Reden vor dem Parlament der Religionen und Vorträge - Swami Vivekananda - E-Book

Reden vor dem Parlament der Religionen und Vorträge E-Book

Swami Vivekananda

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Beschreibung

Swami Vivekananda (1863-1902), der berühmte Schüler Ramakrishnas, reiste nach dem Tod seines Meisters in die USA und Europa und brachte die Lehre des Hinduismus, v.a. des Vedanta, in den Westen. Er hinterließ ein enormes Werk mit seinen Schriften über die vier Yogas, seiner Rede vor dem Parlament der Religionen, zahlreichen Vorträgen, Gesprächen, Notizen, Gedichten und Briefen, das ein Klassiker des religiösen und philosophischen Schrifttums ist. Vom 11. September 1893, Vivekanandas erstem Vortrag vor dem Weltparlament der Religionen in Chicago, bis fast zu seinem Tod am 4. Juli 1902 hielt er unzählige öffentliche Vorträge und Seminare im Westen und in Indien. Die vorliegende Werkausgabe enthält eine repräsentative Auswahl in drei Bänden: 1. Die Vier Yogas sowie die Aphorismen von Patanjali 2. Reden vor dem Parlament der Religionen und Vorträge 3. Gespräche und Aussprüche. Swami Vivekananda setzte sich schon früh nicht nur mit der indischen, sondern auch mit der westlichen Philosophie auseinander und war auch sehr an den zu dieser Zeit aufblühenden Naturwissenschaften und technischen Errungenschaften interessiert, was er in seine Lehre einfließen ließ. Er verband westliches und östliches Denken, Philosophie, alltägliches Leben und die Einsichten der Wissenschaften. Seine Ideen basieren auf der Lehre des Vedanta, den er, und das ist ganz neu, als eine universale Religion verstand und nicht nur, wie traditionell, für (indische) Asketen geeignet und gedacht. Dabei betonte er die Bedeutung der persönlichen Erfahrung und die verändernde Wirkung bis in die Gesellschaft hinein.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Reden vor dem Parlament der Religionen

Antwort auf die Begrüßung

Warum wir uns nicht einig sind

Abhandlung über den Hinduismus

Religion ist nicht das dringendste Bedürfnis Indiens

Der Buddhismus, die Erfüllung des Hinduismus

Ansprache auf der Abschlusssitzung

Vorträge über Lehrer, Weise und Heilige

Mein Leben und meine Mission

Mein Meister

Christus, der Bote

Über den Herrn Buddha

Buddhas Botschaft an die Welt

Krishna

Mohammed

Die großen Lehrer der Welt

Die Weisen Indiens

Vilvamangala

Yajnavalkya und Maitreyi

Die Geschichte von Jada Bharata

Die Geschichte von Prahlada

Vorträge über religiöse Schriften

Die Gita I

Die Gita II

Die Gita III

Das Ramayana

Das Mahabharata

Die Mundaka Upanishad

Narada-Bhakti-Sutras

Was ist Religion?

Was ist Religion?

Seele, Gott und Religion

Der Hinduismus

Vedische religiöse Ideale

Verstand und Religion

Die Methoden und der Zweck der Religion

Stufen des hinduistischen philosophischen Denkens

Der Weg zur Verwirklichung einer universellen Religion

Das Ideal einer universellen Religion

Die Praxis der Religion

Einheit, das Ziel der Religion

Das Ziel

Verschiedene Themen

Spirituelle Übungen oder Vorbereitungen für das höhere Leben

Die eine Existenz, die als viele erscheint

Das offene Geheimnis

Der Weg zur Glückseligkeit

Die Seele und Gott

Seele, Natur und Gott

Kosmologie

Die Kräfte des Geistes

Schülerschaft

Die Bedeutung der Psychologie

Die Frauen von Indien

Vorträge über Bhakti-Yoga

Bhakti oder Hingabe

Bhakti 1

Bhakti 2

Vorträge über Vedanta

Die Vedanta-Philosophie

Über die Vedanta-Philosophie

Recht und Freiheit

Vedanta und Privilege

Schritte zur Erkenntnis

Der Geist und der Einfluss des Vedanta

Die Vedanta-Philosophie und das Christentum

Ist Vedanta die zukünftige Religion?

Glossar

Einleitung

Swami Vivekananda (1863-1902) hinterließ ein enormes Werk mit seinen Schriften über die vier Yogas, seiner Rede vor dem Parlament der Religionen, zahlreichen Vorträgen, Gesprächen, Notizen, Gedichten und Briefen, das ein Klassiker des religiösen und philosophischen Schrifttums ist. Das englische Gesamtwerk wurde posthum ab 1907 in der Mayavati-Ausgabe vom Advaita-Ashram in Indien zunächst in vier Bänden zusammengestellt und herausgebracht und wuchs in den folgenden Auflagen bis zuletzt auf neun Bände an.

Vom 11. September 1893, Vivekanandas erstem Vortrag vor dem Weltparlament der Religionen in Chicago, bis fast zu seinem Tod am 4. Juli 1902 hielt er unzählige öffentliche Vorträge und Seminare in den USA, Europa und in Indien. Viele davon wurden von seinem Sekretär J.J. Goodwin mitgeschrieben, der ihn 1896 von Amerika nach England und 1897 von England nach Indien begleitete. Ida Ansell stenografierte seine Vorträge in San Franzisco und Alameda mit. Zudem machte sich Vivekananda viele Notizen.

Da bislang nur Einzelwerke in deutscher Übersetzung vorliegen, habe ich mich entschlossen, aus dem Gesamtwerk eine repräsentative Auswahl zu treffen, sie inhaltlich zu ordnen und in drei Bänden zu veröffentlichen:

1. Die Vier Yogas sowie die Aphorismen von Patanjali

2. Reden vor dem Parlament der Religionen und Vorträge

3. Gespräche und Aussprüche

Swami Vivekananda setzte sich schon früh nicht nur mit der indischen, sondern auch mit der westlichen Philosophie auseinander und war auch sehr an den zu dieser Zeit aufblühenden Naturwissenschaften und technischen Errungenschaften interessiert, was er in seine Lehre einfließen ließ.

In seiner Lehre verband er westliches und östliches Denken, Philosophie, alltägliches Leben und die Einsichten der Wissenschaften. Seine Ideen basieren auf der Lehre des Vedanta, den er – und das ist ganz neu – als eine universale Religion verstand und nicht nur, wie traditionell, für (indische) Asketen geeignet und gedacht. Dabei betont er die Bedeutung der persönlichen Erfahrung und die verändernde Wirkung bis in die Gesellschaft hinein. Durch seine kraftvolle und überzeugende Art zu reden, gewann er schnell viele Anhänger in Ost und West und wurde sehr populär.

Vivekananda erklärt auf wunderbare, ausführliche Weise die Struktur seiner Religion. Wer bislang nur ansatzweise mit dem Hinduismus und v.a. mit dem Vedanta vertraut ist, wird durch diese Lektüre in das Herz dieser Religion eindringen und zu einem tieferen Verständnis finden. In diesem Sinn wünsche ich dem Leser und der Leserin eine aufschlussreiche Lektüre.

Gabriele Ebert

Reden vor dem Parlament der Religionen

(aus: Complete Works I)

Antwort auf die Begrüßung

Beim Weltparlament der Religionen, Chicago, 11. September 1893

Schwestern und Brüder von Amerika,

Es erfüllt mein Herz mit unaussprechlicher Freude, mich als Antwort auf den warmen und herzlichen Empfang, den ihr uns bereitet habt, zu erheben. Ich danke euch im Namen des ältesten Mönchsordens der Welt. Ich danke euch im Namen der Mutter aller Religionen, und ich danke euch im Namen von Millionen und Abermillionen von Hindus aller Klassen und Sekten.

Mein Dank gilt auch einigen der Redner auf diesem Podium, die euch über die Delegierten aus dem Orient gesagt haben, dass diese Männer aus fernen Nationen durchaus die Ehre beanspruchen können, den Gedanken der Toleranz in andere Länder zu tragen. Ich bin stolz darauf, einer Religion anzugehören, die der Welt sowohl Toleranz als auch universelle Akzeptanz gelehrt hat. Wir glauben nicht nur an die universelle Toleranz, sondern wir akzeptieren alle Religionen als wahr. Ich bin stolz darauf, einer Nation anzugehören, die den Verfolgten und Flüchtlingen aller Religionen und aller Nationen der Erde Zuflucht gewährt hat. Ich bin stolz darauf, euch sagen zu können, dass wir die restlichen Israeliten in unserem Schoß versammelt haben, die nach Südindien kamen und genau in dem Jahr bei uns Zuflucht suchten, in dem ihr heiliger Tempel von der römischen Tyrannei zerstört wurde. Ich bin stolz darauf, der Religion anzugehören, die die Übriggebliebenen der großen zoroastrischen Nation beherbergt hat und immer noch unterstützt. Ich möchte euch, liebe Brüder, einige Zeilen aus einer Hymne zitieren, die ich seit meiner frühesten Kindheit wiederholt habe und die jeden Tag von Millionen von Menschen wiederholt wird: „Wie die verschiedenen Ströme, die an verschiedenen Orten entspringen, alle ihr Wasser im Meer vermischen, so führen, oh Herr, die verschiedenen Wege, die die Menschen durch verschiedene Neigungen gehen, so verschieden sie auch erscheinen mögen, krumm oder gerade, alle zu Dir.“

Der gegenwärtige Kongress, der eine der erhabensten Versammlungen ist, die jemals abgehalten wurden, ist in sich selbst eine Rechtfertigung, eine Erklärung für die Welt über die wunderbare Lehre, die in der Gita gepredigt wird: „Wer auch immer zu Mir kommt, durch welche Form auch immer, den erreiche Ich. Alle Menschen kämpfen sich durch Wege, die letztlich zu Mir führen.“

Sektierertum, Bigotterie und ihr schrecklicher Abkömmling, der Fanatismus, haben diese schöne Erde lange in Besitz genommen. Sie haben die Erde mit Gewalt erfüllt, sie immer wieder mit Menschenblut getränkt, die Zivilisation zerstört und ganze Völker in die Verzweiflung getrieben. Wären diese schrecklichen Dämonen nicht gewesen, wäre die menschliche Gesellschaft weit fortgeschrittener, als sie es jetzt ist. Aber ihre Zeit ist gekommen, und ich hoffe inständig, dass die Glocke, die heute Morgen zu Ehren dieses Kongresses geläutet wurde, die Todesglocke für allen Fanatismus, für alle Verfolgungen mit dem Schwert oder der Feder und für alle lieblosen Gefühle zwischen Menschen sein möge, die auf dem Weg zu demselben Ziel sind.

Warum wir uns nicht einig sind

15. September 1893

Ich werde euch eine kleine Geschichte erzählen. Ihr habt gehört, wie der beredte Redner, der gerade geendet hat, sagte: „Lasst uns aufhören, einander zu beschimpfen“, und er bedauerte sehr, dass es immer so viele Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber ich denke, ich sollte euch eine Geschichte erzählen, die die Ursache für diese Meinungsverschiedenheiten veranschaulicht.

Ein Frosch lebte in einem Brunnen. Er lebte dort schon seit langer Zeit. Er wurde dort geboren, wuchs dort auf und war doch nur ein ganz kleiner Frosch. Natürlich gab es damals noch keine Evolutionsforscher, die uns sagen konnten, ob der Frosch seine Augen verloren hatte oder nicht, aber für unsere Geschichte müssen wir davon ausgehen, dass er seine Augen hatte und dass er jeden Tag das Wasser von allen Würmern und Bazillen, die darin lebten, mit einer Energie reinigte, die unseren modernen Bakteriologen zur Ehre gereichen würde. Auf diese Weise machte er weiter und wurde wohlgenährt und fett. Nun, eines Tages kam ein anderer Frosch, der im Meer lebte, und fiel in den Brunnen.

„Woher kommst du?“

„Ich komme aus dem Meer.“

„Das Meer! Wie groß ist es? Ist es so groß wie mein Brunnen?“, und er machte einen Sprung von einer Seite des Brunnens zur anderen.

„Mein Freund“, sagte der Frosch vom Meer, „wie kannst du das Meer mit deinem kleinen Brunnen vergleichen?“

Da machte der Frosch einen weiteren Sprung und fragte: „Ist dein Meer so groß?“

„Was redest du für einen Unsinn, wenn du das Meer mit deinem Brunnen vergleichst!“

„Nun denn“, sagte der Frosch des Brunnens, „nichts kann größer sein als mein Brunnen. Es kann nichts Größeres geben als diesen. Dieser Kerl ist ein Lügner, also wirf ihn hinaus.“

Das ist die ganze Zeit über die Schwierigkeit gewesen. Ich bin ein Hindu. Ich sitze in meinem eigenen kleinen Brunnen und denke, dass die ganze Welt mein kleiner Brunnen ist. Der Christ sitzt in seinem kleinen Brunnen und denkt, die ganze Welt sei sein Brunnen. Der Moslem sitzt in seinem kleinen Brunnen und denkt, das sei die ganze Welt. Ich muss euch aus Amerika für den großen Versuch danken, die Schranken unserer kleinen Welt zu überwinden, und hoffe, dass der Herr euch in Zukunft helfen wird, euer Ziel zu erreichen.

Abhandlung über den Hinduismus

Vorgelesen im Parlament am 19. September 1893

In der Welt gibt es heute drei Religionen, die uns aus prähistorischer Zeit überliefert sind: den Hinduismus, den Zoroastrismus und das Judentum. Sie alle haben gewaltige Erschütterungen erlitten, und sie alle beweisen durch ihr Überleben ihre innere Stärke. Doch während es dem Judentum nicht gelang, das Christentum zu absorbieren, und es von seiner alles erobernden Tochter aus seinem Geburtsort vertrieben wurde und eine Handvoll Parsen alles ist, was bleibt, um die Geschichte ihrer großen Religion zu erzählen, entstand in Indien eine Sekte nach der anderen und schien die Religion der Veden in ihren Grundfesten zu erschüttern. Aber wie das Wasser am Meeresufer bei einem gewaltigen Erdbeben, zog es sich nur für eine Weile zurück, um dann in einer alles absorbierenden Flut zurückzukehren, die tausendmal stärker war, und als die Unruhe des Ansturms vorbei war, wurden diese Sekten alle aufgesaugt, absorbiert und in den immensen Körper des Mutterglaubens assimiliert.

Von den spirituellen Höhenflügen der Vedanta-Philosophie, zu denen die neuesten Entdeckungen der Wissenschaft wie ein Echo wirken, bis hin zu den niedrigen Ideen der Bilderverehrung mit seiner vielfältigen Mythologie, dem Agnostizismus der Buddhisten und dem Atheismus der Jains haben alle einen Platz in der Religion der Hindus.

Wo also, so stellt sich die Frage, ist das gemeinsame Zentrum, zu dem all diese weit auseinander liegenden Radien konvergieren? Wo ist die gemeinsame Basis, auf der all diese scheinbar hoffnungslosen Widersprüche ruhen? Und genau diese Frage möchte ich versuchen zu beantworten.

Die Hindus haben ihre Religion durch eine Offenbarung, die Veden, erhalten. Sie behaupten, dass die Veden ohne Anfang und Ende sind. Es mag für dieses Publikum grotesk klingen, wie ein Buch ohne Anfang und Ende sein kann. Aber mit den Veden sind keine Bücher gemeint. Damit ist die Schatzkammer spiritueller Gesetze, die von verschiedenen Personen zu verschiedenen Zeiten entdeckt wurden, gemeint. So wie das Gesetz der Schwerkraft schon vor seiner Entdeckung existierte und auch dann noch existieren würde, wenn die gesamte Menschheit es vergessen würde, so verhält es sich mit den Gesetzen, die die geistige Welt regieren. Die moralischen, ethischen und geistigen Beziehungen zwischen Seele und Seele und zwischen den einzelnen Gemütern und dem Vater aller Gemüter waren schon vor ihrer Entdeckung vorhanden und würden auch dann noch bestehen, wenn wir sie vergessen würden.

Die Entdecker dieser Gesetze werden Rishis genannt, und wir ehren sie als vollkommene Wesen. Ich freue mich, diesem Publikum mitteilen zu können, dass einige der allergrößten von ihnen Frauen waren. An dieser Stelle kann man sagen, dass diese Gesetze als Gesetze ohne Ende sein mögen, aber sie müssen einen Anfang gehabt haben. Die Veden lehren uns, dass die Schöpfung weder Anfang noch Ende hat. Die Wissenschaft soll bewiesen haben, dass die Gesamtsumme der kosmischen Energie immer dieselbe ist. Wenn es also eine Zeit gab, in der nichts existierte, wo war dann all diese manifestierte Energie? Manche sagen, dass sie in einer potenziellen Form in Gott war. In diesem Fall ist Gott manchmal potentiell und manchmal kinetisch, was Ihn wandelbar machen würde. Alles, was wandelbar ist, ist eine Verbindung, und alles, was eine Verbindung ist, muss eine Veränderung erfahren, die man Zerstörung nennt. Gott würde also sterben, was absurd ist. Deshalb hat es nie eine Zeit gegeben, in der es keine Schöpfung gab.

Wenn ich mir einen Vergleich erlauben darf: Schöpfung und Schöpfer sind zwei Linien ohne Anfang und ohne Ende, die parallel zueinander verlaufen. Gott ist die immer aktive Vorsehung, durch deren Kraft Systeme nach Systemen aus dem Chaos entstehen, eine Zeit lang ablaufen und wieder zerstört werden. Das ist es, was der brahmanische Junge jeden Tag wiederholt: „Der Herr erschuf die Sonne und den Mond wie die Sonnen und Monde früherer Zyklen.“ Und das stimmt mit der modernen Wissenschaft überein.

Ich stehe hier, und wenn ich meine Augen schließe und versuche, mir meine Existenz vorzustellen, „ich“, „ich“, „ich“, was ist die Vorstellung vor mir? Die Vorstellung von einem Körper. Bin ich also nichts anderes als eine Kombination aus materiellen Substanzen? Die Veden erklären: „Nein“. Ich bin ein Geist (spirit), der in einem Körper lebt. Ich bin nicht der Körper. Der Körper wird sterben, aber ich werde nicht sterben. Hier bin ich in diesem Körper. Er wird abfallen, aber ich werde weiterleben. Ich hatte auch eine Vergangenheit. Die Seele wurde nicht erschaffen, denn Schöpfung bedeutet eine Kombination, die eine sichere zukünftige Auflösung bedeutet. Wenn also die Seele erschaffen worden wäre, müsste sie sterben. Einige werden glücklich geboren, erfreuen sich vollkommener Gesundheit, haben einen schönen Körper, geistige Kraft, und alle Bedürfnisse sind befriedigt. Andere werden unglücklich geboren, einige haben weder Hände noch Füße, wieder andere sind Idioten und schleppen sich nur durch ein elendes Dasein. Wenn sie alle geschaffen sind, warum schafft ein gerechter und barmherziger Gott den einen glücklich und den anderen unglücklich, warum ist Er so parteiisch? Es würde die Sache auch nicht im Geringsten verbessern, zu behaupten, dass diejenigen, die in diesem Leben unglücklich sind, in einem zukünftigen Leben glücklich sein werden. Warum sollte ein Mensch selbst hier, unter der Herrschaft eines gerechten und barmherzigen Gottes, unglücklich sein?

Zweitens erklärt die Vorstellung von einem Schöpfergott diese Regelwidrigkeit nicht, sondern drückt lediglich die grausame Willkür eines allmächtigen Wesens aus. Es muss also vor seiner Geburt Ursachen gegeben haben, die einen Menschen unglücklich oder glücklich machen, und das waren seine vergangenen Handlungen.

Sind nicht alle Tendenzen des Geistes und des Körpers auf eine ererbte Veranlagung zurückzuführen? Hier gibt es zwei parallele Linien der Existenz – eine des Geistes (mind), die andere der Materie. Wenn die Materie und ihre Umwandlungen für alles, was wir haben, verantwortlich sind, gibt es keine Notwendigkeit, die Existenz einer Seele anzunehmen. Aber es kann nicht bewiesen werden, dass sich das Denken aus der Materie entwickelt hat, und wenn ein philosophischer Monismus unvermeidlich ist, dann ist ein geistiger Monismus sicherlich logisch und nicht weniger wünschenswert als ein materialistischer Monismus. Aber keiner von ihnen ist hier notwendig.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Körper durch die Vererbung bestimmte Tendenzen erhalten, aber diese Tendenzen bedeuten nur die physische Konfiguration, durch die allein ein bestimmter Geist auf eine bestimmte Weise handeln kann. Es gibt andere Tendenzen, die einer Seele eigen sind und durch ihre früheren Handlungen verursacht werden. Und eine Seele mit einer bestimmten Tendenz würde nach den Gesetzen der Affinität in einem Körper geboren werden, der das geeignetste Instrument für die Entfaltung dieser Tendenz ist. Dies steht im Einklang mit der Wissenschaft, denn die Wissenschaft will alles mit der Gewohnheit erklären, und Gewohnheit wird durch Wiederholungen erreicht. Wiederholungen sind also notwendig, um die natürlichen Gewohnheiten einer neugeborenen Seele zu erklären. Und da sie nicht in diesem Leben erworben wurden, müssen sie aus früheren Leben stammen.

Es gibt noch eine weitere Vermutung. Wie kommt es dann, dass ich mich an nichts aus meinem früheren Leben erinnern kann? Das lässt sich leicht erklären. Ich spreche jetzt Englisch. Es ist nicht meine Muttersprache. Tatsächlich sind keine Wörter meiner Muttersprache jetzt in meinem Bewusstsein präsent. Aber lasst mich versuchen, sie hervorzuholen, und sie strömen herein. Das zeigt, dass das Bewusstsein nur die Oberfläche des mentalen Ozeans ist, in dessen Tiefen alle unsere Erfahrungen gespeichert sind. Aber wenn ich versuche, sie hochzuholen, wenn du es versucht und kämpfst, werden sie hochkommen, und du wirst dir sogar deines vergangenen Lebens bewusst sein.

Dies ist ein direkter und anschaulicher Beweis. Die Verifizierung ist der perfekte Beweis für eine Theorie, und hier liegt die Herausforderung, die die Rishis der Welt gestellt haben. Wir haben das Geheimnis entdeckt, mit dem die Tiefen des Ozeans des Gedächtnisses aufgewühlt werden können – versuche es, und du wirst eine vollständige Erinnerung an dein vergangenes Leben erhalten.

Der Hindu glaubt also, dass er ein Geist (spirit) ist. Ihn kann das Schwert nicht durchbohren – ihn kann das Feuer nicht verbrennen – ihn kann das Wasser nicht auflösen – ihn kann die Luft nicht trocknen. Der Hindu glaubt, dass jede Seele ein Kreis ist, dessen Umfang nirgends ist, dessen Zentrum sich aber im Körper befindet, und dass der Tod den Wechsel dieses Zentrums von Körper zu Körper bedeutet. Auch ist die Seele nicht durch die Bedingungen der Materie gebunden. In ihrem Wesen ist sie frei, grenzenlos, heilig, rein und vollkommen. Aber irgendwie fühlt sie sich an die Materie gebunden und betrachtet sich selbst als Materie.

Warum sollte das freie, vollkommene und reine Wesen auf diese Weise unter dem Zwang der Materie stehen, ist die nächste Frage. Wie kann die vollkommene Seele zu dem Glauben verleitet werden, sie sei unvollkommen? Man hat uns gesagt, dass die Hindus dieser Frage ausweichen und sagen, dass es eine solche Frage nicht geben kann. Einige Denker wollen sie beantworten, indem sie ein oder mehrere quasi-perfekte Wesen postulieren und große wissenschaftliche Begriffe verwenden, um die Lücke zu füllen. Aber benennen ist nicht erklären. Die Frage bleibt dieselbe. Wie kann das Vollkommene zum Quasi-Vollkommenen werden? Wie kann das Reine, das Absolute auch nur ein mikroskopisches Teilchen seiner Natur verändern? Aber der Hindu ist aufrichtig. Er will sich nicht mit Sophisterei abspeisen lassen. Er ist mutig genug, sich der Frage auf mutige Weise zu stellen, und seine Antwort lautet: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie das vollkommene Wesen, die Seele, dazu kam, sich selbst als unvollkommen zu betrachten, als mit der Materie verbunden und von ihr bedingt.“ Aber die Tatsache ist trotzdem eine Tatsache. Es ist eine Tatsache in jedermanns Bewusstsein, dass man sich selbst für den Körper hält. Der Hindu versucht nicht zu erklären, warum man denkt, man sei der Körper. Die Antwort, es sei der Wille Gottes, ist keine Erklärung. Das ist nichts anderes als das, was der Hindu mit: „Ich weiß es nicht“ sagt.

Nun, die menschliche Seele ist ewig und unsterblich, vollkommen und unendlich, und der Tod bedeutet nur einen Wechsel des Zentrums von einem Körper zum anderen. Die Gegenwart wird durch unsere vergangenen Handlungen bestimmt, und die Zukunft durch die Gegenwart. Die Seele wird sich von Geburt zu Geburt und von Tod zu Tod weiterentwickeln oder zurückkehren. Aber hier stellt sich eine andere Frage: Ist der Mensch ein winziges Boot in einem Sturm, das in einem Moment auf dem schäumenden Kamm einer Woge aufsteigt und im nächsten in einen gähnenden Abgrund hinabstürzt, das der Gnade guter und schlechter Handlungen ausgeliefert ist – ein ohnmächtiges, hilfloses Wrack in einem ewig wütenden, ewig rauschenden, kompromisslosen Strom von Ursache und Wirkung, eine kleine Motte unter dem Rad der Verursachung, das weiterrollt und alles zermalmt, was sich ihm in den Weg stellt, und nicht auf die Tränen der Witwe oder den Schrei des Waisenkindes wartet? Das Herz verzagt bei der Vorstellung, doch dies ist das Gesetz der Natur. Gibt es keine Hoffnung? Gibt es keinen Ausweg? – war der Schrei, der aus der Tiefe des verzweifelten Herzens aufstieg. Er erreichte den Thron der Barmherzigkeit, und Worte der Hoffnung und des Trostes kamen herab und inspirierten einen vedischen Weisen, der vor der Welt aufstand und mit Trompetenstimme die frohe Botschaft verkündete: „Hört, ihr Kinder der unsterblichen Glückseligkeit, auch ihr, die ihr in höheren Sphären wohnt! Ich habe den Altehrwürdigen gefunden, der jenseits aller Finsternis, aller Täuschung ist: Ihn allein zu kennen, wird euch immer wieder vor dem Tod retten.“ „Kinder der unsterblichen Glückseligkeit“ – was für ein süßer, was für ein hoffnungsvoller Name! Erlaubt mir, euch, Brüder, bei diesem süßen Namen zu nennen – Erben der unsterblichen Glückseligkeit – ja, der Hindu weigert sich, euch Sünder zu nennen. Ihr seid die Kinder Gottes, die Teilhaber der unsterblichen Glückseligkeit, heilige und vollkommene Wesen. Ihr Göttinnen und Götter auf Erden – Sünder! Es ist eine Sünde, einen Menschen so zu nennen. Es ist eine ständige Verleumdung der menschlichen Natur. Steht auf, ihr Löwen, und legt die Täuschung ab, dass ihr Schafe seid. Ihr seid unsterbliche Seelen, freie Geister, gesegnet und ewig. Ihr seid nicht Materie, ihr seid nicht Körper. Die Materie ist euer Diener, nicht ihr der Diener der Materie.

So verkünden die Veden nicht eine furchtbare Kombination von unerbittlichen Gesetzen, nicht ein endloses Gefängnis von Ursache und Wirkung, sondern dass an der Spitze all dieser Gesetze, in und durch jedes Teilchen der Materie und Kraft, Einer steht, „auf dessen Befehl der Wind weht, das Feuer brennt, die Wolken regnen und der Tod auf der Erde wandelt“.

Und was ist Sein Wesen? Er ist überall, der Reine und Formlose, der Allmächtige und Allbarmherzige. „Du bist unser Vater, Du bist unsere Mutter,

Du bist unser geliebter Freund, Du bist die Quelle aller Kraft, gib uns Kraft. Du bist derjenige, der die Lasten des Universums trägt. Hilf mir, die kleine Last dieses Lebens zu tragen.“ So sangen die Rishis der Veden. Und wie soll man Ihn verehren? Durch Liebe. „Er soll als der eine Geliebte verehrt werden, der in diesem und im nächsten Leben mehr wert ist als alles andere.“

Dies ist die Lehre der Liebe, die in den Veden verkündet wird, und wir wollen sehen, wie sie von Krishna, von dem die Hindus glauben, dass er der inkarnierte Gott auf Erden war, voll entwickelt und gelehrt wird.

Er lehrte, dass der Mensch in dieser Welt wie ein Lotusblatt leben soll, das im Wasser wächst, aber nie vom Wasser befeuchtet wird. So soll der Mensch in der Welt leben – sein Herz Gott und seine Hände der Arbeit geben.

Es ist gut, Gott um der Hoffnung auf Belohnung in dieser oder der nächsten Welt willen zu lieben, aber es ist besser, Gott um der Liebe willen zu lieben, und das Gebet lautet: „Herr, ich will weder Reichtum noch Kinder, noch Bildung. Wenn es Dein Wille ist, werde ich von Geburt zu Geburt gehen, aber gewähre mir dies, dass ich Dich ohne die Hoffnung auf Belohnung lieben kann – selbstlos lieben um der Liebe willen.“

Einer der Schüler Krishnas, der damalige Kaiser von Indien, wurde von seinen Feinden aus seinem Königreich vertrieben und musste mit seiner Königin in einem Wald im Himalaya Zuflucht suchen. Dort fragte ihn die Königin eines Tages, wie es komme, dass er, der tugendhafteste aller Menschen, so viel Elend erleiden müsse. Yudhishthira antwortete: „Sieh, meine Königin, wie großartig und schön der Himalaya ist. Ich liebe ihn. Er gibt mir nichts, aber es liegt in meinem Wesen, das Große und Schöne zu lieben, deshalb liebe ich ihn. Ebenso liebe ich den Herrn. Er ist die Quelle aller Schönheit, aller Erhabenheit. Er ist das einzige Objekt, das geliebt werden muss. Mein Wesen ist es, Ihn zu lieben, und deshalb liebe ich Ihn. Ich bete nicht um irgendetwas. Ich bitte um nichts. Er möge mich hinstellen, wo immer Er will. Ich muss Ihn um der Liebe willen lieben. Ich kann nicht mit der Liebe feilschen.“

Die Veden lehren, dass die Seele göttlich ist, nur in den Fesseln der Materie gehalten wird. Vollkommenheit wird erreicht, wenn diese Fesseln gesprengt werden, und das Wort, das sie dafür verwenden, ist daher Mukti – Freiheit, Freiheit von den Fesseln der Unvollkommenheit, Freiheit von Tod und Elend.

Diese Knechtschaft kann nur durch die Barmherzigkeit Gottes abfallen, und diese Barmherzigkeit kommt zu den Reinen. Reinheit ist also die Voraussetzung für Seine Barmherzigkeit. Wie wirkt diese Barmherzigkeit? Er offenbart sich dem reinen Herzen. Die Reinen und Unreinen sehen Gott, ja, sogar in diesem Leben. Dann, und nur dann wird alles Krumme des Herzens gerade gemacht. Dann hört jeder Zweifel auf. Es ist nicht mehr die Laune eines schrecklichen Gesetzes der Verursachung.

Das ist der Kern, die Lebensauffassung des Hinduismus schlechthin. Der Hindu will nicht von Worten und Theorien leben. Wenn es Existenzen jenseits der gewöhnlichen sinnlichen Existenz gibt, will er ihnen von Angesicht zu Angesicht begegnen. Wenn es in ihm eine Seele gibt, die nicht Materie ist, wenn es eine allbarmherzige universelle Seele gibt, will er direkt zu Ihr gehen. Er muss sie sehen, und das allein kann alle Zweifel zerstören. Der beste Beweis, den ein Hindu-Weiser über die Seele, über Gott, gibt, lautet also: „Ich habe die Seele gesehen. Ich habe Gott gesehen.“ Und das ist die einzige Bedingung für Vollkommenheit. Die Hindu-Religion besteht nicht in Kämpfen und Versuchen, eine bestimmte Lehre oder ein Dogma zu glauben, sondern in der Erkenntnis – nicht im Glauben, sondern im Sein und Werden.

So besteht das ganze Ziel ihres Systems darin, durch ständiges Ringen vollkommen zu werden, göttlich zu werden, Gott zu erreichen und Gott zu sehen, und dieses Erreichen Gottes, das Sehen Gottes, das Vollkommenwerden, so wie der Vater im Himmel vollkommen ist, macht die Religion der Hindus aus.

Und was wird aus dem Menschen, wenn er Vollkommenheit erlangt? Er lebt ein Leben in unendlicher Glückseligkeit. Er erfreut sich unendlicher und vollkommener Glückseligkeit, da er das Einzige erlangt hat, an dem der Mensch Freude haben sollte, nämlich Gott, und er genießt die Glückseligkeit mit Gott.

So weit sind sich alle Hindus einig. Dies ist die gemeinsame Religion aller Sekten Indiens. Aber die Vollkommenheit ist absolut, und das Absolute kann nicht zwei oder drei sein. Es kann keine Eigenschaften haben. Es kann nicht ein Individuum sein. Wenn also eine Seele vollkommen und absolut wird, muss sie eins mit Brahman werden, und sie wird den Herrn nur als die Vollkommenheit, die Wirklichkeit ihrer eigenen Natur und Existenz erkennen, als absolute Existenz, absolute Erkenntnis und absolute Glückseligkeit.

Wir haben so oft gelesen, dass dies der Verlust der Individualität und die Verwandlung in einen Baumstumpf oder einen Stein ist.

„Er scherzt über Narben, die nie eine Wunde gefühlt haben.“1

Ich sage euch, es ist nichts dergleichen. Wenn es ein Glück ist, sich des Bewusstseins dieses kleinen Körpers zu erfreuen, dann muss es ein noch größeres Glück sein, sich des Bewusstseins von zwei Körpern zu erfreuen, wobei das Maß des Glücks mit dem Bewusstsein einer zunehmenden Anzahl von Körpern zunimmt und das Ziel, der Gipfel des Glücks, erreicht ist, wenn es ein universelles Bewusstsein wird.

Um diese unendliche, universelle Individualität zu erlangen, muss also diese elende, kleine, gefangene Individualität verschwinden. Dann allein kann der Tod aufhören, wenn ich mit dem Leben eins bin, dann allein kann das Elend aufhören, wenn ich mit dem Glück selbst eins bin, dann allein können alle Irrtümer aufhören, wenn ich mit dem Wissen selbst eins bin. Und dies ist die notwendige wissenschaftliche Schlussfolgerung. Die Wissenschaft hat mir bewiesen, dass physische Individualität eine Täuschung ist, dass mein Körper in Wirklichkeit ein kleiner, sich ständig verändernder Körper in einem ununterbrochenen Ozean aus Materie ist. Und Advaita (Einheit) ist die notwendige Schlussfolgerung mit meinem anderen Gegenstück, der Seele.

Die Wissenschaft ist nichts anderes als die Suche nach der Einheit. Sobald die Wissenschaft die vollkommene Einheit erreichen würde, würde sie aufhören, weiter voranzuschreiten, weil sie das Ziel erreicht hätte. So könnte die Chemie nicht weiter fortschreiten, wenn sie ein Element entdecken würde, aus dem alle anderen hergestellt werden könnten. Die Physik würde aufhören, wenn sie in der Lage wäre, ihre Dienste zu erfüllen, indem sie eine Energie entdeckt, von der alle anderen nur Manifestationen sind, und die Wissenschaft der Religion würde vollkommen werden, wenn sie denjenigen entdecken würde, der das einzige Leben in einem Universum des Todes ist, denjenigen, der die konstante Grundlage einer sich ständig verändernden Welt ist, einer, der die einzige Seele ist, von der alle Seelen nur trügerische Manifestationen sind. So wird durch Vielfalt und Dualität die letzte Einheit erreicht. Die Religion kann nicht weiter gehen. Dies ist das Ziel aller Wissenschaft.

Jede Wissenschaft muss auf lange Sicht zu dieser Schlussfolgerung kommen. Manifestation und nicht Schöpfung ist heute das Wort der Wissenschaft, und der Hindu ist nur froh, dass das, was er seit Jahrhunderten in seiner Brust hegt, in einer eindringlicheren Sprache und mit weiterem Licht aus den neuesten Schlussfolgerungen der Wissenschaft gelehrt werden wird.

Kommen wir nun von den Bestrebungen der Philosophie zur Religion der Unwissenden herunter. Gleich zu Beginn darf ich euch sagen, dass es in Indien keinen Polytheismus gibt. In jedem Tempel wird man, wenn man dabeisteht und zuhört, feststellen, dass die Verehrer alle Attribute Gottes, einschließlich der Allgegenwart, auf die Bilder anwenden. Das ist kein Polytheismus, und auch der Begriff „Henotheismus“ würde die Situation nicht erklären. „Eine Rose, die einen anderen Namen trägt, würde genauso gut duften.“ Namen sind keine Erklärungen.

Ich erinnere mich daran, wie ich als Junge einen christlichen Missionar hörte, der zu einer Menschenmenge in Indien predigte. Er sagte ihnen unter anderem: „Was könnte euer Götterbild tun, wenn ihr ihm mit seinem Stock einen Schlag versetzen würdet?“ Einer seiner Zuhörer entgegnete scharf: „Wenn ich euren Gott beleidige, was kann Er dann tun?“ „Du würdest bestraft werden, wenn du stirbst“, sagte der Prediger. „Also wird mein Götterbild dich bestrafen, wenn du stirbst“, erwiderte der Hindu.

Man erkennt den Baum an seinen Früchten. Wenn ich unter denen, die man Götzendiener nennt, Menschen gesehen habe, die ich in Bezug auf Moral, Spiritualität und Liebe nirgendwo gesehen habe, halte ich inne und frage mich: „Kann Sünde Heiligkeit hervorbringen?“

Der Aberglaube ist ein großer Feind des Menschen, aber die Bigotterie ist noch schlimmer. Warum geht ein Christ in die Kirche? Warum ist das Kreuz heilig? Warum ist das Gesicht beim Gebet dem Himmel zugewandt? Warum gibt es so viele Bilder in der katholischen Kirche? Warum gibt es so viele Bilder in den Köpfen der Protestanten, wenn sie beten? Meine Brüder, wir können genauso wenig ohne ein geistiges Bild an etwas denken, wie wir leben können, ohne zu atmen. Nach dem Gesetz der Assoziation ruft das materielle Bild die geistige Vorstellung hervor und umgekehrt. Aus diesem Grund benutzt der Hindu ein äußeres Symbol, wenn er betet. Er wird euch sagen, dass es ihm hilft, seinen Geist auf das Wesen zu richten, zu dem er betet. Er weiß so gut wie ihr, dass das Bild nicht Gott ist, dass es nicht allgegenwärtig ist. Denn was bedeutet die Allgegenwart für fast die ganze Welt? Sie ist nur ein Wort, ein Symbol. Hat Gott einen oberflächlichen Bereich? Wenn nicht, denken wir, wenn wir das Wort „allgegenwärtig“ wiederholen, an den ausgedehnten Himmel oder Raum, das ist alles.

So wie wir feststellen, dass wir unsere Vorstellungen von der Unendlichkeit aufgrund der Gesetze unserer geistigen Verfassung auf die eine oder andere Weise mit dem Bild des blauen Himmels oder des Meeres verbinden müssen, so verbinden wir natürlich auch unsere Vorstellung von Heiligkeit mit dem Bild einer Kirche, einer Moschee oder eines Kreuzes. Die Hindus haben die Idee der Heiligkeit, der Reinheit, der Wahrheit, der Allgegenwart und solche anderen Ideen mit verschiedenen Bildern und Formen verbunden. Aber mit dem Unterschied, dass manche Menschen ihr ganzes Leben ihrem Idol einer Kirche widmen und sich nie zu etwas Höherem aufschwingen, weil für sie Religion eine intellektuelle Zustimmung zu bestimmten Lehren und Gutes tun für ihre Mitmenschen bedeutet, während die ganze Religion der Hindus auf Erkenntnis ausgerichtet ist. Der Mensch soll göttlich werden, indem er das Göttliche erkennt. Idole, Tempel, Kirchen oder Bücher sind nur die Stützen, die Hilfen seiner spirituellen Kindheit, aber er muss immer weiter fortschreiten. Er darf nirgendwo stehenbleiben.

Die Schriften sagen: „Äußere Verehrung, materielle Verehrung ist die niedrigste Stufe. Das Streben nach oben, das geistige Gebet ist die nächste Stufe, aber die höchste Stufe ist, wenn der Herr erkannt ist.“ Merke, derselbe ernste Mensch, der vor dem Götterbild kniet, sagt dir: „Ihn kann weder die Sonne ausdrücken noch der Mond, noch die Sterne. Weder der Blitz kann Ihn ausdrücken noch das, was wir als Feuer bezeichnen. Durch Ihn leuchten sie.“ Aber er tadelt nicht das Idol eines anderen und bezeichnet seine Anbetung nicht als Sünde. Er erkennt in ihm eine notwendige Stufe des Lebens. „Das Kind ist der Vater des Mannes.“ Wäre es für einen alten Mann richtig zu sagen, dass die Kindheit eine Sünde ist oder die Jugend?

Wenn ein Mensch seine göttliche Natur mit Hilfe eines Bildes erkennen kann, wäre es dann richtig, dies Sünde zu nennen? Und selbst wenn er dieses Stadium überschritten hat, sollte er es nicht als Irrtum bezeichnen. Für den Hindu wandert der Mensch nicht vom Irrtum zur Wahrheit, sondern von der Wahrheit zur Wahrheit, von der niederen zur höheren Wahrheit. Für ihn bedeuten alle Religionen, vom niedrigsten Fetischismus bis zum höchsten Absolutismus, so viele Versuche der menschlichen Seele, das Unendliche zu erfassen und zu erkennen, wobei jeder Versuch durch die Bedingungen ihrer Geburt und ihres Umgangs bestimmt wird und eine Stufe des Fortschritts markiert. Und jede Seele ist ein junger Adler, der höher und höher steigt und immer mehr Kraft gewinnt, bis er die glorreiche Sonne erreicht.

Einheit in Vielfalt ist der Plan der Natur, und der Hindu hat ihn erkannt. Jede andere Religion legt bestimmte feste Dogmen fest und versucht, die Gesellschaft zu zwingen, sie anzunehmen. Sie legt der Gesellschaft nur einen Mantel vor, der Jack, John und Henry gleichermaßen passen muss. Wenn er John oder Henry nicht passt, muss er ohne einen Mantel gehen, der seinen Körper bedeckt. Die Hindus haben entdeckt, dass das Absolute nur durch das Relative erkannt, gedacht oder ausgedrückt werden kann, und die Bilder, Kreuze und Halbmonde sind einfach so viele Symbole – so viele Haken, um die spirituellen Ideen daran aufzuhängen. Es ist nicht so, dass diese Hilfe für jeden notwendig ist, aber diejenigen, die sie nicht brauchen, haben kein Recht zu sagen, dass sie falsch sind. Im Hinduismus ist sie auch nicht vorgeschrieben.

Eines muss ich euch sagen: Bilderverehrung bedeutet in Indien nichts Schreckliches. Sie ist nicht die Mutter der Huren. Andererseits ist es der Versuch eines unterentwickelten Geistes, hohe spirituelle Wahrheiten zu begreifen. Die Hindus haben ihre Fehler, sie haben manchmal ihre Besonderheiten. Aber man beachte, dass sie immer dafür sind, ihren eigenen Körper zu bestrafen, und niemals dafür, ihren Nachbarn die Kehle durchzuschneiden. Wenn der Hindu-Fanatiker sich selbst auf dem Scheiterhaufen verbrennt, entzündet er niemals das Feuer der Inquisition. Und selbst das kann seiner Religion ebenso wenig angelastet werden, wie die Hexenverbrennung dem Christentum angelastet werden kann.

Für den Hindu ist also die ganze Welt der Religionen nur eine Reise, ein Aufsteigen verschiedener Männer und Frauen durch verschiedene Bedingungen und Umstände zu demselben Ziel. Jede Religion entwickelt nur einen Gott aus dem materialistischen Menschen, und derselbe Gott ist der Inspirator aller Religionen. Warum gibt es dann so viele Widersprüche? Sie sind nur scheinbar, sagt der Hindu. Die Widersprüche rühren daher, dass dieselbe Wahrheit sich an die unterschiedlichen Umstände der verschiedenen Naturen anpasst.

Es ist das gleiche Licht, das durch verschiedenfarbige Gläser fällt. Und diese kleinen Variationen sind notwendig, um sich anzupassen. Aber im Herzen von allem regiert dieselbe Wahrheit. Der Herr hat dem Hindu in seiner Inkarnation als Krishna erklärt: „Ich bin in jeder Religion wie der Faden in einer Perlenkette. Wo immer du außergewöhnliche Heiligkeit und außergewöhnliche Kraft siehst, die die Menschheit erhebt und reinigt, wisse, dass ich dort bin.“ Und was ist das Ergebnis? Ich fordere die Welt heraus, im gesamten System der Sanskrit-Philosophie einen Ausdruck zu finden, der besagt, dass der Hindu allein gerettet wird und nicht andere. Vyasa sagt: „Wir finden vollkommene Menschen sogar jenseits unserer Kaste und unseres Glaubens.“ Noch eine Sache. Wie kann ein Hindu, dessen ganzes Gedankengut sich um Gott dreht, an den Buddhismus glauben, der agnostisch ist, oder an den Jainismus, der atheistisch ist?

Die Buddhisten oder die Jains hängen nicht von Gott ab, aber die ganze Kraft ihrer Religion ist auf die große zentrale Wahrheit in jeder Religion gerichtet, einen Gott aus dem Menschen zu entwickeln. Sie haben den Vater nicht gesehen, aber sie haben den Sohn gesehen. Und wer den Sohn gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen.

Dies, liebe Brüder, ist eine kurze Skizze der religiösen Vorstellungen der Hindus. Der Hindu mag es nicht geschafft haben, all seine Pläne zu verwirklichen, aber wenn es jemals eine universelle Religion geben soll, dann muss es eine sein, die keinen Ort und keine Zeit kennt, die unendlich sein wird wie der Gott, den sie predigen wird, und deren Sonne auf die Anhänger Krishnas und Christi, auf Heilige und Sünder gleichermaßen scheinen wird, die nicht brahmanisch oder buddhistisch, christlich oder muslimisch sein wird, sondern die Summe all dieser, und die immer noch unendlich viel Raum für Entwicklung hat, die in ihrer Katholizität jedes menschliche Wesen in ihre unendlichen Arme schließen und für es einen Platz finden wird, vom niedrigsten kriechenden Wilden, der nicht weit vom Tier entfernt ist, bis zum höchsten Menschen, der durch die Tugenden seines Kopfes und seines Herzens fast über die Menschheit hinausragt und die Gesellschaft in Ehrfurcht vor ihm stehen und an seiner menschlichen Natur zweifeln lässt. Es wird eine Religion sein, die keinen Platz für Verfolgung oder Intoleranz in ihrem Gemeinwesen haben wird, die die Göttlichkeit in jedem Mann und jeder Frau anerkennen wird, und deren ganzer Umfang, deren ganze Kraft darin bestehen wird, der Menschheit zu helfen, ihre eigene wahre, göttliche Natur zu erkennen.

Biete eine solche Religion an, und alle Völker werden dir folgen. Das Konzil von Asoka war ein Konzil des buddhistischen Glaubens. Akbars Konzil war zwar zweckdienlicher, aber nur ein Wohnzimmertreffen. Es war Amerika vorbehalten, in allen Teilen der Welt zu verkünden, dass der Herr in jeder Religion ist.

Möge Er, der das Brahman der Hindus, der Ahura-Mazda (Herr der Weisheit) der Zoroastrier, der Buddha der Buddhisten, der Jehova der Juden, der Vater im Himmel der Christen ist, euch die Kraft geben, eure edle Idee zu verwirklichen! Der Stern ist im Osten aufgegangen. Er ist stetig nach Westen gewandert, mal gedämpft, mal leuchtend, bis er die Welt umrundet hat; und nun geht er am Horizont des Ostens, an den Grenzen des Sanpo1, wieder auf, tausendmal leuchtender, als er je zuvor war.

Sei gegrüßt, Columbia [Nordamerika], Mutterland der Freiheit! Dir, der du nie die Hand in das Blut deines Nächsten getaucht hast, der du nie herausgefunden hast, dass der kürzeste Weg zum Reichtum darin besteht, seinen Nächsten zu berauben, dir ist es gegeben, mit der Fahne der Harmonie an der Spitze der Zivilisation zu marschieren.

1 aus Shakespeares Romeo und Julia (Anm. d. Übers.)

Religion ist nicht das dringendste Bedürfnis Indiens

20. September 1893

Christen müssen immer zu guter Kritik bereit sein, und ich glaube kaum, dass es euch etwas ausmachen wird, wenn ich ein wenig Kritik übe. Ihr Christen, die ihr so gern Missionare aussendet, um die Seele der Heiden zu retten – warum versucht ihr nicht, ihre Körper vor dem Verhungern zu retten? In Indien starben während der schrecklichen Hungersnöte Tausende vor Hunger, doch ihr Christen habt nichts getan. Ihr errichtet überall in Indien Kirchen, aber das schreiende Übel im Osten ist nicht die Religion – sie haben Religion genug –, sondern es ist das Brot, nach dem die leidenden Millionen des brennenden Indiens mit ausgetrockneten Kehlen schreien. Sie bitten uns um Brot, aber wir geben ihnen Steine. Es ist eine Beleidigung für ein hungerndes Volk, wenn man ihm Religion anbietet. Es ist eine Beleidigung für einen hungernden Menschen, wenn man ihn Metaphysik lehrt. In Indien würde ein Priester, der für Geld predigt, seine Kaste verlieren und von den Menschen bespuckt werden. Ich kam hierher, um Hilfe für mein verarmtes Volk zu suchen, und mir wurde klar, wie schwierig es ist, von Christen in einem christlichen Land Hilfe für Heiden zu bekommen.

2 Marie Louise Burke (Schwester Gargi) gibt folgenden Kommentar: „In allen frühen Berichten über Swamijis Vortrag über Hinduismus (den er offensichtlich mit der Hand geschrieben und der Presse gegeben hatte) wurde das Wort „Pacific“ (Pazifik) als „Tasifu“ transkribiert, was die Reporter für ein weit entferntes Binnenmeer orientalischer Geheimnisse und Romantik gehalten haben mögen. Tatsache ist, dass Swamijis Ps wie Ts aussahen, und sein „Pacific“ wie „Tasifu“. Durch einen unbekannten Prozess wurde „Tasifu“ in den „Gesammelten Werken“ zu „Sanpo“ (ein tibetischer Name für den Brahmaputra-Fluss). So rückte der „Horizont des Ostens“ immer weiter zurück. Aber bezeichnenderweise benutzte Swamiji in seinen Reden vor dem Parlament Wörter, die für jeden verständlich waren. In der Tat war er nie, wenn er vor der Öffentlichkeit sprach (oder privat, soweit wir wissen) esoterisch oder obskur. „Pacific“, war klar, einfach und vernünftig und sicherlich das, was er in seinem Papier schrieb und was er sagte. (Swami Vivekananda in The West — New Discoveries, Marie Louise Burke, Vol 1, Page 143)

Der Buddhismus, die Erfüllung des Hinduismus

26. September 1893

Ich bin kein Buddhist, wie ihr gehört habt, und doch bin ich einer. Wenn China, Japan oder Ceylon den Lehren des Großen Meisters folgen, so verehrt Indien ihn als den auf Erden inkarnierten Gott. Ihr habt soeben gehört, dass ich den Buddhismus kritisieren werde, aber ich möchte, dass ihr dies versteht. Es liegt mir fern, denjenigen zu kritisieren, den ich als den auf Erden inkarnierten Gott verehre. Aber wir sind der Meinung, dass Buddha von seinen Schülern nicht richtig verstanden wurde. Die Beziehung zwischen dem Hinduismus (mit Hinduismus meine ich die Religion der Veden) und dem, was man heute Buddhismus nennt, ist fast die gleiche wie zwischen Judentum und Christentum. Jesus Christus war ein Jude, und Shakya Muni war ein Hindu. Die Juden lehnten Jesus Christus ab, ja, kreuzigten ihn, und die Hindus haben Shakya Muni als Gott akzeptiert und verehren ihn. Aber der wirkliche Unterschied, den wir Hindus zwischen dem modernen Buddhismus und dem, was wir als die Lehren des Herrn Buddha verstehen sollten, aufzeigen wollen, liegt vor allem in diesem Punkt: Shakya Muni kam nicht, um Neues zu predigen. Er kam auch wie Jesus, um zu erfüllen und nicht um zu zerstören. Nur waren es bei Jesu die alten Leute, die Juden, die ihn nicht verstanden, während es bei Buddha seine eigenen Anhänger waren, die die Bedeutung seiner Lehren nicht erkannten. Wie der Jude die Erfüllung des Alten Testaments nicht verstanden hat, so hat der Buddhist die Erfüllung der Wahrheiten der Hindu-Religion nicht verstanden. Ich wiederhole: Shakya Muni kam nicht, um zu zerstören, sondern er war die Erfüllung, die logische Schlussfolgerung, die logische Entwicklung der Religion der Hindus.

Die Religion der Hindus ist in zwei Teile unterteilt: den zeremoniellen und den spirituellen. Der spirituelle Teil wird besonders von den Mönchen studiert.

Darin gibt es keine Kaste. Ein Mann aus der höchsten und ein Mann aus der niedrigsten Kaste können in Indien Mönch werden, und die beiden Kasten sind gleichberechtigt. In der Religion gibt es keine Kaste. Die Kaste ist lediglich eine soziale Einrichtung. Shakya Muni selbst war ein Mönch, und es war sein Ruhm, dass er die Großherzigkeit besaß, die Wahrheiten aus den verborgenen Veden herauszuholen und sie über die ganze Welt zu verbreiten. Er war das erste Wesen in der Welt, das die Missionierung in die Praxis umsetzte – ja, er war der erste, der die Idee des Missionierung aufbrachte.

Der große Ruhm des Meisters lag in seiner wunderbaren Sympathie für alle Menschen, besonders für die Unwissenden und die Armen. Einige seiner Schüler waren Brahmanen. Als Buddha lehrte, war Sanskrit nicht mehr die gesprochene Sprache in Indien. Sie war nur noch in den Büchern der Gelehrten zu finden. Einige von Buddhas Brahmanen-Schülern wollten seine Lehren ins Sanskrit übersetzen, aber er sagte ihnen deutlich: „Ich bin für die Armen, für das Volk da. Lasst mich in der Sprache des Volkes sprechen.“ Und so ist bis heute der größte Teil seiner Lehren in der damaligen Volkssprache Indiens verfasst.

Was auch immer der Standpunkt der Philosophie, was auch immer der Standpunkt der Metaphysik sein mag, solange es so etwas wie den Tod in der Welt gibt, solange es so etwas wie die Schwäche des menschlichen Herzens gibt, solange es einen Schrei gibt, der aus dem Herzen des Menschen in seiner Schwäche kommt, wird es einen Glauben an Gott geben.

Auf der philosophischen Seite stießen die Schüler des Großen Meisters gegen die ewigen Felsen der Veden und konnten sie nicht zertrümmern, und auf der anderen Seite nahmen sie der Nation jenen ewigen Gott weg, an den sich jeder, ob Mann oder Frau, so sehr klammert. Und das Ergebnis war, dass der Buddhismus in Indien einen natürlichen Tod sterben musste. Heutzutage gibt es in Indien, dem Land seiner Geburt, niemanden mehr, der sich als Buddhist bezeichnet.

Aber gleichzeitig verlor der Brahmanismus etwas – jenen reformatorischen Eifer, jene wunderbare Sympathie und Nächstenliebe für alle, jenen wunderbaren Himmel, den der Buddhismus den Massen gebracht hatte und der die indische Gesellschaft so großartig gemacht hatte, dass ein griechischer Historiker, der über das Indien jener Zeit schrieb, sich zu der Aussage veranlasst sah, dass kein Hindu dafür bekannt sei, eine Unwahrheit zu sagen, und keine Hindu-Frau, unkeusch zu sein.

Der Hinduismus kann nicht ohne den Buddhismus leben, und der Buddhismus nicht ohne den Hinduismus. Dann wird uns klar, was uns die Trennung gezeigt hat: Die Buddhisten können nicht ohne das Gehirn und die Philosophie der Brahmanen leben, und die Brahmanen nicht ohne das Herz der Buddhisten. Diese Trennung zwischen den Buddhisten und den Brahmanen ist die Ursache für den Untergang Indiens. Deshalb wird Indien von dreihundert Millionen Bettlern bevölkert, und deshalb war Indien in den letzten tausend Jahren der Sklave der Eroberer. Verbinden wir also den wunderbaren Intellekt der Brahmanen mit dem Herzen, der edlen Seele, der wunderbaren humanisierenden Kraft des Großen Meisters.

Ansprache auf der Abschlusssitzung

27. September 1893

Das Weltparlament der Religionen ist zu einer vollendeten Tatsache geworden, und der barmherzige Vater hat denen geholfen, die sich für seine Verwirklichung eingesetzt und seine selbstlose Arbeit mit Erfolg gekrönt haben.

Mein Dank gilt jenen edlen Seelen, deren große Herzen und Wahrheitsliebe diesen wunderbaren Traum zuerst geträumt und dann verwirklicht haben. Mein Dank gilt der freiheitlichen Stimmung, die diese Plattform überflutet hat. Mein Dank gilt dem aufgeklärten Publikum für seine gleichbleibende Freundlichkeit mir gegenüber und für seine Wertschätzung jedes Gedankens, der dazu beiträgt, die Spannungen zwischen den Religionen zu mildern. Von Zeit zu Zeit waren in dieser Harmonie ein paar schrille Töne zu hören. Ihnen gilt mein besonderer Dank, denn sie haben durch ihren auffälligen Kontrast die allgemeine Harmonie noch versüßt.

Es ist viel über die Gemeinsamkeiten der religiösen Einheit gesagt worden. Ich werde jetzt nicht meine eigene Theorie wagen. Aber wenn hier jemand hofft, dass diese Einheit durch den Triumph einer der Religionen und die Zerstörung der anderen zustande kommt, dann sage ich ihm: „Bruder, das ist eine unmögliche Hoffnung.“ Wünschte ich, dass der Christ zum Hindu würde? Gott bewahre. Wünschte ich, dass ein Hindu oder Buddhist Christ würde? Gott bewahre.

Der Same wird in die Erde gelegt, und Erde, Luft und Wasser werden um ihn herum angeordnet. Wird der Same zur Erde, zur Luft oder zum Wasser? Nein. Er wird zu einer Pflanze, er entwickelt sich nach dem Gesetz seines eigenen Wachstums, nimmt die Luft, die Erde und das Wasser auf, wandelt sie in Pflanzensubstanz um und wächst zu einer Pflanze.

Ähnlich verhält es sich mit der Religion. Der Christ soll nicht zum Hindu oder Buddhisten werden, noch soll ein Hindu oder Buddhist zum Christen werden. Aber jeder muss sich den Geist der anderen aneignen und dennoch seine Individualität bewahren und nach seinem eigenen Gesetz des Wachstums wachsen.

Wenn das Parlament der Religionen der Welt etwas gezeigt hat, dann ist es dies: Es hat der Welt bewiesen, dass Heiligkeit, Reinheit und Nächstenliebe nicht das ausschließliche Eigentum irgendeiner Kirche in der Welt sind und dass jedes System Männer und Frauen mit dem erhabensten Charakter hervorgebracht hat. Wer angesichts dieser Beweise vom ausschließlichen Fortbestehen seiner eigenen Religion und der Vernichtung der anderen träumt, den bedauere ich aus tiefstem Herzen und weise ihn darauf hin, dass auf dem Banner jeder Religion trotz des Widerstands bald stehen wird: „Hilfe und nicht Kampf“, „Anpassung und nicht Zerstörung“, „Harmonie und Frieden und nicht Zwietracht“.

Vorträge über Lehrer, Weise und Heilige

Mein Leben und meine Mission

(Ansprache im Shakespeare Club von Pasadena, Kalifornien, am 27. Januar 1900, aus: Complete Works VIII)

Nun, meine Damen und Herren, das Thema des heutigen Vormittags sollte die Vedanta-Philosophie sein. Das Thema ist interessant, aber ziemlich trocken und sehr umfangreich.

In der Zwischenzeit wurde ich von eurem Präsidenten und einigen der hier anwesenden Damen und Herren gebeten, euch etwas über meine Arbeit und meine Tätigkeit zu erzählen. Das mag für einige von euch interessant sein, für mich jedoch nicht so sehr. Ich weiß gar nicht so recht, wie ich euch davon erzählen soll, denn es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich über dieses Thema spreche.

Um zu verstehen, was ich auf meine Art und Weise zu tun versucht habe, werde ich euch in der Vorstellung nach Indien entführen. Wir haben nicht die Zeit, um auf alle Einzelheiten und alle Verästelungen des Themas einzugehen. Auch ist es euch nicht möglich, in dieser kurzen Zeit alle Verwicklungen eines fremden Volkes zu verstehen. Es genügt, zu sagen, dass ich zumindest versuchen werde, euch ein kleines Bild von Indien zu vermitteln.

Es ist wie ein gigantisches Gebäude, das in Trümmer zerfallen ist. Auf den ersten Blick gibt es also wenig Hoffnung. Es ist eine zerstörte und ruinierte Nation. Aber wenn man abwartet und sie studiert, dann sieht man etwas, das darüber hinausgeht. Die Wahrheit ist: Solange das Prinzip, das Ideal, dessen Ausdruck der äußere Mensch ist, nicht verletzt oder zerstört wird, lebt der Mensch, und es gibt Hoffnung für diesen Menschen. Wenn dein Mantel zwanzig Mal gestohlen wird, ist das kein Grund, warum du vernichtet sein sollst. Du kannst dir einen neuen Mantel besorgen. Der Mantel ist unwesentlich. Die Tatsache, dass ein reicher Mann ausgeraubt wird, verletzt nicht die Lebenskraft des Mannes, bedeutet nicht den Tod. Der Mann wird überleben.

Von diesem Grundsatz ausgehend, schauen wir nach innen und sehen – was? Indien ist keine politische Macht mehr. Es ist ein versklavtes Volk. Die Inder haben kein Mitspracherecht, keine Stimme in ihrer eigenen Regierung. Sie sind dreihundert Millionen Sklaven – mehr nicht! Das Durchschnittseinkommen eines Mannes in Indien beträgt zwei Schillinge im Monat. Der allgemeine Zustand der großen Masse des Volkes ist der Hunger, so dass bei der geringsten Verringerung des Einkommens Millionen sterben. Eine kleine Hungersnot bedeutet den Tod. So sehe ich auch dort, wenn ich auf diese Seite Indiens schaue, den Ruin – den hoffnungslosen Ruin.

Aber wir stellen fest, dass die indische Rasse nie für Reichtum stand. Obwohl sie unermesslichen Reichtum erwarb, vielleicht mehr als jede andere Nation, stand die Nation nicht für Reichtum. Es war über lange Zeit ein mächtiges Volk, doch wir stellen fest, dass dieses Volk nie nach Macht strebte, nie das Land verließ, um zu erobern. Es war innerhalb ihrer eigenen Grenzen zufrieden und bekämpfte nie jemanden. Das indische Volk strebte nie nach imperialem Ruhm. Reichtum und Macht waren also nicht die Ideale dieses Volkes.

Was dann? Ob es Unrecht hatte oder Recht – das ist nicht die Frage, über die wir diskutieren. Dieses Volk hat unter allen Menschenkindern geglaubt, und zwar fest geglaubt, dass dieses Leben nicht real ist. Das Wirkliche ist Gott, und an diesen Gott müssen sie sich durch dick und dünn klammern. Inmitten ihrer Erniedrigung stand die Religion an erster Stelle. Der Hindu trinkt religiös, schläft religiös, geht religiös, heiratet religiös, raubt religiös.

Habt ihr jemals ein solches Land gesehen? Wenn ihr eine Räuberbande gründen wollt, muss der Anführer irgendeine Art von Religion predigen, dann eine falsche Metaphysik formulieren und sagen, dass diese Methode der klarste und schnellste Weg zu Gott ist. Dann findet er eine Anhängerschaft, sonst nicht. Das zeigt, dass die Vitalität der Rasse, die Mission der Rasse die Religion ist. Und weil diese nicht angetastet wurde, lebt diese Rasse.

Seht Rom. Roms Mission war die imperiale Macht, Expansion. Und sobald das angetastet wurde, fiel Rom in sich zusammen, ging unter. Die Mission Griechenlands war der Intellekt, und sobald dieser angetastet wurde, ging Griechenland unter. So war es auch in der neueren Zeit, in Spanien und in all diesen neuen Ländern. Jede Nation hat eine Mission für die Welt. Solange diese Mission nicht verletzt wird, lebt diese Nation trotz aller Schwierigkeiten. Aber sobald ihre Mission zerstört wird, bricht die Nation zusammen.

Die Vitalität Indiens ist noch nicht angetastet worden. Sie haben sie nicht aufgegeben, und sie ist immer noch stark – trotz all ihres Aberglaubens. Es gibt einen abscheulichen Aberglauben. Einig Arten sind äußerst widerwärtig. Aber das macht nichts. Das nationale Leben – die Strömung ist immer noch da – die Mission der Rasse.

Die indische Nation wird niemals ein mächtiges Eroberervolk sein – niemals. Sie wird nie eine große politische Macht sein. Das ist nicht ihre Sache, das ist nicht die Note, die Indien in der großen Harmonie der Nationen zu spielen hat. Was aber hat sie zu spielen? Gott, und Gott allein. Daran klammert sie sich wie an den grimmigen Tod. Dennoch gibt es Hoffnung.

Nach eurer Analyse kommt ihr also zu dem Schluss, dass all diese Dinge, all die Armut und das Elend, nicht von Bedeutung sind – der Mensch lebt noch, und deshalb gibt es Hoffnung.

Nun gut! Ihr seht, dass überall im Land religiöse Aktivitäten stattfinden. Ich kann mich nicht an ein Jahr erinnern, in dem nicht mehrere neue Sekten in Indien entstanden wären. Je stärker die Strömung ist, desto mehr Strudel und Wirbel gibt es. Sekten sind kein Zeichen des Verfalls, sie sind ein Zeichen des Lebens. Lasst die Sekten sich vermehren, bis die Zeit kommt, in der jeder von uns eine Sekte hat, jeder Einzelne. Darüber brauchen wir nicht zu streiten.

Nehmt jetzt euer Land. (Ich will keine Kritik üben.) Hier sind die sozialen Gesetze, die politische Gestaltung – alles darauf ausgerichtet, dem Menschen die Reise in diesem Leben zu erleichtern. Er kann sehr glücklich leben, solange er auf dieser Erde ist. Seht euch eure Straßen an – wie sauber! Eure schönen Städte! Und auf wie viele Arten kann ein Mensch Geld verdienen! Wie viele Wege gibt es, um in diesem Leben Vergnügen zu finden! Aber wenn ein Mensch hier sagen würde: „Seht her, ich werde mich unter diesen Baum setzen und meditieren. Ich will nicht arbeiten“, dann müsste er ins Gefängnis gehen. Seht ihr! Es gäbe überhaupt keine Chance für ihn. Keine. Ein Mensch kann in dieser Gesellschaft nur leben, wenn er sich anpasst. Er muss mitmachen, um in den Genuss des Guten in diesem Leben zu kommen, oder er stirbt.

Gehen wir nun zurück nach Indien. Wenn dort ein Mann sagt: „Ich werde gehen und auf dem Gipfel dieses Berges sitzen und den Rest meiner Tage auf meine Nasenspitze schauen“, sagt jeder: „Geh, und viel Glück!“ Er braucht kein Wort zu sagen. Jemand bringt ihm ein Gewand, und es geht ihm gut. Aber wenn ein Mann sagt: „Seht, ich werde ein wenig dieses Leben genießen“, dann sind ihm alle Türen verschlossen.

Ich sage, dass die Vorstellungen beider Länder ungerechtfertigt sind. Ich sehe keinen Grund, warum sich ein Mann hier nicht hinsetzen und auf seine Nasenspitze schauen sollte, wenn er möchte. Warum sollte hier jeder das tun, was die Mehrheit tut? Ich sehe keinen Grund.

Es gibt auch keinen Grund, warum ein Mensch in Indien nicht die Güter dieses Lebens haben und Geld verdienen sollte. Aber ihr seht, wie diese riesigen Millionen durch Tyrannei gezwungen werden, den gegenteiligen Standpunkt zu akzeptieren. Dies ist die Tyrannei der Klugen. Dies ist die Tyrannei der Großen, die Tyrannei der Geistigen, die Tyrannei der Intellektuellen, die Tyrannei der Wissenden. Und die Tyrannei der Wissenden ist wohlgemerkt viel mächtiger als die Tyrannei der Unwissenden. Die Wissenden, die Intellektuellen, kennen hunderttausend Wege, um Fesseln und Schranken zu errichten, wenn sie anderen ihre Meinung aufzwingen wollen, die der Unwissende nicht zu durchbrechen vermag.

Ich sage, dass diese Sache aufhören muss. Es hat keinen Sinn, Millionen und Abermillionen von Menschen zu opfern, um einen einzigen geistigen Riesen hervorzubringen. Wenn es möglich ist, eine Gesellschaft zu schaffen, in der der geistige Riese hervorgebracht wird und alle anderen Menschen ebenfalls glücklich sind, dann ist das gut. Aber wenn die Millionen niedergemacht werden müssen, ist das ungerecht. Es ist besser, wenn der eine große Mann für die Rettung der Welt leidet.

In jeder Nation werdet ihr mit ihren Methoden arbeiten müssen. Zu jedem Menschen werdet ihr in seiner eigenen Sprache sprechen müssen. Wenn ihr in England oder Amerika Religion predigen wollt, müsst ihr mit politischen Methoden arbeiten – Organisationen und Gesellschaften gründen, mit Abstimmungen, Wahlen, einem Präsidenten und so weiter, denn das ist die Sprache und die Methode der westlichen Rasse. Wenn ihr hingegen in Indien über Politik sprechen wollt, müsst ihr in der Sprache der Religion sprechen. Ihr müsst ihnen so etwas sagen wie: „Der Mann, der jeden Morgen sein Haus reinigt, wird so und so viel Verdienst erwerben, er wird in den Himmel kommen, oder er kommt zu Gott.“ Wenn ihr es nicht so formuliert, werden sie euch nicht zuhören. Es ist eine Frage der Sprache. Das, was getan wird, ist dasselbe. Aber bei jeder Rasse muss man ihre Sprache sprechen, um ihre Herzen zu erreichen. Und das ist auch gut so. Darüber brauchen wir uns nicht zu ärgern.

In dem Orden, dem ich angehöre, werden wir Sannyasins genannt. Das Wort bedeutet „ein Mann, der entsagt hat“. Dies ist ein sehr, sehr, sehr alter Orden. Selbst Buddha, der 560 Jahre vor Christus lebte, gehörte diesem Orden an. Er war einer der Reformer in seinem Orden. Das war alles. So uralt! Ihr findet ihn bereits in den Veden, dem ältesten Buch der Welt, erwähnt. Im alten Indien gab es die Vorschrift, dass jeder Mann und jede Frau gegen Ende ihres Lebens ganz aus dem gesellschaftlichen Leben aussteigen und an nichts anderes als an Gott und ihr eigenes Heil denken sollte. Das geschah, um sich auf das große Ereignis – den Tod – vorzubereiten. So wurden in jenen frühen Tagen alte Menschen zu Sannyasins. Später begannen die jungen Menschen, die Welt aufzugeben. Und junge Menschen sind aktiv. Sie konnten sich nicht unter einen Baum setzen und die ganze Zeit an ihren eigenen Tod denken. Also zogen sie los, um zu predigen und Sekten zu gründen und so weiter. So begann Buddha, als er jung war, diese große Reform. Wäre er ein alter Mann gewesen, hätte er auf seine Nasenspitze geschaut und wäre in aller Ruhe gestorben.

Der Orden ist keine Kirche, und die Menschen, die dem Orden beitreten, sind keine Priester. Es gibt einen völligen Unterschied zwischen den Priestern und den Sannyasins. In Indien ist das Priesteramt, wie jedes andere Gewerbe im gesellschaftlichen Leben, ein Erbberuf. Der Sohn eines Priesters wird ein Priester, genauso wie der Sohn eines Zimmermanns ein Zimmermann oder der Sohn eines Schmieds ein Schmied wird. Der Priester muss immer verheiratet sein. Für einen Hindu ist ein Mann erst dann vollständig, wenn er eine Frau hat. Ein unverheirateter Mann hat kein Recht, religiöse Zeremonien durchzuführen.

Die Sannyasins