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Science-Fiction Roman über einen von "Albtäumen" geplagten Durchschnittmenschen der in seinen Visionen von einer unverständlichen interplanetarischen Katastrophe heimgesucht wird. Das allein bringt ihn an den Rand des Zusammenbruchs, aber dazu verfolgen ihn auch noch die Alien-Agenten des Q.Ü.B., "Quarantäne-Überwachungs-Büro", weil sie ihn selbst für einen feindlichen Alien halten. Am Ende dieser Paläo-Seti Geschichte muss er dann eine folgenschwere Entscheidung treffen, ob er seinen Planeten einfach Auslöschen sollte.
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Seitenzahl: 298
Veröffentlichungsjahr: 2025
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TEIL EINS
NOCH 3 VORWORTE: „OH, MY GOARRT!“
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
TEIL ZWEI
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
EPILOG
ALTERNATIV TITEL:
“ALIENS FÜR CRASH-KURS DUMMIES“
FREI NACH EINER WAHREN BEGEBENHEIT.
(UNENDLICHE WEITEN?)
(SO ÄHNLICH.)
Es war Aufstehzeit. Protagonist rieb sich noch verschlafen die Augen und freute sich, dass er seine verdiente Nachtruhe bekommen hatte.
Es war kurz vor sechs Uhr morgens, so dass er noch Zeit hatte seinen Wecker abzustellen, bevor dieser sein gewohntes schrilles Klingeln intonierte, ein Geräusch, dass jeder normal veranlagte Mensch verabscheute. Er gähnte und streckte sich ausgiebig, um sich danach gemächlich aus dem Bett zu pellen und in Richtung Toilette zu schlurfen, so wie es nun mal vorgesehen war.
Diese Alltäglichkeit musste hier betont werden, denn in letzter Zeit waren die Nächte des Mittdreißigers nicht so harmonisch verlaufen. Und das lag garantiert nicht an einem möglicherweise stark unkonventionellem Sexleben voller Ausschweifungen lag. Nicht bei jemandem wie ihm.
Nein, er hatte sporadisch diese sehr merkwürdigen, befremdlichen Albtraum Attacken, die ihn stark mitnahmen, obwohl ihm am nächsten Morgen nur bizarre Fetzen davon im Gedächtnis blieben. Nun hat jeder Mensch von Kindesbeinen an hin und wieder Albträume, wobei Kinder Probleme haben, diese „Erlebnisse“ von der Realität zu unterscheiden. Und exakt, das war es, was ihm nach jeder „Übertragen“ zu schaffen machte. Diese blitzartigen Einschläge in seinen gewohnten Schlaf kamen wie aus dem Nichts – und hatten eine ganz anders geartete Qualität zu bieten, als der übliche Programm: Es war beängstigend lebensecht, hautnaher als mit einer Reality Brille anstelle einer drögen TV-Übertragung.
Trotz ihrer Kürze beeinträchtigten diese Schocks seinen gesamten Tagesablauf, so dass er sich nach getaner Arbeit genauso gerädert fühlte wie beim Aufstehen. Das war nicht gesund.
Dabei war er sich keiner Schuld bewusst. Er ging zu normaler Zeit ins Bett, nahm kein üppiges Abendmahl zu sich und führte auch sonst kein aufregendes oder riskantes Leben, was er als Buchprüfer auch schwer hätte bewerkstelligen können.
Protagonist war nämlich ein echter Langweiler, was bei seinem Faible für trockene Zahlen kein Wunder darstellte; und nicht einmal die Rechnerei selbst war ein „Lebenserfüllung“ für ihn, welcher er sein Herzblut opferte. Er fand diese abstrakte Routine einfach ungemein beruhigend, beinah als eine Art von Meditation, denn die Zahlen mit denen er jonglierte waren für ihn absolut anonym. Und er verschwendete keinen Gedanken daran, dass sich hinter seiner peniblen Überprüfung vielleicht Menschenschicksale verbergen konnten. Seine Arbeit hatte etwas von der Lösung von Kreuzworträtseln an sich, denn es ging allein darum, Muster zu betrachten und Unregelmäßigkeiten im System aufzuspüren, was ihm mit traumhafter Sicherheit gelang. Er „sah“ quasi, wo etwas nicht stimmt und war augenscheinlich mit einem besonderen Gespür oder Sinn für diesen Beruf wie prädestiniert.
Noch. Denn er selbst machte sich Sorgen über den Fortschritt der Technik, die mit überhöhter Geschwindigkeit Anlauf nahm, die Menschheit zu überholen. Wann würde eine zukünftige KI ihn mit Leichtigkeit deklassieren können, so dass er im Regen stehen stünde und sein ganzes Berufsmodell nur noch Makulatur war.
Sein nerdisches Talent war aber auch schon alles, was man ihm als außergewöhnliches Merkmal anschreiben konnte; ansonsten wirkte er blass und unauffällig, jemand den man gerne übersah, besonders bei Beförderungen.
Optisch gab er mit seiner wuchtigen Clark Kent-Hornbrille auch nicht viel her, obwohl er durchschnittlich groß und attraktiv war, ein durchschnittliches Gesicht hatte und durchschnittlich gekleidet war – eben zu viel Durchschnitt. Auch sein Gehalt war dementsprechend, so dass er sich nur einen Kleinwagen leisten konnte, der aber spritsparend seinen Zweck erfüllte. Das war doch die Hauptsache, oder.
Allein seine derzeitige Freundin war nicht durchschnittlich, sondern eher eine Rakete, was seine Bekannten und wenigen Freunde irritierte – was fand sie nur an ihm?
Sie war nämlich äußerlich aus der Model-Kategorie, die sich sonst nur wohlhabende Männer angelte und dem Luxus erlegen war. Aber diese feenhaften Wesen waren immer mehr Schein-werfen als Sein-werfer.
Innerlich dagegen schien sie wohl eher ängstlich und ohne großes Selbstbewusstsein zu sein, sonst hätte sie sich nicht an diesen aufrechten und allzu seriösen Biedermann gehängt. Und er war dazu auch noch gebildet, während sie im College allein von ihrem Aussehen hatte profitieren müssen. In punkto Intellekt und Allgemeininteresse konnte sie nicht wirklich mithalten, auch wenn sie nicht blöd war und als Barbie diskriminiert werden konnte.
Ansonsten konnte er ihr nun wirklich nicht allzu viel bieten, abgesehen von seiner Treue und Aufrichtigkeit – vielleicht genau das, was sie als Schönheit bislang an seinen etlichen männlichen Vorgängern vermisst hatte, die sich als schamlose Ausnutzer des brünetten „Dummchens“ erwiesen hatten? Bei ihm fühlte sie wenigstens eine neue Art von Sicherheit und Verlässlichkeit, auch wenn er selbst an den Wochenenden nicht unbedingt die Partykanone war, mit denen sie sich sonst verlustiert hatte.
Aus diesen verständlichen Gründen machten sich seine neidischen Kollegen (Buchprüfung schien ein reiner Männerberuf zu sein) Gedanken darüber, wie lange das wohl gutgehen würde – und schlossen sogar Wetten darüber ab. Besonders beliebt schien er demnach auch nicht zu sein, aber das waren introvertierte Menschen nie.
Doch die unterschwellige Sorge um seine berufliche Zukunft war es nicht, die ihn nachts mit diesen ungewöhnlichen Horrorvorstellungen heimsuchte, denn diese ignorierte er gefälligst. Er besaß weder die Fantasie, sich einen neuen Job vorzustellen, noch war er bereit sich in diesem Punkt beraten zu lassen; er war doch genau da, wo er sein wollte.
Wenn er einen Traumberater aufgesucht hätte, hätte dieser allerdings genau in diese Kerbe gehauen, denn alles schien auf eine unbewusste Auseinandersetzung mit der futuristischen Zukunft hinzudeuten – Protagonist hatte nämlich ein „Alien-Problem“!
Zur Beruhigung, und um es gleich vorwegzunehmen – es war nicht, was Sie befürchten mögen. Er war keineswegs meschugge und bildete sich ein, von Aliens entführt oder unsittlich berührt zu werden. Und es waren auch keine richtigen Aliens, sondern eher Schnappschüsse von fremden Raumfahrern oder Raumschiffen, die in seinem nächtlichen Gehirn ohne Zusammenhang auftauchten und wieder verblassten.
Kein Grund zur Panik – er hatte nur zu viel Enterprise gestreamt? Fehlanzeige. Auch dieses Format war dem heimlichen Kontrollfreak wohl zu aufregend und unberechenbar, als dass er dieses zu seinem heimlichen Laster gemacht hätte. Natürlich, als Kind hatte er wie jedes Kind noch von E.T. und Spock geschwärmt – aber irgendwann musste doch jeder Buchprüfer erwachsen werden, oder? Also warum jetzt diese Flashbacks?
Das alleine wäre es ja nicht gewesen, wenn diese Trugbilder nicht solche gedanklichen Konsequenzen und Unsicherheiten nach sich gezogen und ihn zum Grübeln gezwungen hätten; das schätzte der Gradlinige nun gar nicht.. Warum sollten sie ihn ausgerechnet Schrecken starr aus dem Schlaf reißen und ihn mit hämmerndem Herzen nach Luft schnappen lassen?
Warum diese Schauer, die ihm danach noch lange den Rücken herunter liefen. Wieso war er schweißgebadet?
Sollten ihn nicht existierende Aliens doch verschleppt haben, was er aber aus seinem Gedächtnis verdrängt und gelöscht hatte?
So etwas machte Angst und ließ einen den ganzen Tag dann nicht mehr los, so dass Protagonist nach solchen Erlebnissen fahrig und unkonzentriert seine Arbeit verrichtete; er musste sich immerzu korrigieren, wobei sein Unbewusstsein ihn aber jedes Mal früh genug vor einem Fehler bewahrte. Trotzdem war dieser Zustand belastend und Stress pur.
Und auch die Kollegen schienen zu merken, dass er nicht ganz auf der Höhe war und rieten ihn, mal einen Arzt zu konsultieren.
Das nahm er aber gar nicht gut auf, denn er war besorgt, dass ihm vielleicht nur ein Psychiater aus dieser Misere heraushelfen könnte, was sein gesamtes ordentlich geregeltes Dasein ins Wanken bringen würde.
Übrigens hieß ‚Protagonist‘ natürlich nicht mit bürgerlichem Namen so, denn kein Elternpaar wäre so unsensibel, ihr Baby mit einem derartigen Namens-Fluch zu belegen. Und ‚Protagonist‘ war immer noch besser als „Der Simpel, der früher Prince geheißen hatte“.
Bei dieser Bezeichnung handelte es sich natürlich nur um ein Pseudonym damit die wahre Identität des Protagonisten geheim bleiben konnte und seine Sicherheit oder nur seine Glaubwürdigkeit gewährleistet bleiben würde, man konnte ja nie wissen. Den hatte er sich zu Beginn seiner Aufzeichnungen aus reiner Übervorsicht zugelegt, so war er eben.
Jedenfalls war der gefestigte, brave Bürokrat, der stets den geraden Weg eingeschlagen hatte plötzlich ins Schlingern gekommen, weil sich seine Straße zu winden begonnen hatte, was ihn aus dem Gleichgewicht warf.
Auch seine ungenannt bleibende Freundin hatte die Veränderung z.B. an seinen Augenringen bemerkt und befürchtete, dass vielleicht eine andere Frau hinter seiner beginnenden Unlust steckte. Hatte er sich satt an ihr geliebt und machte sich Gedanken über eine Trennung? Auch sie war schließlich vom instabilem Typ, den leicht etwas verunsichern konnte; aber noch wartete sie ab, denn sie fürchtete sich vor jeder Konfrontation.
Was die Instabilität anbetraf, so war Protagonist wirklich nicht zu beneiden, denn er hatte es sich als Schutzmaßnahme angewöhnt, jetzt jeden Abend eine Schlaftablette zu schlucken, um die Nachtmahre zu vertreiben oder ihnen den Weg zu seinem geheimen inneren Tempel zu verwehren.
Dazu machte er noch einen Nachtspaziergang, trank ein Glas Milch mit Honig, steckte sich Wachsdinger in die Ohren und hoffte inständig, dass er durchschlafen konnte. Er schien eine Art von Schlafphobie zu entwickeln, was sich dann meist ins Gegenteil verkehrte, denn je stärker man sich vor dem Schlaf drückt, umso leichter schleicht er sich von hinten an und schlägt aus dunklem Himmel unbarmherzig zu, ehe man sich versieht.
Er hatte nur die absolute Schwärze vor sich – es war, als würde er direkt gegen eine schwarze Wand fahren, nein fliegen. Aber er riss das Steuer nicht herum, noch machte er ein verzweifeltes Ausweichmanöver, sondern fuhr stur weiter, denn das war das natürlichste, was ein Weltraumpilot tun konnte. Vor sich, unter dem breiten Cockpitfenster, welches das draußen lauernde Nichts hereinzubitten drohte, leuchteten nur die unzähligen Armaturen Anzeigen freundlich auf und spiegelten sich dezent an der massiven, durchsichtigen Schutzscheibe des breiten Einmann-Aufklärers, alles andere war von einer unbestimmten Düsternis überschattet.
Der Pilotenraum in welchem der Fahrer in voller Weltraum Ausrüstung angeschnallt saß, war natürlich abgedunkelt, damit er freie Sicht nach draußen und auf seine Instrumente hatte, wobei es draußen nichts zu sehen gab. Wo waren all die Sterne geblieben?
Und wäre da etwas aufgetaucht, hätte er bei seiner halben Lichtgeschwindigkeit ohnehin keine Zeit zum Reagieren mehr gehabt; der Schiffscomputer war seine Augen und Ohren während er wie seit Wochen auf seiner Route immer wieder dieselben deprimierenden Signale ins endlose Nichts schickte:
„Aufklärungsflieger 3AFF3 an Mutterschiff – bitte melden – bitte geben Sie dringendst ihre Position durch“.
Das wiederholte er in inzwischen schmerzlichen Intervallen – ohne jemals eine Antwort erhalten zu haben. Dennoch wurde die automatisierte Nachricht in regelmäßigen Zeitabständen immer und immer wieder heruntergeleiert, seit einer gefühlten Ewigkeit, die den Piloten schwerstens belastete. Denn es ging um Leben oder Auslöschung.
Er war allein in dem kleinen Fahrzeug, aber er war nicht allein unterwegs, denn vierzig weitere Suchmannschaften wie die Seine waren seit geschlagenen fünf Jahren auf dieser Verzweiflungs-Mission unterwegs, unermüdlich nach dem verschwundenen „Mutterschiff“ zu fahnden, welches seit nun seit über 20 Jahren als verschollen galt, in der unendlichen Weite des Weltraums.
Nach dem Ablauf ihrer vorgesehenen Dienstzeit würden die Aufklärer zurück zu ihrem eigenen Basisschiff Nest zurückkehren um dort an Bord genommen zu werden, worauf dieses mit ihnen weiter auf der Suche ins Weltall vorstoßen würde, um dann erneut nach einer gewissen Strecke anzuhalten und seine kleinen „Vögel“ erneut in Kugelform auszuspucken.
So ging das seit zermürbenden 5 Jahren ohne Unterlass und Pause – es war zum Verzweifeln. Und die Piloten waren längst am Ende ihrer mentalen Kräfte und ohne jede Hoffnung. – Am Ende konnte höchstwahrscheinlich nur der Tod der gesamten Besatzung dieses unvorstellbaren Kolosses registriert werden – wenn sie Glück hatten und es nicht noch schlimmer kam.
Diese aussichtslose Suche nach der Reiszwecke, nein, Nadel im Heuhaufen war die schlimmste Tortur, die der 70‘jährige Pilot in seinem ganzen Leben hatte durchmachen müssen; und er hatte bei Gnag schon fürchterliches miterlebt!
Da er in einem absolut abschirmenden Weltraum Anzug steckte, vermochte er seine goldfarbenen Finger unter den klobigen Handschuhen, mit denen er die übergroßen Tasten und Hebel bediente, nicht sehen; aber dafür waren sämtliche Instrumente so angeordnet, dass er trotz dieser Behinderung sein Schiff wie im Schlaf steuerte.
Dabei war Schlaf etwas, was er gar nicht brauchte. Er war seit Monaten hellwach, auch ohne essen und trinken zu müssen, was ihm offenbar nicht schadete. Stattdessen blickte er immer voll konzentriert auf die schiffseigenen Projektionen auf der Sichtschutzscheibe, die seine Route abzeichnete - ob sich nicht doch irgendetwas Auffälliges dort zeigte. – Nichts, wie immer.
Diese Mission hatte etwas Unwirkliches und Unsinniges an sich – aber es gab keine Alternative, sonst wären sie selbst alle tot. Denn das wahrscheinliche Wrack war ihre letzte Option.
Ein lebloses und abgeschaltetes Raumschiff im leeren Raum auszumachen – egal von welcher Größe – war einfach ein Ding der Unmöglichkeit, außer es hätte noch automatische Raumbojen ausgeschickt, die über 50 Jahre lang auf einer schwachen Frequenz ein Signal aussandten. Und genau die galt es noch zu finden, das war ihre letzte Hoffnung in einer völlig aussichtslosen Situation. Also musste er stur weitermachen, aber die Zeit wurde knapp; die Energie der theoretischen Bojen würde nicht ewig ausreichen, um sie noch zu erreichen. Schwarz, schwärzer am schwärzesten.
Protagonist kippte aus dem Bett und übergab sich gurgelnd auf seinen Teppich.
Erst als er mit dem Gesicht im warmen Gestank des Erbrochenen lag, registrierte er, dass er sich wieder wach im Hier und Jetzt befand und erbrach sich umgehend aufs Neue; dabei zitterte er am ganzen Körper, was gar nicht wieder aufhören wollte.
Das war kein Albtraum mehr gewesen - das hatte er gerade am eigenen Körper und Geist erlebt, diese traumatisierende Erfahrung völliger Verlorenheit und jenseitiger Verzweiflung, die ihn am Boden zerschmettert hatte.
Es war eine noch nie dagewesene Grenzerfahrung des Grauen, die ihn immer noch im Bann hielt und unfähig machte, sich irgendwie zu bewegen und sich aus der Scheiße zu befreien. Denn zu seinem Entsetzen roch er, dass er sich zusätzlich wie ein kleines Baby auch noch eingekotet hatte, Herr im Himmel.
Er schloss einfach ergeben die Augen und hoffte, dass er aus dem Albtraum nach dem Albtraum einfach aufwachen würde, wenn er sich tot stellte – aber das war frommes Wunschdenken.
Also riss er sich nach einer gefühlten Ewigkeit entschlossen zusammen und versuchte sich mit zitternden Gliedern mühsam hoch zu quälen, was ihm so schwer fiel, als wäre er ein achtzigjähriger Tattergreis, der auf Krücken angewiesen war. Stolpernd bewegte er sich zur Toilette, um wie im Trance unbeholfen im warmen Strahl der Dusche Schutz und Reinlichkeit zu finden. Dabei war er glücklich, dass er unterwegs nicht dauernd zu Fall kam, sonst wäre er für Stunden wieder außer Gefecht gewesen. Aber im Schauer des fließenden Fruchtwassers fand er ganz langsam wieder zu sich und fühlte sich wieder normal, wenn auch noch Kilometer von geborgen entfernt – es war doch alles nur ein Traum gewesen..
Aber einer von verbotener Intensität, denn selbst normale Albträume bestechen und überwältigen den Geist durch ihre einseitige Wucht und fügen dir eine nur langsam abklingende Verletzung zu
Aber dieser war wie ein Schwert, das durch Geist und Körper wie Butter geschnitten war. Und eine derartig lang andauernde, wie hypnotische Übernahme seiner Gedanken hatte er noch nie in seinem Leben über sich ergehen lassen müssen.
Dabei war doch gar nichts passiert! Der Traum an sich hatte aus einer belanglosen Routine-Aktion eines stoischen Weltraum Offiziers bestanden, keine haarsträubende Aktion, keine ballernden Geschütze oder lebensbedrohlichen Lichtexplosionen – nicht, ganz ohne Special-Effects.
Immer noch benommen, schüttelte Protagonist verständnislos den noch feuchten Kopf, während er sich unbeholfen abtrocknete und dann seinen versauten Schlafanzug angeekelt in einen Müllsack packte. Dabei war er noch so schwach auf den Beinen, weil sein Mageninneres ja nach außen gekehrt worden war und er sich völlig unterernährt und unterzuckert fühlte. Allerdings hätte er gerade um nichts in der Welt etwas herunterwürgen können – um es dann sofort wieder im hohen Bogen auszukotzen.
Er war durch den Windkanal oder besser Wundkanal und spürte jede Nervenbahn seines Körpers schmerzen.
Nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte, schluckte er sofort wieder eine Schlaftablette, was seinem angeschlagenen Magen auch nicht gut tat, und besah sich dann die konvulsive Sauerei, die sein überlastetes, vegetatives Nervensystem hinterlassen hatte; sofort musste er wieder würgen und verließ fluchtartig das Schlafzimmer, um die Nacht dann lieber auf der unbequemen Couch zu verbringen.
Als er dann am Morgen vom entfernt störenden Wecker nach einer völlig unruhigen Nacht aus dem Halbdämmern geweckt wurde hatte er seinen ersten schweren Hangover samt Migräne, ohne auch nur einen einzigen Tropfen Alkohol angerührt zu haben.
Er war wie tot, als wäre er gerade aus dem Mutterleib geschlüpft oder hätte selbst entbunden. – In diesem Ausnahmezustand konnte er unmöglich bei der Arbeit antanzen, also meldete er sich am Telefon mit gebrochener Stimme krank, was ihm der Personalchef auch ohne Zögern abnahm.
Die nächsten paar Tage war er auch wirklich nicht zu gebrauchen und er verbrachte die meiste Zeit in der Horizontalen wie bei einer dieser tödlichen Männergrippen. Er hatte sich völlig ausgeklinkt und war angezählt wie ein Boxer kurz vor dem K.O.
Aber das Schlimmste in dieser zwangsläufigen Ruhephase waren die unzählige Fragen, die er sich stellen musste, weil sie ihn quälten und sein Verständnis überforderten. Am meisten aber die Tatsache, dass ihm ein dummer Traum dermaßen in Haut und Knochen fahren konnte – das war nicht normal. Und das machte ihm eine existentielle Heidenangst. Was stimmt nicht mit ihm?
Was für unbewusste Traumata aus seiner Kindheit mochten da gerade hochgekommen sein – oder vielleicht verdrängte Kriegserlebnisse aus einem vorigen Leben? Hatte er vielleicht in Vietnam gekämpft oder war beim Angriff auf den Todesstern gestorben? Verwirrter ging es wohl nicht mehr.
Aber irgendwann in einem klaren Moment merkte er dann doch, dass diese ganze Grübelei seinen Zustand nur verschlimmerte, weil es keine vernünftigen Antworten gab, und er in der Isolation nur total den Verstand verlieren würde. – Also ab in die Katharsis der Verdrängung und zurück ins Leben, das war gesünder.
Er folgte dem Rat irgendeines Sorgenonkels aus einer Illustrierten, nach dem Arbeit die beste Methode war, sich von einer schlimmen Erfahrung abzulenken – oder war das Meth gewesen?
Widerstrebend quälte er sich deshalb in die geborgene Umarmung seiner gewohnten Tätigkeit zurück, und schob all diesen Mist, der wie ein lauernder Schatten über ihm schwebte, einfach beiseite, was nicht ganz leicht war. Denn er sah wirklich nicht gut aus, und seine Kollegen nahmen ihm seine faulen Ausreden und Ausflüchte auf Anhieb ab. So konnte er wenigstens vermeiden, direkt in die Psychiatrie geschickt zu werden, auch wenn diese „Anfälle“ nicht spurlos an ihm vorbeigegangen waren und sein Leben weiter beeinträchtigten.
Auch seiner Beziehung war dieser zusätzliche Vorfall abträglich, denn irgendwie kam er nicht mehr so richtig in romantische Stimmung, denn er hatte schließlich Dringenderes im Kopf und steckte in einer Existenz- und Identitätskrise.
Diese fahrige Unlust konnte er im Privaten vor einer Frau natürlich nicht verbergen, wenn er sich so merkwürdig verhielt und er mehr gelöscht war als brannte, denn seine körperliche Überreaktion wirkte wie ein kalte Dusche auf seine Libido.
„Gib’s zu, Du hast eine andere!“ fauchte ihn seine Angebetete anklagend an, als ihr sein passives und ausweichendes Verhalten im Laufe der Woche zu bunt wurde.
Ihre Augen funkelten ihn attraktiv vor Empörung und auch vor Unsicherheit an, war dies das befürchtete Aus?
Protagonist war entsetzt – nur das nicht! Also wehrte er sich unsicher und kam als ehrlicher Mensch leider seiner Pflicht nach, reinen Tisch zu machen und die Karten auf den Tisch zu legen. Aber nicht jedes Coming-out wird von Jubel und mit einer Siegesparade belohnt. An ihrem betroffenen Gesichtsausdruck merkte er aber seinen Fehler sofort und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, zu spät.
Denn danach herrschte eher betretenes Schweigen auf beiden Seiten.
Mit einer derartigen Offenbarung hatte seine zeitweilige Lebensgefährtin natürlich nicht gerechnet; solche komplizierten Gedankengänge war sie nämlich nicht gewohnt und bestand zur eigenen Sicherheit peinlichst auf Psychohygiene. Es war zwar keine andere Frau im Spiel – sondern Aliens? Sollte sie das jetzt beruhigen?
„Err, ich glaube, Du brauchst professionelle Hilfe“, gab sie schließlich unbeholfen auf seinen flehenden Blick zurück, als das Schweigen allmählich peinlich zu werden drohte. Und ihr verwirrter Blick sprach Bände von Groschenromanen.
„Ja, genau das fürchte ich auch die ganze Zeit“, pflichtete ihr Protagonist fast stotternd bei – „aber bei Aliens? Da lande ich doch gleich in einer Zwangsjacke“, gab er ängstlich zu bedenken. Nur gut, dass er keine Gedanken lesen konnte, sonst hätte er mitbekommen, dass sie dachte, dass diese krasse Maßnahme vielleicht das Beste für alle wäre.
Aber am süßen Antlitz konnte man dennoch ihre Zweifel ablesen.
„Es tut mir leid, aber ich brauche wohl etwas Abstand und muss mit mir erst ins Reine kommen, was nicht das Geringste mit dir zu tun hat“, entschuldigte er sich flehend. Und sie stimmte ihm ein bisschen zu schnell und eifrig zu.
„Vielleicht ist das nur eine Phase, und Du hast gerade eine Krise oder so, das gibt sich bestimmt von alleine“, tröstete sie ihn halbherzig und verabschiedete sich dann möglichst schnell von ihrem Geliebten – als wäre es etwas Ansteckendes wie Aids, das ihn gerade infiziert hatte. War Geisteskrankheit mündlich übertragbar?
Danach war der Geschundene tatsächlich irgendwie erleichtert, denn die bedrückende Last des zum Schweigen Verurteilten war vom ihm abgefallen. Und ihre aufmunternden Floskeln weckten trotz ihrer Durchsichtigkeit neue Hoffnung in ihm, doch nicht wie Hannibal Leckerli im Hochsicherheitstrakt zu landen. Verdrängung ist schließlich ein Superfood und hat die Menschheit bis zum heutigen Tag in ihrer Existenz gefestigt.
Und tatsächlich schien diese Vogel-Strauß Taktik zu funktionieren, denn eine Zeitlang blieb es nächtens ruhig in seinem Kopf, und kein Dämon von einem anderen Stern schien es mehr auf ihn abgesehen zu haben.
Aber die Unsicherheit vor seinem zu Bett Gehen blieb hartnäckig haften, weswegen seine abendliche Schlaftablette zu einem gewohnten Ritual geworden war, was unter anderen Umständen bedenklich gewesen wäre. Aber die meisten seiner Träume waren banal oder normal-abartig, was aber nicht hieß, dass die Gefahr gebannt war, und er jetzt wieder seinen Gewohnheits-Alltag aufnehmen konnte.
Einmal gab es nämlich einen kurzen Aussetzer – worauf die Panik wieder präsent war.
Der Traum entwickelte sich ganz allmählich und war sogar angenehm, wobei sich eine Urlaubsidylle anzubahnen schien. Sonnenbeschienener Strand, er auf einer dazugehörigen Liege mit einem bunten Cocktail in der Hand, und massenweise aufreizende Badenixen, die um ihn herum flanierten.
Alles frohlockende Aussichten auf einen heißen erotischen Traum, freute sich sein unbewusstes Es schon.
Und er war heiß – zu heiß, um gesund zu sein.
Erst bei dieser Gedankenassoziation merkte Protagonist, dass sein Deko Schirmchen im Glas auf einmal Feuer fing, was ihn nicht weiter störte. Aufmerksam wurde er jedoch, als die Sonne immer größer und bedrohlicher anzuwachsen schien, was ihn irgendwie in Alarmstimmung versetzte – da schien sich etwas anzubahnen.
Als dann seine Haut schwarze Blasen zu werfen begannen, was höllisch wehtat, bekam er leichte Hysterie. Wirklich schlimm wurde es aber erst, als die verheißenden Schönheiten vor seinen Augen tatsächlich verheizt wurden und zu schmelzen begannen – wie „Eis in the Sonnenschein“ - und er fühlte, wie es am ganzen Körper wie von einer Ameisenarmee brannte.
„Wir müssen alle verbrennen!“ zuckte es Instinktiv durch seinen
Geist, so dass er von Panik schreiend aufwachte!
Er war sofort präsent und wollte sich intuitiv mit Brandsalbe einreiben, aber in der Dunkelheit seines Zimmer realisierte er sofort den Unsinn seiner erneuten Überreaktion. Das war wieder nur ein Traum gewesen – wie immer.
Und das angeknipste Lampenlicht bestätigte dann seine Logik – sein Körper war unversehrt. Allerdings war der normale Albtraum im „Abspann“ gekippt und wieder in die gefürchtete Hyperintensität umgeschwungen, verfluchter Mist!
Ja, er hatte noch schweres Herzklopfen, diagnostizierte Protagonist eher distanziert, aber alles war weniger heftig als beim ersten Aussetzer richtigen. Und er konnte sich wesentlich schneller von diesem heimtückischen Angriff erholen, der sich unangekündigt in sein Unbewusstes geschlichen hatte.
Nach einer gewissen Ausruhphase war der Überfallene wieder so weit stabil, dass er sich tatsächlich noch einmal in seine verheißungsvolle Bettfalle zurücklegte und es mit einer neuen Versuch starten wollte.
„Natürlich – das erste Mal ist es immer am Eindringlichsten, egal was oder wobei“, gestand er sich am nächsten Morgen ein, wobei die warmen Sonnenstrahlen, die ins Zimmer schienen, ihm wohl helfend unter die Arme griffen, „alles halb so schlimm und Gewöhnungssache.“ Allerdings hatte er nun wirklich nicht vor, sich an diese „Erinnerungen an die Zukunft“ zu gewöhnen!
Diese Binsenweisheit gab ihm dennoch nach langer Zeit wieder einen Funken Zuversicht, dass er nicht gegen einen unbesiegbaren Feind in seinem Kopf antreten musste.
Selbst die Hölle war gewöhnungsbedürftig, und im Krieg stumpfte man unwillentlich durch die Akzeptanz des Grauens ab; das konnte man alles überleben inklusive PTBS als Nebenwirkung.
So leicht würde er sich seinen Geist nicht mehr vergewaltigen lassen oder zumindest sich nicht mehr von dieser mentalen Überwältigung einschüchtern lassen – Träume waren nur Schäume, aber nicht jedes Mal aus Sekt.
Da schien wohl jemand mit fiesem Charakter mitgehört zu haben, denn von Rücksicht war bei der nächsten unheimlichen Nachtvorführung keine Spur mehr – Ridley Scott schien diesmal die Regie übernommen zu haben.
Bevor es ihn aber wieder während des Schlafes das nächste Mal erwischte, durchfuhr noch kurz ein eigenständiger Gedanke durch sein Gehirn:
„Nanu, bekomme ich jetzt eine Wiederholung vorgesetzt?“
Das war nicht verwunderlich, denn das Szenario schien identisch mit seinem ersten Erlebnis der unheimlichen Art zu sein: Dasselbe Aufklärungsschiff, derselbe Pilot und die gewohnte Schwärze des Nichts.
Aber er fühlte sich noch apathischer als beim ersten Besuch bzw. spürte eigentlich gar nichts mehr.
Der Weltraum Vogel flog wie zuvor ohne erkenntliche Richtungsänderung stur in die Dunkelheit hinein und nichts passierte. Einige seiner Piloten Kollegen hatten ihren Maschinen den Spitznamen Gans gegeben, die anderen Rabe, Taube, Ibis oder Phönix und dementsprechend war die nervtötende Endlosschleife, die über den stummen Funkkontakt, die sie ausspuckten auch ein Krächzen, Gackern oder Schreien, aber derartige Gedankenassoziationen hatte er vor Jahren noch zu Beginn der Odyssee gehabt. Jetzt führte der Flieger seine Bewegungen, die ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen waren, wie eine Maschine ohne einen einzigen Gedanken oder Gefühlsregung durch.
Er funktionierte nur noch und schickte seine Signale automatisch in die Leere, die seine innere Leere dabei perfekt reflektierte. Protagonist fühlte sich selbst völlig verloren in seinem sinnlosen Aktionismus, den er allein aus militärischem Pflichtgefühl und Gehorsam ausführte, wie es sich in einer Diktatur nun einmal gehörte und üblich war, obwohl er höher in der Befehlskette stand als die üblichen Piloten.
Da war kein Funke von Hoffnung oder Anteilnahme mehr in seiner Tätigkeit zu finden, zu lange tat er schon, was ihm aufgetragen worden war, ohne den Hauch eines Erfolges zu sehen. Das galt auch für die anderen, die inzwischen mit derselben Abgestumpftheit ihren Dienst nach Vorschrift absolvierten.
Er war wie in einem Trance und seine Gedanken waren irgendwo anders, so dass er das schwache Aufleuchten eines der unzähligen Kontrolldioden gar nicht mehr registrierte, welches seine Aufmerksamkeit erringen wollte. Er war nach so unendlich scheinender Zeit gar nicht mehr darauf vorbereitet, dass sich noch etwas Positives ereignen würde.
Aber das Lichtsignal war hartnäckig und wollte sich nicht auf ewig ignorieren lassen, bis es sich einen Zugang zu Goarrts Gehirn verschafft hatte. Und selbst dann reagierte er nicht dementsprechend, sondern starrte nur blöd auf die große Konsole, als wollte er gar nicht glauben, dass sich darauf etwas tat.
Aber da leuchtete etwas in penetranter Regelmäßigkeit auf – das konnte nicht verleugnet werden.
Jedoch war es noch viel zu weit entfernt, um sich auch akustisch bemerkbar zu machen – denn der Weltraum blieb stumm..
Dann brach Hektik im Piloten aus, und er fing an, überhastet auf Schalflächen zu drücken und über Monitore zu wischen, bis er endlich die Koordinaten des Signals ermittelt hatte.
Das war der erste Tiefschlag, der seinen erwartungsvollen Puls wieder heruntertrieb, denn der Ursprung des Signals lag näher, als er gehofft hatte; da lief wohl lediglich ein uralter Automatismus ab, der in den letzten Zügen lag. Das deutete auf eine Signalboje hin und keineswegs auf ein Lebewesen, welches Kontakt mit ihm aufnehmen wollte. Deswegen war auch keine akustische Botschaft hereingekommen, als potentielle Antwort auf seinen eigenen, immergleichen Funkspruch, der sich wie ein hypnotischer Fluch in sein Unbewusstsein eingebrannt hatte.
Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, so stark traf ihn die niederschmetternde Erkenntnis, dass die bangen Befürchtungen aller nun eine grauenhafte Bestätigung erfahren würden. Es war vorbei. Dort gab es nichts mehr zu retten, und die Mission war gescheitert.
Dennoch brauchte er handfeste Gewissheit und musste sich mit eigenen Augen selbst davon überzeugen, denn das war sein Auftrag, nämlich die katastrophale Nachricht an das Basisschiff zur Kommandozentrale seiner Vorgesetzten zu schicken. Er gehörte schließlich nicht zu den Entscheidungsträgern, die er im Augenblick nicht um ihre schwere Verantwortung beneidete, und fühlte sich, als wenn er diese selber tragen müsste; nein er spürte direkt Mitleid mit dem neunzigjährigen Befehlshaber, Goarrt 1.
Und dann ließ er den Vogel abdrehen und die Richtung wechseln, stracks an den Ort des Grauens, mit einem schwer klopfenden Herzen in seiner Brust.
Aber auch das dauerte seine Zeit, so dass die beinah beruhigende Schwärze jetzt ein Gefühl von Vertrautheit aufkommen ließ, welches seine Anspannung wieder aufsagte und ihn mit lethargischer Kälte erfüllte. Es war, wie es war, und niemand konnte mehr etwas daran ändern.
Das Lämpchen leuchtete ihm jetzt stechend Hell in die Augen, also würde die unliebsame Begegnung nicht mehr lange dauern, und das havarierte Mutterschiff käme langsam in seine Nähe, so dass er die Geschwindigkeit drosselte und einen konzentrierten Blick auf die Leuchtsymbole auf der Frontscheibe hatte.
Optisch würde er ja im Blindflug bleiben und das gesuchte Objekt in dieser immerwährenden Nacht überhaupt nur in einem winzigen Ausschnitt zu Gesicht bekommen; also musste er höllisch aufpassen, keine Kollision zu verursachen und direkt hinein zu donnern. Und dann zeigte die Kontrollfläche auch schon einen winzigen Umriss auf dem Scheibenmonitor an, der sich vor ihm in der Ferne zu gigantischer Größe aufbaute. Und er bremste seinen Aufklärer stark ab und kam zu früh zum Stillstand. Denn er hatte sich in den Dimensionen des Hindernisses getäuscht.
Dies war das größte Raumschiff, welches die Nargam jemals gebaut hatten. ‚Riesig‘ war gar kein Ausdruck für dieses unvorstellbare Monstrum von beinah einem Kilometer Länge, wie auf den Anzeigen exakt wiedergaben. All die entsprechenden technischen Daten hatten Goarrt und alle Crewmitglieder natürlich in ihren Gehirnen abgespeichert und kannten sie längst auswendig, aber dennoch stockte ihm beim Anblick der ermittelten Konturen der Atem, während der Vogel wieder langsam Geschwindigkeit aufnahm, um sich diesem Leviathan zu nähern.
Wären dies erfreulicher Umstände gewesen hätte Goarrt sich am farbenfrohen Spektakel eines erleuchteten Weihnachtsbaumes im schwarzen All erfreuen können, der die beklemmende Dunkelheit zwar nicht vertreiben konnte, aber immerhin ein buntes Spielzeug inmitten der Ernsthaftigkeit des eisigkalten Weltraums darstellte.
Aber ein beinah verstohlener Blick auf die Lebensanzeige bestätigte die schlimmsten Befürchtungen, dass alle Lebenslichter längst erloschen waren und im Bauche des Wales Totenstille herrschte.
Auch der Riesenraumer selbst war tot, denn die Energie Anzeige war gleichfalls auf null, und der Sauerstoff schien dem Schiff ebenfalls ausgegangen zu sein.
Das war’s also, konstatierte Goarrt nüchtern, auch wenn er sich am liebsten bei dem unvorstellbaren Anblick aus dem Fenster gestürzt hätt – so majestätisch groß und doch so hohl und leer. Fast wie bei der Titanic.
Aber der letzte Vergleich war nicht der Seinige gewesen, sondern ein Kommentar von Protagonist, der dann beinah simultan wieder aus dem Traum stürzte und wieder den guten alten Boden von Mutter Erde küsste, was nie sehr angenehm war.
Aber Protagonist war trotz der Schmerzen vom Fall aus seinem Bett heilfroh, wieder auf allen Vieren schräg auf dem Boden der Realität gelandet zu sein, das eben hatte war ihm doch hart an die Nieren gegangen.
Doch er keuchte diesmal nicht verzweifelt, und musste sich nicht übergeben, sondern war nur am ganzen Körper durchgeschwitzt, konstatierte er verwundert. – Konnte man sich an eine derartige Tortur etwa tatsächlich gewöhnen und dagegen abstumpfen wie erhofft?
Er rappelte sich tatsächlich mühsam hoch und wankte dann ins Badezimmer, denn es war so wie so bald Zeit zum Aufstehen, um den Tag wie gewohnt zu verbringen, selbst wenn er nicht gerade auf der Höhe wirkte.
Diesmal war sein „Trip“ erfreulich anders verlaufen, zwar dramatisch und deprimierend genug - und von der gleichen verletzenden Intensität, das schon – aber er hatte sich dabei anscheinend einen kleinen Funken Souveränität bewahrt.
Seine Seele fühlte sich nicht danach, als ob sie in eine Mangel geraten und ausgequetscht geworden wäre, hilflos fremden Mächten einer gnadenlosen Traummaschinerie ausgeliefert. Das lag zum Teil daran, dass er in einem „Sequel“ gelandet war und die ‚vertraute‘ Umgebung ihn nicht unvorbereitet überrumpelt hatte. Beim zweiten Mal schien er in seine vorgeschriebene Rolle besser hineingewachsen zu sein und ahnte halbwegs, was ihn erwartete. Damit war der Schrecken des Unbekannten bereits abgemildert, wenn er auch im Piloten stecken geblieben war. Trotz beständiger und mehr als unheimlicher Empathie oder geistiger Verschmelzung schien er sich diesmal aber einer Art von Beobachter Posten zurückgezogen zu haben – der Nachtmahr-Wal hatte ihn nicht völlig verschlungen.
Und wenn sein Albtraum als Begegnung der dritten Art tatsächlich eine übernatürliche Fortsetzungsgeschichte sein sollte, dann wünschte sich ein mikroskopisch winziger Teil von ihm tatsächlich zu wissen, wie sie wohl weitergehen mochte – selbst wenn der eigentliche Horror wohl noch bevorstand.
Für ihn selbst herrschte wohl keine unmittelbare Gefahr, das konnte er sich erleichtert eingestehen, als er viel zu früh fertig angezogen vor dem Spiegel stand und sich nass rasierte, ohne sich zu schneiden.
Und bis auf seine zerrüttete Seele und die Zweifel an seinem Verstand, die allmählich abflauten, hatten diese fantastischen Wahnsinns-Visionen auch keine gravierenden Nebenwirkungen oder neuerliche Flashbacks im Alltag. Aber sie blieben „nachhaltig“, da er sich im Nachhinein noch an jede Kleinigkeit erinnern konnte. Die schob er wohl besser weg und überschrieb sie mit der täglichen Routine – und doch?
Aber auch diesen aufkeimenden Gedanken spann er lieber nicht mehr weiter. Seine Parallel-Traumwelt sollte nicht seine wahre Realität infizieren, sonst würde er wohlmöglich eines Tages nicht mehr entscheiden können, welche seiner Ebenen die wirkliche war, und tatsächlich den Verstand verlieren. Das sollte lieber sein „kleines“ Riesengeheimnis bleiben.
Inzwischen waren ihm nämlich einige Sachen aufgefallen, denen er im Schrecken der ersten Assimilierungen übersehen hatte, als Widerstand noch zwecklos war:
Protagonist konnte offenbar Außerirdisch – das würde toll in einem beruflichen Bewerbungsschreiben rüberkommen, dachte er spöttisch. Aber im Ernst, entweder er beherrschte die Artikulationsweise der Fremdwesen oder sie konnten Englisch, was ihm beides gleich absurd erschien. Jedenfalls hatte er alles verstanden, was ihm bei der Belauschung dieses Goarrts übermittelt worden war.
Andererseits konnte diese verblüffende Tatsache auch daran liegen, dass man im Traum immer in seiner Muttersprache dachte. Nein, auch das war zu kurz gegriffen. – Er wusste noch genau, dass er auf Anhieb sogar die Bedeutung jeder Beschriftung und alle exotischen Symbole auf den Armaturen usw. sofort verstanden und instinktiv in seine eigene Sprache umgesetzt hatte, wie selbstverständlich, als wäre er seit Kindesbeinen damit vertraut.
„Mann, ist das irre!“
Ihn gruselte es. Hoffentlich hatte er einen eingebauten Traumtranslator irgendwo in einer unbekannten Nische seines Gehirn verbaut – sonst würde es ziemlich kompliziert. Da er sich aber in Neurodingsbums nicht auskannte, schob er solche verstörenden Gedanken lieber erst einmal beiseite.