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Reclaiming Quality Development: E-Book

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Beschreibung

Mit dieser Ausgabe der Zeitschrift für Hochschulentwicklung soll die Diskussion über die Rolle der Lehrenden in der Qualitätsentwicklung und im Zusammenspiel mit dem Qualitätsmanagement angeregt werden. Die neun Beiträge des Hefts lassen sich in zwei übergeordnete Themenbereiche einteilen: Der erste Themenbereich umfasst die Fragen, wie die beteiligten Akteure Qualitätsmanagement wahrnehmen, wie sie damit umgehen und welche Wirkungen und Effekte Qualitätsmanagement in Bezug auf die Akteure entfaltet. Der zweite Themenbereich fokussiert auf partizipative Qualitätsentwicklung zwischen Lehrenden und Hochschulforschung bzw. Hochschuldidaktik. Das Heft umfasst weiters noch vier freie Beiträge zu allgemeinen Themen der Hochschulentwicklung.

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Inhalt

Vorwort

Editorial: Reclaiming Quality Development: Forschung über Lehre und Studium als Teil der Qualitätsentwicklung

Philipp Pohlenz, Isabel Steinhardt, Marianne Merkt

Bedingte Wirksamkeit von QM in Studium und Lehre: Ergebnisse einer Delphi-Studie

Benjamin Ditzel

Ohne Kreativität keine Effizienz – QM in Lehre und Studium aus ökonomischer Perspektive

Michael Krohn

Qualitätsmanagement als Kommunikationsaufgabe – eine netzwerkanalytische Betrachtung

Christoph Rosenbusch, Mareike Tarazona

Forschungsbasierte Qualitätsentwicklung für die Studieneingangsphase

Miriam Barnat, Elke Bosse, Julia Mergner

Angewandte Hochschulforschung am Beispiel der Mathematik in den Ingenieurwissenschaften

Marianne Merkt, Karsten Krauskopf, Cornelia Breitschuh

Von der empirischen Hochschulforschung im Prozess der kommunikativen Validierung zur partizipativen Qualitätsentwicklung von Hochschullehre

Mandy Schulze, Maria Kondratjuk

Bürokratische Zielverschiebung: Negativeffekte von Evaluationen theoretisch rekonstruieren und praktisch vermeiden

Christof Arn, Franz Röösli

Partizipative Qualitätsentwicklung – ein Königsweg für die wissenschaftliche Weiterbildung?

André Bisevic, Andrea Broens, Annika Schmitt, Heinke Röbken, Detlef Kuhl

Kompetenzorientierte Lehrveranstaltungsevaluation an Musikhochschulen

Melanie Franz-Özdemir, Frederic Neuß

Freie Beiträge

Entwicklung eines Instruments zur Analyse Forschenden Lernens

Eileen Lübcke, Gabi Reinmann, Anna Heudorfer

Schreibförderung lernen: Lehramtsstudierende als Schreibcoach/innen – ein Lehrexperiment

Marei Kotzerke, Moti Mathiebe, Joachim Grabowski

Als Lehrkraft berufsbegleitend studieren – Herausforderungen bei der Vereinbarung von Studium, Beruf und Familie

Daniel Kittel, Wolfram Rollett

Einstellung deutscher Professorinnen/Professoren zu Universitätszielen und das affektive Commitment – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung

Benedict Jackenkroll, José Manuel Pereira, Ewald Scherm

Vorwort

Als wissenschaftliches Publikationsorgan des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria kommt der Zeitschrift für Hochschulentwicklung besondere Bedeutung zu. Zum einen, weil sie aktuelle Themen der Hochschulentwicklung in den Bereichen Studien und Lehre aufgreift und somit als deutschsprachige, vor allem aber auch österreichische Plattform zum Austausch für Wissenschafter/innen, Praktiker/innen, Hochschulentwickler/innen und Hochschuldidaktiker/innen dient. Zum anderen, weil die ZFHE als Open-Access-Zeitschrift konzipiert und daher für alle Interessierten als elektronische Publikation frei und kostenlos verfügbar ist.

Die Jahresbesuchszahl liegt in den Jahren 2014 und 2015 bei mehr als 30.000 Besucher/innen pro Jahr. Die Besuche pro Monat zeigen Spitzenwerte von mehr als 3.500 Besucherinnen und Besuchern pro Monat; dies entspricht durchschnittlich mehr als 100 Besucherinnen/Besuchern pro Tag, die Inhalte der Zeitschrift konsumieren. Gleichzeitig hat sich die Zeitschrift mittlerweile einen fixen Platz unter den fünfzig besten deutschsprachigen Wissenschaftspublikationen laut Google Scholar Metrics gesichert.

Dieser Erfolg ist einerseits dem international besetzten Editorial Board sowie den wechselnden Herausgeberinnen und Herausgebern zu verdanken, die mit viel Engagement dafür sorgen, dass jährlich mindestens vier Ausgaben erscheinen. Andererseits gewährleistet das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch seine kontinuierliche Förderung das langfristige Bestehen der Zeitschrift. Im Wissen, dass es die Zeitschrift ohne diese finanzielle Unterstützung nicht gäbe, möchten wir uns dafür besonders herzlich bedanken.

Mit dieser Ausgabe der Zeitschrift für Hochschulentwicklung soll die Diskussion über die Rolle der Lehrenden in der Qualitätsentwicklung und im Zusammenspiel mit dem Qualitätsmanagement angeregt werden. Die ausgewählten Beiträge lassen sich in zwei übergeordnete Themenbereiche einteilen: Der erste Themenbereich umfasst die Fragen, wie die beteiligten Akteure Qualitätsmanagement wahrnehmen, wie sie damit umgehen und welche Wirkungen und Effekte Qualitätsmanagement in Bezug auf die Akteure entfaltet. Der zweite Themenbereich fokussiert auf partizipative Qualitätsentwicklung zwischen Lehrenden und Hochschulforschung bzw. Hochschuldidaktik.

Seit der Ausgabe 9/3 ist die ZFHE auch in gedruckter Form erhältlich und beispielsweise über Amazon beziehbar. Als Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria freuen wir uns, das Thema „Hochschulentwicklung“ durch diese gelungene Ergänzung zur elektronischen Publikation noch breiter in der wissenschaftlichen Community verankern zu können.

In diesem Sinn wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe!

Martin Ebner und Hans-Peter Steinbacher

Präsidenten des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria

Isabel STEINHARDT1 (Kassel), Philipp POHLENZ & Marianne MERKT (Magdeburg)

Editorial: Reclaiming Quality Development: Forschung über Lehre und Studium als Teil der Qualitätsentwicklung

Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung haben sich insbesondere im Zuge der Einführung neuer Steuerungsmodelle (New Public Management) im Alltag der Hochschulen etabliert. Viele Hochschulen haben zu diesem Zweck eigene Einrichtungen, wie etwa Zentren für Qualitätsmanagement oder Stabsstellen eingerichtet. Die in diesen Einrichtungen tätigen Personen bringen ihrerseits vielfach Expertise im Bereich der empirischen Sozialforschung bzw. Evaluationsforschung oder auch im Bereich der Hochschulentwicklung und Hochschuldidaktik mit, in vielen Fällen ist jedoch auch unklar, inwieweit sie als „Seiteneinsteiger“ über einschlägige Qualifikationen für die Übernahme einer Tätigkeit in diesem Bereich bereits verfügen. Der Idee nach setzen sie für ihre Arbeit wissenschaftliche Methoden ein, sie sind zugleich aber nicht Teil des Wissenschaftsbetriebs im engeren Sinne. Daraus speist sich zugleich ein Akzeptanzproblem der Arbeit von „Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanagern“ im Lehrkörper: Die Tatsache, dass sie in ihrer Tätigkeit als Lehrende von Personen beraten (oder gar bewertet) werden, die ihrerseits keine oder nur geringe Lehrerfahrungen haben, wird vielfach als Zeichen für die fehlende Güte der eingesetzten Evaluations- bzw. Qualitätsmanagementverfahren gewertet. Zugleich ist aber vermutlich gerade auch durch die Institutionalisierung dieser Verfahren das Selbstverständnis für die eigene Beteiligung des Lehrkörpers an der Durchführung von systematischen Qualitätsentwicklungsverfahren aus dem Blick geraten.

Gerade die Institutionalisierung der Verfahren und die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen an Hochschulen standen bisher meist im Zentrum von Untersuchungen (SEYFRIED & ANSMANN, 2017; BRASE, ANSMANN & SEYFRIED, 2015). Die gestellten Fragen richteten sich dabei auf: Welche Instrumente, Verfahren und Prozesse wurden mit welcher Wirkung und welchen Problemen entwickelt und institutionalisiert (a.a.O.) und welches Professionsverständnis der Verantwortlichen herrscht vor? (STEINHARDT, 2015; KLOKE, 2014; SCHNEIJDERBERG et al., 2013; Beiträge in der Ausgabe 5/4 der ZFHE) Wenig systematisch wurde bisher allerdings die Rolle der Lehrenden als Trägerinnen und Träger der Qualität von Studium und Lehre als entscheidender Faktor für die Qualitätsentwicklung und auch das Qualitätsmanagement in Hochschulen in den Blick genommen.

Mit dieser Ausgabe der Zeitschrift für Hochschulentwicklung wollen wir die Diskussion über die Rolle der Lehrenden in der Qualitätsentwicklung und im Zusammenspiel mit dem Qualitätsmanagement anregen. Ziel des Call for Papers war es, wissenschaftliche Beiträge und Werkstattberichte zu erhalten, die sich mit der Frage „Reclaiming Quality Assurance“ durch und mit Lehrenden beschäftigen. Die für das Themenheft ausgewählten Beiträge lassen sich in zwei übergeordnete Themenbereiche einteilen: Der erste Themenbereich umfasst die Fragen, wie die beteiligten Akteure Qualitätsmanagement wahrnehmen, wie sie damit umgehen und welche Wirkungen und Effekte Qualitätsmanagement in Bezug auf die Akteure entfaltet. Der zweite Themenbereich fokussiert auf partizipative Qualitätsentwicklung zwischen Lehrenden und Hochschulforschung bzw. Hochschuldidaktik.

In diesen identifizierten Themenschwerpunkten spiegelt sich eine Trennung zwischen Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung. Werden für die Belange der Qualitätsentwicklung Lehrende durchaus als zu beteiligende Akteure wahrgenommen, scheint das Qualitätsmanagement Lehrende zwar als Akteure im System zu verstehen, aber nicht als „Partizipationsaspiranten“. Dies kann zum einen durch die dem Qualitätsmanagement typischerweise zu Grunde liegende Steuerungslogik (Legitimation von Leistungen der Hochschule gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit, mit dem Resultat einer geringen Fehlertoleranz) und zum anderen durch die fehlende Forschungsbeteiligung Lehrender innerhalb des Qualitätsmanagements im Sinne einer auf die Entwicklung der Lehrqualität gerichteten Praxisforschung (STEINHARDT & SCHNEIJDERBERG, 2017; SCHMIDT, 2010) erklärt werden. Die Qualitätsentwicklung wiederum bedient sich zum einen des Wissens von Lehrenden über professionelle Lehre (sei dieses implizites Erfahrungswissen oder durch Praxisforschung, wie etwa im Format der design-based research expliziert) und zum anderen werden gezielt Forschungsergebnisse (wie etwa diejenigen der hochschuldidaktischen Hochschulforschung in die Weiterentwicklung von Curricula) einbezogen.

1 Themenbereich „Umgang und Wirkung von Qualitätsmanagement“

Im ersten Themenbereich setzt sich Benjamin Ditzel in seinem Beitrag „Bedingte Wirksamkeit von QM in Studium und Lehre“ mit unterschiedlichen Akteursperspektiven auseinander. Er wählt dabei die Sensemaking-Perspektive von WEICK (1995), in der Wirksamkeit als kognitive und soziale Konstruktion begriffen und als Wirksamkeitszuschreibung rekonstruiert wird. Mittels einer qualitativen Delphi-Studie werden theories of use der Akteurinnen und Akteure rekonstruiert und aufgezeigt, dass sich formal-managerielle und alternative Interpretationen von Qualitätsmanagement gegenüberstehen. Diese Interpretationen beeinflussen sowohl die Wirksamkeitszuschreibungen von Qualitätsmanagement als auch das Handeln im jeweiligen sozialen und organisationalen Kontext.

Michael Krohn analysiert in seinem Beitrag „Ohne Kreativität keine Effizienz – QM in Lehre und Studium aus ökonomischer Perspektive“ die Verhaltensunsicherheiten zwischen den zentralen Akteurinnen und Akteuren von Qualitätsmanagementsystemen. Dadurch werden die Stärken und Schwächen von Qualitätsmanagementsystemen herausgearbeitet, die auf extrinsische Anreize setzen. Krohn zeigt aufgrund der durchgeführten Analyse Entwicklungsmöglichkeiten für das Qualitätsmanagement durch die Integration rationaler und kreativer Elemente auf.

In ihrem Werkstattbericht „Qualitätsmanagement als Kommunikationsaufgabe“ reflektieren Christoph Rosenbusch und Mareike Tarazona in Anlehnung an die soziale Netzwerkanalyse Kommunikationsstrukturen des Qualitätsmanagements. Anhand von zwei Beispielen wird aufgezeigt, wie Kommunikation gestaltet werden kann und welche Rolle kommunikative Prozesse und dadurch beeinflusste Bedingungen für Informationsfluss, gemeinsame Denk- und Interpretationsschemata sowie Vertrauen spielen.

2 Themenbereich „Qualitätsentwicklung durch Integration von Forschung und Wissen von Lehrenden“

In ihrem Beitrag „Forschungsbasierte Qualitätsentwicklung für die Studieneingangsphase“ präsentieren Miriam Barnat, Elke Bosse und Julia Mergner einen Analyserahmen, in dem für die Studieneingangsphase Forschungsverfahren und -ergebnisse für die Qualitätsentwicklung nutzbar gemacht werden.

Marianne Merkt, Karsten Krauskopf und Cornelia Breitschuh stellen in ihrem Beitrag „Angewandte Hochschulforschung am Beispiel der Mathematik in den Ingenieurwissenschaften“ Kooperationsformen zwischen Hochschuldidaktik und Lehrenden vor. Diskutiert wird die Frage, welche methodologischen Anforderungen sich in Bezug auf ein solches Forschungs- und Entwicklungsdesign stellen, das eine Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre unterstützen soll.

Als entscheidender Faktor für die Qualitätsentwicklung werden im Beitrag „Von der empirischen Hochschulforschung im Prozess der kommunikativen Validierung zur partizipativen Qualitätsentwicklung von Hochschullehre“ von Mandy Schulze und Maria Kondratjuk die Lehrenden angesehen. Durch das Instrument der kommunikativen Validierung, das im Zentrum des Beitrages steht, wurden die Lehrauffassungen der Hochschullehrenden rekonstruiert und für die partizipative Qualitätsentwicklung nutzbar gemacht.

Christof Arn und Franz Röösli gehen in ihrem Beitrag „Bürokratische Zielverschiebung: Negativeffekte von Evaluationen theoretisch rekonstruieren und praktisch vermeiden“ der Frage nach, welche nachteiligen Effekte Evaluationen in Hochschulen haben, wie diese entstehen und warum. Darauf aufbauend wird weiter gefragt, was dies für die Gestaltung von Evaluationen und Qualitätsmanagement bedeutet. Für ihre theoretische Analyse verwenden sie das Konzept der bürokratischen Zielverschiebung (displacement of goals) von Merton, in dem die Verkehrung von Mittel und Zweck in Organisationen beleuchtet wird. Ziel ist es, Formen der Qualitätsentwicklung zu finden, welche mit dieser Schwierigkeit produktiv umgehen.

Im Werkstattbericht „Partizipative Qualitätsentwicklung – ein Königsweg für die wissenschaftliche Weiterbildung?“ von André Bisevic, Andrea Broens, Annika Schmitt, Heinke Röbken und Detlef Kuhl werden Praxiserfahrungen von der partizipativen Entwicklung von Qualitätsstandards geschildert. Dargelegt werden dabei auch spezifische Auffassungen von Qualität in der Hochschullehre.

Für die Entwicklung „Kompetenzorientierte Lehrveranstaltungsevaluation an Musikhochschulen“ schildern Melanie Franz-Özdemir und Frederic Neuß in ihrem Werkstattbericht, wie adäquate Items für Lehrveranstaltungsevaluation des Ensembleunterrichts generiert wurden. Dabei sind die enge Zusammenarbeit mit Lehrenden und die Nutzbarmachung der Expertise durch die Lehrenden zentrale Ansätze.

Die in die vorliegende Ausgabe der ZFHE aufgenommenen Beiträge zeigen ein breites Spektrum an Ansätzen und Forschungsergebnissen, die für die zukünftige Entwicklung von Qualitätssicherungs- und -entwicklungsverfahren genutzt werden können. Anliegen ist es insbesondere, Potenziale auszuloten, wie die in den vergangenen Jahren institutionalisierten Qualitätsmanagementprozeduren enger mit der Forschungslogik des Wissenschaftsbetriebs gekoppelt werden können, um zum einen Akzeptanzprobleme der entsprechenden Verfahren zu lösen und zum anderen den Verfahren selber eine höhere Praxisrelevanz und Potenzial für die Professionalisierung der Lehre zu verleihen.

3 Literaturverzeichnis

Brase, A., Ansmann, M. & Seyfried, M. (2015). WiQu – Wirkungsforschung in der Qualitätssicherung von Lehre und Studium. Kurzbericht zur Online-Befragung. http://www.uni-potsdam.de/fileadmin01/projects/lsverwaltung/WiQu_Kurzbericht_Onlinebefragung_final.pdf, Stand vom 26. September 2017.

Kloke, K. (2014). Qualitätsentwicklung an deutschen Hochschulen. Professionstheoretische Untersuchung eines neuen Tätigkeitsfeldes. Wiesbaden: Springer VS.

Schmidt, U. (2010). Anmerkungen zum Stand der Qualitätssicherung im deutschen Hochschulsystem. In A. Oppermann et. al. (Hrsg.), Lehre und Studium professionell evaluieren: Wie viel Wissenschaft braucht die Evaluation? (S. 17-32). Bielefeld: UniversitätsVerlagWebler.

Seyfried, M. & Ansmann, M. (2017). Unfreezing higher education institutions? Understanding the introduction of quality management in teaching and learning in Germany. Higher Education.http://dx.doi.org/10.1007/s10734-017-0185-2

Schneijderberg, C., Merkator, N., Teichler, U. & Kehm, B. M. (Hrsg.) (2013). Verwaltung war gestern? Neue Hochschulprofessionen und die Gestaltung von Studium und Lehre. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Steinhardt, I. (2015). Evaluationsprofessionalisierung und Methodenkenntnis – ein untrennbares Paar in Hochschulen? Qualität in der Wissenschaft, 9(1), 9-15.

Steinhardt, I. & Schneijderberg, C. (2017). Legitimität von Daten und Wissen der Qualitätssicherung bzw. des Qualitätsmanagements. In T. Scheytt, B. Ditzel, F. Reith, M. Seyfried & I. Steinhardt (Hrsg.), Forschungsperspektiven auf Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement an Hochschulen (im Erscheinen). München: Rainer Hampp.

Herausgeber/innen

Dr. Isabel STEINHARDT || Universität Kassel, International Centre of Higher Education Research (INCHER) Kassel || Mönchebergstr. 17, D-34109 Kassel

[email protected]

Prof. Dr. Philipp POHLENZ || Otto-von-Guericke-Universität Magdbeburg, Humanwissenschaftliche Fakultät || Zschokkestr. 32, D-39104 Magdeburg

[email protected]

Prof. Dr. Marianne MERKT || Hochschule Magdeburg-Stendal, Zentrum für Hochschuldidaktik und angewandte Hochschulforschung || Breitscheidstr. 2, D-39114 Magdeburg

[email protected]

1 E-Mail: [email protected]

Benjamin DITZEL2 (Hamburg)

Bedingte Wirksamkeit von QM in Studium und Lehre: Ergebnisse einer Delphi-Studie

Zusammenfassung

Dieser Beitrag setzt sich mit der Wirksamkeit von QM im Bereich Studium und Lehre aus unterschiedlichen Akteursperspektiven auseinander. Ausgehend von der Sensemaking-Perspektive (WEICK, 1995) wird Wirksamkeit als kognitive und soziale Konstruktion begriffen und als Wirksamkeitszuschreibung rekonstruiert. Auf der Grundlage einer qualitativen, als Delphi-Studie organisierten Expertenbefragung werden unterschiedliche theories in use (ARGYRIS & SCHÖN, 1996) zur Wirksamkeit von QM herausgearbeitet. Dabei stehen sich formal-managerielle sowie ‚alternative‘ Interpretationen von Steuerung bzw. QM gegenüber. Im Sinne von Denk- und Interpretationsmustern beeinflussen diese Theorien nicht nur die Wirksamkeitszuschreibungen der Akteurinnen und Akteure, sondern auch deren Handeln im jeweiligen sozialen und organisationalen Kontext.

Schlüsselwörter

Wirksamkeit, Qualitätsmanagement, Studium und Lehre, Steuerung, Sensemaking

Limited effectiveness of quality management in teaching and learning: Results of a Delphi-study

Abstract

This paper deals with the effectiveness of QM in teaching and learning from different perspectives. In line with the sensemaking approach (WEICK, 1995), efficacy is conceptualized as a cognitive and social construction and reconstructed as an efficacy ascription by the actors. On the basis of a qualitative expert survey organized as a Delphi study, different theories in use (ARGYRIS & SCHÖN, 1996) concerning the effectiveness of QM are reconstructed. Such theories become manifest in formal managerial interpretations of control and QM on the one hand, and in ‘alternative’ interpretations on the other hand. When understood as patterns of thought and interpretation, these theories influence not only the ascription of effectiveness by the actors, but also their actions in the respective social and organizational context.

Keywords

Effectivness, quality management, teaching and learning, organisational control, sensemaking

1 Einleitung

An Hochschulen im deutschsprachigen Raum ist ein Paradigmenwechsel von der Sicherung zur Steuerung der Qualität zu beobachten (HRK, 2006; WINDE, 2010). Dies zeigt sich in besonderer Weise durch die Einführung der Systemakkreditierung in Deutschland bzw. des Quality Audits in Österreich und der Schweiz. Organisationale Aspekte der Steuerung durch Qualitätssicherung (QS), Qualitätsentwicklung (QE) und Qualitätsmanagement (QM) finden in empirischen Untersuchungen zu den Effekten und zur Wirksamkeit bislang jedoch wenig Beachtung (LEDERMÜLLER, MITTERAUER, SALMHOFER & VETTORI, 2015, S. 4).

Dabei bewegt sich die Frage nach der Steuerbarkeit in einem paradoxen Spannungsfeld. Auf der einen Seite steht der Diskurs der Managerialisierung der Hochschulsteuerung mit der Leitidee der ‚gesteuerten Hochschule‘. Dieser Diskurs schließt an Vorstellungen des New Public Management an. Es wird davon ausgegangen, dass die Hochschule aufgrund der gegenüber der staatlichen Regulierung zugenommenen institutionellen Autonomie einer Rechenschaftslegung (Accountability) sowie einer hochschulinternen Steuerung bedarf. Auf der anderen Seite werden im Anschluss an den Diskurs zur Hochschule als ‚spezifische Organisation‘ (PELLERT, 1999; MUSSELIN, 2007) durchaus Zweifel an der Steuerbarkeit der Hochschule bzw. an der Wirksamkeit managerieller Steuerungspraktiken zum Ausdruck gebracht (HABERSAM, 2000; KRÜCKEN, 2008).

Eine Auseinandersetzung mit den Effekten und der Wirksamkeit von QM als Steuerungsinstrument bewegt sich in diesem paradoxen Spanungsfeld. Gleichzeitig steht eine solche Wirkungsforschung vor der Herausforderung, dass es angesichts der Unbestimmtheit wesentlicher Begrifflichkeiten des Untersuchungsfeldes – wie Qualität, QM, (intendierte) Effekte – an definierten und akzeptierten Bezugsrahmen für eine Bewertung fehlt. Das organisationale Geschehen der Implementierung von QS/QM-Systemen ist durch die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Akteursperspektiven (VETTORI & LUEGER, 2011) und die damit verbundenen Interpretationsleistungen durch die handelnden Akteurinnen und Akteure (NEWTON, 2002) geprägt. Dies hat Einfluss auf die Wirkungsweise, Wirkung und Wirksamkeit von QS/QM.

Die Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken steht im Fokus dieses Beitrags. Als Steuerungspraktiken werden Aktivitäten verstanden, die auf eine Beeinflussung des Handelns der Akteurinnen und Akteure (insbesondere der Lehrenden) im Hinblick auf die Qualität von Studium und Lehre gerichtet sind. Ausgangspunkt ist die Frage, welche Effekte die Implementierung managerieller Steuerungsvorstellungen auf die Handlungspraktiken von Hochschulakteurinnen bzw. -akteuren zeigt und wie sich die Wirksamkeit der Steuerungspraktiken angesichts unterschiedlicher Akteursperspektiven beschreiben lässt.

Diesen Fragen wird aus der Sensemaking-Perspektive (WEICK, 1995) und auf der Grundlage einer qualitativen, als Delphi-Studie organisierten Expertenbefragung nachgegangen. Im Anschluss an die Sensemaking-Perspektive werden Wirkung und Wirksamkeit als Zuschreibungen durch die handelnden Akteurinnen und Akteure konzeptualisiert. Über die Rekonstruktion unterschiedlicher Interpretationsmuster bzw. theories in use (ARGYRIS & SCHÖN, 1996) lässt sich dabei ein Verständnis für die Unterschiedlichkeit der Wirksamkeitszuschreibungen entwickeln.

2 Die Sensemaking-Perspektive

Die Sensemaking-Perspektive (WEICK, 1995) geht zunächst der Frage nach, wie Individuen mit der sie umgebenden Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität umgehen. Um den kontinuierlichen Ereignisstrom auf ein kognitiv verarbeitbares Maß zu reduzieren, bringen sie Ordnung in das Chaos. Aus der Fülle der Ereignisse werden einzelne als relevant erscheinende Eindrücke, Hinweise, Aspekte – WEICK spricht von cues – herausgegriffen. Die Aufmerksamkeit wird auf diese cues gerichtet und sie werden in eigene kognitive Prozesse des Interpretierens und Verstehens eingeklammert. Ziel ist es, die Umwelt und das eigene Handeln in dieser Umwelt verstehbar zu machen und damit Handlungsfähigkeit herzustellen.

Der Prozess des Bemerkens und Einklammerns, den WEICK als Enactment bezeichnet, führt dazu, dass Umwelt nicht etwas ist, das objektiv, unabhängig von der Beobachterin oder vom Beobachter gegeben ist und auf das nur reagiert wird. Vielmehr erfinden sich die handelnden Akteurinnen und Akteure ihr eigenes Bild, indem sie einzelne Aspekte als relevant erachten, andere nicht. Damit zwingen sie dem Ereignisstrom eine eigene Ordnung auf. Diese erlaubt es, die Eindrücke aus der Umwelt zu verarbeiten und als Basis weiterer Handlungen zu verwenden, die auf der Grundlage des Sensemaking plausibel erscheinen. Dem Bemerken und Einklammern von cues folgen Prozesse des Interpretierens und Verstehens, die WEICK als Selektion bezeichnet. Es wird versucht, den bemerkten Aspekten einen Sinn aufzuerlegen. Dabei spielen kognitive Denkmuster, Schemata, Bezugsrahmen, sogenannte frames eine Rolle, in denen vergangene Interpretations- und Handlungsmuster gespeichert werden. Sinn begreift WEICK als Verknüpfung von cues mit passenden frames. Die frames dienen in Form von Sinnkonstruktionen der Orientierung des eigenen Handelns in einer unsicheren, mehrdeutigen und komplexen Umwelt. Gleichzeitig wirken sie auf zukünftige Prozesse des Enactment und der Selektion zurück, indem sie sowohl das Bemerken und Einklammern von cues als auch deren Verknüpfung mit frames zu neuen Sinnkonstruktionen beeinflussen.

Den Sensemaking-Ansatz als Forschungsperspektive heranzuziehen, hat weitreichende Implikationen für die epistemologische Betrachtung des empirischen Phänomens sowie den methodologischen Forschungszugang. (1) Epistemologisch lassen sich zentrale Begrifflichkeiten als Konstruktionen begreifen. Effekte, Wirksamkeit und Steuerungspraktiken existieren nicht per se in einer eindeutigen und objektiv darstellbaren Form, sondern sie werden in spezifischen Kontexten kognitiv und sozial konstruiert. Wirksamkeit lässt sich damit interpretieren als Wirksamkeitszuschreibung. (2) Gleichzeitig ermöglicht eine derartige Forschungsperspektive, über eine Feststellung von Effekten/Wirksamkeitsurteilen hinauszugehen und auf die Rekonstruktion von Interpretationsmustern zu fokussieren, die dazu beitragen, dass bestimmte Steuerungspraktiken als wirksam/nicht-wirksam konstruiert werden. Genau hierin liegt die methodologische Implikation: Es geht darum, das Sensemaking der Akteurinnen und Akteure zu den Effekten bzw. zur Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken empirisch zu rekonstruieren, um es besser zu verstehen. Dies erfolgt durch die Rekonstruktion von Theorien des Feldes – im Sinne von theories in use (ARGYRIS & SCHÖN, 1996) – zur Wirkungsweise und Wirksamkeit von QS/QM. Das Konzept der frames spielt demnach für die Analyse im Sinne von Interpretations- und Orientierungsmustern eine zentrale Rolle.

3 Qualitative Delphi-Studie

Die Analyse in diesem Beitrag basiert auf einer mehrstufigen, als Delphi-Studie organisierten Expertenbefragung. Diese ist qualitativ angelegt und im Rahmen eines Forschungsprojekts in ein komplexes Forschungsdesign – bestehend aus einer Fallstudienanalyse an zwei deutschen Hochschulen sowie mehrere Fokusgruppenworkshops – eingebunden. Bei der Delphi-Methode handelt es sich um eine schriftliche Befragung von Expertinnen und Experten in mehreren aufeinander aufbauenden Befragungsrunden. Die Zwischenergebnisse werden jeweils an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer rückgekoppelt, wodurch ein anonymer, zeitlich und örtlich entkoppelter Gruppendiskussionsprozess entstehen kann (AMMON, 2009).

Im Design des Forschungsprojekts fällt der Delphi-Studie die Aufgabe zu, die Analyse der Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken in den übergeordneten Diskurs zur Steuerbarkeit von Hochschulen einzubetten und die vielfältigen Erkenntnisse aus den qualitativen Interviews im Hinblick auf relevante Themenfelder zu strukturieren und zu verdichten. Inhaltlich begründet sich die Anwendung der Delphi-Methode aus der Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand zusammenzubringen und dabei den Fokus insbesondere darauf zu legen, konsensfähige und dissent bleibende Ergebnisse herauszuarbeiten. Organisatorisch begründet sich die Anwendung der Methode durch die Möglichkeit, Zugang zu einer großen Zahl unterschiedlicher Expertinnen und Experten zu erhalten.

Um möglichst unterschiedliche Perspektiven zu erfassen, wurden Expertinnen und Experten aus folgenden Bereichen befragt: externe Qualitätssicherung (Akkreditierung), Hochschulpolitik (Landes- und Bundesministerien), Hochschulmanagement (Hochschul- bzw. Fakultätsleitung), Hochschulforschung, Praktikerinnen und Praktiker aus dem QM, Vertreterinnen und Vertreter der hochschuldidaktischen Praxis und Forschung sowie Personen, die im Bereich der Hochschulberatung tätig sind.

Die Befragung erfolgte in drei aufeinander aufbauenden Runden mithilfe eines Onlinefragebogens mit offenen Fragestellungen. In der ersten Runde wurden insgesamt 107 Personen eingeladen; davon haben 54 geantwortet (Rücklauf ca. 50 %). In der zweiten (Rücklauf ca. 76 %) und dritten (Rücklauf ca. 83 %) Runde wurden jeweils die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vorangegangenen Runde weiter befragt. Die Befragung fand zwischen April 2016 und März 2017 statt.

Die Auswertung erfolgte auf zwei Ebenen. Zunächst wurden die Ergebnisse einer Runde jeweils im Anschluss an die Befragung ausgewertet und bildeten die Grundlage für die nächste Runde. Die zweite Stufe der Auswertung diente der Theoriebildung zur Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken. Sie orientiert sich an der Forschungsmethodologie, wie sie von GIOIA, CORLEY & HAMILTON (2013) vorgestellt wird. Die Analyse erfolgt zunächst eng am empirischen Material sowie den geschilderten Erlebnissen und Sichtweisen der Expertinnen und Experten. Je Fragestellung erfolgte eine grobe Kategorisierung hinsichtlich ‚kollektiver‘ Einschätzungen. Um darin Muster zu rekonstruieren, wurde erst innerhalb dieser Kategorien und dann zwischen den Kategorien nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden gesucht. Auf diese Weise wurden unterschiedliche theories in use zur Wirksamkeit von Steuerungspraktiken herausgearbeitet.

4 Empirische Analyse

Die Wirksamkeit von QM als Steuerungsinstrument steht im Mittelpunkt der drei Befragungsrunden. Zwei Fragestellungen sind dabei eng miteinander verbunden, zum einen die Frage nach der Steuerbarkeit der Hochschule und zum anderen die Frage nach der Wirksamkeit von Steuerungspraktiken. Hinsichtlich dieser beiden Themenkomplexe ergibt sich ein ambivalentes Bild.

Gleich zu Beginn der ersten Runde wurde gefragt, ob und wenn ja, in welcher Form sich die Hochschule steuern lässt. Eine erste Strukturierung der Antworten erfolgte im Hinblick auf die Steuerbarkeitseinschätzung. Als ‚eher steuerbar‘ wurden Antworten kodiert, aus denen die Qualität von Studium und Lehre als grundsätzlich steuerbar hervorgeht. Als ‚eher nicht steuerbar‘ wurden Antworten kodiert, nach denen sich die Qualität nicht steuern lässt. Die Mehrzahl der Antworten bewegt sich dazwischen; kodiert wurden diese Antworten als ‚bedingt steuerbar‘. Die drei Kategorien lassen sich nicht eindeutig differenzieren, dennoch zeigen sich darin Muster:

Einige Expertinnen und Experten sehen die Qualität prinzipiell als steuerbar an. Als Referenzpunkt zur Beschreibung von Möglichkeiten der Steuerung dienen formale und managerielle Interpretationen von QM, die hier als ‚klassische‘ bezeichnet werden. Es wird davon ausgegangen, dass definierte Ziele, Strukturen, Prozesse und Instrumente der QS und QE ein qualitätsgesichertes Vorgehen gewährleisten. Gleichzeitig offenbaren sich weitgehend managerielle Vorstellungen von Steuerung. Dahinter verbergen sich direkte Steuerungsformen, eine direktive Form von Führung sowie deterministische Wirkungsvorstellungen. In optimistischen Einschätzungen spielen solche ‚klassischen‘ Interpretationen mal mehr, mal weniger eine Rolle.

Nur wenige Expertinnen und Experten schätzen die Qualität als nicht steuerbar ein. Allerdings durchzieht eine Problematisierung von Steuerung eine Vielzahl von Antworten. Einen zentralen Bezugspunkt dafür bilden Restriktionen des spezifischen Steuerungskontextes. Dabei wird zum einen Bezug genommen auf die spezifische Organisationsform der Hochschule als Expertenorganisation. Für einen steuernden Zugriff auf Studium und insbesondere Lehre stünden aufgrund der ‚Freiheit von Forschung und Lehre‘ weder wirksame Leistungsanreize noch Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Zum anderen stellt sich eine eindeutige und einheitliche Definition sowie objektive Messung der Qualität von Studium und Lehre aufgrund der Komplexität der zugrundeliegenden Wirkungszusammenhänge und der teils widersprüchlichen Perspektiven auf Qualität als schwierig dar.

Die Mehrzahl der Einschätzungen lässt sich zwischen diesen beiden Positionen in einem weiten Feld verorten, wonach sich die Qualität von Studium und Lehre als ‚bedingt steuerbar‘ darstellt. Für diese ‚Bedingtheit‘ spielt einerseits die beschriebene Problematisierung von Steuerung eine Rolle. Andererseits dienen ‚klassische‘ Interpretationen von QM als Kontrastfolie, vor deren Hintergrund Möglichkeiten der Steuerung beschrieben werden. Diese werden hier als ‚alternative‘ Interpretationen bezeichnet. Vielfach wird dabei auf ‚indirekte‘ Formen der Steuerung Bezug genommen (siehe

Abschnitt 4.1

). Die Einschätzung der Steuerbarkeit hängt somit wesentlich davon ab, welches Verständnis von Steuerung zugrunde liegt. Darüber hinaus wird die Steuerbarkeit in Abhängigkeit davon beschrieben, worauf sich Steuerungspraktiken beziehen. Der Bereich des Studiums, also der strukturellen Rahmenbedingungen des Studierens, wird als eher steuerbar angesehen, während der Bereich der Lehre, in der die Interaktion des Lehrens und Lernens stattfindet, nur als eingeschränkt steuerbar gilt.

Wie die bisherige Analyse zeigt, bewegen sich die Antworten in einem Spannungsfeld zwischen optimistischen und skeptischen Einschätzungen der Steuerbarkeit. Dabei treten jedoch weniger die Extrempositionen als vielmehr die vielfältigen Schattierungen dazwischen zum Vorschein. Durch die Bezugnahme auf formal-managerielle Steuerungsvorstellungen einerseits und den spezifischen Steuerungskontext andererseits spielen dabei die eingangs beschriebenen Leitideen der ‚gesteuerten Hochschule‘ und der ‚spezifischen Organisation‘ eine wesentliche Rolle.

Hinsichtlich der befragten Expertinnen und Experten lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen dazu treffen, welche Akteursgruppe eher zu einer optimistischen oder eher zu einer skeptischen Einschätzung tendiert. Zwar finden sich vergleichsweise viele optimistische Aussagen von Akteurinnen und Akteuren des QM und der externen QS. Gleichzeitig zeigen jedoch gerade Akteurinnen bzw. Akteure des QM eine hohe Reflexivität hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen steuernder Interventionen. Auch Hochschulmanager/innen zeichnen ein mitunter skeptisches Bild.

Die Einschätzungen zur Steuerbarkeit der Qualität von Studium und Lehre rahmen die Wirksamkeitszuschreibungen der Expertinnen und Experten. Dabei zeigt sich hinsichtlich der Wirksamkeitszuschreibungen ein ähnlich ambivalentes Bild. Die Zuschreibungen bewegen sich zwischen ‚eher wirksam‘ und ‚eher nicht wirksam‘. Die beiden Extrempositionen treten jedoch noch weniger klar in Erscheinung, als bei der Einschätzung der Steuerbarkeit. Die Mehrzahl der Aussagen lässt sich zwischen den beiden Positionen in einem weiten Feld verorten, wonach sich QM als ‚bedingt wirksam‘ darstellt. Unterschiedliche Wirksamkeitszuschreibungen lassen sich einerseits auf unterschiedliche Wirkungsvorstellungen und andererseits auf unterschiedliche Vorstellungen zur Ausgestaltung von QM zurückführen:

Hinsichtlich der sozialen Konstruktion qualitätsbezogener Steuerungspraktiken zeigen sich unterschiedliche Vorstellungen davon, wie QS/QM auszugestalten ist. Diese Vorstellungen korrespondieren mit den unterschiedlichen Interpretationen von QM, wie sie bezogen auf die Steuerbarkeit bereits herausgearbeitet wurden. Auf der einen Seite steht ein mehr oder weniger klares Bild ‚klassischer‘ Interpretationen. Darauf bezugnehmend aber auch davon abweichend werden unterschiedliche Anpassungsformen beschrieben, die hier als ‚alternative‘ Interpretationen bezeichnet werden.

Einfluss auf die Wirksamkeitszuschreibungen hat nicht nur, was als Steuerungspraktiken konstruiert wird, also auf welche Interventionen sich die Bewertung bezieht. Eine Rolle spielt auch, dass den Bewertungen unterschiedliche Vorstellungen zugrunde liegen, was Steuerungspraktiken bewirken können bzw. sollen. So zeigt sich, dass Einschätzungen, wonach ‚klassische‘ Interpretationen von QM als eher wirksam gelten, häufig konformitäts- und legitimationsbezogene Wirkungsvorstellungen zugrunde liegen. Derartige Zuschreibungen finden sich zwar auch bei Expertinnen und Experten, die eher eine skeptische Einschätzung zeigen. Allerdings bewerten diese konformitäts- und legitimitätsbezogene Effekte weitaus negativer. Den Referenzpunkt skeptischer Zuschreibungen bilden eher veränderungs- und lernorientierte Effekte. ‚Klassischen‘ Interpretationen wird dabei eine geringe, ‚alternativen‘ Interpretationen eine höhere Wirksamkeit zugeschrieben.

Abbildung 1 veranschaulicht die bisher skizzierten Interpretationsmuster, die beim Sensemaking der Expertinnen und Experten im Hinblick auf die Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken eine wesentliche Rolle spielen. Dominante Wirksamkeitszuschreibungen werden anhand von Pfeilen schematisch angedeutet. Dabei handelt es sich nicht um kausale Zusammenhänge, sondern um im empirischen Material häufig vorzufindende Zuschreibungen.

Abb. 1: Modell der bedingten Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken

Die Frage nach der Wirksamkeit qualitätsbezogener Steuerungspraktiken im Hinblick auf eine Beeinflussung des Handelns der Akteurinnen und Akteure lässt sich vor dem Hintergrund der skizzierten Befunde nicht eindeutig beantworten. Vielmehr lassen sich qualitätsbezogene Steuerungspraktiken als ‚bedingt wirksam‘ rekonstruieren. Die Analyse muss allerdings nicht – das hat sich bereits gezeigt – bei einer derart vagen Aussage stehen bleiben. Denn durch die Rekonstruktion von Faktoren der ‚Bedingtheit‘ kann gerade ein tieferes Verständnis dafür entwickelt werden, welche Interpretationsmuster einen Einfluss auf das Sensemaking der Expertinnen und Experten haben. Gerade hierin liegt eine der wesentlichen Implikationen des Sensemaking als Forschungsperspektive.

4.1 Indirekte Formen der Steuerung

In Abgrenzung zu formal-manageriellen (‚klassischen‘) Interpretationen wird von den Expertinnen und Experten auf ‚alternative‘ Steuerungsformen Bezug genommen, um hinsichtlich des spezifischen Steuerungskontextes potenziell wirksamere Formen der Einflussnahme zu beschreiben. Bereits in der ersten Befragungsrunde wurden Möglichkeiten der Steuerung über die „Gestaltung von Rahmenbedingungen“, als „indirekte“ Steuerung oder in Form von „Kontextsteuerung“ thematisiert. Dahinter verbergen sich mitunter unterschiedliche Vorstellungen davon, was Steuerung bedeutet und auf welche Art und Weise sich das Handeln beeinflussen lässt.

Ein erster Ansatz zur Rekonstruktion ‚indirekter‘ Formen der Steuerung erfolgte im Laufe der Befragung über das Herausarbeiten unterschiedlicher Rahmenbedingungen, die als relevant hervorgehoben wurden. Um ‚indirekte‘ Formen der Steuerung fassbar zu machen, wurden in der zweiten Befragungsrunde unterschiedliche Rahmenbedingungen (studiums-, lehrenden- sowie organisationsbezogene) zur Kommentierung angeboten. Diese wurden in der zweiten Befragungsrunde als grundsätzlich relevant bestätigt. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass damit weniger unterschiedliche Formen der Steuerung beschrieben werden, als vielmehr unterschiedliche Ebenen, auf die sich qualitätsbezogene Steuerungspraktiken beziehen können. Folgende Ebenen haben sich als relevant herausgestellt:

Interaktion des Lehrens und Lernens. Einfluss auf den Interaktionsprozess zwischen Lehrenden und Studierenden haben insbesondere die beteiligten Akteurinnen und Akteure selbst. Ein gewisser Einfluss wird übergeordneten Rahmenbedingungen wie der Gestaltung des Studiums oder der Organisation zugeschrieben. Das Geschehen kann von ‚außen‘ jedoch nicht determiniert werden; es bestehen wenige Möglichkeiten des direkten Einblicks in die Interaktion.Studium. Hierzu zählen Aspekte wie Curricula, Prüfungen, Beratungs- und Betreuungsangebote (einschließlich des Betreuungsverhältnisses), Lehr- und Studienorganisation im Sinne von Verwaltungs- und Unterstützungsprozessen für Studierende sowie finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen. Studiumsbezogene Rahmenbedingungen können deutlich besser durch managerielle Akteurinnen und Akteure beeinflusst werden als die Lehre selbst.Lehrende. Hiermit wird die Person der/des Lehrenden als wesentlicher Einflussfaktor auf die Qualität insbesondere der Lehre adressiert. Als relevante Aspekte werden Engagement, Bereitschaft, Eigenmotivation, (didaktische) Kompetenzen sowie individuelle Werthaltungen/Vorstellungen hervorgehoben.Organisationale Rahmenbedingungen. Hierzu zählen Aspekte wie Lehrkultur bzw. Stellenwert der Lehre, Ressourcen für Personal und Infrastruktur, Entscheidungsstrukturen und -prozesse, Commitment der Leitung, Arbeitsatmosphäre, personelle und finanzielle Ressourcen, Infrastruktur.

Damit werden Ebenen beschrieben, auf denen Qualität entsteht bzw. zu beobachten ist. Manche Ebenen wie z. B. Studium oder Organisation können als Rahmenbedingungen für andere Ebenen angesehen werden. Im Sinne einer ‚indirekten‘ Steuerung kann ihre Ausgestaltung einen Einfluss auf andere Aspekte der Qualität von Studium und Lehre haben. Es scheint aber zweckmäßig, weniger von Rahmenbedingungen zu sprechen, als vielmehr von Ebenen, auf denen Qualität entsteht.

Hinsichtlich der Steuerungswirkung lehrendenbezogener und organisationaler ‚Rahmenbedingungen‘ zeigt sich eine paradoxe Situation. Der Einfluss der Lehrenden auf die Qualität wird als besonders hoch angesehen, gleichzeitig entziehen sich die dazugehörigen Faktoren weitgehend einer steuernden Intervention. Auch mit Blick auf organisationale Rahmenbedingungen, die als wesentlicher Ansatzpunkt für eine ‚indirekte‘ Steuerung in Frage kommen, offenbart sich eine ähnliche Widersprüchlichkeit. Mit organisationalen Strukturen, Prozessen, Regeln und Werten werden diejenigen Faktoren angesprochen, die weitgehend für ein formales QM stehen und die, wie die Analyse gezeigt hat, als wenig wirksam angesehen werden.

Eine Interpretation ‚alternativer‘ Steuerungsformen als ‚indirekte‘ Steuerung über Rahmenbedingungen scheint damit nur bedingt geeignet, die Differenz zwischen ‚klassischen‘ und ‚alternativen‘ Interpretationen und die damit einhergehenden unterschiedlichen Wirksamkeitszuschreibungen zu erklären. Das legt die Vermutung nahe, dass sich die als potenziell wirksamer empfundene Form der ‚indirekten‘ Steuerung nicht primär über die Identifikation von Rahmenbedingungen rekonstruieren lässt, sondern dass sich die Unterschiedlichkeit gegenüber ‚klassischen‘ Interpretationen in der Art und Weise äußert, wie diese Rahmenbedingungen bzw. Ebenen adressiert werden. Es geht insbesondere darum, worauf sich die Steuerungsinterventionen beziehen und was sie bewirken können.

„Qualität einer Hochschule lässt sich immer nur indirekt steuern, da die Umsetzung durch die jeweiligen Akteure interpretiert, an die konkrete Situation adaptiert und damit gebrochen wird. Die Art der Steuerung ist entsprechend eine Form der Irritation, die damit Impulse setzt, aber selten unmittelbar Einfluss nimmt.“ (Hochschulforscher)

Dieses Zitat legt eine andere Interpretation ‚indirekter‘ Steuerung nahe. Die Steuerungspraktiken werden durch die handelnden Akteurinnen und Akteure interpretiert und – um mit den Worten Weicks zu sprechen – im jeweils spezifischen Handlungskontext bzw. im Handeln der Akteurinnen und Akteure enacted bzw. „gebrochen“. Das, was als Ereignis der Steuerungsintervention beobachtet wird, erfährt durch das Enactment eine Veränderung, die durch die Interpretationsmuster der handelnden Akteurinnen und Akteure beeinflusst wird. Die Form der Beeinflussung wird hier mit dem systemtheoretisch geprägten Begriff der „Irritation“ beschrieben. In diesem Verständnis ist es nicht die Steuerungsintervention, die das Handeln verändern kann, sondern es ist das Enactment der Handelnden, die durch Prozesse des Bemerkens, Einklammerns, Interpretierens und Sinnkonstruierens ihr Handeln selbst verändern, angestoßen durch eine „Irritation“ – oder auch nicht.

Die Interaktion erfolgt zunächst einmal auf der kommunikativen Ebene. Das, was als Steuerungspraktik beobachtet wird, sowie die Art und Weise, wie es weiterverarbeitet wird, ist zunächst einmal nicht von außen determiniert. Die Sensemaking-Perspektive sensibilisiert dafür zu erkennen, dass es vielmehr die den Akteurinnen und Akteuren verfügbaren Interpretationsmuster sind, die einen Einfluss darauf haben, was bemerkt und eingeklammert und welcher Sinn ihm in Bezug auf das eigene Handeln zugesprochen wird. Es zeigt sich also, dass es sich bei den Interventionen eher um diskursiv-kommunikativ angelegte Steuerungspraktiken handelt und dass diesen ein anderes, nicht-deterministisches Wirkungsverständnis zugrunde liegt. Dies lässt sich im Anschluss an WEICK (1995) über Prozesse des Sensemaking und im Anschluss an LUHMANN (1984) als Irritation der autopoietischen Operationsweise verstehen.

Damit stellt sich aber die Frage, was es ist, über das diese Wirksamkeit erzielt wird, welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Die Analyse hat gezeigt, dass es nicht das Handeln selbst ist, das ‚direkt‘ adressiert wird. Vielmehr erfolgt die Adressierung des Handelns ‚indirekt‘ über Werte/Normen und Interpretationsmuster, die dem Handeln der Akteurinnen und Akteure zugrunde liegen.

4.2 Kontextualisierte Steuerungspraktiken

Neben dem zugrunde liegenden Steuerungsverständnis hängen die Wirksamkeitszuschreibungen weniger von der grundsätzlichen Existenz eines formalen QM ab, als vielmehr von der konkreten Ausgestaltung qualitätsbezogener Steuerungspraktiken. Die Expertinnen und Experten nehmen immer wieder Bezug auf die Spezifika der Organisation Hochschule und weisen darauf hin, dass diese ernst zu nehmen eine Vorbedingung darstellt für ein QM, das auf das Handeln der Lehrenden wirken möchte. Die dafür notwendige Sensibilität für den Steuerungskontext drückt sich insbesondere in drei – miteinander verbundenen – Gestaltungsfaktoren aus:

Bezug zum Wissenschaftsbetrieb.