Rebirth - Edgar Wiefel - E-Book

Rebirth E-Book

Edgar Wiefel

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Beschreibung

Was wäre DEIN erster Gedanke?...stell dir vor du wurdest ermordet,und öffnest deine Augen wieder,als neugeborener Säugling,mit deiner kompletten Erinnerungund deinem vollen Verstand...Eine völlig neue Krimi-Perspektive; wenn das Mordopfer seinen eigenen Mörder ermittelt, und das dann auch noch logisch nachvollziebar ist....Ein romantischer Krimi im Stil von "Ghost -Nachricht von Sam",nur ohne Geist, dafür geistreicher ;-)Du magst: New York, den Central Park bei Sonnenaufgang, Romantik, Spannung, einen Hauch Mystery -was sich nachvollziehbar aufklärt, wie man perfekt Wünsche erfüllt und erfüllt bekommt, Aha-Effekte, sympathische Charaktere, rockige Musik, coole Autos, mehr über den Sinn des Lebens erfahren, verpackt in eine packende Story, gewürzt mit einem mysteriösen Todes-Fall... -dann erlebe diesen "phantastischen" Kriminalroman aus einer völlig neuen Perspektive... Rebirth ...der Tod ist erst der Anfang! Ebook und Taschenbuch Ein Multi-(Social)-Media -Buch * mit Soundtrack * mit Picture-Show der Schauplätze * mit persönlichem Kontakt zu einem Charakter der Geschichte * ... -mehr dazu auf der Facebookseite fb.com/Rebirth.buch -- Was passiert? Der erfolgreiche New Yorker Geschäftsmann Marc Stone stürzt relativ unfreiwillg vom Rockefeller Center... Der Täter wartet am Tatort auf die Cops und lässt sich ohne Gegenwehr verhaften... Marc Stone öffnet nach Monaten im Krankenhaus wieder seine Augen und bemerkt, dass er Jahre brauchen wird, um wieder der "Alte" zu sein... Er taucht in eine komplett neue, altbekannte Welt ein... Werden seine Frau und seine Tochter ihn jemals wiedererkennen... Als Marc sich wieder fit fühlt, rollt er die Hintergründe zu seinem tiefen Fall auf... Und was hat eigentlich das weltweit größte Social-Network damit zu tun... Begleite Marc auf seiner Achterbahnfahrt der Gefühle... Erwarte das Unerwartete..

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Rebirth ...der Tod ist erst der Anfang!
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Dieses Buch ist ein „Multi-(Social)-Media Buch“:

 

 

„Wer nicht liest, hat mit 70 ein Leben gelebt.

Wer liest, wird 5000 Jahre erlebt haben.“

Umberto Eco 1932 – 2016

 

Rebirth ...der Tod ist erst der Anfang!

von

Edgar Wiefel

März 2016

6.Auflage Mai 2017

 

 

Das Buch:

"Rebirth ...der Tod ist erst der Anfang!“

...ist ein Multi-(Social)-Media Buch mit:

* Soundtrack.

* Bildern der Schauplätze in New York.

* Kontakt zu einer Person im Buch.

...weitere Informationen dazu am Ende des Buchs oder auf fb.com/rebirth.buch

 

Zum Inhalt:

Der erfolgreiche New Yorker Geschäftsmann Marc Stone stürzt relativ unfreiwillig vom Rockefeller Center...

Sein Mörder wartet am Tatort auf die Cops und lässt sich ohne Gegenwehr verhaften...

Marc Stone öffnet nach Monaten, im Krankenhaus wieder seine Augen und bemerkt, dass er Jahre brauchen wird um wieder der "Alte" zu werden...

Er taucht in eine komplett neue, altbekannte Welt ein...

Werden seine Frau und seine Tochter ihn jemals wiedererkennen?...

Was wird aus seiner Familie und was aus seiner Firma ?...

Als Marc sich wieder fit fühlt, rollt er die Hintergründe zu seinem tiefen Fall auf...

Erlebe einen „phantastischen“ Kriminalroman

- aus einer völlig neuen Perspektive...

 

Der Autor:

Edgar Wiefel, geboren 1969, wohnt in St.Peter /Au, im niederösterreichischem Mostviertel.

Er ist Ehemann, Vater und Gründer des Projekts www.Wunschbox.at

Schon immer hat Ihn das Leben mit all seinen Facetten fasziniert.

Er ist ein aufmerksamer Beobachter seiner Umwelt und kombiniert Diese mit seiner Kreativität.

In "Rebirth" wirft er einen ungewöhnlichen Blick auf den Kreislauf des Lebens, regt zum Nachdenken an und unterhält zugleich.

Die Geschichte des Marc Stone belebte er mit Hilfe des erfahrenen Schriftstellers Mark Gosdek zu seinem ersten Kriminalroman.

 

 

Der Verlag:

Wunschbox.at Selbstverlag

Alle Rechte beim Autor  -  © März 2016

Cover Design: Yvonne Less, www.art4artists.com.au

Edgar Wiefel

Wiesenbachstr. 18

A 3352 St.Peter

[email protected]

 

  

 

Für Stella.

 

REBIRTH

...der Tod ist erst der Anfang!

 

Von Edgar Wiefel

Co-Autor: Mark Gosdek

 

 

00

 

25. September 2003 12.22 Uhr

Marc Stone fiel.

Bei einem Basejumper hätte der grandiose Anblick, der sich ihm in diesem Augenblick bot, höchste Glücksgefühle ausgelöst. Er würde noch ein paar Augenblicke warten, um die unglaubliche Perspektive auf den Prometheus-Brunnen am Fuß des Rockefeller-Centers solange als möglich zu genießen, dann die Reißleine ziehen und überschwemmt mit Endorphinen glückselig an seinem Fallschirm zu Boden schweben.

Marc Stone aber war kein Basejumper; er hatte weder Reißleine noch Fallschirm. Ungebremst raste er dem Boden entgegen. Seine Gedanken kreisten um die letzten Worte, die er hörte und die in seinem Kopf nachhallten.

Im Grunde war es nur ein Wort, das in seinem Kopf hämmerte:

„Liz“. Doch auch diese Erinnerung verschwamm langsam, Marc konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sein Bewusstsein löste sich auf, als er im freien Fall kopfüber auf den golden schimmernden Brunnen zuraste.

Dann wurde es tiefrot vor seinen Augen und kurz darauf tiefschwarz...

 

Zur gleichen Zeit drückte ein massiger Kerl dem viel schmächtigeren Mann an seiner Seite einen Revolver in die Hand.

„Vermassel es nicht!“

Sie standen auf der Außenterrasse des Gebäudes, gut zweihundertfünfzig Meter oberhalb der Aufschlagstelle. Der Kerl sah dem Anderen in die Augen und war beruhigt. Nein, es gab keine Probleme. Der Andere würde machen, was von ihm erwartet wurde.

Wie ein zufriedener Vater legte der Kerl dem Schmächtigeren die Hand auf die Schulter und drückte fast warmherzig zu. Dann wandte er sich um und ging über die Terrasse hin zum Ausgang.

Der Schmächtige sah ihm nicht nach. Er hielt den Revolver in seiner Hand, doch hob er die Waffe nicht. Die Mündung deutete in Richtung des Bodens und würde es so lange tun, bis die Cops kamen. Dieses Wissen beunruhigte den Mann aber nicht. Unbeeindruckt betrachtete er die imposante Skyline der Stadt.

Links vom Empire State Building floss der East River vorbei und auf der anderen Seite begrenzte der Hudson die Halbinsel. Hier oben auf der Terrasse mischte sich der Geruch der Flüsse mit dem Gestank der Straßen und verlieh der Stadt ihre eigene Würze. Der Mann sog den Atem tief in seine Lungen ein. Es war die Stadt, in der er immer leben wollte und, wenn es sein musste, auch sterben. Es war seine Luft. Er wusste, dass er sie nie mehr so frei einatmen würde.

Das war der Deal, der ihm in seiner vollen Wirkung erst gestern Abend zu Bewusstsein gekommen war, als sein Mobiltelefon klingelte.

„Morgen steigt deine Party, ich hol dich pünktlich um zehn Uhr ab. Halte dich bereit“, knarzte die Stimme in sein Ohr.

Mehr als ein leises „Ok“ bekam er als Antwort nicht über seine schmalen Lippen. Aber das genügte, um sich nun auf dem Top of the Rock wiederzufinden.

Kalter Wind zog über die Terrassenplattform und strich dem Mann durch die Haare. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf den kühlen Atem der Stadt.

 

Alles war gut.

 

...als Marc Stone Monate später im Krankenhaus die Augen wieder aufschlug, war er blind. Er konnte weder atmen noch sich bewegen.

Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im Rücken und er schrie aus Leibeskräften. Der Schmerz ließ langsam nach und dann wurde es am ganzen Körper warm um ihn. Marc fühlte sich angenehm geborgen und ein süßlicher Duft umschmeichelte seine Nase wie eine Droge.

Dann schloss er wieder seine Augen.

 

01

 

25. September 2003, 06:53 Uhr

Ein paar Stunden vor den Ereignissen auf der Dachterrasse.

Nichts war schöner anzusehen, als der Sonnenaufgang über dem Central Park. Die Stadt ruhte niemals. Die Baumwipfel dieser Oase jedoch schienen in einem Standbild eingefroren zu sein. Von Osten her bahnten sich die metalliclackierten Strahlen der Morgensonne ihren Weg durch die Straßenschluchten. Sie spiegelten sich auf den getönten Fensterscheiben der Wolkenkratzer wie dunstiger Morgennebel auf einer Seeoberfläche wieder und fielen von dort aus wie ein orangener Schleier hinab, direkt in den Central Park. Jogger und Hundebesitzer waren dort schon unterwegs. Für sie war es ein Augenblick gestohlener Ruhe, bevor sie sich in die atemlose Hektik von Manhattan stürzten. Im Park waren sie noch ganz bei sich, wie Kinder in Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“.

Dieses Bild kam Marc Stone in den Sinn, als er am Fenster seiner Wohnung stand und hinüber in den Central Park sah. Vielleicht lauerte dort unten in den Büschen irgendwo der verrückte Uhrmacher; seine Alice aber lag sicher in ihrem Bett im achtzehnten Stock des Wohnhauses. Nur dass sie nicht Alice hieß, ihr Name war Lisa.

Noch vor wenigen Tagen hätte Marc dies alles wahrscheinlich nicht bemerkt. Sah er hinüber in den Park, dachte er an seine Geschäfte. Bei dem Anblick von der Dachterrasse aus, kamen ihm die besten Ideen. Später, im Büro, zögerte er nicht, sie umzusetzen. Es gab Menschen, die ihre Arbeit mit einem Becher Kaffee begannen, um überhaupt auf Touren zu kommen. Marc verstand das nicht. In seinen Augen konnten sie nie Erfolg haben. Diese Menschen machten zu viele Kompromisse. Vorausgesetzt, man glaubte ausschließlich an das finanzielle Glück.

Was für ein Narr er doch gewesen war! Marc wandte sein Gesicht vom Fenster ab und sah hinüber zum Bett. Lisa schlief noch. Sie hatte sich das Ende der Bettdecke unter die linke Gesichtshälfte gestopft und sah so zufrieden aus, als schwebe sie gerade durch eine wunderbare Illusion." „Verdammt, sie ist das Beste, was mir jemals passiert ist“, dachte Marc unwillkürlich. Dann wandte er sich wieder dem Fenster zuund hoffte, dass er im Traum seiner Frau vorkam. Aber er war sich nicht sicher. Wie konnte er auch?

Zu viel war in der Zwischenzeit passiert, auch wenn es nicht seine Absicht gewesen war. Vielleicht lag es an der Gegend. New York war ein Ort der polarisierte. Man liebte die Stadt oder man hasste sie. Dazwischen gab es nichts. Für niemanden und ganz sicher nicht für Marc. Inzwischen aber hatte er vergessen, welche der beiden Möglichkeiten auf ihn zutraf. Als er aus San Francisco zurückkehrte, glaubte er es noch zu wissen. Vor sieben Jahren verspürte er die Lust auf New York, auf Manhattan, auf Queens und jedes andere verfluchte Drecksloch, welches innerhalb der Stadtgrenzen aufzuspüren war. Es war das Verlangen nach Leben. Und nach Erfolg.

In San Francisco konnte er ihn nicht finden. Vielleicht hing das mit dem Namensgeber zusammen. Wie sollte man in einer Stadt Geld verdienen, die nach jemand benannt wurde, der Armut predigte?

Marc und der heilige Franziskus passten einfach nicht zusammen, abgesehen von dem Umstand, dass beide an ihre Ideale glaubten. In dieser Hinsicht war San Francisco inspirierend, doch ohne Geldgeber, die bereit gewesen wären, auch nur einen Cent für eine vage Sache zu investieren. Vielleicht gab es sie in New York. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, verbargen sie sich erfolgreich vor Marc. Stattdessen traf er Lisa in einem kleinen Diner nahe der Grand Central Station. Es schien ihr nichts auszumachen, dass der junge Mann pleite und ohne Job war. Nächtelang konnte er ihr von seinen Ideen erzählen und sie tat, als ob es sie wirklich interessierte. War das der Grund, sich in sie zu verlieben? Oder lag es an ihren smaragdgrünen Augen und dem warmen Lächeln, das ihn anzog? Im Grunde war es egal, er verliebte sich eben. Und sie tat es auch. Das Warum hatte er nie wirklich verstanden und damals interessierte es ihn auch nicht. Er war entschlossen, Karriere zu machen und Lisa sollte die Frau an seiner Seite sein.

 

In der Dachterrassenwohnung wandte sich Marc vom Fenster ab und ging hinüber zu dem Bett. Dicht vor der Bettkante blieb er stehen und sah zu Lisa hinab. Ihre Lider zuckten leicht. Sie träumte wirklich. Marc beugte sich zu ihr hinunter und atmete den süßlichen Duft ihrer Haare ein. Jahrelang hatte er diesen Hauch von Jasmin nicht mehr wirklich gerochen. Wenn Lisa dies jemals bemerkt haben sollte, so behielt sie es für sich. Sie beschwerte sich nicht. Lisa war eine bemerkenswerte Frau. Ihr Mann küsste sie auf die Stirn und wieder zuckten ihre Augenlider. Für eine Weile blieb Marc über sie gebeugt stehen und wartete, ob sie erwachte. Aber sie tat es nicht. Stattdessen zog sie die Bettdecke weiter unter ihre Wange.

„Dann nicht“, murmelte Marc und erhob sich von der Bettkante. Es gab andere Mittel, sie zu wecken und er hatte einen Plan. Dem Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee würde sie sicherlich nicht widerstehen können. Bei der Vorstellung lächelte er. Es waren kleine Dinge, auf die es ankam. Als Marc die Küche betrat, lag sein Mobiltelefon auf der Anrichte. Gestern Abend hatte er es dorthin gelegt. Unwillkürlich sah er nun auf das Display. Drei entgangene Anrufe blinkten auf.

Jedes Mal ist es Criss gewesen.

Chriss mit zwei „s“. „Stupid Skunk“ hatten sie deshalb als Kinder hinter ihm hergerufen und Chriss erwies sich als zu energielos, um sich dagegen wehren zu können. Damals wohnten sie noch in der 28. Straße und alle Kinder des Blocks fanden Chriss seltsam. Für ihren Geschmack las er zu viel. Wissbegierige Kinder sind Gleichaltrigen immer verdächtig, was Marc dazu veranlasste, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er kannte Chriss nur vom Sehen und als er mit einundzwanzig von zu Hause auszog, verloren sie sich aus den Augen. Dann aber trafen sie sich eines Tages zufällig in der Lower East Side wieder. Chriss erkannte den Nachbarsjungen aus Jugendtagen auf der Straße wieder und sprach ihn an. Ein Verhalten, das ihm als Kind nie in den Sinn gekommen wäre. Marc, der wie immer erfolglos auf der Suche nach Geldgebern war, hatte Zeit genug, mit ihm in eine Bar zu gehen.

„Ich schreibe Computerprogramme“, erzählte Chriss ihm zwischen zwei Budweiser.

Diese Information war der Grund dafür, dass Marc nun drei Anrufe auf seinem Telefon wiederfand. Er rief nicht zurück. Stattdessen legte er das Telefon wieder auf die Anrichte und schaltete die Kaffeemaschine ein. Auf dem Kühlschrank entdeckte Marc ein Serviertablett. Er nahm es herunter und stellte es neben das Mobiltelefon. Auch jetzt fühlte er nicht den Drang, das Handy in die Hand zu nehmen und wertete das als gutes Zeichen.

 

„Ich denke über ein Internetportal nach, auf dem man seine Wünsche für seine Freunde sichtbar machen kann - jeder bekommt geschenkt, was er sich wünscht!“ hatte Marc Chriss in der Bar in Lower East Side erklärt.

„Klingt aufregend und simpel. Eigentlich brauchst du dazu nur einen Server mit Datenbank. Das ist kein Problem“, sagte Chriss und Marc bemerkte, dass er interessiert schien.

„So einfach ist das?“, wunderte sich Marc.

„So einfach ist das“, bestätigte Chriss.

„Was kann sowas kosten?“, fragte Marc.

„Viel Startkapital ist nicht notwendig. Die Serverkosten sind Peanuts, viel wichtiger ist das Marketing. Aber da kann ich dich mit ein paar Leuten bekanntmachen, die immer auf der Suche nach coolen Ideen sind.“

„Dann bleibt immer noch die Frage des Programmierens“, sagte Marc.

Dies war tatsächlich sein größtes Problem. Er besaß Ideen und einen Sinn für das Geschäftliche. Doch von Computern hatte er keine Ahnung.

„Damit sollte sich schon jemand auskennen. Immerhin ist es die Basis von Allem“, sagte Chriss und lachte als handele sich um einen Witz über die Schöpfungsgeschichte.

„Was ist denn mit dir? Würdest du mitmachen?“ fragte Marc mit seinem Sinn für Gelegenheiten.

„Ich?“ fragte Chriss erstaunt. „Wie kommst du darauf?“

„Ich kenne niemanden, der mehr über Computer weiß“, sagte Marc.

„Ich kümmere mich um das Marketing und du um die Software, in einem eigenen Büro. Das ist doch genau dein Ding. “Chriss schwieg einen Augenblick und dachte darüber nach. Solange er sich zurück erinnern konnte, war er alleine gewesen. In letzter Zeit hatte er ein paar Leute im Internet gefunden, denen es scheinbar genauso erging. Deshalb betrachtete er sie als seine virtuellen Freunde. Aber sie waren keine realen Menschen, nicht so wie Marc auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches.

„Ich bin dabei“, nickte Chriss schließlich und hob sein Glas.

„Das wird ein Hit“, sagte Marc erleichtert und stieß mit seinemzukünftigen Geschäftspartner an. Von diesem Augenblick an hatte Marc das Mobiltelefon sieben Jahre lang im Griff gehalten. Ständig gab es Verhandlungen, Gespräche mit Geschäftspartnern und Chriss, mit dem er die Firma „Freewishbox.com“ gründete. Chriss war immer noch der idealistische Träumer aus Kindheitstagen und das machte ihn bei der Belegschaft beliebt. Marc hingegen wurde mit respektvoller Distanz beobachtet. Seine Angestellten wussten, dass er schnell cholerisch reagierte, wenn etwas nicht seinen Vorstellungen entsprach. Sie konnten nie sicher sein, nicht in sein Büro zitiert zu werden, um sich von ihm aus nicht nachvollziehbaren Gründen anschreien zu lassen. Chriss hingegen blieb immer ruhig und redete in seiner freundlichen Weise mit den Leuten. Er wollte einfach nicht verstehen, dass alle Entscheidungen den Umsatz zu steigern hatten.

Marc konnte nicht sagen, was ihn mehr reizte. Die Unfähigkeit der Angestellten oder die Nachsichtigkeit seines Partners. Jedenfalls war beides für ihn nicht akzeptabel. Manchmal stritten die zwei Inhaber so heftig, dass es die gesamte Belegschaft mitbekam. Marc war das egal. Es ging ums Geschäft und in dieser Beziehung konnte er keine Rücksicht nehmen. Wer von beiden letztendlich die Diskussion gewann, blieb den Angestellten verborgen. Wahrscheinlich aber Marc. Er war einfach entschlossener. Nach jedem Streit zog sich Chriss in sein Büro zurück und verließ es den gesamten restlichen Tag nicht mehr.

Während die beiden Geschäftspartner sich gegenseitig langsam zum Erfolg quälten, suchte Lisa eine Wohnung für sich und Marc. „Freewishbox.com“ warf noch nicht genug ab und Lisa arbeitete weiterhin in dem Diner, damit sie einigermaßen über die Runden kamen. Diese erste Wohnung war ein kleines, fast schmuddeliges Loch in Soho, aber Lisa besaß einen ausgeprägten Sinn für Dekoration. Mit einigen geschickten Kniffen erschuf sie ein Paradies. Trotzdem war sie kein Vergleich zu der Dachterrassenwohnung am Central Park, die Lisa drei Jahren später fand. „Wenn du immer so lange arbeitest, möchte ich wenigstens mit einem schönen Ausblick auf dich warten“, sagte sie. Dagegen konnte Marc nichts sagen. In dieser Beziehung besaß Lisa mehr Stil als er, der sich nicht allein über das Einkommen definierte.

Drei Monate später zogen sie um.

Da er sich niemals mit der Ausstattung der Wohnung beschäftigt hatte, wusste Marc nicht, wo Lisa die Blumenvasen aufbewahrte. Irgendwo in den Schränken, vermutete er und ging von der Küche hinüber in das Wohnzimmer. Während seiner Erkundung versuchte er, Geräusche zu vermeiden, die Lisa im angrenzenden Schlafzimmer vielleicht hören und davon erwachen könnte. Das Frühstück sollte sie wecken. Im unteren Fach des Wohnzimmerschrankes fand er eine Kristallvase, kaum größer als ein Longdrinkglas. Sie musste genügen. Marc nahm die Vase heraus und ging mit ihr auf die Dachterrasse. Dunstige Sonnenstrahlen überfluteten den Holzboden und kündigten einen warmen Spätsommertag an. Eine leichte Brise strich durch Marcs Haare und wehte ihm den Pony ins Gesicht. Mit einer unbewussten Geste wischte er die Haare aus der Stirn, doch fielen sie sogleich wieder zurück. Obwohl die Terrasse mitten in der Stadt lag, roch es angenehm nach Garten. Auch das war Lisas Verdienst. Ringsherum an der Brüstung standen Kübel, die sie mit Büschen bepflanzte, und auf einem Teil der Terrasse hatte sie Blumenbeete angelegt. Wie viele Stunden mochte sie allein darin verbracht haben? Zeiten, in denen Marc im Büro saß und darüber nachgrübelte, wie er neue Investoren finden konnte.

Eine Zeit lang war es nicht so. Als die Firma wuchs, gab Lisa ihre Arbeit im Diner auf und arbeitete als Marketingassistentin bei „Freewishbox.com“ mit. Es tat Marcs Beziehung zu Chriss gut. Lisa war der ausgleichende Pol zwischen den beiden. Sie verstand, dass sowohl die finanzielle als auch die menschliche Seite wichtig war. Solange Lisa in der Firma arbeitete, bekam Marc seltener einen seiner cholerischen Anfälle.

Seltsam, wie gemeinsame Erlebnisse verbinden, überlegte Marc. Nie war er Lisa so nah gewesen, wie damals. Waren sie glücklich? Vielleicht, jedenfalls war es eine aufregende Zeit. Aber nichts hält ewig und Marc versuchte sich zu erinnern, wann das alles kippte. War es zum Millennium gewesen, als eine Million Nutzer im Portal eingetragen waren und die Firma endlich schwarze Zahlen schrieb? Oder hatte es mit Lisas Schwangerschaft zu tun, die sie kurz darauf veranlasste, den Job bei „Freewishbox.com“ aufzugeben?

Irgendetwas musste der Auslöser gewesen sein. Doch wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit. Die Ursache war schon immer da, doch fiel sie nicht auf oder Lisa akzeptierte sie. Marc hatte Schwierigkeiten mit Nähe, was an seinem mangelnden Vertrauen Menschen gegenüber lag. Lisa konnte sich bemühen, wie sie wollte, der Puffer an Distanz, den Marc um sich aufgebaut hatte, blieb unüberwindbar. Er musste die Kontrolle behalten und zu zweit fiel dies nicht leicht. Manchmal verabschiedete er sich zu einer Geschäftsreise und Lisa wusste, dass er diesen zeitweiligen Abstand von ihr benötigte. Wenn er dann zurückkam, ging es eine Weile besser.

Doch als Lena geboren wurde, veränderte sich Lisa. Noch immer stand sie vorbehaltslos hinter Marcs Träumen. Ihre eigenen Wertigkeiten aber schienen sich verschoben zu haben. Vielleicht waren Mütter so, wenn sie Dachterrassen in Gärten verwandeln. „Wir brauchen dich hier und jetzt “, sagte sie zu Marc.

„Ich bin doch da“, entgegnete er.

„Ja, du bist nicht in der Firma. Das ist ein Unterschied. Du musst auch mit dem Kopf da sein“, entgegnete Lisa. Marc blieb dies unverständlich. Aber er spürte, dass Lisa begonnen hatte, sich von ihm zu entfernen. So hatte es begonnen, dass er sich Gedanken machte.

In den Blumenbeeten suchte Marc eine passende Dekoration für die Kristallvase. Schließlich fand er sie in einer Passionsblume. Sie hatte sich noch nicht vollständig geöffnet und würde ihre ganze Pracht erst in den folgenden Tagen zeigen. Marc kniete sich nieder und schnitt sie ab. Mit der Blume ging er zurück in die Küche und füllte die Vase mit Wasser. Die Blume neigte leicht ihren violetten Kopf über den Seitenrand. Marc war mit dem Ergebnis zufrieden. Inzwischen war der Kaffee durch die Maschine durchgelaufen. Nur noch das Brot fehlte. Lisa mochte Toast mit Erdbeermarmelade. Für Marcs Geschmack war es zu süß. Aber er machte das Frühstück nicht für sich; er machte es für seine Frau, die all die Jahre mit ihm ausgehalten hatte.

 

Lena wurde 2001 geboren und gab Marc von Beginn an das Gefühl, mehr arbeiten zu müssen. Nun waren sie zu dritt, und schließlich wollte er seiner Tochter eine sorgenfreie Zukunft bieten. Dafür waren eine Million Nutzer des Internetportals nicht genug. So redete er sich das jedenfalls ein. Wir Menschen sind seltsam, dachte Marc. Nach einer Million wollen wir zwei und nach zwei, zehn. Er konnte einfach nicht aufhören. Die Firma war erfolgreich und er wollte mehr.

Zu dem Zeitpunkt stieg Lisa aus der Firma aus und sogleich verschlechterte sich Marcs Beziehung zu Chriss wieder. Er wollte die Notwendigkeit des Wachstums einfach nicht verstehen. Aber Chriss war auch ein Computerjunkie. Er redete von Bits und Bytes. Marc hingegen dachte an Geld.

Glücklicherweise fanden sie hervorragenden Ersatz für Lisa. lan Smith war ein junger, dynamischer Mann, der etwas von seinem Job verstand und er war ehrgeizig. Schnell wurde aus dem Assistenten der Marketingleiter, was es Marc ermöglichte, sich ausschließlich auf neue Investoren zu konzentrieren. Ian Smith war der Typ eines geschäftlichen Partners, den Marc Stone brauchte. Er war genauso gierig auf Erfolg und damit redete er in Marcs Sprache.

Lisa nicht mehr. Sie kümmerte sich um Lena und manchmal erzählte sie ihrem Mann, was die beiden den ganzen Tag gemacht hatten. Doch Marc hörte nicht zu. Ja, er war ein Arschloch gewesen. Nun wusste er das. Er besaß ein Gespür für Geschäfte, nicht unbedingt für Menschen. Die meisten konnten nicht verstehen, was notwendig war, um erfolgreich zu sein. „Prüfe jedes Projekt, ob es Geld einbringt. Wenn nicht, lass es sein!“

Dieser Satz galt immer noch. Er war die Grundlage von Allem und so handelte Marc auch. Doch inzwischen hatte er diesen Grundsatz erweitert.

„Wenn Menschen wichtig für dich sind, tu alles für sie und achte dabei nicht auf das Geld.“ Dies war ein unbekanntes Feld für Marc, doch war er gewillt, schnell zu lernen. Sein aktuelles Projekt war das Frühstück. Das war nicht viel, immerhin jedoch ein Beginn. Die Weißbrotscheiben sprangen kross aus dem Toaster und Marc legte sie auf einen Teller. Nun hatte er alles beisammen und er war mit sich zufrieden. Das war wichtig - mittlerweile.

So seltsam es klingen mochte, das hatte er Chriss zu verdanken. Er bewies Marc, dass es nicht gut war, alleine zu sein. Die einsamen Stunden am Computer mussten einen ja durchdrehen lassen, es war gar nicht anders möglich. Irgendwie sucht jeder Mensch sich dann eine Kompensation, um das Leben noch zu spüren. In Chriss' Fall war es die Zockerei.

Zunächst war es Marc gar nicht aufgefallen. Nur, dass Chriss gelegentlich zerstreut wirkte. Und dann begann er, an den Wochenenden nach Atlantic City zu fahren. Später flog er auch nach Reno und Las Vegas. Das war die Zeit, als Marc begann, die Geschäftsbücher genau zu kontrollieren.

Chriss schien jedoch nur mit seinem eigenen Geld zu spielen. Nun, das war seine Sache. Das sagte er auch, als Marc ihn trotzdem darauf ansprach.

„Das geht dich nichts an. Kümmere dich lieber um deine Frau“,

entgegnete der Partner.

„Wie meinst du das?“, fragte Marc, doch Chriss hatte nur mit den Schultern gezuckt, und ließ ihn stehen. Ein paar Tage dachte Marc über die Anspielung nach und war schließlich restlos überzeugt, Lisa würde sich heimlich mit einem Liebhaber treffen. Niemals zuvor hatte er das Gefühl gespürt, was ihn dabei ergriff. Er war eifersüchtig. Es kam zu einigen hässlichen Szenen, aber Marc sprach seinen Verdacht Lisa gegenüber nie aus. Dafür beobachtete er sie nun ständig. Bei jeder Geste, bei jeder Bewegung von ihr suchte er nach einer Bestätigung seiner Vermutung. Tatsächlich wurde Lisa schweigsamer als sie es ohnehin schon gewesen war. Auch ihr Umgang miteinander wurde gehemmter. Marc registrierte es. Doch waren es keine Beweise für ihre Untreue und kurzzeitig dachte er daran, einen Privatdetektiv zu engagieren, um sie in der Zeit zu überwachen, die er im Büro verbrachte. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er ihr Problem sein könnte. Immerhin genoss sie nun wieder seine volle Aufmerksamkeit. Je intensiver er sie beobachtete, desto mehr Details fielen ihm wieder auf. Die Zärtlichkeit, mit der sie sich um Lena kümmerte, ließ ihn an ihre ersten Jahre zurückdenken. Nun erinnerte er sich gerne und schließlich wusste er auch wieder, wie sehr er sie doch liebte. Er durfte Lisa nicht verlieren. Scheiß auf das Geld! Es war angenehm, aber es hatte nicht den Wert. Nicht so wie Lisa. Und scheiß auch auf Chriss.

Mochte er seine Wochenenden an Spieltischen verbringen. Er, Marc, wollte das nicht. Er wollte seine Familie. Als er diesen Entschluss gefasst hatte, war er in dieser Beziehung genauso kompromisslos wie in Geschäften.

Dies war der Grund, dass er nun das Frühstückstablett ins Schlafzimmer trug. Er stellte es neben dem Bett ab und beugte sich wieder zu seiner Frau hinunter. Dieses Mal küsste er sie auf die Wange.

Das schien Lisa zu spüren. Sie grummelte ein wenig vor sich hin und Marc küsste sie erneut. Ihre Augenlider flatterten und sie drehte sich auf den Rücken. Marc beugte sich noch tiefer hinunter und beobachtete ihre Augen. Langsam öffnete sie die Lider und streckte die Arme. „Hey, du bist ja schon wach“, gähnte sie. „Was ist los?“

„Ich habe Frühstück gemacht“, sagte Marc und hob das Tablett vom Boden auf. Lisa rutschte auf dem Bett nach oben, dass sie an der Wand zu lehnen kam. „Du hast Frühstück gemacht?“ fragte sie erstaunt. Anstelle einer Antwort stellte Marc ihr das Tablett auf den Schoß.

„Oh, ...“, sagte sie und strich mit den Fingern über die Blüte der Passionsblume in der Vase. Marc ging um das Bett herum und legte sich auf die andere Seite direkt neben sie. Lisa wandte leicht den Kopf und sah ihn forschend an.

„Was ist los?“

Marc antwortete nicht. Stattdessen lehnte er sich weiter zu ihr hinüber und küsste sie auf den Mund. Lisa ließ es geschehen, doch ohne Leidenschaft.

„Du bist doch nicht krank?“, fragte sie besorgt.

„Wäre das so schlimm?“entgegnete Marc. „Ich weiß nicht“, sagte Lisa.

Marc rollte sich vom Bett herunter und ging hinüber zum Fenster. Er öffnete die Flügeltür und ließ die frische Luft hereinströmen.

„Es ist ein wundervoller Tag“, sagte er.

„Ich muss nach Lena sehen“, sagte Lisa.

„Bleib liegen, ich mache das“, entgegnete Marc. Wieder sah Lisa ihn erstaunt an. Sie nahm den Kaffee in beide Hände und hielt ihn dicht vor das Gesicht. Über den Becherrand hinweg beobachtete sie ihren Mann, wie er das Schlafzimmer verließ, um nach ihrem Kind zu sehen. Als er zurückkam, hatte Lisa den Toast gegessen und das Tablett neben dem Bett auf den Boden zurück gestellt. Sie war wieder unter die Decke gerutscht und tat so, als ob sie schliefe. Marc legt sich hinter sie und umarmte ihre Taille.

„Jetzt sag schon, was ist los“, brummelte Lisa.

„Ich liebe dich“, sagte Marc und küsste ihr den Nacken.

Lisa sagte nichts, aber sie drückte sich ein Stück näher an ihn heran. Marc umfasste sie enger und legte seinen Kopf auf ihre Schulter.

„Ich habe die nächsten drei Tage frei“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Lass uns wegfahren.“

„Und die Firma?“

„Die wird es überleben. Wir packen die Kleine in den Wagen und fahren hoch nach Connecticut. Wo es uns gefällt, mieten wir uns in ein Motel ein. Was hältst du davon?“

„Klingt gut. Kein Handy?“

„Kein Handy. Nur wir drei. Gefällt dir das?“

„Hmm.“

Und dies nahm Marc zum Anlass, die Bettdecke beiseite zu schlagen und zu seiner Frau darunter zu schlüpfen. Später ging er in die Dusche. Er war zufrieden mit sich und die Aussicht auf ihren Kurzurlaub hob seine Stimmung.

An diesem Tag hatte er nur noch einen Termin. Lisa wusste das und sie akzeptierte es. Immerhin hatte er kurzfristig eine Einladung in die „Tonight Show“ erhalten. Chriss hatte ihn gestern Abend noch spät angerufen und ihm gesagt, dass er sich heute Mittag zu einem Einweisungstermin mit dem Aufnahmeleiter im General Electric Gebäude des Rockefeller-Centers treffen sollte.

Auch wenn Marc sich entschlossen hatte, sein Leben zu ändern, war er von der Einladung begeistert. Anlässlich des 70jährigen Bestehens des Gebäudes war seit langem wieder eine Live-Sendung aus New York geplant und er sollte als Gast dabei mitwirken.

„The man, who makes your wishes come true“. So würde Jay Leno ihn ankündigen. Die Auswirkungen auf “Freewishbox.com” wären unermesslich.

„Es dauert nicht lange. Nach dem Termin komme ich sofort zurück“, sagte er zu Lisa, als er das Bett verließ. „Am Nachmittag fahren wir los. Ohne Handy, ohne Laptop.“ Lisa hatte ihm über den Arm gestreichelt und sah ihm nach. Als Marc nach der Dusche noch einmal ins Schlafzimmer hineinsah, war sie wieder eingeschlafen. Marc lächelte. Er ging zu ihr hinüber und küsste sie erneut auf die Stirn. Dann nahm er seine Schlüssel von der Kommode und verließ die Wohnung.

 

Die Tiefgarage wirkte trist im Vergleich zu den glänzenden Fahrzeugen die sie beherbergte. Marc besaß zwei Autos, einen mattschwarzen M5 und ein 356er Cabrio. Der Tag war sonnig und so entschied er sich für das Porsche Cabrio, um durch den Central Park hinüber zum Rockefeller Center zu gelangen.

Chriss hatte ihm den Wagen zur Zehn-Millionen-User Feier im letzten Jahr geschenkt. „Unser Projekt hat sich wirklich unglaublich entwickelt. Von der netten, kleinen Idee eines Online-Wunschzettels bis hin zu einer Firma mit fünfzehn Angestellten und einem Umsatz von 20 Millionen Dollar“ sinnierte Marc als er mit dem Drehen des Zündschlüssel den Motor zum Leben erweckte. Dies war besonders Ian Smith zu verdanken. Seit er den Posten des Marketingleiters übernommen hatte, verdoppelten sich die Nutzerzahlen in immer kürzeren Abständen. Ian war genial im Ausklügeln neuer Strategien. „Meine zweitbeste Entscheidung“, dachte Marc und lächelte. Die beste war natürlich Lisa und nach diesem letzten Termin würde er es ihr beweisen.

Marc fuhr über den Park-Drive auf die 5th Avenue als sein Mobiltelefon klingelte „Marc Stone, Hallo“, meldete er sich wie immer.

„Mister Stone, ich bin Andrew Wright, der Aufnahmeleiter der Tonight-Show. In fünfzehn Minuten haben wir einen Termin. Es gibt eine kleine Programmänderung, die ihnen gefallen wird. Dieses Mal werden wir direkt von der Aussichtsplattform Top of the Rock senden.“

„Die Dachterrasse ist doch seit Jahren geschlossen“, sagte Marc.

„Nicht für die „Tonight-Show“. Wir haben eine Ausnahmegenehmigung erwirkt. Immerhin feiern wir das 70jährige Bestehen des Gebäudes. Es wird ein unglaubliches Ereignis, über den Dächern von New York zu senden“, entgegnete Wright.

Marc musste ihm zustimmen. Mit dieser Entscheidung würde es die Sendung in die Schlagzeilen sämtlicher Zeitungen des Landes schaffen. Und mit ihr die „Freewishbox.com“. Das war ein Marketing Schachzug, auf den selbst Ian Smith eifersüchtig sein würde.

„Wie komme ich in die 70. Etage?“ fragte Marc.

„Fahren sie mit dem Aufzug bis in die 65. Etage. Ich hole sie dort ab. Wir müssen die Treppe benutzen “, entgegnete Wright.

„Was für ein Umstand“, sagte Marc.

„Wir tun alles für eine spektakuläre Show. We make your wishes come true“, sagte Wright und lachte in das Mobiltelefon. Marc lachte auch. Es schmeichelte ihm, dass der Aufnahmeleiter seinen Firmenslogan in die Antwort eingebaut hatte. Die „Tonight-Show“ besaß fähige Mitarbeiter.

„Kein Problem“ erwiderte Marc, „dann bis gleich on the Top of the Rock!“

 

25. September 2003 12.13 Uhr

Henry Jones liebte seinen Job. An einem sonnigen Tag bereitete ihm die Probefahrt in einer 57er Corvette besondere Freude. Das grollende Blubbern der massigen Acht-Zylindermaschine war Musik in seinen Ohren und das duftende Leder der Sitze massierte ihm ein zufriedenes Lächeln in sein Gesicht.

In den letzten drei Monaten hatte er die Corvette komplett zerlegt und wieder neu aufgebaut. Jetzt war sie wie ein Phönix aus der Asche auferstanden. Alte Autos wieder zum Leben zu erwecken, ihnen ihre Schönheit und Ästhetik zurückzugeben, das war Henry Jones’ Leidenschaft, die er zu seinem Beruf gemacht hatte.

Vor acht Jahren übernahm er von seinem Nachbarn, dem alten Miller, die kleine Autowerkstatt in Brooklyn und spezialisierte sich auf die Restaurierung von Oldtimern. Eigentlich war er damals mit seinen 25 Jahren fast zu jung, um an Autos herumzuschrauben, die doppelt so alt waren wie er selbst. Aber die Faszination für alte Chevrolets, Mustangs und Pontiacs hatte ihn schon als Kind gepackt, als er beim alten Miller in den Ferien jobbte. Seither war er süchtig nach dem V8-Sound und den Karosserien der 50er und 60er Jahre.

Die Probefahrt durch Manhatten verlief zufriedenstellend. Henry hatte bewusst eine Strecke durch die Stadt gewählt, um den Kühlkreislauf zu testen. Die Nadel der Temperaturanzeige zeigte so stoisch auf den Idealbereich, als wäre sie dort festgetackert. Nur die Leistung des Motors entsprach noch nicht seinen Erwartungen. Mit einem richtig justierten Zündzeitpunkt würde es für ihn jedoch ein Kinderspiel sein, die fehlenden Pferdestärken dazu zu bringen, bei einem beherzten Gasstoß ebenfalls an der Hinterachse der Corvette zu zerren.

Wann immer Henry in Manhatten war und das Wetter passte, hielt er an Steves Eisstand 5th Avenue, Ecke 50ste Straße und kaufte sich ein Hörnchen mit zwei Malaga Kugeln. Dies war seine einzige Belohnung, welche er sich für die erfolgreiche Errettung der Oldtimer gönnte.

Von der Straße aus war der Lower Plaza in den Häuserblock hinein gebaut worden und dort standen Bänke, von denen aus man den Betrieb auf dem Platz beobachten konnte. Zu Weihnachten wurde auf der Lower Plaza eine riesige Eisfläche präpariert, die von den New Yorkern liebevoll „The Rink“ genannt wurde. Die übrige Zeit des Jahres gehörte der Platz freilich den Verkaufsständen.

Henry Jones mochte es, sich dorthin zu setzen und dem Treiben auf dem etwas niedriger gelegenen Gelände zuzusehen, während er sein Eis aß. Die beobachtende Teilnahmslosigkeit half ihm, den Kopf frei zu bekommen. Manchmal schweiften seine Gedanken ab, meist aber zog irgendein neues Detail des Platzes seine Aufmerksamkeit auf sich. An diesem Tag war es der Blumenstand rechts von ihm. Im Grunde war es kein neuer Stand. So lange Henry hierher kam, befand er sich rechts von der Bank auf der äußersten Ecke des Lower Plaza. Direkt daneben führten Treppenstufen zum Prometheus-Brunnen empor. Wie immer reihten sich rund ein Dutzend Wassereimer für die Schnittblumen seitlich des Standes, in denen Dahlien, Astern und all die anderen beliebten Herbstblumen auf Käufer warteten.

Während die Sonne die ersten kurzen Schatten des Mittags über diesenTeil des Platzes warf, fiel Henry ein, dass er schon lange keine Blumenmehr für Sarah gekauft hatte. Irgendwie war es ihm nicht in den Sinn gekommen.

Sarah war seine Frau und nun, als Henry zu dem Blumenstand hinübersah, wunderte er sich, dass Sarah sich nicht schon längst darüber beschwert hatte, nie einen Strauß von ihm zu erhalten. Heute aber war der Tag, sie zu überraschen.

Gelegentlich hatte er schon etwas auf dem Lower Plaza gekauft und wusste um die Enge der Wege zwischen den Ständen. Normalerweise mied er solche Orte. Er war die Einsamkeit seiner Werkstatt gewohnt und mochte diese Betriebsamkeit nicht. Die erfolgreiche Probefahrt der Corvette hatte ihn allerdings in eine gehobene Stimmung versetzt, dass er es Sarah zuliebe auf sich nehmen wollte. Als Henry Jones sein Eis aufgegessen hatte, erhob er sich von seiner Bank und schlenderte die Treppen zum Lower Plaza hinab.

Die Verkäuferin an dem Blumenstand war eine Frau Ende zwanzig. Sie trug eine blattgrüne Schürze mit einem Sticker „Rettet die Eisbären“ auf dem rechten Brustteil. Henry war nicht sicher, ob sie ihn nicht in ein tiefschürfendes Gespräch über den Sinn einer Mitgliedschaft im World Wildlife Fund verstricken wollte. Ihr schien es jedoch gar nicht in den Sinn zu kommen. Gerade hatte sie einer Kundin den frisch gebundenen Strauß bunter Herbstblumen übergeben, als sie Henry auffordernd wie eine satte Eisbärin anblickte.

„Was möchten sie?“ fragte die Verkäuferin gelangweilt. Henry blickte sich auf dem Stand um.

„Ich weiß noch nicht. Irgendetwas Farbenfrohes gegen die Herbstdepression“, sagte er.

Die Verkäuferin kannte solche Antworten. Es kamen regelmäßig Kunden, gerade Männer, deren Vorstellungen sich auf Beschreibungen dieser Art reduzierten.

„Für ihre Frau?“, fragte die Verkäuferin. Henry nickte.

„Wie wäre es mit Diesen?“ Sie machte sich nicht die Mühe, Henry zu erklären, dass sie auf rote Chrysanthemen deutete.

„Dazwischen packen wir Diese.“ Nun wies sie auf die Gelben. „Ein wenig Grün dabei. Sieht doch nett aus.“

„Haben sie keine Orangefarbenen?“, fragte Henry Jones.

„Orange?“, entgegnete die Verkäuferin und verzog das Gesicht, als ob der Kunde damit bewiesen hätte, dass er in Geschmacksfragen lieber den Mund halten sollte.

„Mein Frau liebt orange“, versuchte Henry zu erklären.

„Momentan leider nicht“, antwortete die Blumenverkäuferin und erinnerte sich an ihre Professionalität. „Rot und gelb wird ihrer Frau sicher auch gefallen.“

„Gut“, Henry nickte. Es hatte keinen Sinn, weiter zu diskutieren. Die Hauptsache war ein Strauß Blumen, den er mit nach Hause brachte. Die Verkäuferin wirkte erleichtert. Nichts war schlimmer, als Kunden ohne Vorstellung, die ganz genau wussten, was sie nicht wollten. „Bitte geben sie mir die Blumen aus dem Wassereimer vor Ihnen“, sagte sie zu Henry. Er bückte sich und wählte die schönsten Exemplare aus. Die Verkäuferin sah ihm zu, als überprüfe sie, dass er seinen Teil der Arbeit auch ordentlich erledigte.

Plötzlich zerriss ein heftiger Knall die Ruhe. In diesem Augenblick war es Henry, als explodierte eine Bombe neben ihm. Feine Splitter trafen ihn im Gesicht. Die Blumenverkäuferin kreischte und duckte sich hinter ihren Verkaufsstand. Henry ließ erschreckt die Blumen zurück in den Eimer fallen und knickte seitlich weg. Als er am Boden lag, wischte er sich mit der Hand über seine Wangen. Sie fühlten sich feucht und blutig an.

Henry spürte keine Schmerzen, die Angst hatte ihn fast gelähmt. Unwillkürlich fielen ihm die Anschläge auf die Twin Tower ein, die kaum zwei Jahre zuvor die Welt geschockt hatten. Aber natürlich war das Unsinn und dafür gab es einen Beweis. Wäre hier eine Passagiermaschine abgestürzt, so wäre er jetzt tot und das war er nicht. Dieser Gedanke half ihm, sich ein wenig zu beruhigen. Er winkelte seine Beine an und kam auf die Knie. Als er sich auf dem Platz umblickte, bemerkte er, dass alle Passanten ringsherum in Deckung gegangen waren. Sie kauerten auf dem Boden; manche von ihnen hielten Aktentaschen über ihren Köpfen und Andere beugten sich mit ihren Körpern schützend über Kinder, die unter ihnen schrien. Niemand erhob sich. Es war, als warteten sie auf den nächsten Einschlag.

Die Blumenverkäuferin streckte als Erste ihren Kopf über die Verkaufstheke empor. Sie starrte Henry an, als hätte er eine Handgranate im Eimer explodieren lassen, um sich für das Fehlen von orangenfarbenen Blumen zu rächen. Henry ignorierte sie. Er sah zu seiner Hand hinunter, mit der er sich die Wange abgewischt hatte. Das vermeintliche Blut war noch feucht, aber es war nicht rot, es war transparent, es war... Wasser!

Der einzige Ort, von dem es herübergespritzt sein konnte, war der Prometheus-Brunnen. Irgendetwas war dort eingeschlagen, die Wassertropfen hatten ihn wie Granat-Splitter getroffen. Und dieses Etwas musste verdammt groß gewesen sein, so dass sich der halbe Inhalt des Beckens auf den Lower Plaza ergießen hatte können. Henry wandte den Kopf und sah hinauf zu dem Brunnen. Aber er konnte nichts erkennen. Er sprang auf die Beine und rannte die wenigen Stufen der Treppe aufwärts.

Der Prometheus -Brunnen bestand aus zwei terrassenförmigen Ebenen, auf deren Oberer der griechische Gott sein goldenes Lächeln zeigte. Auf der Wand hinter ihm prangte die Inschrift „Prometheus, Lehrer jeder Art von Kunst, brachte das Feuer, das sich den Sterblichen als ein Mittel zu gewaltigen Zielen erwiesen hatte“. An diesem Tag hatte er sich wohl an einem anderen Element ausprobiert.

Als Henry die Treppen heraufgestürmt kam, sah er zunächst die Passanten, welche nach wie vor auf dem Boden kauerten. Hier oben musste der Einschlag noch intensiver erlebt worden sein, als auf dem Lower Plaza. Überraschenderweise schrie niemand. Es war ruhig, fast still, als erwarteten die Menschen Zeus'Rache. Henry ließ sich nicht davon beeindrucken. Er rannte durch die Ansammlung der Körper hinüber zum Beckenrand des Brunnens.

Bereits von weitem sah er, dass etwas in der unteren Terrasse lag. Sie war nicht so tief, dass jemand darin ertrinken konnte. Trotzdem bewegte sich dieses Etwas nicht mehr. Als er näher kam, erkannte er, dass es sich um einen menschlichen Körper handeln musste. Irgendwo vom GE-Building des Rockefeller-Centers musste er herabgestürzt sein.

Prometheus schien ebenso erstaunt wie Henry, dass seine Abbildung dabei nicht getroffen worden war. Die Statue richtete ihren steifen Blick auf die untere Terrasse ihres Brunnens, die gerade so breit war, um einen Körper in sich aufzunehmen. Henry beschäftigte sich nicht mit solchen Nebensächlichkeiten. Er starrte auf den Körper, der von der oberen Ebene des Brunnens weiterhin mit einer Fontäne besprüht wurde. Das Wasser ringsherum färbte sich in einem trüben blassrosa. Unwillkürlich stierte Henry nach oben, die Fassade des 30Rocks entlang. Es war nichts zu erkennen.

Was war nur passiert?

Doch Henry hielt sich nicht länger mit diesem Gedanken auf. Er sprang über den Beckenrand hinein ins Wasser. Kaum berührten seine Füße den glitschigen Boden, rutschte er aus und fiel kopfüber in die rosa Brühe des Brunnens.

Vor Schreck verschluckte sich Henry an dem trüben Etwas. Er riss seinen Kopf nach oben. Diese blutige Suppe ekelte ihn und ein Schaudern ging durch seinen Körper. Er steckte sich den Finger in den Hals und begann zu würgen. Aber er hatte das Wasser bereits geschluckt. So ließ er es sein.

Henry kniete nun neben dem Körper, der ihn mit leeren Augen anstarrte und schob ihn zum Rand. Bei dem Aufprall musste der Kopf auf den Beckenboden aufgeprallt und zerplatzt sein. Henry wurde schlecht. Er wandte sich dem Beckenrand zu und suchte nach Halt. Inzwischen hatten sich einige Passanten von ihrem Schock erholt und waren herbeigelaufen. Jetzt standen sie um den Brunnen herum. Als Henry den Körper anhob, schrien Einige auf. Mütter rissen die Kinder an sich und bedeckten ihnen die Augen. Männer wandten sich ab.