Rebirth - Jenny Fischer - E-Book

Rebirth E-Book

Jenny Fischer

0,0

Beschreibung

Es ist keine Option, zu scheitern. Ich werde bis zum Ende für ihn kämpfen ... für uns. Nach dem Kuss zwischen Mayren und Joshua trennen sich ihre Wege. Während Joshua mit Kaja aus London und der Schusslinie eines Auftragskillers verschwindet, nehmen Mayren und Bastian diesen ins Visier. Mayren ist fest entschlossen, ihn für seinen Angriff auf Joshua bluten zu lassen - ebenso wie den anderen Killer, der bereits auf Joshuas Spur war. Unerwartet werden Joshua und Kaja mit einem weiteren seiner Jäger konfrontiert, der ein überraschendes Bündnis anbietet - eine Chance, dem gemeinsamen Feind Zero den Krieg zu erklären und ihm einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Doch ein weiterer Spieler ist auf dem Spielfeld aufgetaucht und spinnt seine Fäden bis in den georgischen Clan. Eine Herausforderung, auf die Mayren bereits seit Jahren gewartet hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 539

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Was bisher geschah ...

Für all jene, die an sich selbst zweifeln und sich fragen, ob sich der dunkle Weg noch lohnt.

Für all jene, die aus Angst vor Veränderung stehen geblieben sind. Geht weiter – das nächste Kapitel könnte das Beste sein.

Vivere est militare.

Zu leben, heißt, zu kämpfen!

Rebirth

Wiedergeburt, Wiederaufflackern

Das Wort Rebirth wird im Englischen verwendet, um einen Prozess der Wiedergeburt, Erneuerung oder Wiederentstehung zu beschreiben. Es bezieht sich häufig auf eine grundlegende Transformation oder einen Neuanfang.

Der Begriff impliziert oft das Überwinden von Schwierigkeiten oder das Zurücklassen eines alten Zustands, um gestärkt oder erneuert daraus hervorzugehen.

Rebirth kann sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne verwendet werden und symbolisiert Hoffnung, Veränderung und die Möglichkeit eines zweiten Anfangs.

Content Note

Dieser Titel behandelt sensible Themen, die für manche Leser:innen belastend sein können. Dazu gehören Darstellung von Gewalt, Mord, Folter, physischem und psychischem Missbrauch, Tod, Blut und Trauma.

Bitte sei dir dieser Inhalte bewusst und achte auf deine emotionale Sicherheit, bevor du weiterliest.

Inhaltsverzeichnis

Teil Eins

Kapitel 1

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Kapitel 2

Autobahn in Frankreich Sonntag, 26. September – Joshua

Kapitel 3

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Kapitel 4

Autobahn Spanien Sonntag, 26. September – Joshua

Kapitel 5

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Kapitel 6

London Umland, altes Industriegebäude Montag, 27. September – Mayren

Kapitel 7

Barcelona, Barri Gòtic Montag, 27. September – Joshua

Kapitel 8

London Umland, altes Industriegebäude Montag, 27. September – Mayren

Kapitel 9

London Umland, Villa der Belluccis Montag, 27. September – Mayren

Kapitel 10

Barcelona, Barri Gòtic Montag, 27. September – Joshua

Kapitel 11

London Umland, Villa der Belluccis, Montag, 27. September – Mayren

Kapitel 12

Barcelona, Barri Gòtic Montag, 27. September – Joshua

Kapitel 13

England, Dover Montag, 27. September – Mayren

Kapitel 14

Barcelona, Barri Gòtic Montag, 27. September – Joshua

Kapitel 15

Nizza, Cimiez Dienstag, 28. September – Mayren

Kapitel 16

Barcelona, Barri Gòtic Montag, 27. September – Joshua

Kapitel 17

Montpellier – Rastplatz Dienstag, 28. September – Joshua

Kapitel 18

Nizza, Gambetta Dienstag, 28. September – Mayren

Kapitel 19

Nizza, Les Liserons Mittwoch, 29. September – Mayren

Kapitel 20

Ortsrand von Nizza Mittwoch, 29. September – Mayren

Kapitel 21

Umland von Lyon Mittwoch, 29. September – Joshua

Kapitel 22

Bahnhof von Lyon Mittwoch, 29. September – Joshua

Kapitel 23

Turin, abgelegenes Hotel Mittwoch, 29. September – Mayren

Kapitel 24

Turin, abgelegenes Hotel Donnerstag, 30. September – Joshua

Kapitel 25

Zagreb Kroatien, Donnerstag, 30. September – Mayren

Kapitel 26

Umgebung Swilengrad, Bulgarien, Freitag, 01. Oktober – Joshua

Kapitel 27

Rize, Türkei Samstag, 02. Oktober – Mayren

Kapitel 28

Unbekannter Ort, Georgien Samstag, 02. Oktober – Joshua

Teil Zwei

Kapitel 29

Waldgebiet nahe Hauptquartier der Georgier Samstag, 02. Oktober – Joshua

Kapitel 30

Hauptquartier der Georgier, Samstag, 02. Oktober – Joshua

Kapitel 31

Hauptquartier der Georgier, Sonntag, 03. Oktober – Mayren

Kapitel 32

Hauptquartier der Georgier, Sonntag, 03. Oktober – Joshua

Kapitel 33

Hauptquartier der Georgier Montag, 04. Oktober – Mayren

Kapitel 34

Hauptquartier der Georgier Dienstag, 05. Oktober – Mayren

Kapitel 35

Hauptquartier der Georgier Mittwoch, 06. Oktober – Mayren

Kapitel 36

Hauptquartier der Georgier Mittwoch, 06. Oktober – Joshua

Kapitel 37

Hauptquartier der Georgier Donnerstag, 07. Oktober – Joshua

Kapitel 38

Waldgebiet nahe Hauptquartier der Georgier Donnerstag, 07. Oktober – Joshua

Kapitel 39

Hauptquartier der Georgier Freitag, 08. Oktober – Mayren

Kapitel 40

Hauptquartier der Georgier Freitag, 08. Oktober – Joshua

Kapitel 41

Hauptquartier der Georgier Samstag, 09. Oktober – Mayren

Kapitel 42

Hauptquartier der Georgier Sonntag, 10. Oktober – Joshua

Kapitel 43

Petrovo, Bulgarien Sonntag, 10. Oktober – Mayren

Kapitel 44

Verlassene Landstraße, Bulgarien Montag, 10. Oktober – Joshua

Kapitel 45

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Mayren

Kapitel 46

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Joshua

Kapitel 47

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Mayren

Kapitel 48

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Joshua

Kapitel 49

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Mayren

Kapitel 50

Bulgarische Fabrik, Bulgarien Dienstag, 11. Oktober – Joshua

Kapitel 51

Unbekannter Ort Dienstag, 11. Oktober – Mayren

Kapitel 52

Hauptquartier der Georgier Mittwoch, 12. Oktober – Mayren

Epilog

Teil Eins

Kapitel 1

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Warum klingt selbst die Stille nach Joshuas Namen?

Müde sah ich von den endlosen Bildern auf, die seit Stunden ununterbrochen auf die Bildschirme von Bastian und mir geschickt wurden. Wir begannen unsere Nachforschungen zu Silas direkt nach Tagesanbruch und hatten uns hierfür im Esszimmer der Belluccis eingerichtet.

Bastian und ich saßen uns gegenüber an einer riesigen Tafel und klickten durch die verschiedenen Überwachungsbilder, die die Londoner Kameras aufzeichneten.

Wo Joshua und Kaja wohl gerade sind? Hoffentlich geht es ihnen gut.

Mit stumpfem Blick an die Wand hing ich meinen Gedanken an den vergangenen Abend nach. Ich dachte an Joshuas und meinen Kuss und den schweren Abschied, der sich immer noch anfühlte, als hätte Joshua einen Teil von mir mit sich genommen. Meine Lippen kribbelten, als ich daran dachte, und eine angenehme Wärme breitete sich in meinem Inneren aus. Gedankenverloren hob ich meine Hand und fuhr dem Gefühl des Kusses mit meinen Fingerspitzen nach – sehnte mich nach mehr.

Diese ungewohnte Sehnsucht nach Joshuas Nähe wollte mich dauerhaft ablenken und in seine Nähe locken, aber ich wusste, dass meine Mission Silas Brown hieß.

Und deswegen muss ich meinen Fokus auf ihn lenken und mich konzentrieren!

Nachdem Joshua und Kaja gestern abgereist waren, sind Bastian und ich zur Feier der Belluccis zurückgekehrt, haben eine Kleinigkeit gegessen und haben uns später auf die Gästezimmer zurückgezogen, um ausgeruht in die heutigen Nachforschungen zu starten.

Seufzend wandte ich mich vom Garten ab, in dem bereits einige Arbeiter daran waren, ihn nach der Feier wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und begegnete Bastians Blick.

Mit einem kritischen Ausdruck musterte er mich gründlich über den Rand des Bildschirmes. Unausgesprochene Worte lagen deutlich zwischen uns.

»Was?« Herausfordernd legte ich den Kopf schräg und zog eine Augenbraue hoch. »Spuck es aus.«

Belustigt verzog er die Lippen zu einem Grinsen. Wir kannten uns in den letzten Jahrzehnten unserer Freundschaft viel zu gut, als dass einer von uns dem anderen einen Gedanken verschweigen könnte.

»Du bist abgelenkt«, sagte er direkt. »Aber ich verstehe, in welchem Zustand Joshua dich zurückgelassen hat.«

»Zustand?« Ich lachte und war froh um die Ablenkung, die meinen Blick vom Bildschirm vorübergehend entschuldigte.

»Ja, verknallt nennt man das, meine Liebe.«

Ich streckte ihm die Zunge raus, worauf er amüsiert die Augen verdrehte.

Verknallt? Wir sind doch keine Teenager mehr.

»Joshua ist bei Kaja in Sicherheit und ich brauche dich in voller Konzentration«, sagte Bastian und wurde ernst. »Silas wird es uns nicht einfach machen.«

Ich verschränkte meine Finger ineinander und stützte mein Kinn darauf ab. »Du kennst mich, Basti. Ich brenne seit Tagen darauf, uns Silas vom Hals zu schaffen. Es ist egal, was gestern passiert ist …«

»Gut, May, dann kann ja nichts schief gehen.« Er zwinkerte mir zu, aber ich entgegnete seinem Optimismus mit einem müden Ausdruck.

»Wir müssen ihn erst finden und brauchen eine Gelegenheit, um ihn zu töten«, grummelte ich im Anflug von schlechter Laune. »Mit der Durchsuchung der Bilder haben wir zwar etwas zu tun, aber wir müssen drauf hoffen, dass Silas einen Fehler macht und irgendwo auftaucht, wo Joshua sich aufhalten könnte.«

Silas zu suchen ist wie das Fangen von Nebelschwaden. Er ist absolut ungreifbar.

Meine schlechte Laune perlte an Bastian ab und er zuckte mit den Schultern. »Du bist Silas begegnet. Er hat damals schon deine Nähe gesucht. Ich bin mir sicher, dass er das wieder tun wird und so einen Fehler begeht.« Er grinste breit, seine Laune musste auf dem Höchststand sein, was so früh am Tag eine Seltenheit war. »Die Belluccis werden auch keinen wirklichen Plan haben, was die Suche nach Silas angeht. Wir müssen jetzt vorlegen und beweisen, dass man mit den Georgiern nicht spaßen kann.«

Ich bedachte meinen Partner in Crime genervt, unterdrückte den Drang die Augen zu verdrehen und wandte mich wieder dem Bildschirm zu. Die Kamerabilder aus London wurden in Echtzeit ausgewertet und mögliche Treffer in einen Ordner verschoben, den Bastian und ich durchsahen.

»Hast recht«, murmelte ich leise, bevor wir in schweigendes Arbeiten verfielen.

Schritte auf dem Flur und das anschließende Aufgehen der Tür unterbrach uns nach etwa einer halben Stunde und ließ uns aufsehen.

Giovanni Bellucci, begleitet von seinen Söhnen, betrat das Esszimmer, gefolgt von einem Schwarm Angestellten, die verschiedene Teller, Gebäck, Tassen und Kannen herbeitrugen.

Ob die Angestellten wissen, für was für eine Art von Familie sie arbeiten?

Mir entging nicht, dass einer der Angestellten seinen Blick für einige Sekunden nicht von meiner Glock 17 lösen konnte, deren Griff aus meinem Hosenbund ragte.

»Guten Morgen«, begrüßten wir die Familie und sie entgegneten unseren Gruß, bevor sie sich zu uns setzten und versuchten, einen neugierigen Blick auf unsere Arbeit zu erhaschen.

»Wie ich sehe, sind Sie bereits fleißig«, sagte Giovanni, aber seine Worte hatten einen fragenden Unterton.

Ich nickte zustimmend. »Ja, wir haben im Morgengrauen mit den Nachforschungen zu Silas Brown begonnen.« Es widerstrebte mir, die aktuelle Unwissenheit zuzugeben, da ich die Befürchtung hatte, es könnte uns in ein schlechtes Licht rücken.

»Sehr vorbildlich«, entgegnete Bellucci jedoch nur und sah für einen kleinen Moment auf die leeren Plätze neben uns. Sofort wusste ich, was gleich folgen würde.

»Wie ich sehe, haben ihre beiden Freunde uns bereits verlassen.« Er klang nicht überrascht und ich vermutete, dass er von einem der Angestellten über ihre Abwesenheit informiert wurde.

… und über den Kuss zwischen Joshua und mir.

»Ja«, gab ich offen zu. »Joshua und Kaja werden an anderer Stelle benötigt.«

Nämlich in Sicherheit, damit wir in Ruhe Silas jagen können.

Eine Angestellte stellte unaufgefordert einen Teller vor mich und legte Besteck dazu, worauf Bastian und ich unsere Laptops schlossen und von uns schoben.

»Vielen Dank.« Schnell suchte ich den Blickkontakt zu Bastian, bevor ich mich an Giovanni wandte. »Sie haben eure Gastfreundschaft jedoch sehr genossen.«

Giovanni neigte seinen Kopf und ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Seine Augen funkelten belustigt und ich war mir in diesem Moment sicher, dass er von Joshua und mir wusste.

Erneut öffneten sich die Tür und Bianca und ihr Verlobter Adam betraten das Speisezimmer. »Guten Morgen, liebe Familie und Allianzen«, flötete sie gutgelaunt, ging in federnden Schritten zu ihrem Vater, um ihm einen Kuss auf die Backe zu drücken und ihrem Bruder, Federico, einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter zu verpassen.

Letzterer protestierte spielerisch und schob sie auf den freien Platz neben sich.

Sie kicherte und warf sich ihre langen, schwarzen Haare über die Schulter, während sie sich auf den freien Platz zwischen Federico und Bastian fallen ließ.

Adam setzte sich zwischen den anderen Bruder, Nicolai, und mich. Er warf mir nicht einen Blick zu und ich beschloss, ihn ebenfalls zu ignorieren. Stattdessen wandte ich mich an Bianca.

»Glückwunsch, nochmals zu eurer Verlobung. Es war eine wundervolle Feier und wir haben uns sehr amüsiert.«

Ein leichtes Rot färbte ihre Wangen und sie lächelte verzückt. »Vielen Dank. Die Feier war perfekt und es ist alles so gewesen, wie wir es uns vorgestellt hatten, oder Adam?«

Dieser musterte Bastian und mich misstrauisch und zollte damit seine unausgesprochene Abneigung gegen unsere Allianz. Ich war froh, dass er scheinbar bisher noch keinen wirklichen Einfluss in der Familie hatte.

»Ja, es war perfekt«, stimmte er leidenschaftslos zu und widmete sich seinem Frühstück.

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich im Raum aus, während die Angestellten sich langsam zurückzogen, nachdem sie den Tisch fertig vorbereitet hatten.

Für einen kurzen Moment beobachtete Adam mich durchdringend, aber ich hielt ihm furchtlos stand. Er war nicht im Ansatz so weit in unserer Welt verwoben wie Bastian und ich.

Er hat keine Ahnung, mit wem er sich anlegt, wenn er Streit mit mir sucht.

Nach wenigen Sekunden senkte er seinen Blick und ich nahm mir eines der Brötchen. Wieder sahen Bastian und ich uns an und ich wusste, dass er meine Gedanken zu Adam teilte.

Er nahm sich ebenfalls ein Brötchen und ließ das Messer künstlerisch in seinen Fingern rotieren, bevor er das Brötchen zerschnitt.

Nicolai räusperte sich schließlich und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Bisher hatte ich mit ihm kaum ein Wort gewechselt – seine Stimme war angenehm und ein Akzent mischte sich hinein.

»Ihr habt bereits mit der Suche nach Silas angefangen«, begann er mit einem Blick auf die geschlossenen Laptops, die neben Bastian und mir lagen. »Konntet ihr schon einen Durchbruch erzielen? Solange unsere Vereinbarung nicht offiziell ist, haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Wir sollten das nutzen.«

Somit ist Bastians Vermutung untermauert: Keiner von uns hat eine Idee von seinem Aufenthaltsort.

Betont langsam kaute ich und stimmte mich über einen kurzen Blick zu Bastian mit ihm ab. Sein Ausdruck verriet mir, dass er es auch für besser hielt, nur zum Teil mit offenen Karten zu spielen.

»Wir verfolgen Silas’ Spur schon länger«, erklärte ich wahrheitsgemäß und griff nach der Tasse Tee, die mir ein Angestellter gebracht hatte.

»Bisher hatten wir keinen entscheidenden Durchbruch, der auf seinen aktuellen Standort schließen lässt, aber wir haben die besten Leute darauf angesetzt.« Es war die Wahrheit, aber es widerstrebte mir, unser Unwissen zuzugeben.

Ich bin nicht gerne im Nachteil gegenüber einem Gegner, aber noch weniger gebe ich zu, dass wir in Zugzwang sind.

Giovanni runzelte leicht die Stirn. Er wusste genau, was meine Worte bedeuteten. »Auch wir haben unsere Leute darauf angesetzt und versuchen seit geraumer Zeit, ihn aufzuspüren«, wandte er ein. »Ihr werdet auch festgestellt haben, dass er schwer zu finden ist.«

»Bei unserem letzten Kontakt mit Silas haben wir bemerkt, dass er ein impulsiver, arroganter Mensch ist«, warf Bastian zuversichtlich ein. »Wir sollten unsere Suche weiterlaufen lassen. Er wird ebenfalls nach uns suchen und früher oder später einen Fehler machen.«

Es war wie bei der Begegnung an der Uni. Ich hatte nicht so früh mit ihm gerechnet, aber Silas ist ungeduldig. In diesem Spiel geht es jedoch darum, wer länger die Füße stillhalten kann und dem anderen Zeit für Fehler einräumt.

»So sehe ich das auch«, pflichtete ich Bastian bei. »Welche Erfahrungen konntet ihr bisher mit Silas sammeln?« Wir wussten, dass die Belluccis ein Problem mit Silas hatten, aber die genauen Umstände waren uns noch nicht bekannt.

Nachdenklich biss ich von meinem Brötchen ab und bemerkte, dass die beiden Söhne der Belluccis sich mit gemischten Ausdrücken ansahen und mir auswichen.

Selbst Giovanni Bellucci wollte eher ungern auf meine Frage antworten, während Biancas Gesicht sich sichtbar verdüsterte.

»Silas hat unsere Mutter getötet«, unterbrach sie die angespannte Stille und warf sich in einer eleganten Geste ihre Haare über die Schulter. »Er hätte in unserer Familie früher eine höhere Priorität spielen müssen.«

Ich konnte mein Erstaunen über die direkten Worte gut verbergen, ihre Offenheit war ungewöhnlich.

Bianca scheint in den Geschäften ihrer Familie involvierter zu sein, als gedacht.

Sie musterte ihren Vater und ihre Brüder anklagend und unterstrich damit ihre Worte. Ihre Brüder wichen ihr verlegen aus, aber Giovanni hielt ihr kühl stand.

»Bianca, du weißt, dass es immer ein Anliegen bei uns war …«, begann er, aber Bianca drehte sich zu Bastian und mir.

»Es ist gut, dass ihr da seid und endlich Bewegung in die Sache kommt«, sagte sie, doch ich beobachtete den aufkommenden Streit kommentarlos.

Nicht unsere Familie, nicht unsere Angelegenheit.

Bevor sich eine angespannte Stille ausbreiteten konnte, rettete uns Bastians klingelndes Telefon. Er nahm das Gespräch an und hielt sich das Handy ans Ohr.

»Hi Ian«, sagte Bastian und warf mir einen durchdringenden Blick zu.

Ich erstarrte in meiner Bewegung und ließ die Teetasse langsam sinken.

Hat Silas jetzt schon seinen Fehler begangen?

»Nein, wir sind bei den Belluccis. Warum fragst du?«, entgegnete Bastian auf eine Frage von Ian.

Er war sich bewusst, dass jeder Blick in diesem Raum ihm galt und alle gespannt warteten.

»Wann war das?«, fragte Bastian und ich spürte, wie die Anspannung in meine Adern schoss.

Ian hat ihn! Er würde uns sonst nicht einfach anrufen! Oder …

Kalte Angst raste so plötzlich durch meine Gedanken, dass sie mich drohte zu lähmen.

Was ist, wenn Joshua und Kaja etwas passiert ist?!

Als hätte Bastian meine plötzliche Furcht gespürt, verengten sich seine Augen ein winziges Stück. Uns beiden war bewusst, dass die Belluccis uns beobachteten, aber Bastian schüttelte leicht den Kopf – Entwarnung, was Kaja und Joshua anging.

»Danke, Ian.« Er erhob sich und ließ sein angebissenes Brötchen achtlos zurück. »Wir brechen sofort auf.«

Kapitel 2

Autobahn in Frankreich Sonntag, 26. September – Joshua

Mein Kopf vibrierte unangenehm, als ich mich an die Seitenscheibe des Autos lehnte und ich setzte mich aufrecht in den Sitz des Mercedes. Seit Stunden waren wir auf der Autobahn unterwegs und fuhren in Richtung Süden. Ich hatte aufgehört, Kaja zu fragen, wohin sie fuhr, weil sie mir keine klare Antwort gab. Mein Jackett hatte ich ausgezogen und auf die Rückbank gelegt, ebenso wie die dunkelblaue Fliege und die Hosenträger. Der oberste Knopf meines Hemdes war aufgeknöpft und ich konnte Mayrens Duft an meinem Kragen riechen, der mir sofort ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend verschaffte.

Sie empfindet für mich das gleiche wie ich für sie!

Vor fast zwei Wochen hatte ihre Ankunft mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Sie war eine Auftragskillerin. Darauf angesetzt, mich zu töten. Entschied sich aber dazu, für meinen Schutz einzutreten und die Spur zu ihrem Auftraggeber zu verfolgen.

Wer hätte gedacht, dass wir in so einer Situation Gefühle füreinander entwickeln?

Gedankenverloren starrte ich aus der Windschutzscheibe und dachte an das gestrige Telefonat mit meiner Tante. Es brach mir das Herz und verursachte mir eine Gänsehaut auf den Armen.

Ich habe sie in einen Strudel voller Angst und Sorgen um mich geschickt …

Sie und meine Freunde wurden mit meinem Anruf und einer Chatnachricht gewarnt, dass ich abtauchen musste und dass man sich somit womöglich an sie wenden könnte. Ian versprach ein Auge auf sie zu haben, aber trotzdem machte mir die Situation unheimliche Sorgen.

»Du solltest schlafen«, meinte Kaja neben mir sanft.

»Ich kann nicht schlafen.« Die Eindrücke der letzten Nacht lasteten schwer auf meinen Schultern und sobald ich die Augen schloss, drohten sie, mich zu überrollen und ich öffnete sie wieder.

Seit meiner Entführung ist es mit dem Schlaf ohnehin schwierig.

Ein Gedanke schlich sich in mein Unterbewusstsein.

In Mays Gegenwart konnte ich gut schlafen … wie in der Nacht, als wir uns so nah waren.

Nur war Mayren nicht bei mir, sondern ist in London geblieben, um Silas zu finden.

»Wir werden noch eine Weile unterwegs sein, du wirst müde werden«, versprach Kaja, worauf ich genervt die Arme verschränkte.

Als ob das Müde-Sein das Problem ist.

»Wirst du etwa nicht müde?«, fragte ich sie. Kurz erwiderte sie meinen Blick, bevor sie breit grinste.

»Du kannst mich nicht ärgern. Ich bin nicht Mayren, die auf jede Stichelei sofort anspringt und sich in eine Diskussion mit dir verwickeln lässt.«

Ist Kaja immer so ruhig und überlegt?

Auch sie trug noch ihr rostrotes Kleid und die passenden Handschuhe aus Spitze. Für einen längeren Moment starrte ich auf ihre Hände und die schlanken Finger und wandte mich ab.

Sie trägt immer diese Handschuhe. Hat sie Verletzungen an den Händen, die sie verbergen will?

Eine direkte Nachfrage war taktlos, weswegen ich einfach schwieg. Erneut stieg mir eine Brise von Mayrens Geruch, gemischt mit ihrem Parfüm, in die Nase und meine Nackenhaare stellten sich auf.

Hoffentlich übersteht sie den Kampf mit Silas unverletzt.

Es kam mir feige vor, mich aus diesem Konflikt herauszuhalten, aber mein Vertrauen in Mayren und ihre Fähigkeit war ungetrübt. Meine Anwesenheit würde für sie nur ein Hindernis darstellen.

»Kannst du bitte sagen, was dieses Operation Phönix ist?«, fragte ich vorsichtig und bat erneut um eine Antwort, die Mayren mir nicht geben wollte.

Kaja seufzte. »Solange die Operation nicht startet, ist es für dich irrelevant.«

»Aber es wird bald relevant«, hakte ich ein und ließ sie bei meinen Worten nicht aus den Augen.

Welches Problem haben sie, dass sie mir nichts verraten?

Kaja tat meine frustrierten Worte mit einem Lächeln ab. »Du wirst nie allein sein und beim Inkrafttreten von Phönix, wirst du genau gesagt bekommen, was du wie zu tun hast.«

Eigentlich wollte ich weiter stänkern, aber ich besann mich eines Besseren.

Aus Kaja bekomme ich kein weiteres Wort heraus.

Theatralisch seufzte ich und sah in den Seitenspiegel, in dem ein kleiner Wald verschwommen durch die hohe Geschwindigkeit in diffusen Grün- und Brauntönen hinter uns zurückblieb.

Sie werden mich weiterhin im Dunklen stehen lassen.

Es frustrierte mich außen vor zu sein.

Kapitel 3

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Kieselsteine stoben hinter Bastians Kawasaki auf, als er Gas gab. Kurz schlitterte das Hinterrad, dann bekam der Reifen Haftung und das Motorrad schoss die Auffahrt hinab. Der Helm presste sich an meine Gesichtszüge und ich umfasste mit meinem rechtem Arm Bastians Taille. Ein Gefühl von Freiheit ließ meine Magengegend kribbeln, als Bastian die Maschine auf die Hauptstraße lenkte und stark beschleunigte.

Silas ist gerade in Kensington gesichtet worden und Ian hat ihn beim Einbruch in das Haus beobachtet, in dem meine alte Wohnung lag. Wir müssen ihn rechtzeitig abpassen – selbst wenn wir auf dem Weg dorthin sämtliche Tempolimits brechen müssen!

»Ian, wie sieht’s aus?«, rief ich über den brausenden Fahrtwind hinweg und hoffte, dass er uns über die kabellosen Kopfhörer gut verstehen konnte.

»Silas hat die Wohnung bisher nicht verlassen«, entgegnete Ian konzentriert. »Beeilt euch.«

In einem waghalsigen Überholmanöver raste Bastian an einem Lkw vorbei, der unser Fahrverhalten mit einem wütendem Hupen und einer entsprechenden Geste kommentierte. Wir ignorierten ihn und fuhren auf den Highway, der zurück in die Stadt führte.

Wann waren wir unvorsichtig und haben den Standort unserer Wohnung verraten?

Ich biss mir auf die Unterlippe. »So gerne ich es tun würde, aber wir können Silas nicht einfach töten«, knurrte ich widerwillig. Wie hat er unsere Wohnung gefunden, Ian? Wir müssen herausfinden, wo er seinen Unterschlupf hat, damit wir Informationen, wie bei diesem Londoner Clan Duskvein gewinnen können.« Vor mir brummte Bastian zustimmend.

»Er ist mit einem Motorrad da«, verkündete Ian konzentriert. »Das Kennzeichen ist ungültig und das Bike steht nur eine Straße von unserer Wohnung entfernt.«

»Gut. Wir können den Peilsender nehmen, den ich an meinem Bike habe«, rief Bastian mir über den Fahrtwind zu. »Damit können wir ihn direkt in seinen Unterschlupf verfolgen.«

Ich klopfte ihm auf die Schulter, um zu zeigen, dass ich seine Worte verstanden hatte und seinem Plan zustimmte.

Wir finden Silas! Ich wusste, dass es nur eine Frage von Zeit war, bis er einen Fehler macht!

Der Motor von Bastians Kawasaki heulte auf, als er sie die Straße hinuntertrieb. Wenn Bastian das Tempo hielt, würden wir in zehn Minuten an der Wohnung sein.

»Wenn Silas das Haus verlässt, ist er in maximal drei Minuten an seinem Bike«, verkündete Ian und ich konzentrierte mich auf seine Stimme. »Im Notfall werde ich ihn irgendwie aufhalten können, aber ich wäre euch dankbar, wenn ihr es rechtzeitig schafft.«

Bastian beschleunigte seine Kawasaki noch etwas mehr. Der Fahrtwind zerrte an meinem Shirt und den Haaren, die unter meinem Helm herausschauten.

Mir war die Gefahr, die mit diesem riskanten Fahrstil einherging, bewusst, aber ich vertraute auf Bastians Fähigkeiten. Er fuhr seit Jahren Motorrad und mit einem Auto waren wir nicht ansatzweise so schnell in der Stadt.

»Ich werde euer Navi spielen«, sagte Ian knapp.

»Danke, Ian!«, rief ich und zuckte zusammen, als ein Auto neben mir hupte. Ich warf dem Fahrer einen genervten Blick zu, aber vermutlich sah er es durch mein Visier überhaupt nicht.

Wenn Silas einen Tag früher auf diese Spur gekommen wäre … Er hätte uns kalt erwischt.

Ich knirschte mit den Zähnen, als ich mir diesen Fakt eingestand. Wir hatten uns in diesen vier Wänden sicher gefühlt und es trieb mir ein kleines Stechen ins Herz, als ich daran dachte, Joshua in Gefahr gebracht zu haben.

Fuck, Mayren! 100 % Konzentration!

»Ihr habt noch acht Minuten bis zu Silas’ Motorrad«, verkündete Ian in dem Moment. »Er ist noch in der Wohnung.«

Ich muss es schaffen, den Sender anzubringen!

Wind peitschte mir durch das geöffnete Visier ins Gesicht, als ich die Verkehrssituation begutachtete. Da es Sonntag war, beschwerte kein Berufsverkehr die Straße und durch Bastians Raserei hatten wir Zeit gewonnen. Dann bremste mein Freund ab und wir rollten in reduzierter Geschwindigkeit, aber über dem Tempolimit, in die Stadt ein.

»Ian, wir sind gleich da«, hörte ich Bastians Stimme über unsere Kopfhörer. »Bitte behalte ihn genau im Auge, ich will nicht, dass er May sieht.«

Ian lachte leise und amüsiert. »Was denkst du, was ich tue? In 400 Meter rechts abbiegen.«

Bastian beschleunigte ein letztes Mal, bevor er sich in eine Lücke zwischen zwei Pkws einreihte.

Mein Herz schlug in schnellem Takt in meiner Brust und eine Prise Aufregung mischte sich in meine Entschlossenheit. Ich hielt mich an Bastian fest, als er an der entsprechenden Kreuzung abbog, und genoss den Triumph, dass wir Silas einen Schritt voraus waren.

»Die nächste Möglichkeit links und dann in 600 Metern rechts abbiegen«, berichtete Ian.

Vorsichtig löste ich meinen Arm von Bastians Taille. »Wo ist dein Sender, Basti?«

Wie angegeben bog Bastian ab. »Hinter meinem Rücklicht. Du solltest ihn mit etwas Kraft einfach abziehen können.«

»Das Bike kommt gleich auf eurer linken Seite«, sagte Ian. »Und Silas hat gerade das Haus verlassen!« Den letzteren Satz sagte er mit Nachdruck und mein Körper stießAdrenalin aus, das ein wildes Kribbeln durch meine Adern jagte.

Bastian ließ sein Motorrad ausrollen und hielt am Straßenrand. »Ich sammle dich am Ende der Straße ein«, sagte er, als ich vom Sitz hinter ihm rutschte, meinen Helm abnahm und mich für wenige Sekunden an seinem Rücklicht zu schaffen machte, um den Sender, der kaum größer war als eine Münze, abzuziehen.

»Alles klar.«

Mit einem aufmunternden Lächeln hob Bastian den Daumen und beschleunigte die Straße hinunter. Ohne mich umzusehen, folgte ich ihm, bis ich die rote Maschine am Straßenrand erkannte.

»Von welcher Seite kommt er, Ian?«, fragte ich unauffällig und betrachtete die klebrige Oberfläche des Senders. Sie war noch gut erhalten und ich hoffte, dass sie lange genug an Silas’ Motorrad halten würde, um ihn zu verfolgen.

»Gleiche Richtung wie dein Laufweg«, hörte ich Ians Stimme abgehackt über den einzelnen Kopfhörer. Durch die Entfernung von Bastians Handy war der Sound von einem Rauschen durchzogen.

Sehr gut, das heißt ich habe ihn ihm Rücken.

Zufrieden hielt ich den Peilsender zwischen meinem rechten Daumen und Zeigefinger, während ich mich der Maschine näherte und meine Schritte verlangsamte. Ich warf einen unauffälligen Blick über meine Schulter, bevor ich neben dem Motorrad niederkniete und vorgab, meine Schnürsenkel zu binden. Keiner der Passanten beachtete mich.

»Wie viel Zeit habe ich?«, fragte ich leise und musterte das Bike neben mir.

»Eine Minute, bis er in die Straße einbiegt.«

Trotz des Zeitdrucks bewahrte ich Ruhe und klebte den kleinen Sender unter das Schutzblech des Vorderrades. »Sender platziert«, gab ich knapp durch und stand auf, um weiterzugehen.

»Sender funktioniert«, bestätigte Ian und ich hörte die Anspannung aus seiner Stimme. »Beeil dich, May! Er biegt gleich in die Straße ein!«

Ich muss unauffällig sein und darf nicht losrennen!

»Ich bin gleich bei Bastian«, sagte ich betont ruhig und beschleunigte meine Schritte auf ein unauffälliges Tempo.

»Silas ist in die Straße eingebogen!«

Wie gerne würde ich das Problem direkt beseitigen!

Ein Kribbeln legte sich über meinen Nacken, aber ich kämpfte gegen den Drang an, mich umzudrehen und meine Waffe zu ziehen.

»Hat er uns gesehen, Ian?«, fragte ich und suchte den Blickkontakt mit Bastian. Mit seinem schwarzen Helm und dem farblich passenden Oberteil, unter dem sich seine Muskeln abzeichneten, machte er eine sportliche Figur auf dem Bike. Mir entging nicht, dass zwei Frauen ihn interessiert musterten, während ich meinen Helm wieder aufzog.

»Nein, scheint nicht so«, entgegnete Ian und Bastian und ich sahen uns triumphierend an. Mit einer ungeduldigen Geste gab er mir zu verstehen, dass er schnell verschwinden wollte und ich stieg hinter ihm auf den Sitz. Ich schlang meinen rechten Arm um seine Taille und er beschleunigte sofort die Maschine und wir entfernten uns aus Kensington. Es war ein endgültiger Abschied aus dem Stadtteil Londons, der mein Leben so auf den Kopf gestellt hatte. Wir konnten nicht zurück in die Wohnung, weil Silas eine Falle für uns arrangiert haben könnte.

Bye Kensington …

»Silas hat seinen Rückzugsort in einem stillgelegten Industriegebäude«, erklärte Ian über den Lautsprecher von Bastians Handy. »Wir haben einige Satellitenbilder ausgewertet und können sagen, dass er nicht allein ist.«

Ein kleines Lächeln zuckte über meine Lippen, als ich daran dachte, dass wir Silas heute in die Enge treiben und seine Bedrohung endlich beenden würden. Durch die genannten Koordinaten von Ian hatten Nicolai und Federico bereits eine Karte auf ihrem Tablet geöffnet und studierten die Lage von Silas’ Aufenthaltsort. Die Abgelegenheit hatte ihn und seine Leute bisher geschützt, aber sie würde auch uns schützen, wenn wir sie heute Nacht angreifen.

»Wie viel Leute sind bei ihm?«, fragte ich und legte nachdenklich den Kopf schräg.

»Schwer zu sagen«, gab Ian zurück. »Viele verlassen womöglich nicht das Haus, das macht es schwierig, Rückschlüsse zu ziehen. In den letzten Tagen konnten wir mindestens zehn Leute über Fahrzeugbewegungen ermitteln. Wir werden weitere Tage auswerten und euch schicken.«

»Unsere Leute werden Lagepläne des Gebäudes besorgen«, erklärte Giovanni Bellucci entschlossen. »Anhand dieser Unterlagen und den Zahlen entwerfen wir einen Plan für unser Vorgehen.«

Bianca nickte zustimmend und ich fragte mich unwillkürlich, ob sie an dem Angriff mitwirken wollte.

Der Entschlossenheit auf ihrem Gesicht nach, war genau das ihr Plan.

»Sehr gut. Danke für eure Unterstützung«, antwortete Ian auf die Worte von Bellucci. »Ich melde mich, wenn ich ein Update zu den Zahlen geben kann.« Ohne Verabschiedung legte er auf.

Der Kampf in der Industriehalle wird hart werden.

»Wie viele Leute könnt ihr mobilisieren, die mit uns zusammen die Fabrik angreifen?«, fragte Bastian nach. »Die Vorbereitung des Angriffs wird etwas Zeit kosten. Wir sollten schnellstmöglich unsere Teams und die Bewaffnung festlegen.«

»Silas hat unsere leere Wohnung gesehen und weiß, dass wir die Stadt verlassen haben.« Ich ließ meine Worte wirken und beobachtete die Reaktion des Familienoberhaupts. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn wieder verlieren.«

Giovanni presste nachdenklich seine Fingerkuppen aneinander. »Nicolai und Adam werden euch im Vorstoß begleiten.« Letzterer riss erschrocken die Augen auf und ich erkannte die blanke Angst in seinen Zügen, die kurzzeitig seine Arroganz vertrieb.

»Ich werde meine Leute anrufen«, sagte Nicolai entschlossen und nahm sein Telefon aus der Hosentasche. »Entschuldigt mich.« Mit diesen Worten verließ er den Raum und zog leise die Tür hinter sich ins Schloss.

»Welchem Team kann ich mich anschließen?«, frage Bianca entschlossen. Im Gegensatz zu ihrem Verlobten wirkte sie furchtlos und erinnerte mich an mein jüngeres Ich.

»Keinem«, intervenierte ihr Vater sofort, aber sie sah ihren Bruder Federico an, als würde sie ihn um Erlaubnis fragen.

»Du könntest dich der Datenanalyse anschließen«, meinte dieser nach einigen Sekunden Schweigen. »Florian und Serges benötigen sicherlich noch Unterstützung in diesem Bereich.«

Bianca wollte zum Protest ansetzen, aber Giovanni erhob sich und setzte damit der Diskussion ein Ende. »Genug davon«, sagte er streng, bevor Bianca weiter protestieren konnte.

Sie runzelte unzufrieden die Stirn, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Kurz darauf kehrte Nicolai zurück und stellte sich neben seinen Vater an die Stirnseite der Tafel.

»Wir haben 18 Leute, die uns unterstützen. Alle sind auf dem Weg hierher und werden für die komplette Mission zur Verfügung stehen.« Seine Stimme war angenehm kühl und ich konnte die Aufregung in seinen Augen erkennen, aber auch, dass er in Extremsituationen einen klaren Kopf bewahren konnte.

»Wir brauchen entsprechende Ausstattung«, nahm Bastian den Faden auf und stellte eine klare Forderung in Richtung der Belluccis. »Schutzausrüstungen und Waffen.«

Er hat recht, mit meiner Glock komme ich nicht weit.

Federico legte den Kopf nachdenklich schief. »Das sollte das kleinste Problem sein, welche Waffen bevorzugt ihr?«

Ich antwortete schnell: »Eine MP5.«

Meine Auswahl forderte Federico offenbar nicht heraus.

»Wir haben die Lagepläne gerade erhalten«, berichtete Nicolai mit einem Blick auf das Tablet und gerunzelter Stirn. »Lasst uns loslegen.«

Eine grausame, todbringende Vorfreude nahm Besitz von mir. Ich war froh, dass ich endlich eine weitere Gefahr für Joshua beseitigen konnte. Endlich hatte das passive Warten ein Ende und wir konnten aktiv handeln.

Kapitel 4

Autobahn Spanien Sonntag, 26. September – Joshua

»Sind wir bald da, wohin du mich entführst?«, fragte ich genervt und warf Kaja einen entsprechenden Blick zu. Meine schlechte Laune beeinflusste sie nicht, aber sie unterbrach das rhythmische Summen eines Popliedes aus dem Radio.

»Wir fahren nach Barcelona. Die Stadt hat eine gute Größe, um in die Anonymität abzutauchen und wir können von dort schnell verschwinden.« Nachdem sie mich all die Stunden zuvor hat zappeln lassen, war ich nun überrascht, dass sie mir antwortete.

»Warum sagst du mir auf einmal, wohin wir gehen?«, fragte ich, aber sie nahm es mit einem müden Lächeln auf. Kaja war ein angenehmer Mensch, aber man sah ihr ihre Fähigkeiten nicht an – die mörderische Präzision, mit der sie wie Mayren die Leben von Menschen beenden konnte.

»Auch ich bin erschöpft«, gestand sie und setzte den Blinker, um auf die Überholspur zu ziehen. »Außerdem fühle ich mich in Barcelona sehr wohl.«

Die Aussicht auf diese Stadt löste gemischte Gefühle in mir aus. »Ich wollte schon immer nach Barcelona.«

»Vermutlich aber unter anderen Umständen, oder?« Kaja erahnte meine Stimmung, aber ich wollte ihre Frage nicht beantworten, weil ich mich vor dem Gedanken scheute, weiterhin der drohenden Gefahr ins Auge zu sehen.

»Warum Barcelona? Kennst du dich dort aus?«

Kaja lachte spöttisch und trocken. »Barcelona war meine Heimat, bevor ich von Zeros Leuten entführt wurde. Mein Vater und ich haben dort gelebt.«

»Ist dir das gleiche passiert wie May?« Ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen, aber konnte meine Neugier nicht zurückhalten.

Kaja seufzte und strich sich eine Strähne hinters Ohr und ihr Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. »Im Grunde ist jedem von uns das gleiche passiert.«

Jeder einzelne dieser Leute hat die brutale Ermordung seiner Familie mitansehen müssen?!

»Es ist Jahre her, aber ich erinnere mich an jedes Detail«, begann Kaja mit düsterer Miene. »Meine Mutter verließ uns, als ich sehr klein war, und mein Vater zog mich auf. Es war bestimmt nicht leicht für ihn, aber er hat alles getan, um mir eine glückliche Kindheit zu bieten.« Ihre Augen schimmerten glasig vor Trauer und den Schmerzen, die sie mit der Erinnerung verband. »Er hatte eine kleine Gärtnerei – die Liebe zu Pflanzen lag mir im Blut«, fuhr sie fort. »Frühling und Herbst waren die schönsten Jahreszeiten. Manchmal durfte ich den Kindergarten schwänzen und ihn zur Arbeit begleiten. In der Zeit saßen wir zwischen den Blumen und er brachte mir alles über die Pflanzen bei, die gerade blühten.« Eine einzelne Träne löste sich aus Kajas Augenwinkel und rollte über ihre Wange. Verlegen wischte sie sie mit ihrem Handschuh weg.

Ich konnte den Schmerz in ihren Zügen ablesen.

Die Erinnerungen klingen so schön und müssen so grausam geendet haben.

»Du musst nicht darüber sprechen, wenn es dir zu sehr wehtut«, sagte ich sanft. Die negativen Erinnerungen mussten schreckliche Gefühle in ihr erzeugen.

»Es ist okay.« Kaja schüttelte leicht den Kopf und ihre Stimme wurde fester. »Es war an einem der Abende, an denen Papa und ich den ganzen Tag in der Gärtnerei waren. Es war Hochsaison und wir verbrachten den ganzen Abend eines heißen Tages damit, die Pflanzen zu gießen. An dem Tag brachte er mir alles über Hortensien bei, sie waren seine liebsten Pflanzen. Wir waren allein in den Gewächshäusern, als sie angriffen …« Kaja machte eine kurze Pause und atmete durch.

Auf meinen Armen stellte sich eine Gänsehaut ein, da ich eine grobe Vorstellung von dem hatte, was gleich folgen würde.

»Ich war damals fast sechs Jahre alt und Papa und ich wollten am nächsten Tag meinen Schulranzen kaufen gehen, da ich in diesem Sommer eingeschult werden sollte. Es ging alles so schnell …« Ihr Atem stockte, als sie sich an den Tag zurückerinnerte. »Erst hörte ich nur die lauten Schüsse, das Klirren und Bersten von Glas und anschließend regneten Scherben vom Gewächshaus auf uns nieder und zersprangen auf dem Boden … überall flogen sie umher.« Kurz stockte sie und eine kleine Ader auf ihrer Schläfe pulsierte. »Ich verstand gar nichts und versteckte mich in den Hortensienbüschen, während mein Vater …«

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ein kaltes Grauen nistete sich in meiner Brust ein.

Warum hat man die Kinder das nur mit ansehen lassen?

»Bewaffnete Männer in schwarzer Montur stürmten durch den Eingang und schossen auf ihn. Er hatte keine Chance und brach sofort zusammen. Er starb in seinem eigenen Blut, während ich mich in den Büschen versteckte, aber es war zwecklos.«

»Sie fanden mich, zerrten mich aus den Pflanzen … vorbei an meinem Vater. Das letzte, was ich sah, war der leblose Körper meines Papas in einer Pfütze aus seinem eigenen Blut.«

Was für eine grauenvolle Erinnerung!

»Ich habe tagelang geschrien, geweint und gehungert. Mein einziges Ziel war es, zu meinem Vater zu kommen, selbst wenn es meinen eigenen Tod bedeuten würde.« In ihrem Ausdruck war die Trauer der Entschlossenheit gewichen. »Mittlerweile schicke ich meinem Vater die Leute, die für den Tod anderer verantwortlich sind. Erst wenn Zero bei ihm ist, kann ich zur Ruhe kommen.«

Für eine Weile schwiegen wir und meine Wut auf Zero verstärkte sich.

Dieses Arschloch hat den Tod verdient!

»Das ist so grausam«, sagte ich langsam. »Es tut mir leid, dass ihr so was durchmachen musstet.«

Kaja verzog ihre Lippen zu einem schiefen, gezwungenen Lächeln. »Es ist unsere Vergangenheit und macht uns aus. Du hast es nicht verursacht. Es gibt nichts, was dir leidtun muss.«

»Danke, dass du mir das anvertraut hast.«

»Danke, dass du mir zugehört hast. Ich habe die Geschichte schon lange nicht mehr erzählt, dabei ist es so wichtig, dass wir nicht vergessen, was uns antreibt und uns ausmacht.« Kaja seufzte leise, als würde ihr ein Gewicht von der Seele genommen werden. »Wir können unsere Vergangenheit nicht ungeschehen machen.«

Schweigen breitete sich zwischen uns aus, aber das Klingeln von Kajas Telefon unterbrach uns.

»Ian?«, flüsterte Kaja, bevor sie den Anruf annahm.

Mein Herz setzte einen angstvollen Schlag aus.

Hoffentlich ist Mayren und Bastian nichts passiert!

»Hi, Ian, du bist auf laut«, sagte Kaja. »Ist etwas passiert?«

»Hallo, ihr zwei«, meinte er ruhig und ich musste mich zurückhalten, um Ian nicht vor Anspannung ins Wort zu fallen.

Ian räusperte sich am anderen Ende. »Es geht allen gut. Keine Sorge. Basti und May haben Silas‘ Aufenthaltsort gefunden und werden heute Nacht noch stürmen.«

Kalte Panik trieb mir Schweiß auf die Stirn und ich beschäftigte mich automatisch mit dem Gedanken, was alles schief gehen konnte.

»In welchem Trupp sind sie?«, hakte Kaja nach.

»Sturm. Sie werden als erste ins Gebäude gehen.«

Kaja verdrehte die Augen und fluchte leise auf Spanisch.

May …

»Um wie viel Uhr?« Kaja wirkte angespannt, während ich weiterhin wortlos auf das Display des Autos starrte, auf dem der Anruf von Ian angezeigt wurde.

»Heute Nacht gegen drei. Sie haben die Lagepläne erhalten und entwickeln ihr Vorgehen.« Ians Stimme war ruhig und kontrolliert. »Sie werden sie überrumpeln, keine Sorge.«

»Wer sind sie?«, fragte Kaja. »Ist Silas nicht allein?«

Es schien, als würde Ian am anderen Ende der Leitung den Kopf schütteln. »Nein, es sind mehrere Leute bei ihm und wir ermitteln gerade, mit wie viel Widerstand zu rechnen ist.«

Unruhe lag in Kajas Mimik. »Danke Ian«, entgegnete sie mit einer ungewöhnlichen Sanftheit in der Stimme.

»Gerne, doch.« Für einen kurzen Moment schwieg er, dann entgegnete er etwas auf Spanisch und brachte Kaja damit zum Lächeln.

Frustriert wandte ich mich ab. Ich hasste es, wenn sie die Sprache mutwillig änderten, damit ich nichts verstand.

Kaja antwortete auf Spanisch und legte schließlich auf.

»Was sollte ich nicht verstehen?«, fragte ich direkt mit einem Anflug von Wut. »Wenn es um Mayren geht, dann will ich wissen, wie die Lage ist.«

Irritiert zog Kaja eine Augenbraue hoch. »Es gibt Dinge, die dich nichts angehen«, antwortete sie kühl. »Auch wenn du ziemlich weit in unsere Scheiße reingeraten bist und eine Was-auch-immer-Beziehung zu May hast, bist du kein Mitglied unseres Clans.«

Ihre Worte wirkten wie eine Ohrfeige und erinnerten mich an den letzten Streit mit Mayren, als sie sich weigerte, mich in den Clan aufzunehmen.

»Danke für die freundliche Ausführung«, schoss ich zurück. »Bastian und Mayren könnten heute sterben und ihr sprecht auf einer anderen Sprache, damit ich euch nicht verstehe. Clan-Scheiße hin oder her, aber ich mache mir Sorgen um meine Freunde!« Damit wandte ich mich von ihr ab und beendete das Gespräch. Die spanische Musik im Hintergrund überbrückte unangenehm laut das Schweigen.

Nach ein paar Minuten seufzte Kaja. »Denkst du, ich mache mir keine Sorgen? Die beiden wissen, was sie tun, kennen einander und gleichen sich perfekt aus. Als wir jünger waren, haben wir das Stürmen oft geübt. Die beiden werden gewinnen.« Kaja warf mir einen versöhnlichen Blick zu und ihre Worte ermutigten mich wieder etwas.

Kapitel 5

London Umland, Villa der Belluccis Sonntag, 26. September – Mayren

Der Sonntag neigte sich dem Ende zu, während die Wolken das Wetter der letzten Tage veränderten und den Herbst begrüßten. Eine sanfte Brise ließ die Blätter vor den Fenstern tanzen, während ich mich vorbeugte und die Lagepläne musterte.

»Wir bringen Sprengladungen an verschiedenen Positionen des Gebäudes an. Dadurch verschaffen wir uns Zutritt und stiften gleichzeitig Verwirrung.« Federico deutete auf die rot markierten Punkte auf dem Grundriss des Gebäudes. »Gleichzeitig werden unsere zwei Sturmtrupps – angeführt von Mayren und Nicolai – ins Haus eindringen und stürmen.« Er deutete auf die beiden blau markierten Zugangspunkte und Nicolai nickte mir zu. »Unsere Deckungsgruppen werden draußen bleiben und Gegner, die zu fliehen versuchen, erschießen. Zusätzlich haben wir an jeder Seite der Industriehalle Scharfschützen.« Federico ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. »Fragen?«

Ich tat es ihm gleich und sah mir ebenfalls die Männer und Frauen an, die uns bei der nächtlichen Mission begleiten werden.

Bastian und mir wurde ein Mann zugeteilt, der meine Größe und Bastians Statur hatte.

Sein Name war Alexander, er war ein schweigsamer, ruhiger Mensch und begnügte sich bisher damit, Bastian und mich misstrauisch zu mustern. Solange sein Misstrauen uns keinen Strich durch die Rechnung macht, wäre er eine wertvolle Unterstützung.

Adam wurde Nicolais Trupp zugeteilt und starrte mit blassem, ausdruckslosem Gesicht auf einen Punkt des Tisches. Eine Schweißperle hatte sich von seiner Stirn gelöst und rollte ihm über die Schläfe.

Das ist eine Prüfung für Adam, die ihm die Familie aufbürdet. Das ist nichts, worin ich mich einmischen sollte.

»Wir haben zwischenzeitlich von unseren Verbündeten, den Georgiern …« Nicolai deutete mit einer Geste auf Bastian und mich und einige Augenpaare folgten seiner Handbewegung, »… die Information erhalten, dass in der letzten Woche etwa 20 Menschen in dem Gebäude ein- und ausgegangen sind. Auf diese Zahl sollten wir uns jedoch nicht festlegen, da es Leute gibt, die das Gebäude vielleicht nicht verlassen haben.« Kurz verklangen seine Worte im Raum und ließen Platz für Fragen, aber niemand sprach und er wischte auf dem Tablet zur Seite und zeigte ein Bild von Silas. »Unsere Zielperson ist Silas Brown.«

»Wir sollten ihn möglichst lebendig fangen«, warf ich ein und der Fokus zog sich auf mich. »Silas hat nicht nur eurem Clan geschadet, sondern auch unserem und ich will, dass er für beide Taten zur Rechenschaft gezogen wird. Seine Kameraden stellen jedoch eine potenzielle Gefahr dar und diese gilt es zu beseitigen.«

Silas will uns schaden, also muss ich ihm zuvorkommen. Reue wäre unangebracht, meine Leute und Joshua zu schützen, ist das Wichtigste.

Federico übernahm die Ansprache. »Bei Gefährdung von Kameraden geht das Leben unserer Leute über das der anderen. Unsere Leute müssen sicher entkommen und das hat oberste Priorität«, stellte er klar.

Das wäre eine andere Situation, aber Silas lebend zu bekommen, wäre zur Informationsgewinnung besser.

»Wir sollten damit rechnen, dass die Polizei durch die Sprengungen angelockt wird«, fuhr Nicolai fort und wischte auf dem Tablet zum nächsten Bild: eine Satellitenkarte der Region. »Aus diesem Grund werden wir an den Zufahrtsstraßen hier und hier«, er deutete auf zwei Straßen, die zum Industriegebäude führen, »Posten aufstellen, die die Straßen überwachen und uns beim Eintreffen der Polizeieinheiten rechtzeitig warnen. Schätzungsweise sollte die Mission nicht länger als zwanzig Minuten dauern. Wir gehen rein und holen Silas raus.« Er klatschte in die Hände und Adam zuckte zusammen.

Das wird ein knappes Zeitfenster für diese Mission. Machbar, aber knapp.

Ohne meinen Einwand zu nennen, sah ich mich in der Runde um. Jeder war entschlossen, sein Bestes zu geben, aber in einigen Gesichtern erkannte man die Anspannung.

Jemand, der nicht angespannt ist, ist leichtsinnig.

»Bianca, Florian und Serges werden währenddessen aus der Ferne den Angriff leiten und Informationen koordinieren. Jeder der Teams sollte so viele Informationen wie möglich weitergeben, damit wir entsprechend handeln können und die Infos gut fließen.« Nicolai ließ eine Pause, um Fragen Raum zu lassen, aber als niemand reagierte, beendete er die Besprechung. »Bereitet euch vor, wir treffen uns um zwei Uhr morgens, um die letzten Details durchzugehen und aufzubrechen.«

Ein allgemeines Raunen ging durch die Gruppe und vereinzelt verließen die Leute den Raum.

Bastian und ich beschlossen zu warten, Alexander tat es uns gleich.

»Federico?«, fragte ich und stand auf. »Konntet ihr bereits Waffen und Schutzausrüstung für uns besorgen? Falls nicht, müssen wir gleich los, um uns vorzubereiten.«

Bastian folgte mir und stellte sich neben mich.

Giovanni antwortete, bevor sein Sohn es tat. »Selbstverständlich werden wir euch diese zur Verfügung stellen. Die Munition und Waffen haben wir bereits besorgt und ihr könnt sie euch gleich ansehen.«

Dankbar nickte ich.

Für den Sturm werden wir schweres Kaliber benötigen.

»Vielen Dank, das ist sehr aufmerksam«, schloss Bastian sich an. »Dann würden wir das gleich erledigen.«

»Gerne«, begann Federico, »sie sind im Keller untergebracht. Folgt mir bitte.«

Mit einer knappen Verabschiedung trennten wir uns von Giovanni und dem Rest der Leute und folgten Federico.

»Wir haben unsere Ressourcen im Untergeschoss gelagert, damit Besucher nicht zufällig über unsere nicht ganz legalen Tätigkeiten stolpern.« Er zwinkerte uns zu.

Oha, er scheint ja doch Humor zu besitzen.

Neben mir schnaubte Bastian belustigt auf und ich rang mir ein müdes Lächeln ab.

Ein richtiger Spaßvogel.

Er öffnete eine kleine, unauffällige Nebentür, die in den Keller führte, und wir folgten ihm auf eleganten Holzstufen ins Untergeschoss. Der Keller wurde durch eingelassene Spots in regelmäßigen Abständen in warmes Licht getaucht und die Wände waren schlicht und protzten nicht wie die oberen Stockwerke.

»Hier sind Duschen.« Federico deutete auf zwei Türen, die mit der entsprechenden Beschilderung auf Männer und Frauen hinwies. Er hielt inne und öffnete eine weitere Tür zu einem Raum, der im ersten Moment einer Umkleide ähnelte. Die komplette Wand war mit verschlossenen Schränken möbliert und ich wusste sofort, dass hier eine gewaltige Waffensammlung verwahrt wurde.

»Und hier ist unser Waffenraum. Im Schrank geradeaus befinden sich Schutzausrüstungen in allen Größen, bedient euch einfach.«

Bastian und ich bedankten uns, während er anfing, an einem Schlüsselbund zu nesteln.

»Unsere Waffen sind hier«, fuhr er konzentriert fort, während er den richtigen Schlüssel in eines der Schrankschlösser schob und die Türen öffnete.

Bewundernd betrachtete ich die schwarzen MP5, die in ihrer tödlichen Anmut im Licht der Lampen schimmerten.

Bastian nahm eine der Waffen aus dem Schrank und reichte sie mir, bevor er sich selbst eine nahm.

Ehrfürchtig ließ ich meine Fingerspitzen über den Lauf der Waffe gleiten und spürte, wie das Material meine Haut zum Vibrieren brachte. Ich kämpfte nicht oft mit großem Kaliber, aber war mit der Waffe vertraut und hatte unzählige Leben bereits mit einer wie dieser genommen. Routiniert prüfte ich die MP, zog am Durchladehebel, blickte durch die Linse, über die ich meine baldigen Ziele anvisieren würde und lud ein leeres Magazin in den Lauf.

Wir sind bereit für den Kampf. Silas, zieh dich warm an, wir kommen.

Kapitel 6

London Umland, altes Industriegebäude Montag, 27. September – Mayren

Trotz der kühlen Nachtluft schwitzte ich unter meiner Schutzkleidung. Der dicke Stoff der Sturmhaube lag eng an meinem Gesicht und ich wusste, dass er sich während des Einsatzes mit Schweiß vollsaugen würde.

Gemeinsam mit Alexander und Bastian hockte ich hinter einigen kargen Sträuchern, die uns Deckung boten.

Ich suchte Bastians Blick, der mich durch die schmalen Schlitze seiner Sturmmaske beobachtete. Seine grauen Augen leuchteten aufgeregt im fahlen Mondlicht.

»Bereit?«, flüsterte ich ihm zu und spielte damit auf einen Insider zwischen uns an. Er wusste, dass es nur eine richtige Antwort auf diese Frage gab.

»Bereit wie nie zuvor«, sagte er wie erwartet und festigte den Griff um seine MP5.

Zufrieden wandte ich mich der alten Fabrik zu, hinter deren vernagelten Fenstern gedämpftes Licht schimmerte. Keine Bewegungen waren im Gebäude zu erkennen, aber wir wussten, dass Silas im Haus war, sein Motorrad stand neben einigen Autos im Hinterhof.

Angespannt sah ich durch die Blätter des Busches zum Backsteingebäude, während die Ready-Checks begannen und es gleich kein Zurück mehr gab. Rauschen und die Stimmen meiner Kameraden klangen über die Funkverbindung zu mir.

»Sprengtrupp eins bereit.«

»Sprengtrupp zwei bereit.«

Der dritte Sprengtrupp meldete sich und Bianca gab die nächsten Checks durch. »Alle Sprengtrupps bereit. Deckungstrupps?«

Die entsprechenden Teams bestätigten dies nacheinander.

»Alle Deckungstrupps bereit«, wiederholte Biancas Stimme dies in meinem Ohr. »Sturmtrupps?«

Ich atmete tief durch und vergewisserte mich, dass Bastian und Alexander bereit waren, beide nickten mir bestimmt zu.

»Sturmtrupp eins bereit«, hörte ich Nicolais ruhige Stimme.

»Sturmtrupp zwei ebenfalls«, bestätigte ich unsere Position und gemeinsam rappelten wir uns in eine kauernde Position.

»Sturmtrupps bereit«, wiederholte Bianca. »Alle sind auf Position, die Mission startet wie geplant. Sprengtrupps: Platziert die Ladungen. Sturmtrupps: Auf Angriffsposition.«

In meinem Magen kribbelte die Anspannung, aber meine Sinne waren klar und fokussiert. Kein unnötiger Gedanke spukte durch meinen Kopf, als mein Team sich einheitlich erhob, um sich in Position zu bringen. Nach der Sprengung hatten wir keine Zeit zu verlieren und würden das Industriegebäude sofort infiltrieren. Während mein Team für den Verwaltungstrakt zuständig war, würde Nicolai die Produktionshallen sichern.

Wir wichen den Lichtflecken aus, die durch die Fenster fielen, gingen gezielt auf eine Außenwand ohne Fenster zu und hielten an der vereinbarten Stelle unsere Position.

Einige Meter von uns brachte der Sprengtrupp die Ladungen an und verschwand zurück in der Nacht. Alexander brachte einen großen Schutzschild zwischen uns und der Sprengladung in Stellung, damit wir Deckung fanden.

Nach einigen Sekunden hörte ich die Stimme eines Kameraden im Ohr: »Alle Sprengladungen platziert.«

Gleich geht es los.

Unwillkürlich musste ich an Adam denken, der in unserer letzten Besprechung nur still und blass vor sich hingestarrt hatte.

Ob er den Erwartungen der Belluccis gerecht wird?

»Sturmtrupps bereit? Wir können loslegen«

»Sturmtrupp zwei bereit«, entgegnete ich im Flüsterton.

»Trupp eins? Bitte um Rückmeldung«, bat die Stimme des anderen Mannes, der Bianca in der Kommunikation unterstützte.

Florian? Hieß er so?

»Keine Rückmeldung des Trupps«, meldete jemand im Funk.

Ich tauschte einen ungeduldigen Blick mit Bastian, der neben mir auf dem asphaltierten Boden hockte.

Was ist los? Wir haben keine Schüsse gehört, sie sind also nicht entdeckt worden.

»Sturmtrupp eins, Rückmeldung erbeten«, forderte Florian Stimme in meinem Ohr.

Das Gelände ist zu groß, um es mit einem Sturmteam abzudecken. Wir sind auf ein zweites Team angewiesen.

Ungeduldig verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein aufs andere und mein Knie knackte leise.

Wir sind so weit gekommen. Es gibt jetzt kein Zurück mehr! Was ist das verdammte Problem?!

Auffordern sah ich zu unserem Deckungstrupp, als könne er mir die Antwort des Problems liefern.

Wenn Nicolai sein Go nicht gibt, müssen wir uns zurückziehen.

»Deckungstrupp drei, was geschieht bei Sturmtrupp eins?«, forderte Florian mit deutlicher Schärfe nach einer Antwort. Kurz hörte ich das Rauschen in der Leitung und dann die Ansage von Nicolai: »Sturmtrupp eins bereit.«

Es geht los!

»Vorbereitungen beendet«, erklärte Florian über das Headset. »Sprengtrupps bereitmachen für Sprengung in drei … zwei … eins …«

Ich schloss meine Augen, als der Countdown zum Ende kam und sammelte meine gesamte Konzentration in den letzten Sekunden vor dem Einsatz.

Nur wenige Augenblicke später erschütterten mehrere Explosionen die Nacht und Trümmerstücke flogen wie Geschosse durch die kühle Luft. Einige davon prallten vom Schild ab. Nachdem Ruhe eingekehrt war, sprangen wir auf und stürmten mit unseren Waffen im Anschlag auf den entstandenen Eingang zu.

Florians Stimme im Funk nahm ich nur als entferntes Flüstern wahr. »Alle Sprengungen erfolgt, Sturmtrupps auf dem Weg, um sich Zutritt zu verschaffen.«

Die Eingangstür hing schief in den Angeln und das Pad für den Zugangscode baumelte nutzlos an einem braunen Kabel hin und her. Glas, Holz und Metallsplitter waren auf dem gesamten Trümmerfeld verteilt und knirschten unter meinen Sohlen, als ich über die Schwelle trat.

»Sturmtrupp zwei betritt das Gebäude«, meldete ich unsere Truppenbewegung und schob einen Holzbalken mit dem Fuß zur Seite. Ich hielt den Finger locker am Abzug und war jederzeit bereit zu schießen. Hinter mir folgten die Schritte von Bastian und Alexander in die menschenleere Lagerhalle.

Eingestaubte, teilweise verbeulte Kartons standen auf morschen Holzpaletten, aber bargen keine Möglichkeit einer Deckung für mögliche Gegner. Die Neonröhren an der Hallendecke strahlten ein unregelmäßiges, grelles Licht aus.

»Lagerhalle leer«, sagte ich knapp in den Funk und in einer geschlossenen Formation bewegten wir uns gezielt auf den Durchgang zu dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Unternehmens zu. Im hinteren Produktionsbereich hörte ich Schüsse von Nicolais Sturmteam.

Hoffentlich ist der Beschuss bei ihnen kontrollierbar.

Mein Herz klopfte lautstark und das Blut rauschte in meinen Ohren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir ebenfalls unter Beschuss gerieten.

Im selben Moment öffnete sich die schwere Metalltür zum Verwaltungstrakt und ein verwirrt aussehender Mann mittleren Alters trat heraus. Er riss seine Glock nach oben, aber gegen meine Reflexe hatte er keine Chance.

Mit gnadenloser Kälte drückte ich den Abzug und spürte, wie der Rückstoß gegen meine Schulter presste. Jede meiner Kugeln fand ihr Ziel.

Unter schmerzerfüllten Schreien brach der Typ vor der blauen Brandschutztür zusammen und eine dunkle Blutlache breitete sich um seinen Körper aus. Sein Atem ging flach und röchelnd, aber ich empfand kein Mitleid – das tat ich nie für meine Feinde.

»Gegner niedergestreckt«, sagte ich knapp und ging auf den Mann zu. Seine Augen waren glasig geworden und er starrte regungslos an die Decke. Meine Kugeln hatten seine Brust durchschlagen und ihren Weg zielsicher in seine überlebenswichtigen Organe gefunden.

Ich warf ihm nur einen weiteren Blick zu, um sicherzugehen, dass er tot war, bevor ich mich der Tür zuwandte, die in die Verwaltung führte. Nach den Sprengungen und den ersten Schüssen ist unser Überraschungsmoment verloren.

Bastian hatte eine Handgranate von seinem Gürtel gelöst und ich nickte ihm bestätigend zu.

Hinter dieser Tür geht es nach rechts direkt in einen ehemaligen Büroraum und geradeaus in das Foyer. Von dort gehen ebenfalls mehrere Türen in Büroräume und Toiletten ab.

Mit meiner freien Hand stieß ich die Tür einen Spalt auf, worauf Bastian die Granate hindurchwarf, und zog sie wieder zu. Dumpf hörte ich auf der anderen Seite aufgeregte Rufe, bevor die Explosion unseren Vormarsch signalisierte. Die Tür vibrierte unter meinen Fingerspitzen, aber hielt stand und ich stieß sie erneut auf.

Blut tropfte von den Tapeten, färbte den kleinen Flur in den Farben eines Massakers, während sich Bruchstücke von den Wänden gelöst hatten und sich über die Leichen verteilten. Eine Sprengkraft wie diese konnte keiner überleben. Die Brutalität, mit der wir vordrangen, war unaufhaltsam, wie eine tödliche Einheit an Schatten, die die Böden mit Blut färben wollte.

Bastian und ich prüften das leere Büro, bevor wir uns für den Vorstoß in die Verwaltung vorbereiteten, da Silas nicht unter den Leichen am Boden lag. »Büro vier gesichert«, sagte ich knapp. »Zwei Tote, Zielperson nicht darunter.«

Ich atmete tief aus und der Atem wärmte mein Gesicht im Stoff der Sturmmaske. Vorsichtig machte ich einen Schritt durch den Türrahmen in den offenen Verwaltungsflur.

Ein leises Klicken, links von mir, ließ mich herumwirbeln, doch da hörte ich schon einen Schuss. Ein punktueller, dumpfer, aber starker Schmerz traf mich an meiner linken Rippe und ein leises Keuchen entfuhr mir.

Ich … wurde getroffen.

Adrenalin strömte verstärkt durch meinen Körper, übertönt den Schmerz und intuitiv riss ich den Lauf meiner Waffe herum. Unter meinen Schüssen fiel der Mann sofort zu Boden und starb mit einem Röcheln. Ich hörte laute und aufgeregte Stimmen in den Räumen dahinter und schnelle Schritte, die mir verrieten, dass mehr Feinde auf uns warteten.

Rückwärts drängte ich zurück in den schmalen Flur, aus dem ich gekommen war.

»May, bist du getroffen?«, fragte Bastian und seine Stimme war ungewöhnlich scharf.

Eine Salve an Schüssen schlug einen Sekundenbruchteil später an der Wand neben uns ein und löste den Putz in großen Brocken von der Wand, begleitet von einer weißen Staubwolke.

»Sturmtrupp zwei unter Beschuss«, gab ich konzentriert durch, bevor ich an meiner getroffenen Seite heruntersah. Die Schutzweste hatte eine Schramme an der Stelle davongetragen, an welcher ich getroffen wurde, aber das Projektil verlässlich abgefangen.

»Ich bin unverletzt«, sagte ich zu Bastian über den Lärm der Schüsse hinweg.

»Überlass das uns, May.« Bastian und Alexander drängten sich sanft an mir vorbei und bereitwillig machte ich ihnen Platz. Erneut strich ich über den getroffenen Teil meiner Weste, aber es blieb nichts zurück, als ein dumpfer Schmerz an meinen Rippen.

Zu Glück hatte ich diese scheiß Weste an.

Bastian hatte eine weitere Handgranate gezückt und stimmte sich mit Alexander bezüglich des Timings ab. Auf ein vereinbartes Nicken des Letzteren schob dieser sein Schild in das Sperrfeuer.

Bastian machte einen Schritt hinterher und warf das entsicherte Geschoss über die Deckung.

»Granate!«, hörte ich die warnenden Schreie und sofort erlosch der Kugelhagel.

Ich hörte den metallischen Aufprall der Granate, dann einen zweiten, dicht gefolgt von der Explosion. Mit einem großen Schritt trat ich zu meinem Team und musterte die Lage. Dem nächststehenden Gegner hatte die Detonation die Beine zerfetzt und er brüllte vor Schmerzen, aber verstummte schnell, als Bastian das Feuer eröffnete und ihn hinrichtete.

Ich zielte auf einen seiner Kameraden, der kurz vor dem sicheren Schutz eines Türrahmens war, schoss ihn nieder, bis mein Abzug klickend nachgab. »Nachladen«, sagte ich knapp, damit sich mein Team darauf einstellte, mir Feuerschutz zu geben. Mit geübten Griffen entnahm ich das leere Magazin, griff ein volles aus dem Holster an meinem linken Oberschenkel und lud es nach.

Hinter mir ließ Alexander das beschädigte Schild achtlos fallen und schloss sich unseren Bewegungen an.

»Scheiße! Sie kommen!«, rief eine angsterfüllte Stimme vor uns. Ein leises Quietschen ertönte und ein leichter Windzug trieb den Staub durch den Flur.

Sie versuchen, durch die Fenster zu fliehen.

»Achtung an Deckungstrupp vier«, gab ich in den Funk durch, während wir uns wie Raubtiere durch den Gang bewegten und bereit waren zuzuschlagen. »Ziele versuchen vermutlich durch die Fenster zu fliehen.«

Abgeplatzte Putzbrocken knirschten unter meinen Schritten und wurden zu Staub zermahlen. Blut mischte sich in den Staub und bildete eine unansehnliche Masse, die an meinen Sohlen klebte und Abdrücke hinterließ.

Eine kleine Tür links von mir führte zu einer Toilette.

Mit einer entsprechenden Geste deutete ich Bastian und Alexander an, dass sie ihre Augen auf den Raum mit unseren Gegnern halten sollten und ich das Klo sichern würde.

Schwungvoll stieß ich die Tür auf und schoss in den dunklen Raum. Meine Kugeln durchschlugen die dünne Trennwand zur Toilettenkabine und ein Schrei, gefolgt von einem Sturz, war zu hören. Die Regungen erloschen und ich ließ die Tür zufallen.

Wir gingen nur wenige Schritte, hielten an der Damentoilette und wiederholten das Prozedere. Diesmal schrie keiner und ohne Feindkontakt zogen wir weiter.