Ratgeber Demenz - Susan Scheibe - E-Book

Ratgeber Demenz E-Book

Susan Scheibe

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Beschreibung

Die Diagnose Demenz verändert nicht nur den Alltag der Betroffenen grundlegend, sondern auch den ihrer Angehörigen und Freunde. Der Ratgeber zeigt verständlich, was es mit den verschiedenen Formen dieser Krankheit auf sich hat und stellt Behandlungsmöglichkeiten und Therapien vor. Sie erfahren, wie Wohnung, Umgebung und Tagesabläufe so gestaltet und organisiert werden, dass das Alleinleben und die Selbstständigkeit eines Erkrankten lange möglich sind. Welche speziellen Pflegekonzepte und -angebote es gibt, wo Angehörige Unterstützung und Entlastung finden und welche finanziellen Hilfen Kranken- und Pflegekasse leisten – der Ratgeber lotst zu demenzspezifischer und zugewandter Pflege. - Für Partnerinnen und Partner, Familien und Freunde von Demenzkranken - Behandlungen und Therapien, Betreuungs- und Pflegeangebote - Wichtige Kriterien für die Qualität und Beurteilung von Behandlungsangeboten - Rechte und Ansprüche pflegender Angehöriger auf psychische, zeitliche und finanzielle Entlastung Mit umfangreichen Hinweisen zu Hilfsangeboten sowie Praxisbeiträgen aus der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz.

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Susan Scheibe

Ratgeber Demenz

 

ISBN Print: 978-3-86336-192-1

ISBN E-Book: 978-3-86336-346-8

 

Herausgeber

Verbraucherzentrale

Nordrhein-Westfalen e. V.

Mintropstraße 27, 40215 Düsseldorf

Telefon 02 11/9 13 80-10 00

[email protected]

www.verbraucherzentrale.nrw

 

Text

Dr. Susan Scheibe

 

Koordination und Lektorat

Dr. Mechthild Winkelmann

 

Fachliche Beratung

Felizitas Bellendorf, Prof. Dr. Hermann Brandenburg, Dr. Otto Bretzinger,

Verena Querling

 

Layout und Satz

Lala Majidova, Düsseldorf

www.lav-ka.de

 

Umschlaggestaltung

Ute Lübbeke, Köln

www.LNT-design.de

 

XML-Produktion

pagina GmbH, Tübingen

www.pagina.gmbh

 

Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH,

Kempten

 

Redaktionsschluss: Februar 2024

 

Bildnachweis

Umschlagfoto: Ocskay Mark/Alamy Stock Foto

Innen: Rumi Beneke, Grafiken S. 14, 16, 17, 19, 25, 26

Atelier Peter Gaymann: Cartoons S. 60, 65, 70, 92, 95, 97, 161, 175, 176

Adobe Stock/iStock: S. 4, 13: Gabriele Rohde, S. 22: imaginando, S. 32: Monster Ztudio, S. 4, 50: Ocskay Mark, S. 66: ivanastar, S. 80: dobok, S. 117: Brad Pict, S. 4, 118: Kateryna, S. 121: lena_zajchikova, S. 122: Super PNG S, S. 4, 130: Robert Kneschke, S. 4, 150: Lisa F. Young, S. 164: Alexander Raths

 

2. Auflage 2024

© Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verbraucherzentrale NRW. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch darf ohne Genehmigung der Verbraucherzentrale NRW auch nicht mit (Werbe-)Aufklebern o. Ä. versehen werden. Die Verwendung des Buchs durch Dritte darf nicht zu absatzfördernden Zwecken geschehen oder den Eindruck einer Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale NRW erwecken.

ISBN 978-3-86336-192-1 (Buch)

ISBN 978-3-86336-345-1 (E-Book PDF)

ISBN 978-3-86336-346-8 (E-Book EPUB)

Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch

Die wichtigsten Fragen und Antworten

Unser Gehirn und unser Gedächtnis

Die Anatomie des Gehirns

Demenz hat viele Namen

Alzheimer-Demenz

Vaskuläre Demenz

Lewy-Körperchen-Demenz

Parkinson-Demenz

Frontotemporale Demenz

Die richtige Diagnose ist jetzt wichtig!

Erste Warnzeichen

Vielleicht ist es keine Demenz?

Besuch beim Hausarzt

Notwendige Untersuchungen

Früherkennung per App?

Verlauf einer Demenzerkrankung

Nach der Diagnose

Junge Menschen mit Demenz

Die Behandlungsmöglichkeiten

Medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapien

Selbstständigkeit imAlltag ermöglichen

Den Alltag strukturieren

Komplexe Aufgaben vereinfachen

Die Wohnumgebung anpassen

Aktivität erhalten

Betreuung zu Hause

Kann ich meinen Angehörigen pflegen?

Die soziale Absicherung von Pflegepersonen

Was kann sich verändern?

Betroffene mit Zuwanderungsgeschichte

Ein Erinnerungsalbum anlegen

Das Herz wird nicht dement

Herausforderndes Verhalten

Essen und Trinken

Rezepte für energiereiche Getränke und Zwischenmahlzeiten

Die tägliche Körperpflege

Im Krankenhaus

Entlastungsangeboteund Wohnkonzepte

Betreuungs- und Demenzgruppen

Alltagsbegleiter oder Betreuungskräfte

Ambulante Pflege

Ambulante Betreuungsdienste

24-Stunden-Betreuung

Tages- und Nachtpflege

Kurzzeitpflege

Verhinderungspflege

Wechsel der Wohnform

Alternative Wohnformen

Das Pflegeheim

Ein ganzes Dorf für Demenzkranke

Rechtliche Vorsorge

… uneingeschränkt einkaufen mit Demenz?

Vorsorgevollmacht

Betreuungsverfügung

Patientenverfügung

Das Erbe regeln

Dement und mitten im Berufsleben

Fahrtauglichkeit

Privathaftpflichtversicherung

Gesetzliche Leistungen

Kostenübernahme der Krankenversicherung

Leistungen der Pflegeversicherung

Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel

Notrufsysteme

Wichtige Adressen

Verbraucherzentrale

Beratung und Vernetzung

RECHTLICHE VORSORGE

PFLEGE

Zum Weiterlesen

Erfahrungsberichte und Tagebücher

Literatur

Filme und Videos

Sachbücher

Informationen zum Umgang mit Menschen mit Demenz

Informationen in leichter Sprache

Humoriges

Über dieses Buch

Viele Angehörige beobachten besonders bei ihren alt werdenden Eltern und älteren Verwandten, dass diese sich immer wieder einmal von ihrem Gedächtnis im Stich gelassen fühlen und oft meinen, sich dafür entschuldigen zu müssen. Doch sind dies schon erste Anzeichen für eine Demenz?

Es gibt zunächst keinen Grund zur Panik, nur weil ein älterer Mensch etwas nicht versteht, wiederholt nachfragt, den Namen eines Bekannten oder das richtige Wort nicht sofort parat hat. Trotz gewisser altersbedingten Einschränkungen können die meisten älteren Menschen weiterhin auf ihren Erfahrungsschatz und ihr lebenslang erworbenes Wissen zurückgreifen. Orientierungssinn und Urteilsfähigkeit bleiben ihnen erhalten, und es besteht für sie kein Anlass, eine selbstständige Lebensführung aufzugeben.

Bei Menschen mit Demenz ist das anders. Zunächst ist nur das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Abgesehen von hochemotional geprägten Situationen werden erst kürzlich zurückliegende Ereignisse sofort wieder vergessen, während ältere Begebenheiten noch sehr lebhaft erinnert werden. Später nimmt auch das Langzeitgedächtnis ab. Alltägliche Tätigkeiten fallen ihnen zunehmend schwerer und können ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr selbstständig ausgeführt werden. Sie benötigen immer mehr Unterstützung, bis hin zur völligen Pflegebedürftigkeit.

Doch was können Angehörige tun, wenn eine ihnen nahestehende Person gerade die Diagnose „Demenz“ erhalten hat? In diesem Ratgeber wollen wir Ihnen das nötige Wissen vermitteln und bei der Planung der nächsten notwendigen Schritte zur Seite stehen. Denn eins können wir sagen: Es kommt keine einfache Zeit auf Sie zu.

Wo im Buch Sie anfangen zu lesen und nachzuschlagen, ist nicht wichtig, denn jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen. Sie erfahren unter anderem,

wie der Weg für Angehörige von den ersten Warnzeichen für eine Demenz hin zur Diagnose aussehen kann → Seite █

wie Gehirn und Gedächtnis funktionieren und wie die Biologie einer Demenz-erkrankung aussieht → Seite █

wie Sie Menschen mit einer demenziellen Erkrankung in ihrem selbstständigen Alltag unterstützen können → Seite █

welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt: welche derzeit wichtigsten Medikamente wann verschrieben werden → Seite █

und welche nicht-medikamentösen Therapien das Fortschreiten einer Demenz aufhalten können → Seite █

wie eine Pflege zu Hause aussehen kann, wenn die Erkrankung fortgeschritten ist → Seite █

welche professionellen Entlastungsangebote Sie in Anspruch nehmen können und welche Pflege- und Wohnformen für Menschen mit Demenz geeignet sind → Seite █

welche Angebote es für Angehörige junger Demenzbetroffener → Seite █ und für Betroffene mit Zuwanderungsgeschichte gibt → Seite █

welche rechtliche Vorsorge und gesetzlichen Leistungen es gibt → Seiten █ und █.

 Gut zu wissen
Mythos: „Demenz als Alterserscheinung“

Demenz wird häufig auch als „Senilität“ oder „Verkalkung“ bei betagten Menschen bezeichnet. Eine demenzielle Erkrankung ist jedoch keine Alterskrankheit, sie tritt nur häufiger im höheren Alter auf; auch junge Menschen können davon betroffen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Demenz entwickelt, steigt mit dem Lebensalter an.

Die wichtigsten Fragen und Antworten

Jährlich beantworten wir in unseren bundesweit rund 200 Beratungsstellen Hunderttausende von Fragen und helfen bei der Lösung von Problemen, die Verbraucherinnen und Verbraucher an uns herantragen. Aus dieser täglichen Praxis wissen wir, wo der Schuh drückt und wie konkrete Unterstützung aussehen muss. Diese Erfahrungen sind Grundlage unserer Ratgeber: mit präzisen, verbraucherorientierten Informationen, zahlreichen Tipps und Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis. Sollte für eine individuelle Frage weiterer Besprechungsbedarf bestehen, hilft unsere Beratung weiter. Eine Übersicht über unser umfassendes Angebot finden Sie unter:

www.verbraucherzentrale.de

Mein Vater hat gelegentlich Erinnerungslücken. Ist das eine normale Alterserscheinung?

Es ist nicht leicht, normale Vergesslichkeit von einer beginnenden Demenz zu unterscheiden. Besonders im Alter können die Grenzen zusätzlich verschwimmen. Vielleicht möchte man es auch nicht wahrhaben, dass der Vater geistig abbaut und seine Persönlichkeit sich verändert? Die Symptome sind vielfältig und bei jedem Demenzbetroffenen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt jedoch markante Warnzeichen, die auf eine Demenz hindeuten können. Treten einige dieser Warnzeichen bei Ihrem Vater auf, sollten Sie zusammen mit ihm den Hausarzt aufsuchen.

→ Seite█

Was ist rechtlich zu beachten, wenn ich die Pflege meines demenzkranken Onkels übernehme?

Ihr Onkel muss sich in vielerlei Hinsicht mit dem Fortschreiten der Erkrankung auseinandersetzen. Dazu gehört auch, dass rechtliche Aspekte bedacht werden müssen. Ist er nicht mehr in der Lage, seine eigenen Handlungen vollständig zu überschauen, handeln oft Verwandte in seinem Namen. Fehlt dafür aber die entsprechende Berechtigung, ist das rechtlich möglicherweise nicht korrekt.

Es gibt verschiedene Vollmachten und Verfügungen, mit denen Betroffene bei Demenz für die Zukunft vorsorgen und persönliche Wünsche schriftlich festhalten können, solange sie noch urteils- und entscheidungsfähig sind. Dazu gehören Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht pflegenden Angehörigen, im Sinne des Vollmachtgebers zu handeln. Denn in ihr ist unter anderem festgelegt, wer stellvertretend für Ihren Onkel Entscheidungen treffen und sich um seine Belange kümmern darf.

→ Seite█

Die Pflege meiner Ehefrau zehrt an meinen Kräften. Wo kann ich Unterstützung finden?

Als pflegender Angehöriger sind Sie praktisch immer im Dienst. Dennoch sollten Sie versuchen, sich regelmäßig Zeit für sich selbst zu nehmen und Freiraum zu schaffen, um in Ruhe eigenen Interessen nachgehen zu können. Wenn es Ihnen gut geht, wirkt es sich auch wohltuend auf Ihre demenzkranke Ehefrau aus. Es gibt verschiedene Betreuungs- und Entlastungsangebote, auf die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen je nach Situation und Bedürfnissen zurückgreifen können.

Die professionelle Unterstützung schließt sowohl die stundenweise Betreuung als auch tage- oder wochenweise Betreuungsangebote in Form einer teilstationären Tages- und Nachtpflege bis hin zur Urlaubsvertretung mit ein. Pflegekosten für die Kurzzeitpflege werden für Pflegebedürftige beispielsweise ab dem Pflegegrad 2 in Höhe von 1.774 Euro im Jahr durch die Pflegekasse übernommen.

→ Seite█

Meine pflegebedürftige Mutter kann nicht mehr allein sein, ich kann sie aber nicht versorgen. Welchen Schritt sollte ich gehen?

Wenn Sie sich nicht ausreichend um Ihre an Demenz erkrankte Angehörige kümmern können, sei es, weil Sie beruflich sehr eingespannt sind oder aus anderen Gründen, und keine fremde Person im Haus haben wollen, sind Sie nicht allein. Viele pflegende Angehörige kommen irgendwann an den Punkt, an dem die Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist. Dann sollten Sie den Wechsel in ein Pflegeheim oder eine alternative, betreute Wohnform erwägen. Mit einem zeitlichen Puffer können Sie verschiedene Möglichkeiten der Unterbringung anschauen. Vielleicht ist es für Ihre Mutter möglich, dass sie an vom Heim organisierten Veranstaltungen teilnimmt oder für einige Tage zur Probe wohnt? Damit kann sie den Tagesablauf und die speziellen Angebote kennenlernen, aber auch erste Kontakte zu Bewohnern knüpfen.

→ Seite█

Mein Ehemann wird immer wieder grundlos aggressiv. Wie gehe ich damit um?

Wichtig ist zunächst, den Anlass für das Verhalten Ihres Ehemannes herauszufinden und, wenn möglich, zu beseitigen. Besonders bei einer beginnenden Demenz ist ein Betroffener ständig mit seinen Defiziten konfrontiert, da er diese noch genau realisiert. Möglicherweise stellt er sich folgende Fragen:

Falle ich jetzt schon wieder meiner Familie auf die Nerven?

Bekomme ich noch alles mit, was um mich herum vorgeht?

Habe ich etwas Wichtiges vergessen?

Wie soll das noch weitergehen?

Die zunehmende Unsicherheit und Unberechenbarkeit, mit der er seine vormals vertraute Umgebung wahrnimmt, Hilflosigkeit und Versagensangst können bei ihm Wut oder Aggression auslösen. Versuchen Sie sich in die Lage Ihres Ehemanns zu versetzen und je nach Situation gelassen zu bleiben, ihn zu beruhigen, mit leisem Humor zu reagieren oder ihn abzulenken.

→ Seite█

Meine Tante hat jetzt die Diagnose „Alzheimer“ schwarz auf weiß. Kann sie weiterhin allein in ihrer Wohnung leben?

Vielen Menschen mit einer beginnenden Demenz gelingt es – oftmals dank der Fürsorge ihrer Angehörigen –, weiterhin ein von fremder Hilfe weitgehend unabhängiges Leben zu führen. Mit moderaten Anpassungen im Alltag, einigen wohlüberlegten Sicherheitsvorkehrungen und etwas Unterstützung in Alltagsroutinen und besonderen Situationen können sie ihre Selbstständigkeit noch über längere Zeit erhalten.

→ Seite█

Unser Gehirn und unser Gedächtnis

Was passiert in unserem Gehirn eigentlich genau, wenn wir sprechen, laufen oder etwas ansehen? Was läuft biologisch ab, wenn wir uns an etwas erinnern? In diesem Kapitel geben wir Ihnen einen Einblick in die Welt der Neuronen und Synapsen, des Großhirns und Kleinhirns, was darin biologisch schiefgehen kann und warum.

Jeder kann sich etwas unter „Atmung“ oder „Blutkreislauf“ vorstellen, aber wie unser Gehirn und unser Gedächtnis funktionieren, ist für viele ein Rätsel. Das Gehirn bildet zusammen mit dem Rückenmark das Zentralnervensystem. Es besteht aus rund einhundert Milliarden Nervenzellen oder Neuronen, die in einem engmaschigen Netzwerk miteinander verbunden sind. Eine Nervenzelle besitzt eine Antennenregion, die durch den Zellleib und dessen fein verästelte Fortsätze, die Dendriten, gebildet wird. Hier empfängt sie die Signale anderer Nervenzellen in Form von Spannungsimpulsen, verrechnet sie und übermittelt das Ergebnis zunächst ebenfalls elektrisch über ihren Axon genannten, teils sehr langen Zellfortsatz an eine Anzahl weiterer Nervenzellen. Die Kontaktstellen zu anderen Nervenzellen, mit denen das Axon in Verbindung steht, werden Synapsen genannt (→ Seite █, Abb. 1: Kommunizierende Nervenzellen).

Die durch das Axon eintreffenden Spannungsimpulse führen in der jeweiligen Synapse zur tröpfchenweisen Freisetzung eines Botenstoffs, dem Neurotransmitter, der beim nachfolgenden Neuron wiederum einen elektrischen Impuls hervorruft, indem er sich an eine zum Botenstoff passende Struktur, den Rezeptor, bindet (→ Seite █, Abb. 2: Vergrößerte Darstellung einer Sy-napse).

Abb. 1:

Kommunizierende Nervenzellen

Abb. 2: Vergrößerte Darstellung einer Synapse

Nun ist jede Nervenzelle normalerweise über Hunderte Synapsen mit anderen Nervenzellen verbunden. Einige Zelltypen können sogar bis zu 100.000 Synapsen ausbilden. Aber ob die jeweilige Zielnervenzelle, postsynaptisches Neuron genannt, die von der Quelle, dem präsynaptischen Neuron, eintreffende Information weitersendet, hängt außer von der Frequenz der eintreffenden Impulse auch davon ab, an welcher Stelle die Synapse das postsynaptische Neuron kontaktiert. Je näher eine Synapse am Abgang des Axons sitzt, desto mehr Einfluss hat sie auf die Entscheidung, ob das postsynaptische Neuron über sein Axon seinerseits einen Impuls weitergibt oder nicht. Indem das Neuron alle gleichzeitig eintreffenden Spannungsimpulse derart gewichtet aufsummiert, bewertet es damit, wie wichtig die übermittelte Information ist.

Je mehr Synapsen an einer Nervenzelle sitzen, desto mehr Informationen kann sie empfangen, miteinander verknüpfen und somit verdichtet weiterleiten. Die Verbindungswege sind jedoch nur zum Teil angeboren. Lernprozesse im Lauf eines Lebens bewirken, dass neue Verbindungen ausgebildet, bestehende durch Mehrfachkontakte verstärkt sowie nicht mehr benutzte Verbindungen abgebaut werden. Letztlich werden alle unsere Organfunktionen auf Basis eines synaptisch vermittelten Datenstroms reguliert, auch unser Denken und Fühlen, selbst das „Ich“, das Bewusstsein von uns selbst.

Bei einer Demenzerkrankung sind in der Regel zunächst die Synapsen betroffen. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen funktioniert dadurch nicht mehr richtig – es treten gewissermaßen Störungen im Betriebsablauf auf, sodass Informationen nicht mehr verarbeitet und weitergeleitet werden können. Im Lauf der Erkrankung sterben ganze Nervenzellen ab, die bis auf Ausnahmen nicht wieder ersetzt werden können (→ Seite █, Abb. 7: Krankhafte Veränderungen bei Alzheimerkrankheit). Der zunehmende Nervenzellverlust führt zu fortschreitendem Abbau der geistigen Fähigkeiten.

Die Anatomie des Gehirns

Anatomisch gesehen besteht unser menschliches Gehirn aus der rechten und linken Gehirnhälfte des Großhirns, dem Zwischenhirn mit Thalamus, Hypothalamus und Hypophyse, dem Hirnstamm mit Mittelhirn, Brücke und verlängertem Rückenmark sowie dem Kleinhirn. Der sogenannte Balken dient dem Informationsaustausch und der Koordination zwischen den beiden Gehirnhälften.

Eine funktionale Karte

Von außen betrachtet lässt sich die Großhirnrinde in vier verschiedene Regionen einteilen, die man als Stirnlappen, Scheitellappen, Schläfenlappen und Hinterhauptslappen bezeichnet (p Seite █, Abb. 3: Gliederung des Gehirns). Den Regionen unseres Gehirns sind bestimmte Aufgaben und Funktionen zuzuordnen, unter anderem auf der Grundlage anatomischer und feingeweblicher (histologischer) Untersuchungen sowie verletzungsbedingter Ausfallerscheinungen. Dabei lassen sich die hochspezialisierten funktionellen Zentren der Großhirnrinde (Rindenfelder) in motorische, sensorische und assoziative Rindenfelder unterscheiden. Werden anatomische und funktionelle Daten miteinander verknüpft, entsteht so eine funktionale Karte oder ein Atlas der Hirnrinde.

Abb. 3:

Gliederung des Gehirns

Abb. 4:

Funktionale Karte des Gehirns

Inzwischen konnten mehr als 360 verschiedene Areale (180 in jeder Hirnhälfte) mittels funktionaler Magnetresonanztomografie (MRT) identifiziert werden. Areale mit nur einer Funktion sind eindeutig in der Minderheit. So hat man etwa eines entdeckt, das immer dann aktiv wird, wenn eine Geschichte vorgelesen oder erzählt wird.

Im Stirnlappen (Frontallappen) liegen die Zentren des Sozialverhaltens, der Bewegungssteuerung und das motorische Sprachzentrum. Die Assoziationsfelder im Stirnlappen kontrollieren unser Denken und Handeln. Sie ermöglichen es, Vorstellungen miteinander zu verknüpfen, Schlussfolgerungen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen.

Wird diese Region geschädigt, bereitet bereits die Planung von Bewegungen und Handlungen Schwierigkeiten. Es wird mühsam, Worte oder gar ganze Sätze zu formulieren und kann bis zum vollständigen Verlust der Impulskontrolle führen.

Der Schläfenlappen (Temporallappen) ist fürs Hören, Sprechen und das Gedächtnis zuständig. Wenn das Ohr ein Schallsignal aufnimmt, wird es noch im Innenohr in ein elektrisches Signal umgewandelt und letztlich an die Hörrinde im Schläfenlappen weitergeleitet. Dort befinden sich wie auf einer Klaviatur entlang der Tonhöhe angeordnete Nervenzellen, die jeweils nur für einen kleinen Ausschnitt des Tonspektrums zuständig sind. Jedes wahrgenommene Geräusch wird durch ein spezifisches Erregungsmuster dieser Struktur repräsentiert.

Mit der Hörrinde verbunden ist das sensorische Sprachzentrum, in dem die zeitliche Abfolge dieser Erregungsmuster mit bereits bekannten Mustern verglichen und so als Sprache verstanden wird.

Ist dieses Gebiet geschädigt, fällt es ihnen schwer, einem Gespräch zu folgen, ein abstraktes Problem zu verstehen oder Musik zu erfassen.

Im Scheitellappen (Parietallappen) liegt das sensorische Rindenfeld, in dem alle Informationen über Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten zusammenfließen. Das ebenfalls dort angesiedelte Lesezentrum befähigt uns dazu, Schriftzeichen mit Sinn zu füllen. Außerdem laufen im Scheitellappen Aufmerksamkeitsprozesse ab.

Durch eine Schädigung kann die Konzentrationsfähigkeit, aber auch die Wahrnehmung bestimmter Körperregionen gestört sein.

Im hinteren Teil des Großhirns, dem Hinterhauptslappen (Okzipitallappen), befindet sich das Sehzentrum, wo die von den Augen kommenden visuellen Signale aufgeschlüsselt werden. Daran angrenzend befindet sich eine auf visuelle Erinnerungen spezialisierte Gedächtnisregion, die die eingehenden Informationen mit früheren visuellen Reizmustern vergleicht, sodass Objekte, Personen und Orte wiedererkannt werden können. Je mehr diese Region geschädigt ist, umso schwerer fällt es Menschen mit Demenz, Personen und Orte zu erkennen, selbst wenn diese sehr vertraut sind.

Phänomen Gedächtnis

Mit unserem Gehirn können wir gewissermaßen Zeitreisen unternehmen: Auf das Gedächtnis gestützt können wir weit in die Vergangenheit zurückblicken, aber auch zukünftige Szenarien durchspielen. Und es kann eine konkrete, im Langzeitgedächtnis gespeicherte Situation mit allen relevanten Fakten wieder aufrufen. Dieses dort aufgehobene Wissen fließt in alle unsere Entscheidungen mit ein.

Das Gedächtnis kann in ein Ultrakurzzeitgedächtnis (sensorisches Gedächtnis), ein Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis) und ein Langzeitgedächtnis (autobiografisches, episodisches, Faktengedächtnis) gegliedert werden. Das Ultrakurzzeitgedächtnis verbindet Wahrnehmung und Gedächtnis. Es nimmt alles ungefiltert wahr, was durch Sinnesorgane aufgenommen werden kann. Im Ultrakurzzeitgedächtnis werden die Sinneseindrücke nur für sehr kurze Zeit gehalten. Eine wichtige Information wird an das Kurzzeitgedächtnis weitergegeben. Als erste bewusste Station ist es Zwischenspeicher für Informationen, die nachfolgend aufrechterhalten, manipuliert und weiterverarbeitet werden oder auch wieder verloren gehen. Im Kurzzeitgedächtnis können etwa sieben Informationen für wenige Sekunden bis Minuten verweilen. Wird während dieser Zeit die Aufmerksamkeit gestört oder auf einen anderen Inhalt gelenkt, können die Informationen nicht mehr vollständig erinnert werden.

Abb. 5:

Vogel-Netzwerk

Will man sich mehr als sieben Sachen merken und dies länger als ein paar Minuten, so müssen die Inhalte ins Langzeitgedächtnis übertragen werden. Dort werden alle selbst erlebten Ereignisse, erlernte Fertigkeiten und Bewegungsabläufe sowie erlernte Fakten aufgehoben. Informationen werden dann besonders gut gespeichert, wenn sie im Kontext verständlich sind oder infolge einer emotionalen Färbung als bedeutsam eingeordnet werden. Deshalb fällt es vielen schwer, nüchterne Fakten aufzunehmen. Hat es eine Information erst einmal ins Langzeitgedächtnis geschafft, wird sie nicht mehr so schnell vergessen, auch weil sie dort mit bereits vorhandenen, ähnlichen Inhalten verknüpft wird. Je mehr wir wissen, umso mehr Anknüpfungspunkte gibt es daher für Neues.

 Hintergrund
Das Gedächtnis ist wie ein Netz

So paradox es scheint: Je mehr wir wissen, desto mehr Neues kann dazukommen, denn an jede Masche des Netzes kann neues Wissen angeknüpft werden. Und je enger das Netz geknüpft wird, desto detailreicher ist es, wie beispielsweise bei dem sogenannten Vogel-Netzwerk (p Abbildung 5). Wir sehen zunächst Vögel auf den Ästen eines Baums. Mit zunehmendem Wissen können wir Meisen von Spechten unterscheiden. Dann erlaubt es unser neu erlerntes Wissen, verschiedene Meisen- und Spechtarten zu bestimmen: Blau-, Kohl- und Haubenmeisen und Bunt-, Grün- und Schwarzspechte. Umso detailreicher unser Wissen wird, umso mehr werden wir auch zu Experten auf dem Gebiet. Voraussetzung ist jedoch, dass die vorherige Masche geknüpft wurde und so um einen weiteren „Wissensnetz-Knoten“ erweitert werden kann.

Sehr großen Einfluss auf das Langzeitgedächtnis hat die wegen ihrer an ein See-pferdchen erinnernden Form lateinisch als Hippocampus bezeichnete Region, die etwas unterhalb der Großhirnrinde liegt. Wie eine Bibliothekarin über die Archivierung von Schriften entscheidet der Hippocampus über die Aufnahme neuer Informationen. Er greift zunächst organisierend ein, um die Abrufbarkeit zu gewährleisten und speichert dann alle mit dem Ereignis verbundenen Informationen. Dies geschieht vornehmlich im Schläfenlappen.

Die Plastizität des Gehirns

Unser Gehirn bleibt bis ins hohe Alter plastisch, das heißt, es wandelt sich nach einem klaren Prinzip: Wichtiges wird stärker, während gleichzeitig alles Unwichtige oder Ungenutzte verkümmert. Ähnlich einer Pflanze, die mit dem Licht wächst, passt es sich zeitlebens den Umweltanforderungen an. Neue Blätter grünen dort, wo die meiste Sonne hinfällt. Und gerade so, wie Blätter absterben, auf die kein Licht mehr fällt, verkümmern Gehirnstrukturen, wenn die entsprechenden Fähigkeiten über längere Zeit nicht beansprucht werden.

Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, wird durch ein Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren erhöht, unter denen eine genetisch bedingte Neigung nur bei einem sehr geringen Teil der später an Demenz erkrankten Menschen von Belang ist. Während das Alter als generell wichtigster Faktor nicht beeinflussbar ist, gibt es eine Reihe von individuell und gesundheitlich steuerbaren Risikofaktoren. Zu diesen gehören im jungen Alter eine geringe Schulbildung sowie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und Hörverlust im mittleren Alter. Ebenfalls im Sinn eines Lebenszeitrisikos erhöhen im späten Lebensabschnitt eine vorbestehende Depression und Rauchen nochmals die Erkrankungswahrscheinlichkeit.

Gill Livingston, sie leitet die Forschungsabteilung für psychische Gesundheit älterer Menschen am University College London, fand 2017 in einer Überblicksstudie heraus, dass die Entstehung einer Demenz bei jedem Dritten hinausgezögert oder gar verhindert werden kann, wenn die vorgenannten Risikofaktoren frühzeitig vermieden oder behandelt werden und Kindern und Jugendlichen generell eine gute Ausbildung gewährt wird. In weiteren wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass geistige Fähigkeiten bei denjenigen bis ins hohe Alter erhalten blieben, die lebenslang geistig rege waren und einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung und ausgewogener Ernährung pflegten.

Je mehr also das Gehirn gefordert wird, umso mehr neuronale Verbindungen werden auch geknüpft. In bestimmten Regionen des Gehirns entstehen neue Blutgefäße und im Hippocampus wird sogar die Bildung neuer Nervenzellen angeregt. Ein dichteres synaptisches Netzwerk kann zusammen mit der Entstehung neuer Nervenzellen eine Art Reservoir darstellen, wenn andere Nervenzellen untergehen oder alte Nervenbahnen ihre Funktion einstellen. Es können dann vermehrt alternative Routen zur Informationsweiterleitung genutzt oder neue geschaffen werden; man spricht hierbei auch von der Herausbildung einer kognitiven Reserve.

Personen mit einer großen kognitiven Reserve sind widerstandsfähiger gegenüber geistigen Abbauprozessen und entwickeln erst dann Symptome einer Demenz, wenn krankhafte Veränderungen im Gehirn bereits weit fortgeschritten sind.

 Gut zu wissen
Die Gene sind schuld

Diese Aussage trifft nur auf einen sehr kleinen Teil der Demenzpatienten zu. Oft spielen andere Risikofaktoren eine Rolle. Einige davon können Sie beeinflussen – und damit auch die Wahrscheinlichkeit verringern, geistig frühzeitig abzubauen. Dazu gehören ein gesunder Lebensstil und lebenslanges Lernen. Das größte und gleichzeitig nicht beeinflussbare Risiko bleibt jedoch das Alter.

Demenz hat viele Namen

Für Außenstehende wird eine Demenz oft erst dann erkennbar, wenn ausgedehnte Regionen des Gehirns, die für geistige Funktionen, Verhalten oder Persönlichkeit zuständig sind, geschädigt sind. Man unterscheidet primäre und sekundäre Demenzerkrankungen.

Demenzerkrankungen beeinträchtigen das Gedächtnis bis hin zum vollständigen Verlust von Erinnerungen. Sie berühren uns deshalb besonders schwer, weil sie den Kern der Persönlichkeit treffen und am Ende die Identität in hohem Maße gefährden.

Der genauere Blick auf die Abbauprozesse im Gehirn zeigt: Zu Beginn schwindet nur das Kurzzeitgedächtnis, womit auch keine neuen Informationen in das Langzeitgedächtnis gelangen können. Die Zeitreise geht nun nur noch in die Vergangenheit. Aber auch das Langzeitgedächtnis lässt mehr und mehr nach. Schließlich sind ausgedehnte Regionen des Gehirns, die für geistige (kognitive) Funktionen, Verhalten oder Persönlichkeit zuständig sind, so weit geschädigt, dass deren Ausfall nicht mehr kompensiert oder wenigstens kaschiert werden kann. Erste, noch diskrete Symptome treten erst auf, wenn bereits etwa mehr als 70 Prozent der Nervenzellen geschädigt sind. Die Ausprägung der Symptome hängt aber auch davon ab, welche Regionen besonders betroffen sind (→ Seite 17, Abb. 4: Funktionale Karte des Gehirns).

Generell wird zwischen zwei Formen des geistigen Abbaus unterschieden. Bei den primären Demenzen lassen die Hirnfunktionen schleichend nach und gehen unwiederbringlich verloren. Zu diesen gehört die Alzheimerkrankheit, an der die Mehrzahl der an Demenz erkrankten Menschen leidet. Weitere häufige Formen sind die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz und die Frontotemporale Demenz, wobei Mischformen verbreitet sind (p Seite 24, Abb. 6: Häufigkeit von Demenzformen). Weil die parkinsonsche Erkrankung selbst selten ist, tritt im Vergleich eine Demenz infolge dieser Erkrankung eher selten auf.

Sekundäre Demenzen umfassen eine große Gruppe von Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie eine primäre Demenz aufweisen, jedoch durch andere körperliche Erkrankungen hervorgerufen werden. Diese sekundären Demenzen werden deswegen auch Pseudodemenzen genannt und können im Gegensatz zu den primären Demenzen meist geheilt oder zumindest gut behandelt werden (→ Seite █).

Alzheimer-Demenz

„Demenz“ und „Alzheimer“ werden oft in einem Atemzug genannt, sind jedoch nicht dasselbe. Denn die Alzheimerkrankheit ist nur eine Form der Demenzerkrankungen, allerdings diejenige, die am häufigsten vorkommt.

Abb. 6:

Häufigkeit von Demenzformen, nach Angaben von T. Duning, Klinik für Allgemeine Neurologie der Universität Münster

Erste Anzeichen für die Alzheimerkrankheit zeigen sich in der Regel ab dem 65. Lebensjahr, meist jedoch erst ab den Siebzigern. Frauen sind deshalb häufiger betroffen, weil sie im Durchschnitt länger leben und das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, mit dem Alter zunimmt. Eine Alzheimer-Demenz beginnt meist schleichend und führt dann zu einem stetigen Abbau geistiger Fähigkeiten, der sich über mehrere Jahre bis Jahrzehnte erstrecken kann. Veränderungen des Gehirns können bereits 15 bis 30 Jahre bestehen, bevor sich erste Krankheitszeichen zeigen. In diesem Zeitraum kann das Gehirn aufgrund seiner Plastizität den Abbauprozess ausgleichen, sodass es zu keinen erkennbaren Einschränkungen kommt. Dabei übernehmen benachbarte oder spiegelbildlich in der anderen Hirnhälfte liegende Regionen die Aufgaben der geschädigten Areale (→ Seite █).

Frühe Form der Alzheimerkrankheit

Auch wenn mit zunehmendem Alter das Risiko für eine Alzheimer-Demenz steigt, betrifft diese Erkrankung nicht nur alte Menschen. Die frühe Form der Alzheimer-Demenz kann lange vor dem 65. Lebensjahr beginnen. Sie tritt bereits im Alter von 30, 40 oder 50 Jahren auf und ist durch eine rasche Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten gekennzeichnet. Oft liegt dem eine ererbte Veranlagung zugrunde, weshalb nahe Verwandte ebenfalls früh daran erkranken.

Es sind bislang drei Gene bekannt, die für die frühe Form verantwortlich sind. Wenn eines dieser Gene eine fehlerhafte Information aufweist, bricht die Krankheit in jedem Fall aus. Insgesamt ist aber nur ein Prozent der Alzheimerfälle eindeutig erblich bedingt.

Was passiert im Gehirn bei Alzheimer?

Charakteristisch für die Alzheimerkrankheit sind im Gehirn auftretende krankhafte Veränderungen. Außerhalb der Nervenzellen entstehen gemeinhin als Plaques bezeichnete, fleckförmige Ablagerungen eines eigentlich natürlichen, aber aus bisher unbekanntem Grund räumlich abnormal geformten Proteins. Ähnlich einem anfangs flüssigen Spiegelei wird es allmählich fest und unlöslich (→ Seite 26, Abb. 8). Weil sich diese Plaques unter dem Mikroskop nach entsprechender Anfärbung wie Stärke rötlich darstellen, wird deren Protein nach dem griechischen Wort für Stärke als Amyloid-Protein, also als Eiweiß mit stärkeähnlichem Erscheinungsbild bezeichnet.

Amyloid-Plaques behindern die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Obwohl bei den meisten Menschen im Alter Plaques nachzuweisen sind, entwickeln Alzheimerpatienten diese in einem deutlich höheren Maß und nach einem vorhersagbaren Muster. Der Prozess beginnt in Gehirnregionen, die für die Gedächtnisleistung wichtig sind, bevor die Plaques sich auch in anderen Regionen ausbreiten.

Abb. 7:

Krankhafte Veränderungen bei Alzheimerkrankheit

Abb. 8:

Ausbreitung von Amyloid-Plaques. Von links nach rechts: frühes, mittleres und fortgeschrittenes Stadium einer Alzheimer-Demenz

Vaskuläre Demenz

Eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz