrem Freund einen finsteren Blick zu, während ich mich zum fünfzigsten Mal an diesem Tag frage, wieso zur Hölle ich mich überhaupt darauf eingelassen habe ... Ach ja, um mir meinen langersehnten Traum zu erfüllen.

»Ich sage nur, dass das nicht so einfach ist, wie ihr euch das vorstellt. Aber das habe ich ja gleich gesagt.«

»Hast du nicht.«

»Ich habe es zumindest gedacht. Ricky ist kein guter Kerl, Willow. Er wird dir den Job sowieso nicht geben, egal, wie sehr du dich anstrengst.«

»Du solltest Motivationscoach werden.« Shannon spuckt die Wörter beinahe aus.

»Leute!«, rufe ich dazwischen und massiere mir die Schläfen, um das Pochen zu mildern, das sich langsam in meinem Kopf ausbreitet. »Ich weiß, ihr wollt mir bloß helfen.«

Shannon unterbricht mich mit einer Handbewegung. »Naja, ich will dir helfen. Was Brody für einen Zweck erfüllt, weiß ich noch nicht.«

»Aber es ist mein Problem. Nur meins. Und ich werde es schon irgendwie lösen.«

»Du solltest vor allem nach Hause gehen.«

Brody greift nach seiner Jacke und wirft einen Blick auf die silberne Armbanduhr an seinem Handgelenk. »Es ist spät. Ruh dich aus und morgen finden wir eine bessere Lösung als das hier.« Er fuchtelt mit seinen Händen in der Luft herum.

»Geht schon mal vor. Ich schreibe die E-Mail zu Ende und komme dann nach«, entgegne ich und tippe wild entschlossen weiter auf der Tastatur herum.

»Bist du dir sicher?«, fragt Shannon besorgt, doch als ich erneut nicke, akzeptiert sie meine Entscheidung und gibt sich geschlagen, ehe sie in ihre orangene Lederjacke schlüpft. Ihre dunklen Locken versteckt sie unter einer grauen Beanie. »Mach nicht mehr so lange.«

Meine Freundin streicht mir sanft über die Haare und folgt Brody schließlich zum Aufzug. Im nächsten Moment bin ich allein. Mein Blick richtet sich auf die große Glasfront neben mir, die sich über die Wand erstreckt. Chicagos Hochhäuser ragen bis in den Himmel und die bunten Lichter draußen sorgen dafür, dass ich mich nicht so einsam fühle. Sobald ich alleine mit meinen Gedanken bin, holt mich die Unsicherheit wieder ein, die ich so oft zu unterdrücken versuche. Manchmal hasse ich es, was dieses Gefühl mit mir macht. Ich fühle mich klein, schwach. Als würde ich nie am Ziel ankommen und stattdessen in Zeitlupe über die Rennstrecke laufen.

Du bist einfach nicht gut genug. Vielleicht solltest du dir einen anderen Traum suchen.

Ohne Vorwarnung schleichen sich diese Gedanken in meinen Kopf und machen mich mal wieder vollkommen verrückt.

Möglicherweise ist diese ganze Aktion bloß ein Ruf purer Verzweiflung. Schnell schüttle ich die schrecklichen Gedanken von mir ab.

Um mich von meinen Hirngespinsten abzulenken, öffne ich ein neues Browserfenster und gebe Two Times Wise in die Suchleiste ein. Im nächsten Moment klicke ich wahllos auf ein Video von der Band. Es ist ein Videotagebuch von ihrer ersten Tour.

»Wir befinden uns gerade in Verona, der Stadt der Liebe. Seht euch den Ausblick an.«

Caleb grinst in die Kamera und richtet sie dann auf das Fenster des Hotelzimmers. Das Bild ist zunächst völlig verwackelt, weil er die Kamera umdreht, doch dann sieht man die Aussicht auf die wunderschöne Stadt mit den engen Gassen und den altmodischen Häusern samt den hohen Fensterbögen.

»Ist nicht Paris die Stadt der Liebe?«, hört man Ethan protestieren, der auf dem großen Hotelbett sitzt und ein Stück Pizza in der Hand hält. Caleb schwenkt die Kamera in seine Richtung und lacht, als eine Salami von der Pizza rutscht und auf Ethans Hoodie landet. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Als ich das erste Mal einen Song von ihnen gehört habe, waren sie gerade mal am Anfang ihrer Karriere. Dann plötzlich ging ihre Single Touch Of Dreams viral und machte sie zu dem, was sie jetzt sind. Der Song hat mich dazu inspiriert, nach Chicago zu gehen und mir gezeigt, dass meine Träume kein Hirngespinst sind. Sie sind echt. Seitdem bin ich einer ihrer Fans. Jedes Mal, wenn es mir nicht gut geht, schaue ich mir eines ihrer Videotagebücher an, die sie hin und wieder während ihrer ersten Tournee in Europa gedreht und hochgeladen haben. Die lustigen Momente zwischen den Jungs sorgen zumindest für einen Augenblick für ein Lächeln und lassen mich meine Sorgen kurzzeitig vergessen.

Völlig in der Nostalgie versunken, klicke ich ein anderes Video an. Diesmal ist es ein Interview.

»Welchen Tipp würdet ihr den Leuten geben, die ebenfalls einen Traum haben, den sie verfolgen möchten?«, fragt die Moderatorin einer britischen Fernsehsendung an die Band gewandt, die Rowan die Frage beantworten lässt.

»Wenn ihr einen Traum habt, dann versucht alles, damit er in Erfüllung geht. Selbst wenn auch nur eine klitzekleine Chance besteht. Lohnt es sich denn nicht, dafür zu kämpfen?«

Rowans Worte haben den gewünschten Effekt. Mit der neu geschöpften Motivation stoppe ich das Video, gehe wieder in meinen E-Mail-Verteiler und drücke endgültig auf Senden. Es besteht eine geringe Chance, dass die Band für das Interview zusagt. Und egal, wie klein diese Chance auch ist, selbst wenn es nur eine 0,00001 prozentige Chance ist, lohnt es sich immer, es wenigstens zu versuchen. Ich meine, was habe ich schon zu verlieren?

Kapitel 6

 

Es ist wieder einer dieser Nächte, in denen ich nicht schlafen kann, weil meine Gedanken sich erneut nur um eine Person drehen: Kayla Simmons. Man sollte meinen, dass man irgendwann über eine Beziehung hinweg ist, besonders, wenn diese Beziehung eigentlich der reinste Fake war. Zumindest war es das für sie. Fast ein ganzes Jahr waren wir zusammen, ohne dass ich gemerkt habe, was für eine Person Kayla wirklich war. Wenn man berühmt ist, muss man sehr vorsichtig sein, auf wen man sich einlässt. Unser Manager hat es uns immer wieder gesagt, aber ich habe mich trotzdem in Kayla verliebt. Vielleicht habe ich deswegen nichts gemerkt, weil ich mich selbst gerade mal am Anfang meiner Karriere befand, als ich sie kennengelernt habe. Brian hat uns so oft gewarnt, aber was soll ich sagen, außer dass ich seine Warnungen nicht ernst genug genommen habe. Weil ich ein dummer, unwissender Junge war, der tatsächlich geglaubt hat, dass das mit Kayla die große Liebe war. Über meine Naivität kann ich heute nur noch den Kopf schütteln.

Ich habe Kayla auf einem Benefizevent kennengelernt. Damals hat mich vor allem ihre selbstbewusste Art fasziniert. Kaum jemand kannte sie, sie war bloß die Begleitung von irgendwem, und doch ist sie durch den Saal gelaufen, als ob sie genau dorthin gehören würde. Also sprach ich sie an, fand heraus, dass sie einen Instagram-Account hat, auf dem sie zu dem Zeitpunkt mehr als zweitausend Follower hatte. Kayla war hübsch mit ihrem makellosen Gesicht, der gebräunten Haut und den dunklen, glatten Haaren, die ihr bis zur Hüfte gingen. Natürlich habe ich einen Versuch gewagt und sie angesprochen. Wer hätte es nicht? Ich glaubte, dass ich nicht den Hauch einer Chance bei ihr hatte. Aber ich hatte mich geirrt, denn Kayla hat mir ihre Nummer gegeben. Nachdem ich ihr dann auf Instagram gefolgt bin, stiegen die Zahlen. Und sie stiegen noch weiter, als wir uns regelmäßig trafen. Es wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen, dass sie einen ganz anderen Gedanken hatte, während sie mit mir im selben Bett geschlafen oder mir die Zunge in den Hals gesteckt hat. Dabei hätte ich es mir denken können. Warum sonst hätte sie sich mit einem wie mir in der Öffentlichkeit blicken lassen? Immerhin war ich damals noch nicht so trainiert wie heute und meine Klamotten waren auch eher ein Haufen zusammengewürfelter Kleidungsstücke, die mir meine Mom irgendwann mal gekauft hatte. Stylisch ist definitiv etwas anderes. Ich war schlaksig, ab und zu sah man mich sogar mit einer Brille herumlaufen. Nicht eins dieser coolen Modelle, die es heute so gibt, sondern diese dicke Schwarze, die ich besitze seit ich 14 war. Die, für die man mich in der Schule gehänselt hat. Ich hätte tausend Gründe nennen können, wieso jemand wie Kayla Simmons sich nicht mit mir treffen würde. Aber sie tat es. Heute weiß ich, wieso.

Mit einem genervten Seufzen rolle ich mich auf die Seite und greife nach meinem Handy, um die Uhrzeit zu checken. Es ist kurz nach zwei Uhr und in wenigen Stunden muss ich wieder auf den Beinen sein. Eigentlich sollte ich bereits tief und fest schlafen, aber die Tatsache, dass wir wieder in den Staaten sind, erinnert mich an Kayla. Einfach alles erinnert mich an Kayla. Die USA. Die Hochhäuser. Das Hotel. Sogar das verdammte Kissen, auf dem ich liege, erinnert mich an sie, weil sie fast die gleiche Bettwäsche hatte. Verdammte Scheiße, ich bin doch vollkommen wahnsinnig. Frustriert setze ich mich auf und fahre mir durch die blonden Haare, ehe ich in meine Schuhe schlüpfe, die neben dem Bett stehen, und mein Handy in die Tasche meiner Jogginghose stecke. Als wäre es nicht gerade mal zwei Uhr morgens, schnappe ich mir meine Zimmerkarte, ziehe die Sweatshirtjacke vom Stuhl und verlasse auch schon das Hotelzimmer.

Auf dem Flur ist es still. Kein Wunder, jeder normale Mensch schläft bereits. Nur ich muss immer wieder an die Enttäuschung denken, die ich mit Kayla erlebt habe, und verliere allmählich den Verstand. Lediglich das dämmrige Licht der Wandbeleuchtung erhellt den langen Flur. Ich ziehe mir die Jacke beim Gehen über und steige in den Fahrstuhl, um damit ins Erdgeschoss zu gelangen. In der Lobby sitzt ein einziger Mitarbeiter und auch er sieht aus, als würde er jeden Moment einschlafen. Mit einem Nicken in seine Richtung begrüße ich ihn und laufe quer durch die Lobby nach draußen auf die Terrasse. Von der Terrasse aus kann man direkt auf den Strand des Michigansees sehen, der sich über eine riesige Fläche mehrere kilometerlang erstreckt. Der leuchtende Mond spiegelt sich im Wasser des Sees. Ich gebe jetzt einfach mal dem Vollmond die Schuld dafür, dass ich nicht schlafen kann. Das ist die weniger peinliche Version als die, dass meine Ex-Freundin mir den Schlaf raubt. Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht und meine Lungen füllen sich mit der frischen Luft. Genau das, was ich gebraucht habe. Mein Blick wandert zu dem Tisch neben mir, auf dem Stühle gestapelt stehen. Schnell nehme ich mir einen, stelle ihn auf dem Boden ab und lasse mich erschöpft darauf nieder. Den Blick auf den See gerichtet sitze ich einfach da und versuche, meine wirren Gedanken zu ordnen. Doch auch nach zehn Minuten geht es mir überhaupt nicht besser. Mit der Hand reibe ich mir über das Gesicht und hole mein Handy aus der Hosentasche. Ich weiß, dass ich das nicht tun sollte. Aber wer tut schon das, was einem der Verstand rät? Deshalb öffne ich die Fotogalerie und tippe mit dem Finger auf den Ordner, in dem die Fotos von Kayla und mir versteckt sind. Keine Ahnung, wieso es mir so schwerfällt, mich von diesen Fotos zu trennen. Normalerweise hätte ich die Bilder direkt löschen müssen, nachdem wir Schluss gemacht haben. Aber aus irgendeinem Grund konnte ich es nicht.

»Damit fangen wir gar nicht erst an, Mann.«

Die Stimme von Rowan reißt mich aus meinem Gedankenstrudel und lässt meinen Kopf zu meinem Bandkollegen herumfahren. Sprachlos schaue ich ihn an und sehe zu, wie er sich ebenfalls einen Stuhl schnappt und sich neben mich setzt. Er zündet sich eine Zigarette an und legt das rechte Bein angewinkelt auf das linke.

»Was meinst du?«, frage ich und blinzle ertappt.

»Ich meine die Fotos, die du dir heimlich anguckst. Und jetzt tu nicht so, als hättest du dir bloß eins dieser niedlichen Katzenvideos angesehen.«

Schnell schließe ich die Fotogalerie und stecke das Handy zurück in meine Hosentasche. Rowan zieht an der Zigarette und sieht mich an, während er den Rauch wieder aus den Lungen lässt.

»Ich habe bloß ... ich ...«

Ja, keine Ahnung, was ich dazu sagen soll.

»Caleb, es ist jetzt Wochen her. Sie hat längst mit dir abgeschlossen. Das solltest du auch tun.«

»Das kann ich nicht«, entgegne ich ihm seufzend. »So sehr ich es auch will, es funktioniert nicht. Überall sehe ich sie. Alles erinnert mich an sie. Und hier zu sein, hilft dabei nicht, nein, es fördert es bloß.«

Dieser verdammte Südstaatenakzent. So sehr wie ich ihn geliebt habe, so sehr verabscheue ich ihn jetzt.

»Wenn sie Engländerin wäre, würdest du dann aus England auswandern, nur weil dich dort alles an sie erinnert?«

»Vielleicht.« Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her.

Seine Brauen schießen überrascht in die Höhe. »Ist das dein Ernst?«

»Nein.«

»Das habe ich mir gedacht.«

Ich kann das Schmunzeln schon fast heraushören.

»Das ist alles nicht so einfach«, sage ich bedrückt und lasse mich tiefer in den Stuhl sinken.

»Weißt du noch, was du mir damals gesagt hast, als meine Freundin und ich uns für kurze Zeit getrennt haben?«

Einen Moment lang denke ich angestrengt nach. »Dass Schokolade und Eis helfen?«

»Nein, nicht das.« Rowan drückt die Zigarette in dem Aschenbecher auf dem Tisch aus. »Du hast gesagt, dass ich allem etwas Zeit geben soll und, dass es mir dann irgendwann wieder besser geht.«

»Ach, das habe ich gesagt?«

Murmelnd stecke ich die Hände in die Taschen meiner Sweatshirtjacke. Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern.

»Ja, das hast du. Und ich finde, so langsam solltest du deinem eigenen Rat folgen, meinst du nicht?«

Ich weiß, dass er recht hat. Nur will ich nicht, dass es so ist. Ich möchte die Zeit zurückdrehen, dafür sorgen, dass ich Kayla niemals angesprochen und mir diese Enttäuschung erspart hätte.

»Weißt du, was Freddie Mercury mal gesagt hat?«, frage ich und wende den Blick vom See ab, um Rowan anzusehen.

»Bitte nicht wieder ein Zitat von einem Toten.«

Rowan rollt mit den Augen, was dafür sorgt, dass ich es diesmal lasse, meine Vorbilder zu zitieren.

»Der Typ war besessen von der Liebe. Außerdem hat er eine Menge cooler Dinge gesagt.«

»Du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank.«

»Wann werde ich endlich aufhören, an sie zu denken?«, frage ich geradeheraus und sehe meinen besten Freund an.

Rowan schweigt. Kein gutes Zeichen.

»Also nie«, stelle ich schnaubend fest.

»Wenn du endlich zulässt, sie loszulassen.« Er blickt mich aufmunternd an und erhebt sich von seinem Stuhl, um mir auf die Schulter zu klopfen. »Du solltest aufhören, dich weiter mit Kayla zu beschäftigen, und dich auf die Musik konzentrieren. Wir gehen bald auf Tour! Darauf hast du dich doch so gefreut.«

Er hat recht. Bevor Kayla und ich Schluss gemacht haben, habe ich von nichts anderem mehr gesprochen als der anstehenden Welttournee. Und jetzt sitze ich wie ein Häufchen Elend auf diesem blöden Stuhl auf der Terrasse eines Hotels und blicke traurig auf einen See.

»Bleib nicht mehr zu lange draußen. In ein paar Stunden startet ein aufregender Tag für uns.«

Rowan zieht hinter mir die Terrassentür zu. Statt ihm zu folgen, bleibe ich noch eine ganze Weile draußen sitzen. Wie soll ich bloß über jemanden hinwegkommen, der mir einfach alles bedeutet hat?

Meine Gedanken schweifen ab zu dem Interview bei Waking Up With Chicago und der kommenden Awardshow. Mein Traum, Musiker zu werden, hat sich erfüllt, aber statt mich zu freuen, dass wir bald Konzerte auf der ganzen Welt geben, denke ich an jemanden, der vermutlich keinen einzigen Gedanken an mich verschwendet. Nachdenklich blicke ich auf den Strand vor mir.

Rowan hat recht.

Ich muss wirklich aufhören damit.

Vielleicht wird es wieder Zeit, für mich zu leben.

Kapitel 7

 

Es sind bloß ein paar Zeilen, die mir der Manager von Two Times Wise geschrieben hat. Doch diese werfen mich so dermaßen aus der Bahn, dass mir schwindelig wird.

Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Two Times Wise einen sehr engen Zeitplan hat und für ein Interview in Ihrer Radiosendung leider nicht zur Verfügung steht.

Meine Augen überfliegen immer und immer wieder die paar Sätze, die der Manager mir geschickt hat. Je öfter ich sie lese, desto mehr merke ich, dass mein Traum von einer eigenen Radioshow vor meinen Augen langsam verschwimmt. Rickys schallendes Lachen dringt in meinen Kopf ein, als würde er neben mir stehen. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus. Er hat die ganze Zeit nicht an mich geglaubt. Nur deshalb hat er diesen Deal überhaupt angenommen.

»Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als hätte deine Lieblingsband verkündet, dass sie sich auflöst.«

Brody kommt um meinen Stuhl herum und schaut auf den Computerbildschirm. Als Shannon bemerkt, dass Brody mich angesprochen hat, steht auch sie von ihrem Platz auf und kommt herübergeeilt.

»Du bekommst das Interview nicht?«, höre ich sie fragen, aber ich bin überhaupt nicht in der Lage, ihr zu antworten. Am liebsten würde ich mich unter eine Decke verkriechen und nie wieder herauskommen.