Red Flags - Sophie Jo - E-Book

Red Flags E-Book

Sophie Jo

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Beschreibung

+++Aufwendig gestaltete limitierte Erstauflage mit Farbschnitt, nur solange der Vorrat reicht+++

Die achtzehnjährige Poppy hatte noch nie eine richtige Beziehung. Bislang hat jeder Junge ihre hohen Erwartungen enttäuscht. Zu einem zweiten Date kommt es nie, denn Poppy hat noch bei jedem einen Fehler gefunden. Auch Cams Beziehungen halten nie lange, denn immer wenn es ernst werden könnte, ergreift der Achtzehnjährige die Flucht. Als Poppys Freunde sie auffordern, zwei Monate lang jemandem eine Chance zu geben, beschließt sie, es mit Cam, ihrem Crush aus dem Bus, zu versuchen. Auch Cam hat sich etwas vorgenommen: Er wird dieses Mal nicht derjenige sein, der Schluss macht. Schon beim ersten Date sehen beide Red Flags, bei denen sie normalerweise sofort davonlaufen würden. Doch so einfach will keiner von beiden aufgeben – und dann kommen auch noch die Gefühle dazwischen …

Für alle, die an Liebe auf den zweiten Blick glauben.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 331

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Cover

Titel

SOPHIE JO

RED FLAGS

Was, wenn die falsche Person die richtige ist?

Aus dem Englischen von Jana Körner

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Die englische Originalausgabe erschien 2025unter dem Titel Red Flags bei Scholastic UK Ltd, London.

eBook Insel Verlag Berlin 2025

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2025.

© der deutschsprachigen Ausgabe Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2025© der Originalausgabe Sophie Jo Hannah 2025

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagabbildung: FinePic®, München

eISBN 978-3-458-78466-1

www.insel-verlag.de

Widmung

Für Grandpa, der immer so stolz auf mich war.

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

Widmung

1 Poppy. Wenn er mit dem Wort »Periode« nicht umgehen kann

2 Cam. Wenn sie nicht an Aliens glaubt

3 Poppy. Wenn er deinen durch Bücher geschürten Erwartungen nicht gerecht wird

4 Cam. Wenn sie immer telefonieren will

5 Poppy. Wenn er aus einem Haufen Mittelmäßigkeit die beste Wahl ist

6 Cam. Wenn sie deine kostbare Ruhezeit stört

7 Poppy. Wenn du fürchtest, dass er dich nicht mal mehr leiden kann

8 Cam. Wenn sie noch wählerischer ist als du

9 Poppy. Wenn er will, dass du anders bist als du selbst

10 Cam. Wenn sie dich abschreibt, weil du nicht die gleichen Interessen hast wie sie

11 Poppy. Wenn er sich über Nacht eine komplett neue Persönlichkeit zulegt

12 Cam. Wenn sie passiv-aggressive Bemerkungen über dich veröffentlicht

13 Poppy. Wenn deine Freundinnen ihn besser leiden können als du

14 Cam. Wenn sie ihre Erwartungen aus Liebesromanen hat

15 Poppy. Wenn er sich eine Stunde vor eurem zweiten Date plötzlich in einen alten Fünfundvierzigjährigen verwandelt

16 Cam. Wenn sie deine Bücherwahl hinterfragt

17 Poppy. Wenn er sich weigert, seine Fehler zuzugeben

18 Cam. Wenn sie ohne Erklärung eine halbe Stunde zu spät kommt

19 Poppy. Wenn Buchläden für ihn völliges Neuland sind

20 Cam. Wenn sie es einfach nicht gut sein lässt

21 Poppy. Wenn er den Köder einfach nicht schlucken will

22 Cam. Wenn sie dich viel zu früh ihren Freundinnen vorstellen will

23 Poppy. Wenn er unter Menschen plötzlich völlig anders ist

24 Cam. Wenn du ihretwegen alles infrage stellst

25 Poppy. Wenn du keine Ahnung hast, ob die Entschuldigung ernst gemeint ist

26 Cam. Wenn sie dein wahres Ich gar nicht interessiert

27 Poppy. Wenn er eine unerwartet gigantische Gartenzwerg-Sammlung hat

28 Cam. Wenn du dich ihretwegen dieses Mal anders verhalten willst

29 Poppy. Wenn er sich allmählich immer wieder in deinen Kopf schleicht

30 Cam. Wenn sie dich dazu bringt, über deinen Schatten zu springen

31 Poppy. Wenn er sich dir endlich öffnet

32 Cam. Wenn sie dich wissen lässt, dass sie an dich denkt

33 Poppy. Wenn er eigentlich sogar eine ganze Menge guter Eigenschaften hat

34 Cam. Wenn sie anderen mehr glaubt als dir

35 Poppy. Wenn er einfach alles ruiniert

36 Cam. Wenn sie dir nicht zurückschreibt

37 Poppy. Wenn er sich viel zu sehr bemüht, sich wieder gut mit dir zu stellen

38 Cam. Wenn sie dir beim Wachsen hilft, Wachstum dir aber Angst macht

39 Poppy. Wenn er endlich die Romantik rauslässt (und zwar in allerletzter Sekunde)

40 Cam. Wenn sie wirklich, absolut, zweifellos deine Freundin ist

41 Poppy. Wenn er dich verdient, genau wie du ihn

DANKSAGUNG

QUELLEN

Informationen zum Buch

RED FLAGS

1

Poppy

Wenn er mit dem Wort »Periode« nicht umgehen kann

Mein allererster Freund war nicht echt.

Schon klar, das lässt mich ein bisschen schräg wirken, aber ehrlich gesagt kann ich es gut aushalten, wenn ihr so über mich denkt. Vielleicht verbessert sich eure Meinung ja auch, wenn ich erzähle, dass es bei der Geschichte nicht darum geht, dass ich eine zwanghafte Lügnerin bin. Sondern darum, wie ich vor sieben Jahren bei einer Dinnerparty meiner Eltern über den Achtziger-Jahre-Film Die Braut des Prinzen gestolpert bin.

Folgendes ist passiert: Ich wurde ins elterliche Schlafzimmer verbannt, mit einer Riesenschüssel Chips und ohne die üblichen Fernsehregeln oder Zeitlimits. Falls ihr Die Braut des Prinzen nicht gesehen habt, müsst ihr jetzt erst mal nur wissen, dass der Film auf einer Farm beginnt und der Mann, der dort arbeitet, Westley heißt. Westley hat strahlend blaue Augen und wuscheliges Haar, das ständig von der Sonne angestrahlt wird, und von dem Moment an, in dem ich ihn auf dem Neunzehn-Zoll-Fernseher meiner Eltern gesehen habe, war ich hin und weg. Richtig besessen.

Während meine Eltern also selbstgemachte Moussaka serviert haben, habe ich den Abend damit verbracht, Filzstiftzeichnungen von Westley mit einem Schwert anzufertigen und ausschweifende Geschichten zu schreiben, in denen er in letzter Sekunde ein krankes Ziegenbaby rettet und dann schnurstracks zu mir nach Hause kommt, um mich zu bitten, es mit ihm aufzuziehen. Gerade der Filmanfang hat mich wirklich verzaubert. Da ist Westley dieser ruhige, mysteriöse Farmarbeiter, der bloß herumwandert und süß ist und merkwürdige Aufgaben für Prinzessin Buttercup erledigt. Sie ist irgendwie gemein zu ihm, doch das ist egal, weil alle sofort merken, dass sie füreinander bestimmt sind.

Wie auch immer, als die Dinnerparty zu Ende war und ich mir die Zähne putzen sollte, habe ich mitbekommen, wie Mum und Dad sich beim Aufräumen in der Küche gestritten haben:

»Als Ruth und Joseph nach meinem Innenarchitekturkurs gefragt haben, konntest du überhaupt nichts dazu sagen«, meinte Mum. »Kannst du dir vorstellen, was es für einen Eindruck auf die Leute macht, wenn ich jede Kleinigkeit über deine Arbeit weiß, du hingegen nicht mal im Ansatz eine Ahnung von mir hast?«

»Ich habe doch gesagt, dass er dir gefällt«, antwortete Dad. »Ich wusste ja nicht, dass ich den verdammten Lehrplan auswendig kennen muss, Liz.«

»Daniel, ist dir klar, wie anstrengend es ist, immer diejenige zu sein, die deine nichtexistente soziale Batterie auszugleichen hat? Was, wenn ich mal einfach nur schweigend am Esstisch sitzen würde? Sag schon: Was würde dann passieren?«

Ich hockte im Karo-Schlafanzug auf meinem üblichen Platz ganz oben auf der Treppe und lauschte. Und wisst ihr was? Ich war überhaupt nicht traurig – nicht wie normalerweise, wenn sie streiten. Stattdessen war ich hoffnungsvoll. Denn mir wurde klar, dass es da draußen Menschen gibt, die sich zu früh festlegen. Wie Mum, die Dad mit sechzehn getroffen, sich kurze Zeit später auf ihn eingelassen hat und jetzt ihr Leben in einer Art Groll mit jemandem verbringt, der auf Partys nicht den Mund aufkriegt. An diesem schicksalhaften Samstagabend jedoch habe ich mit der Fernbedienung in der Hand mit eigenen Augen gesehen, dass ich nicht zu dieser Art Menschen gehören muss. Dass es noch andere Möglichkeiten gibt.

Darum habe ich mir dort auf der Treppe mit elf Jahren etwas versprochen: Egal, wie lange es dauert, ich werde nicht irgendeinen durchschnittlichen Kerl heiraten, sondern auf meinen eigenen Westley warten. Natürlich nicht unbedingt auf einen fiktiven Farmarbeiter, aber auf jemanden, der mich versteht, der meine Marotten liebenswert findet, der sich einfach … richtig anfühlt. Mit dem Gefühl bin ich von den Stufen aufgesprungen und in mein Zimmer geschlichen, um aufzuschreiben, wie genau dieser ideale Junge sein sollte.

–*–POPPYS TRAUMMANN–*–

Am nächsten Tag in der Schule habe ich den Traummann-Zettel aus meiner krümeligen Manteltasche gezogen und meinen Freundinnen verkündet, dass mein zukünftiger Gefährte genau so zu sein hat.

»Dieser Junge«, habe ich ihnen gesagt und sie wie der Rattenfänger von Hameln zur Bibliothek geführt, »wartet irgendwo da draußen auf mich. Keine Ahnung, wo er ist, und ich erwarte auch nicht, ihn bald zu treffen. Ich weiß nur ganz sicher, dass ich mich nicht mit weniger zufriedengeben werde. Und ihr solltet das ebenfalls nicht.«

Sie alle folgten meinem Beispiel: Eine herrliche Pause lang sind die Mädchen und ich tief in Fantasien eingetaucht, haben Stifte und den Glitzerkleber gezückt und unsere idealen zukünftigen Partner und Partnerinnen manifestiert.

Er bringt mich immer zum Lachen.

Sie unterbricht mich nie, wenn ich was sagen will.

Er kommt gut mit meinen Freundinnen klar, damit wir alle zusammen abhängen können.

Er liebt Schwimmen genauso sehr wie ich.

An diesem Nachmittag verließen meine Freundinnen die Bibliothek amüsiert und mit ihren Kreationen unterm Arm und vergaßen den Märchenprinzgedanken beinahe sofort wieder. Im Gegensatz zu mir. Ich war Feuer und Flamme – total begeistert und voller Visionen vom perfekten westleyesken Traummann. »Ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben«, sagte er in meiner Vorstellung und strich mir eine widerspenstige Strähne aus der Stirn, bereit, ein überlanges Gedicht vorzutragen, das er über mich geschrieben hatte.

Eines Tages würde sich das Warten ganz sicher lohnen. Ich musste nur Geduld haben.

»Gut, dass ich dich gesehen hab, was, Schätzchen?«

Ich konnte den 40C-Bus in allerletzter Sekunde noch rauswinken und bin jetzt vom Rennen ganz eklig und verschwitzt. Kurz habe ich gedacht, er fährt an mir vorbei, und der Fahrer schüttelt spöttisch den Kopf, ganz nach dem Motto: Schreckliches Zeitmanagement. Ich könnte anhalten, tu ich aber nicht, und das geht allein auf dein Konto. Doch dann quietschen die Bremsen, und ich warte, dass die Tür aufgeht, wische mit dem Handy über den Scanner und murmele ein Danke.

Der Fahrer tritt wieder aufs Gas, und ich mache mich taumelnd auf Sitzsuche. Normalerweise nehme ich, wenn möglich, immer denselben: den einen Zweier genau vor dem Vierer. Nach jahrelanger Busfahrerfahrung habe ich meine Forschung abgeschlossen. Dieser spezielle Platz ist weit genug hinten, um relativ unerkannt zu bleiben und den Zorn der älteren Mitreisenden zu meiden, und gleichzeitig so weit vorne, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, von einem Fremden mit einem Päckchen Gras in die Enge getrieben zu werden, der ein Gespräch anleiern will. Den Vierer solltet ihr auf jeden Fall immer meiden, ansonsten habt ihr eine Gruppe Zwölfjähriger oder eine Mutter mit zwei klebrigen Kids an der Backe. Nur ein gutgemeinter Rat.

Heute Abend ist mein favorisierter Zweier wunderbar leer, als hätte er andere potenzielle Sitzgäste zu meinen Gunsten abgewiesen. Dankbar rutsche ich auf den Sitz, pfeffere meine Tasche neben mich und nehme die Brille ab, um die winzigen Regentropfen wegzuwischen. Durch die Busfenster ist eine feuchtfrostige Kälte hineingesickert, sodass sich auf beide Gläser eine undurchsichtige Kondensschicht gelegt hat. Neben meinen Füßen liegt ein einsamer schlammverkrusteter Regenschirm, der dem Tod schon ziemlich nah zu sein scheint.

Das Ambiente – genau wie der Rest meines Abends – lässt wirklich zu wünschen übrig.

Heute 19:48

Stephanie: Wie ist es mit James gelaufen???

Poppy: schlecht. schlechter als schlecht. echt RICHTIG schlecht. grad im bus nach hause

Poppy: er hat gefragt, was ich am wochenende vorhab

Poppy: und ich meinte: »ehrlich gesagt, james, werde ich wohl mit einer heißen wärmflasche in meinem zimmer sitzen, in meiner gemütlichsten hose, und versuchen, nicht übermäßig doll zu niesen«

Poppy: er hat mich nur sehr verwirrt angeguckt und war so »??? warum das denn?«

Poppy: hab ihm erklärt, dass es daran liegt, dass ich am wochenende meine periode bekomme, und ganz im ernst, stephanie, er hat mich angeguckt, als hätte ich ihm gesagt, ich würde am samstag ne mordtour planen

Poppy: danach war’s für mich vorbei

Stephanie: Oh Mann

Stephanie: Er war bestimmt verlegen und wusste einfach nicht, was er sagen soll. Nicht jeder fühlt sich bei solchen Unterhaltungen wohl, Poppy!! Weiß auch nicht, ob ich das bei jemandem ansprechen würde, den ich kaum kenne

Poppy: stephanie … dann erklär mir doch mal: wenn er jetzt schon verlegen ist, WAS MACHT ER DANN in, keine Ahnung, sechs monaten, wenn ich morgens um 3 nen tampon, nen pep talk und nen frischen schlafanzug brauche???

Poppy: ich habs schon mal gesagt und sage es gern wieder

Stephanie: Lass es ruhig

Poppy: RED FLAG

Ich stecke das Handy wieder in die Tasche und freue mich, das letzte großbuchstabige Wort zu haben. Dann versuche ich angestrengt, aus dem Fenster zu gucken. Allerdings ist das durch die beschlagene Scheibe quasi unmöglich, weshalb ich sie mit meinem Jackenärmel abtupfe. So entsteht eine gesichtsgroße Lücke, die zumindest ein paar Sekunden bleibt. Wetten, diese Fenster werden nie geputzt? Wetten, da hat schon ein Haufen Kinder dran geleckt oder draufgeniest, und jetzt habe ich die ganze Jacke voller Kleinkindkeime?

James meinte, er mag sie. Also, meine Jacke. Als ich mich hingesetzt habe, hat er draufgezeigt und gesagt: »Wow, bin ein Riesenfan.« Es ist so eine übergroße Jeansjacke, wie amerikanische Kids sie im Fernsehen in der Highschool oder beim Baseball tragen. Collegejacken nennt man sie, glaube ich.

Das Date ist also eigentlich ganz erfolgversprechend gestartet. James kann genauso gut smalltalken wie jeder andere Achtzehnjährige, der ins Nando’s geht. Er hat mir eine Story darüber erzählt, wie er früher als Kind Cola und Fanta aus dem Getränkespender gemischt und es dann »Canta« genannt hat. Das fand ich zwar ganz süß, trotzdem habe ich abgelehnt, als er mir ein Glas angeboten hat. Er wirkte nett. Normal. Ein ganz gewöhnlicher Kerl. Die Art gewöhnlicher Kerl, die sofort hibbelig wird, wenn dieser Riptide-Song von Vance Joy im Radio läuft, weil der ihn leicht aus seiner Komfortzone heraus und in eine Welt voller Ukulelen und Akustikgitarren lockt. »Der Song ist irgendwie anders, aber dann auch wieder nicht«, würde er sagen. Keine Ahnung, ob es tatsächlich so ablaufen würde, wenn Riptide im Radio läuft. Sehr wahrscheinlich schon.

Ich meine, über die Riptide-Würdigung kann ich hinwegsehen. In einer perfekten Welt würde ich das zwar lieber nicht, aber ich kann, wenn ich wirklich muss. Ich kann auch über Canta sprechen und Jungs für ihre Unfähigkeit necken, mit scharfem Essen und allem, was sonst so auf ersten Dates passiert, umzugehen. Ich bin einfach eine Meisterin im sozialen Miteinander. Holt mich auf eure Party, und ich blühe auf.

Was ich nicht kann, ist ein zweites Date mit jemandem auszumachen, der knallrot anläuft, wenn das Wort »Periode« fällt, und dann schlagartig das Thema wechselt.

Stephanie ist morgen bestimmt voll im Schadensbegrenzungsmodus: Er hat’s nicht so gemeint! Er war verlegen! Er ist wirklich ein netter Kerl mit einem echt netten Gesicht, das sagen alle in meiner Theatergruppe!

Aber so, wie ich das sehe, machen echt nette Kerle nicht bei der Erwähnung von Menstruation sofort dicht. Sie schauen dir vollkommen ernst in die Augen. Wie Erwachsene. Sie sagen: »Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es sein muss, das jeden Monat durchzustehen.« Und dann sagst du: »Es ist auch eine ziemliche Last.« Danach stoßen sie ein beschützerisches Seufzen aus und antworten: »Ich wünschte, Männer müssten dasselbe ertragen wie Frauen. Wir leben in einer unfairen Welt, mein Schatz, und das macht mich schrecklich wütend. Sag du mir als empathische Feministin, der ihre Misere sehr am Herzen liegt, doch bitte, was ich besser machen kann, ja?«

Zugegeben, ich bin noch nie einem echten Kerl begegnet, der sich so verhalten hat. Aber der Traummann würde es, und ich bin mir sicher, dass er irgendwo da draußen wartet.

2

Cam

Wenn sie nicht an Aliens glaubt

Mein Arm bringt mich um. Jasmines Hals missbraucht das obere Stück – den Bizeps, wenn man den bei mir so nennen kann – als Kissen, und das Blut kann schon seit einer Weile nicht mehr ordentlich zirkulieren, sodass es sich inzwischen anfühlt, als würde mein Arm von jeder Menge Nadeln und anderer scharfer Objekte attackiert. So liegen wir seit geschlagenen dreißig Minuten, vielleicht auch fünfundvierzig, oder drei Stunden, wer weiß das schon. Wir liegen im Bett, das die Zeit vergaß.

Beinahe jeder Gegenstand in Jasmines Zimmer fällt unter die Kategorie »beige«. Schlichte weiße Bettwäsche. Hellbraun gemusterte Kissen. Cremefarbene Bücherregale. Bei meinem ersten Besuch hier habe ich sie danach gefragt, und sie meinte, dass dieser spezielle Stil sie beruhigt, wie kein anderer es schafft. »Das ist Minimalismus, Cam«, hat sie gesagt. »Vorher hatte ich viel zu viel Kram.«

Über uns an der Decke hängt ein einsames, vergessenes Stück Klebestreifen, wahrscheinlich von Weihnachtsdeko oder diesen Leuchtsternen, die vor zehn Jahren so in waren. Wer das wohl da angebracht hat? Vielleicht gab es das schon, bevor Jasmines Familie hier eingezogen ist.

»Woran denkst du?« Jasmine greift hoch und streicht mir mit ihren langen Fingern übers Kinn. »Du bist immer so still.«

Ehrlich gesagt denke ich neben Jasmines Deckendeko darüber nach, dass ich im Arm vermutlich für immer jegliches Gefühl verlieren werde. Und dass ich mir wünsche, ich hätte mir an dem verdammten Laden an der Ecke ein Sandwich geholt. Dann müsste ich jetzt für einen Snack nicht in die Küche und am Ende noch wieder mit Jasmines Mum über das Wetter plaudern.

»Ähm«, mache ich. Wie immer ein Meister der Konversation.

Jasmine rutscht unbehaglich neben mir herum und drückt dabei ihre Schultern gegen die Wand. Ein beigefarbener Teddybär sieht mich vom Fußende aus missbilligend an. Mieser Move, Kumpel.

Bei dem Versuch, mir schnell etwas einfallen zu lassen, wandert mein Hirn automatisch zum letzten nützlichen Gedanken zurück. »Eigentlich habe ich drüber nachgedacht, ob es auf anderen Planeten wohl auch Leben gibt. Aliens. Williams und ich haben vor ein paar Tagen diese Doku geguckt. Über Ufos und dieses ganze Zeug. Was denkst du darüber?«

Jasmine seufzt. Nur ein kleines Seufzen, nicht auf die dramatische Art, bei der man sich direkt schuldig fühlt. Eher als wäre ihr Atem enttäuscht. »Über so was denke ich nicht nach.«

»Du hast keine Meinung?« Jetzt bin ich ehrlich neugierig. »Ist doch komisch, sich nicht zu fragen, was es da draußen noch so gibt. Ich meine, ich bin kein Experte, aber es gibt bestimmt Milliarden Galaxien, oder nicht? Ehrlich, Milliarden. Da ist es nur logisch, dass die Bewohner unseres winzigen Planeten nicht die Einzigen sind.«

Keine Ahnung, warum mir das bei Mädchen immer passiert. Warum ich letztendlich immer wissen will, ob sie lieber den Rest ihres Lebens als Regenwurm oder als Heuschrecke verbringen würden.

»Ich bin nicht komisch«, zischt Jasmine und zerrt an ihrer Hälfte der milchweißen Bettdecke. »Es ist mir nur egal. Ob Aliens existieren oder nicht, beeinflusst mein Leben null, Cam. Mein Leben findet hier statt. Und die Baustellen hier sind groß genug.«

Darüber muss ich lächeln. Jasmines Baustellen drehen sich alle um ihr eigenes Leben: eine Fuhre Beton für ihren Schulabschluss, ein Baugerüst für die Uni, Dachsparren für das normale, vorhersehbare Zeug, das danach kommt. Ich neige den Kopf und inhaliere den Duft ihrer dunklen Haare. Drücke ihr einen zaghaften Kuss auf den Scheitel. Sie riecht leicht blumig. Selbst diese unbeholfene Feststellung wäre besser angekommen als die Aliensache.

»Und was ist mit Gott?«, will ich wissen. Sogar Menschen, die sich nicht für das Weltall interessieren, werden wohl schon mal Gedanken an höhere Mächte verschwendet haben. »Hast du dazu Meinungen?«

Jasmine lässt sich Zeit mit ihrer Antwort. »Er ist ganz okay. Wenn man auf so was steht.«

»Na ja, er oder sie, schätze ich.« Das ist doch ein guter Anfang. »Wobei ich sogar denke, dass Gott weder das eine noch das andere wäre. Wenn man so eine gewaltige, mysteriöse Lebensform ist, die Planeten und Dinosaurier und so geschaffen hat, dann hat man bestimmt keine Zeit für Pronomen, oder?«

»Und wieder: keine Meinung«, erwidert Jasmine. »Dieser ganze spirituelle Scheiß ist mir echt egal.«

Ihre Sichtweise ist nicht unbedingt schlimm. Ich bin weniger religiös als die meisten. Das Konzept, einem höheren Wesen für meine Schöpfung zu danken, obwohl ich nicht darum gebeten habe, fühlt sich recht seltsam an. Und bei der Vorstellung, die Ewigkeit im Himmel zu verbringen, bekomme ich direkt klaustrophobische Anwandlungen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht darüber reden will. Das heißt nicht, dass ich nicht neugierig bin, wie wir alle hier gelandet sind. Wenn du solche Fragen der richtigen Person stellst, können daraus stundenlange spannende Unterhaltungen entstehen.

Jasmine nimmt den Kopf von meinem Arm und rutscht auf der Matratze von mir ab, bis wir uns gar nicht mehr berühren. Ich rutsche ihr nicht nach. Stattdessen spähe ich wieder zum Klebestreifen an der Decke und weiß auf einmal ganz sicher, dass wir uns heute wohl zum letzten Mal getroffen haben.

Ciaran findet das lustig. Dabei will ich gar nicht lustig sein. Ich erzähle ihm die Geschichte nur, damit er versteht, warum ich mit dem Mädchen Schluss gemacht habe, mit dem ich mich die vergangenen zwei Wochen getroffen habe. Immerhin hat Ciaran mich überhaupt erst auf Jasmine aufmerksam gemacht. Er meinte, sie steht auf mich, und hat mich gedrängt, sie anzusprechen.

Wir sind im Klassenzimmer, auf unserem üblichen Platz ganz hinten in der letzten Reihe. Im Grunde der einzige Ort, an dem wir Zeit zusammen verbringen: an diesem klapprigen Geschichtskurs-Tisch, eine Schulstunde pro Woche. Ciaran schüttelt den Kopf, der aussieht wie der von einem viel reiferen Kerl. Ehrlich, er könnte locker zehn Jahre älter sein. »Cam, oh Mann. Du bist echt der Brüller.«

»Logo.« Dann entsteht eine Pause, wie immer, wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die viel selbstsicherer sind und erwarten, dass ich mich an ihre Energie anpasse. Manchmal wünschte ich, sie würden sich an meine Energie anpassen, aber das passiert nie. Wir leben in einer Welt voller Extrovertierter. »Warum genau bin ich der Brüller?«

Ciaran vergräbt das Gesicht in den Händen, als wollte er sagen: Deine fehlende Selbstwahrnehmung bringt uns noch beide ins Grab.

»Du liegst im Bett mit Jasmine Kerr – Jasmine Kerr – und beschließt, dass es aus ist, weeeeeil …« Er taucht wieder auf und tut, als würde er eine unsichtbare Liste mit Notizen durchgehen. »Weil sie mit dir nicht über Aliens diskutieren will.«

Wenn man es so ausdrückt, klingt es wirklich übel.

»Ich wollte ja keine stundenlange Diskussion führen«, erkläre ich, »sondern nur, dass sie eine Meinung dazu hat. Ist es nicht seltsam, wenn jemand sich noch nie Gedanken darüber gemacht hat? Würde dich das nicht auch ein bisschen abtörnen?«

»Alter, das könnte mir kaum egaler sein.«

Er streckt sich über die Stuhllehne und lehnt sich gegen einen deckenhohen Aufsteller mit der Aufschrift: DIE ENTWICKLUNG ZUM MODERNEN GROSSBRITANNIEN. Unsere Lehrerin, Shanice, liebt Plakate sehr. Sie hat sogar Winston Churchill – komplett mit Hut und Zigarre – aus recycelten Plastiktüten gebastelt. Und letztes Jahr hat sie geschlagene drei Monate damit verbracht, Queen Elizabeth I aus Eierkartons zu bauen. Dieser Scheiß steht bestimmt nicht in Shanice’ Jobbeschreibung, aber Elizabeth’ Halskrause ist wirklich ein Kunstwerk.

Die Freundschaft zwischen Ciaran und mir gehört zu der Sorte, bei der man sich fragt, warum sie seit unserer Kindheit gehalten hat. Heute haben wir eigentlich nichts mehr gemeinsam, außer eben unserer Vergangenheit, die uns irgendwie zusammenzuschweißen scheint. Seine Mum stand meiner Mum nahe, als meine Mum noch da war. Es gibt gerahmte Babyfotos von uns in Bücherregalen, Anekdoten darüber, wie wir uns als Zauberer verkleidet haben, und all so was. Während der Mittelstufe waren wir nicht an derselben Schule, doch für die Oberstufe kommen alle Schülerinnen und Schüler aus der näheren Umgebung zusammen, und da sind wir also. Wieder vereint.

Ich bin nicht derselbe Typ wie seine anderen Freunde, und manchmal denke ich, ich bin für ihn eher eine Art Projekt.

»Hör mal«, meint Ciaran. Er will sich immer noch die Haare aus dem Gesicht streichen, obwohl er sie vor ein paar Wochen abrasiert hat, weshalb er sich jetzt ständig mit der Hand über den Stoppelkopf fährt. »Du hast da echt verkackt. Jasmine ist nämlich abgefahren heiß, und du bist ein nerdiger Lauch. Aber aus irgendeinem Grund scheinen die Weiber drauf zu stehen. Also halt eine Weile den Ball flach. Lass Jasmine sich aufregen, wenn sie will. Sie liebt Drama.«

»Ja?«, frage ich hauptsächlich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Ich bin nicht so überzeugt, dass sie Drama liebt. Ich denke, sie ist einfach angepisst.

Er seufzt. »Ja. Zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf drüber. Guck ein bisschen Star Wars, und vergiss die ganze Sache.«

Den Star-Wars-Kommentar ignoriere ich, auch wenn wir beide genau wissen, wie sehr Ciaran damit ins Schwarze trifft. »Na gut. Ach, aber … ich habe dir nur von der Trennung erzählt, weil du Jasmine kennst. Weil du uns beide kennst. Behalt’s also für dich, okay?«

Ciaran beugt sich wieder zum Tisch und legt sich eine Hand aufs Herz, als wäre er verletzt. »Cam, wem sollte ich so was denn erzählen?«

Da fallen mir mehrere Leute ein, doch ich entscheide mich, ihm zu vertrauen. Er ist ein Mistkerl, kein Klatschmaul. »Danke, Mann.«

Er nimmt einen großen Bissen von seinem Schoko-Proteinriegel und antwortet mit vollem Mund: »Nich dafür.«

3

Poppy

Wenn er deinen durch Bücher geschürten Erwartungen nicht gerecht wird

»Meinst du, du findest irgendwann mal einen Kerl, mit dem du es länger als dreißig Sekunden aushältst?«

Stephanie sitzt mir grinsend gegenüber, den Kopf auf die Hände gestützt, während Jordan neben uns kichert. Wir sind im Dukes, dem kleinen Café am Stadtrand, das Jordan uns vor ein paar Jahren mal gezeigt hat. Der Red Velvet Cake ist ganz ohne Zweifel das Beste, was wir drei je gegessen haben. Manchmal holen wir uns sogar eine zweite Runde. Dritte hat es auch schon gegeben.

Ich schiebe meinen Orangensaft beiseite. »Die Frage würde ich gerne umdrehen. Die Sache ist doch: Warum habe ich noch nie einen Kerl getroffen, der mich nicht schon nach dreißig Sekunden enttäuscht hat? Warum soll ich mich quälen lassen, bloß weil ich Ansprüche habe?«

Stephanie schnaubt, und ihre dunklen Wellen wippen beim Lachen. »Ich glaube einfach, dass du es inzwischen nicht mehr auf irgendwelche Ansprüche schieben kannst, P. Bevor du gekommen bist, haben Jord und ich mal die Köpfe zusammengesteckt und eine Liste erstellt.« Sie zaubert eine bekritzelte Serviette hervor und räuspert sich. »Poppys verschmähte Männer: James. Der neueste auf der Abschussliste, was ein riesiger Fehler ist, wenn du mich fragst.«

»Ich frage dich aber nicht«, entgegne ich tonlos. »Ich erwarte, dass ihr mich mein Leben le–«

»James«, wiederholt Stephanie, dieses Mal deutlich lauter. »Süßer, missverstandener James. Dann war da noch Daniel Davidson, der Junge mit der schlechten Grammatik. Ich erinnere mich auch an einen Instagram-Flirt, Stuart hieß er, meine ich.« Sie schielt auf ihre Liste herab und schürzt die Lippen. »Uhhh, Lyle aus Naturwissenschaft. Sexy Tarnbir, der mit dir Skifahren wollte. Dieser Kerl Rhys, der seinen eigenen Podcast hatte. Jamie Takahashi. Der Typ mit den komischen Haaren von Fliss’ Party …«

»Elliot«, ergänze ich. »Und seine Haare waren eigentlich echt schön. Das war das geringste seiner Probleme.«

»Elliot! Was ist mit dem armen Elliot passiert? Er ist fort, aber nicht vergessen.« Sie und Jordan senken in spielerischer Ehrfurcht die Häupter, und ich verpasse ihnen unterm Tisch ein paar Tritte.

Das Problem mit Elliot hat sich im Prinzip sofort gezeigt. Er kam mit Sushi vorbei – damals, als ich noch Fisch gegessen habe –, während meine Eltern unterwegs waren. Ich hatte mein Zimmer aufgeräumt und die Lichterkette angemacht, und als er sich zu mir aufs Bett gesetzt hat, habe ich gefragt, ob er Vergiss mein nicht! gucken will. (Hinterher hat Stephanie mir erklärt, dass Vergiss mein nicht! beim ersten Date wohl eine ziemlich intensive Wahl ist, was mir gar nicht so bewusst war. Mir gefällt der Film einfach.)

Wie auch immer, Elliot hat zugestimmt, aber er hat die ganze Zeit über gezappelt. Er hat aus dem Fenster gestarrt und aufs Handy geguckt. Da überkam mich plötzlich dieses Gefühl: das, wenn du gerade diesem Typen einen Film oder einen Song zeigst, der dir wirklich viel bedeutet. Du guckst immer wieder rüber, um zu sehen, ob er es versteht, und im Umkehrschluss auch dich, aber es sieht nicht so aus. Er lacht nicht an den lustigen Stellen, weint nicht bei den traurigen. Du hast ihm die seltene Möglichkeit gegeben, dich kennenzulernen, wirklich hinter deine Fassade zu blicken, und er hat sich entschieden, das lieber nicht zu tun. Und dann realisierst du: Das führt zu nichts.

Beim Abspann versuchte ich, mit Elliot über das Gesehene zu sprechen, so wie ich das auch mit Jordan und Stephanie tue: »Was hast du an der Stelle gedacht? Meinst du auch, die eine Szene hat auf was anderes angespielt, auf was Größeres?« Er hat nur mit den Schultern gezuckt.

»Der Film war ganz okay, schätze ich.«

Ich starrte ihn an. »Ganz okay? Das ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Ich habe ihn bestimmt schon dreißig Mal gesehen.« Ich nahm eine meiner Haarsträhnen zwischen die Finger und wedelte damit vor seiner Nase herum. »Nur wegen Kate Winslets Figur habe ich mir die Haare orange gefärbt. Hat er dir echt nicht gefallen?«

Nicht mal diese Information schien Elliots Meinung ändern zu können.

»Er hat mir nicht nicht gefallen.« Er rutschte etwas näher zur Zimmertür. »Nur eben nicht so gut wie dir. Du meintest, Jim Carrey spielt mit, darum dachte ich, er wird bestimmt lustig. Aber das war echt nicht so mein Film.«

Diese Erkenntnis wollte sich mir ehrlich nicht erschließen. Auf Fliss’ Hausparty hatte Elliot einen wirklich komplexen Eindruck gemacht. Er hatte mir von der Küche aus sehnsüchtige Blicke zugeworfen. Mir erzählt, dass er seit Jahren professionell Gitarre spielt. Er hatte eine Oversize-Jacke an, die förmlich schrie: »Ich habe Die Glasglocke mehr als einmal gelesen.« Und trotzdem saßen wir jetzt hier.

»Elliot«, rief ich am Rande der Verzweiflung. »Diese Leute sind von ihrer Trennung so traumatisiert, dass sie ernsthaft dachten, es ist besser, sich zu vergessen und all die intimen Erinnerungen zu verlieren, die sie zusammen geschaffen haben. Doch dann finden sie einen Weg zurück zueinander und akzeptieren sich trotz all ihrer Fehler. Ist das nicht das Schönste, das du je gehört hast?«

Wieder zuckte er bloß mit den Schultern und grinste mich verhalten an. »Nicht so richtig. Ich steh halt eher auf Comedy.« Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Hey, hast du Superbad gesehen? Der ist zwar schon alt, aber ein echter Klassiker. Du meintest, du magst lustige Filme. Vielleicht können wir den ja beim nächsten Mal gucken.«

Ich bin der festen Überzeugung, dass ein gemeinsames Verständnis von Kultur der Kleber ist, der Beziehungen zusammenhält. Klar, bei manchen Paaren mit verschiedenen Geschmäckern wird alles von Pritt-Stift oder Bastelkleber oder so was zusammengehalten. Aber ich kann euch jetzt schon sagen, dass solche Beziehungen niemals halten wie Sekundenkleber. Da wird es immer diese fundamentalen Unterschiede geben, eine nicht zu übersehende Lücke, die sich einfach nicht überwinden lässt.

Ich kaute auf einer Tuna Roll und versuchte, mir eine Zukunft auszumalen, in der ich mich mit Elliot durch die gesamte Seth-Rogen-Filmografie quälte. Sofort lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Da hatte es keinen Sinn, Date Nummer zwei überhaupt erst zu planen.

Natürlich konnten Stephanie und Jordan das zu der Zeit nicht nachvollziehen. »Er darf ja wohl eine eigene Meinung haben«, sagten sie. »Ist das nicht Sinn der ganzen Sache?«

Ich erklärte ihnen, dass sie falschlagen, weil der Sinn der ganzen Sache eigentlich das genaue Gegenteil ist. Auf der Welt gibt es genügend Fremde. Es gibt genügend Leute da draußen, die mich nicht verstehen. Da ist der Sinn der ganzen Sache doch wohl, jemanden zu finden, der es tut.

Gerade tätschelt Jordan mir das Handgelenk, und ihre blonde Mähne ergießt sich über den Tisch. »Hey, hallo, ich habe eine Frage. Meinst du, es könnte – nur ganz vielleicht – sein, dass du Angst hast, Liebe zuzulassen? Über so was habe ich schon mal mit Tracey gesprochen. Und das kann ja auch ziemlich riskant sein. Vielleicht ist es für dich leichter, Single zu bleiben. Warum solltest du dich der Möglichkeit öffnen, verletzt zu werden, wenn es sich vermeiden lässt? Darum hängst du dich an solchen Kleinigkeiten auf. Fixierst dich so auf deine Red-Flag-Suche. Bist ganz besessen von den Dingen, die ihr nicht gemeinsam habt, anstatt dich auf die zu konzentrieren, bei denen es passt.«

Unter Jordans eindringlichem Blick fühle ich mich entblößt, irgendwie getroffen, darum ziehe ich den Arm weg und tue, als müsste ich mir dringend die Schulter kratzen.

Jordan macht seit gut einem Jahr bei einer Frau namens Tracey eine Therapie und steht seitdem noch mehr auf Deep Talk als vorher. Ihr Social-Media-Algorithmus hat sich ganz von allein daran angepasst und spuckt jetzt ständig neue Theorien über Traumareaktionen und Dramadreiecke und darüber aus, wie unsere Kindheit uns alle vermurkst. Sie hat uns auch, übermütig, wie sie gerade ist, schon eine ganze Reihe von psychischen Krankheiten diagnostiziert. Manchmal sind diese Informationen richtig hilfreich. Manchmal aber eben auch nicht.

»Ich bin nicht besessen«, sage ich und rücke meine Brille zurecht. »Ich würde wirklich gerne Liebe zulassen. Ist doch nicht meine Schuld, dass sie bisher nicht angeklopft hat.«

Ein Kellner hält an unserem Tisch, um die leeren Teller einzusammeln. Jordan stapelt sie schnell und reicht sie ihm. Sie trägt ihre üblichen Silberringe, drei bis vier an jeder Hand, und ihre langen Nägel funkeln in einem dunklen matten Grün: weihnachtsbaumfarben.

»Schon klar, aber wir glauben, dass es dir auch egal wäre, wenn sie anklopft«, meint Stephanie mit einem Seufzen. »Vielleicht hat sie sich ja sogar schon gezeigt, wer weiß, nur warst du zu sehr mit deinem Re-Read von Stolz und Vorurteil beschäftigt, um zur Tür zu gehen. Menschen machen bei ersten Dates nun mal Fehler. Sie sind nervös. Sie sind anders als du. Manchmal denkst du das Schlimmste von ihnen, aber dann können sie dich doch überraschen. Wie bei mir und Ciaran.«

Ciaran und Stephanie sind in der zehnten Klasse zusammengekommen, als er ihr auf dem Weg zum Geschichtsunterricht nachgepfiffen hat, weil sie eine neue Frisur hatte. Sie hat das nächstbeste Objekt nach ihm geworfen – meinen Schirm –, und beim gemeinsamen Nachsitzen hat er sie dann ins Kino eingeladen. Ich war, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht, dass sie Ja gesagt hat. Denn meine persönliche Meinung zu Ciaran ist: einmal ein Catcaller, immer ein Catcaller. In gewisser Weise meint er es wohl gut. An besseren Tagen ist er ganz okay. An durchschnittlichen Tagen allerdings ist er ein lauter, widerlicher, egozentrischer Kerl, ohne eine einzige feministische Faser im Körper, und ich würde wirklich lieber auf den Richtigen warten, als mich auf so einen einzulassen.

Dazu habe ich eine Theorie: Alle haben Angst, alleine zu sein oder zurückgelassen zu werden. Darum suchen sie sich jemanden, der nur passabel ist, und beißen die Zähne zusammen. Alle Menschen haben Standards und Erwartungen. Sie haben ihre eigenen Versionen einer Traummann-Liste, so wie ich. Zum Beispiel: »Oh, ich könnte nie einen Kerl daten, dem egal ist, was gerade in der Welt abgeht. Das wäre eine totale Red Flag.« Aber dann, ein halbes Jahr später, sind sie an der Hüfte mit einem Typen namens Dominic verwachsen, der arme Menschen abstoßend findet und in Diskussionen über Polizeigewalt gerne mit seiner Meinung aneckt.

Dieses Konzept ist mir natürlich nicht völlig fremd. Ich kann es sogar nachvollziehen. Du lernst jemanden kennen, und dann bemerkst du diese kleinen Unstimmigkeiten, du kriegst dieses unangenehme Bauchgefühl, das dir weismachen will, dass dieser Jemand nicht gut für dich ist … und dann redest du dir ein: Bestimmt zerbreche ich mir bloß zu sehr den Kopf. Bestimmt wird alles gut. Also entschuldigst du sein Verhalten, genau wie Stephanie bei Ciaran, und eh du dich versiehst, hast du den Rest deines Lebens einen an der Backe, der es nie übers erste Date hinausgeschafft hätte, wenn du auf deinen Bauch gehört hättest.

Stephanie deutet mein Schweigen als Aufforderung, weiterzusprechen. »Geht es hier echt immer noch darum, dass du auf den Traummann wartest? Jetzt mal ganz im Ernst: Meinst du nicht, es ist langsam an der Zeit, die fiktionalen Kerle in Ruhe zu lassen und dich auf die echten zu konzentrieren?«

Das erste Mal habe ich Stephanie die Traummann-Sammlung gezeigt, als wir uns in der Neunten in Geschichte kennengelernt haben. Und seitdem haben wir die Liste jedes Jahr gemeinsam überarbeitet. Denn wenn ich mich ändere, muss er sich natürlich auch ändern. Inzwischen gibt es einen ganzen Ordner, in dem ich jede Traummann-Version aufbewahre: A4-große Skizzen, Collagen und Zeichnungen mit kleinen Pfeilen, die zu den Eigenschaften zeigen, die mir zur entsprechenden Zeit besonders wichtig waren.

»Ich habe einen Plan, Stephanie«, erkläre ich verletzt, weil sie mir gerade jetzt ihre Unterstützung bei etwas entzieht, das sie bisher noch nie kritisiert hat. »Bitte lass mich damit weitermachen.«

»Und du weißt genau, dass ich lange stolze Verfechterin dieses Plans war.« Stephanie presst sich die Hand auf die Brust. »Mittlerweile hindert er dich bloß dran, wirklich jemanden kennenzulernen. Ich sage dir: James ist ein Schatz. Er ist witzig. Hat eine schöne Frisur. Und ja, er hat einen Fehler gemacht, aber du hast ihm nicht mal die Chance gegeben, sich zu erklären. Du bist einfach weggerannt.«

»Ich bin weggerannt«, schieße ich zurück, »weil dein Freund James sich beim Wort ›Periode‹ in eine patriarchale Puppe verwandelt hat.« Die Alliteration war keine Absicht, verleiht meinem Argument aber hoffentlich zusätzliches Gewicht.

»Poppy, glaub mir, ich verstehe das.« Jordan kratzt mit einem Löffel den letzten Rest Milchschaum aus ihrer Cappuccino-Tasse. »Die Latte für Heteromänner hängt so tief, dass Archäologen sie irgendwann ausbuddeln und jahrelang untersuchen werden. Aber es wirkt so, als würdest du auf jemanden warten, der niemals einen Fehler macht. Jemanden, dem dieselben Sachen exakt so wichtig sind wie dir. Jemanden, der gar nicht … existiert?«

Stephanie zeigt zu Jordan und nickt eindringlich. »Genau. So einen gibt es nur im Märchen. Er existiert nicht.«

»Im Märchen gibt es Zentauren. Und Meerjungfrauen«, erkläre ich und trinke den Rest meines Orangensafts aus. »Aber der Traummann ist real. Ich verspreche euch, ihr werdet euch richtig blöd vorkommen, wenn ich ihn treffe.«

Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung von ihm: Er ist groß und hat eine tolle Frisur. Ihm gefällt dieselbe Musik wie mir. Er pausiert Filme, allerdings nicht um Chips zu holen oder sich die Beine zu vertreten, sondern weil er eine bestimmte Szene besprechen will, um rauszufinden, ob mir dieselben Anspielungen aufgefallen sind wie ihm. Er hält mich für das schönste Mädchen der Welt und lässt mich das auch regelmäßig spüren, über die unterschiedlichsten Wege, ob durch verbale Bestätigung oder gitarrenbegleitete Songs. Er trägt ausschließlich Dr. Martens und weiß auch, dass man sie »Dr. Martens« schreibt und nicht »Doc Martens«, selbst wenn man sie so ausspricht.

Ich muss ihm keine grundlegenden Konzepte wie Gender Pay Gap erklären. Die kennt er schon, weil er sich in seiner Freizeit eigenständig weiterbildet. Er regt sich über dieselben gesellschaftlichen Aspekte auf wie ich, anstatt nur zu sagen: »Wow, stimmt, das ist echt schade, oder?«, nur um das Thema im nächsten Moment schon wieder zu vergessen. Er hat ein gutes Verhältnis zu seiner Mutter, weil das zeigt, dass er Frauen respektiert. In der Nachttischschublade bewahrt er eine Packung Tampons für mich auf, nur für den Fall, und wenn ich traurig bin, schenkt er mir Blumen. Und zwar welche vom Floristen, die er gewissenhaft nach Farbe und Anlass ausgesucht hat, und keine 3-Pfund-Nelken, auf denen noch das Supermarktetikett klebt. Er lacht über dieselben Witze wie ich, mag dieselben Bücher, sogar Liebesromane, weil Romantik nicht nur was für Frauen ist. Außerdem leiht er mir stapelweise Bücher aus, und ich leihe ihm welche von mir, und dann lachen wir, weil unser Geschmack sich so ähnelt. Wir gehen zusammen auf Konzerte. Oder fahren nach London. Bummeln durch die Vintage-Läden in Shoreditch. Er hat ein Auto, mit dem er mich herumkutschieren kann, aber er ist ein sicherer und verantwortungsvoller Fahrer, fährt niemals zu schnell und ist sich seiner Rolle im Kampf gegen die Klimakrise schmerzlich bewusst.

Das ist doch nicht zu viel verlangt.