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Gibt es etwas Schöneres, als dem Alltag durch einen spontanen Kurzurlaub zu entfliehen? Oder sorgfältig eine ferne Reise zu planen, um sich einen langgehegten Traum zu erfüllen? Ob türkisblaue Meere, schneebedeckte Berge, tropische Wälder oder weite Wüstenlandschaften, ob pulsierende Metropolen oder idyllische Dörfer - durch nahe oder ferne Reisen wird dem Menschen häufig erst bewusst, wie schön und facettenreich unsere Welt doch ist. Die Beiträge im vorliegenden Sammelband Reise, reise! legen Zeugnis ab von Entdeckerlust und Welt-Erfahrung; farbenfrohe Erlebnisberichte, Erzählungen oder Gedichte bieten einen facettenreichen Zugang zu Natur, Stadt und Land. Wie eine literarische Sammellinse erzählt das Buch von verborgenen Orten, prägenden Begegnungen, von Sitten und Gebräuchen der Menschen von nah und fern und dokumentiert so die Liebe der Autoren zu vielfältigen Reisezielen. Fotos erhöhen den dokumentarischen Charakter der Texte und verleihen ihnen zusätzlichen Reiz.
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Vorwort
Christian Barsch
HEXE KRET
Beatrix Ramona Benmoussa-Strouhal
Der Zauber Algiers
Paul Friedrich
Reisen 2020
Peter Kleine
Bolivien 2015
Brigitte Lohan
Ewig ein Traum – Sardegna
Nikolaus Luttenfeldner
Zerfallene Paläste
Günther Melchert
Abenteuerliche Wüste Sahara
Monika Rankers
Die Zeit bleibt stehen
Regina Rausch, auch Elisabeth III.
Reisetagebuch
Ursula Schinzel
Quo Vadis 2020/2021?
Inna Zagrajewski
Rosengarten
AUTORENSPIEGEL
„Viel zu spät begreifen viele
die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur,
Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise!
Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!“
WILHELM BUSCH (1832–1908)
Mit diesen Worten versucht der Vater der berühmten Comicfiguren Max und Moritz, seine Zeitgenossen auf die Freuden und Schönheiten von Natur und Kultur hinzuweisen. Reisen als Lebenselixier, um die Lebensziele nicht zu versäumen und an sich vorbeiziehen zu lassen. Busch nennt Reisen eine weise Aktivität des Menschen.
Heutzutage – in den Zeiten der Pandemie – dürfen solche Worte äußerst zynisch erscheinen, denn die Menschen werden weltweit daran gehindert, Natur und Kultur der Erde weltläufig zu erkunden. Wir alle stecken in einer der größten epochalen Bedrohungen der Menschheit und werden täglich mit den Fesseln des Lockdowns und schmerzhafter Einschränkungen konfrontiert. Noch weiß niemand, wann diese Hindernisse eines freudigen und schönen Lebens wieder aufgehoben werden.
So leben wir zurzeit aus dem Schatz der Vergangenheit und erinnern uns der vielen wunderbaren Reisen und Expeditionen, die wir bereits gemacht haben. Der vorliegende Band mag dabei hilfreich zur Seite stehen und als Souvenir an die Annehmlichkeiten vergangener Welterkundung und Erholung dienen:
Wir lesen mit Interesse die Beiträge von Christian Barsch, der uns auf eine abenteuerliche Reise mit Hexen und Zauberern entführt.
Beatrix Ramona Benmoussa-Strouhal präsentiert uns den Zauber der Altstadt von Algier.
Paul Friedrich beschreibt die Entbehrungen und Chancen, die das vergangene Corona-Jahr mit sich gebracht hat.
Peter Kleine schildert uns seine Erlebnisse in Bolivien und die abenteuerliche Busreise zum Titicacasee.
Brigitte Lohan vergleicht ihre erste Sardinien-Reise mit der zweiten, die mehr als 30 Jahre später stattfand.
Nikolaus Luttenfeldner beklagt den Zerfall der einst glänzenden Stadt Rom.
Günther Melchert macht mit uns eine Reise in die Sahara, die sich zwischen Traum und Realität bewegt.
Monika Rankers beobachtet das Leben in Mombasa und Nairobi vor Weihnachten bei 40 Grad im Schatten.
Regina Rausch stellt uns in humoristischer Form ihre Fahrt nach Brüssel vor, um ihren Geburtstag zu feiern.
Ursula Schinzel wirft die Frage nach dem Fortgang der Entwicklung in den Corona-Jahren 2020/2021 auf. Quo vadis?, lautet die besorgte Frage.
Schließlich macht uns Inna Zagrajewski mit dem wunderschönen Rosengarten Südtirols mitsamt seinem Zwerg Laurin vertraut.
Gleichzeitig blicken wir aber auch in die Zukunft in der tröstlichen Erwartung besserer Zeiten, die uns wieder Reisen ermöglichen – sei es in vertraute Ziele, die uns Entspannung und Erholung versprechen, sei es in unbekannte Gefilde, die den Abenteuergeist in uns befeuern.
Reisen ist lebenswichtig für Körper, Seele und Geist, sodass wir alle Energie und Intelligenz daransetzen, möglichst schnell wieder Touristen, Weltenbummler und Erholungssuchende zu werden.
Dieses Büchlein mag sich daher als Dokument all dessen verstehen, was hinter uns liegt, aber insbesondere auch als Ausdruck für das, was wir uns für die Zukunft wieder erhoffen: Reisen zu können, wohin wir möchten, Natur und Kultur unserer reichen Erde zu genießen und die Lebensziele anzupeilen, die uns Gesundheit, Kraft und Lebensfreude vermitteln.
Peter Kleine,
Bad Driburg im März 2021
Zweiter Teil
51.
Lange war die Fahrt zur Stadt
fällig. Und der Hexograph
füllt noch einmal Blatt um Blatt.
Denn nach Kret hält Ausschau schon
Zauberer Simsalabim,
deren Mutter Schwestersohn.
Oft sah man recht mürrisch an,
doch zu Unrecht, meinen wir,
treu-geschwinden Skopaelan:
Trage deine Herrin stracks
in das Meer aus Schlot und Dach
noch vor Ende dieses Tags.
Leise Reiselust, schwach Neugier
mischen sich für die Steinwirrnis
mit Scheu und Abscheu.
Max und Theophil sind liebernste
Hüter dessen, was
herrinlos bleibt aus Pflichttrieb.
Über Sonnenblumenflor
skopaelant winkend die Hex
weit, weit hin, hoch, hoch empor:
Fragend, wissend lenkt verständnislos
und -voll zugleich sie mitten
in den Qualmbaum der Erkenntnis.
52.
Schienenstränge blinken; Wagenschlangen hasten,
tunnelmaulentspieen, preßvoll mit Viel-Lasten.
Jagen rumpelnd über Brücken; Räder rattern;
Dampffetzen im Eisennetzgeflecht zerflattern.
Schriftgeleucht unzählig; Lärm aus Trichtern bellt
auf die eilige, gummikau-spraynde Viel-Welt,
die so weit, so klug ist, oft mehr Fleisch als Fisch;
die töricht, voll Trug ist, Hexen-Gott-Gemisch.
Wie sie stolz sich spiegelt! Selten fühlt sie Reu;
hat sich eingeigelt in Rausch-Einerlei.
Dächerfluchten glänzen, wellenfanggespickt,
während in Dachrinnen Moos auf Schmutz vorrückt.
Straßenschnüre schneiden tief ins Steinfleisch ein,
noch bespült von fahlem Neonlampenschein;
doch gen Morgen unter Wolkenriesen droht
über Kron und Kot blendend blutiges Rot.
53.
Wie mächtig sich die Zeiten ändern,
auch Zauberer Simsalabim
wohnt schon in einer Viel-Neuwohnung.
(Wo wüßtest, Leser, du ihn denn gern?)
Zeitläufte Merkwürdiges gestalten:
Kret schwebt im Fahrstuhl hoch zu ihm.
Türschild: M. Sim, Illusionist –
sie hat stets viel von ihm gehalten.
Zeitfluten spülen Fernes näher:
„Ja?“ – „Salve, Vetter Sim!“ – „Gegrüßt
sei, Base, Saga, Maga, Venefica!“ –
„Du wohnst hoch, ein Seher.“
Beruhigend steht im Zeitsturm Dauer.
„Ist dir noch wohl im finstren Wald?“ –
„Am wohlsten, wenn es stürmt und gießt.“ –
„Mich nennst du Seher – du bist Schauer!“
Ob Freude uns die Zeiten bringen?
Der Magus, spitz bemützt, sternenbestickt,
kleidet sich um und führt
die Hexe dann zu guten Dingen.
Hier hat Zeit samtumwobne Krallen:
Im ‚Argus–Restaurant‘ sitzt man.
Pfauenschwanzfederfries umläuft
die Wände fast intimer Hallen.
Zeitköchin rührt zäh-glitschige Speise –
die Hexe und der Zauberer
genießen Wiedersehen, Essen
und Trinken, Raumkunst und die Preise.
Es lauscht der Zeitspion mit Grimm.
„Gedenk der hundert Augen“, sagt
scheu Kret. „Ja, das ist schlimm!“ erwidert
umherspähend Simsalabim.
(Wie gleichfalls uns Zeitspion plagt,
die Nerven uns enorm wie nie zerrt.)
54. SCHLECHT GETRÄUMT
Müde war sie auf das Lager
billigen Hotels gesunken,
von den Eindrücken wie trunken.
Farbenlicht tönt die Gardine
stets in gleicher Reihenfolge –
Schlaf kommt.
Traum.
Auf farbiger Wolke
prunkt der Höllenprinz,
Über Dächerschrägen
Haare wehn und Mantel
flüchtet Muhme Schrunz,
fort im Strom des Winds –
schaurig hallt Gegrunz –
Eisengräten starren
Rot, dann violett
dicht aus kargem Tal:
aus dem Himmel tropft es –
langen Fallens Qual –
Angst! Verstört im Bett
sitzt die Hex klopfenden Herzens.
Ach, es klopft laut wie ein Hammer.
Langsam lockert sich die Klammer
grauenhafter Gaukelei –
übermüd, im Farbenschein
schläft sie endlich wieder ein.
55. DIE HEXE VON DER BLAUEN SCHALE
Kret weilt momentan zu kurzem
Informationsbesuch bei
einer wichtigen Kollegin.
Riesiger leerer Saal,
hoch und hell (vom Deckenrand
fließt gelblichweißes,
klares Licht); um blanken
Holzfußboden große
Fenster, vorhangüberdeckt.
In der Mitte mammuthaft
ein wunderbares,
Furcht weckendes Monstrum;
sichtbar Nickel, Glas,
Gummi, Skalen, Räder,
Griffe, Schläuche, Rohrgewirr.
Übermächtig krönt
eine dunkelblaue,
weitgeschwungene Schale
diese tierhafte Maschine;
drüber ahnt man
zarte Schleier weißen
Rauchs.
Diener, kaum zu zählen
(körperlos, wie gläsern
durcheinandereilend),
dienen dem Koloß stumm;
Venemedica,
mild, erdbraun gewandet,
herrscht.
Hier holt Madam Vielheit
tausendflaschenfach
sich ihr Tränklein (jedes
Etikett sagt S. Ser. Gorp. ),
hälts für Medizin,
nimmts gern; aber es scheint
Gift.
(Hexe Kret besuchte eben
informationshalber
Kollegin Venemedica.)
– Fünf vorangegangenen Stücken folgen drei weitere –
56.
Ein stiller Sommernachmittag. Vorstadt
des Fortlaufs.
Siedlungshäuschen,
puppenhafte
Blumengärtchen.
Straßen, leise
wie die Mäuschen.
Sie brausen roboterähnlich heran. Besturzhelmt
und belederjackt.
Mit Höllenlärm.
Erschrocken
drückt sich an die
Seite jeder.
„Der Jugend laß doch …“ – nein, das ist kein
Lauf mehr. Das ist
Straßenwahnsinn,
heulender, brüllender.
Ist todsüchtig
Amoklauf.
Werft Zahn hin
und Auge, arme Schusterrappenwie
Velozipedbenutzer!
„Wahren Teufeln
dien ich“, sagt das
Rad, aufgottend
grüne Stutzer.
Recht häufig war das Rad in mancher
Form auch Fluch, zum
Teil nur Segen.
Losung ist: Sich
fortbewegen,
ohne selbst sich
zu bewegen.
Ein stiller Sommernachmittag, ein
mäuschenleiser –
Nerven putschen
kann das Kradvolk.
Denn sie beben,
sehnen sich nach
Pferdekutschen.
Seht, Hexe Kret sprang auch beiseite,
steht verärgert
im Gequalme;
konstatiert: „In
grüner Weite
blau-horizontale
Palme,
Krach, Gefahr; der
Straßenfrevel
riecht zudem wie
Höllenschwefel.“
57.
Und wir gedenken eines Mannes namens
Hans Acrep, Bastler kaum modernen Rahmens.
Getreue, habt nicht Not.
Er sucht noch nicht … – er weilt
noch unter den Lebendigen.
Obwohl das Sein hart feilt,
will er es nicht beendigen.
Als einer der schwer Wendigen,
hingegen sehr Beständigen
mag er sich – muß den Trend sehn
der vielen (und man kennt den) –
doch nicht dem Nichts aushändigen.
Wohnt an der Fortlaufstadtperipherie
samt Frau und Sohn. Gewiß unendlich Müh
macht er sich, Uraltes zu renovieren
(wär besser, Neues zu initiieren),
wobei das Traditionsmeer, arg verludert,
ihn recht bedrängt. Er stopft manch Leck und rudert.
Groß-Ordnung ging ihm immer über alles.
Die Welt des Seins, des Bildes und des Schalles
versucht im kleinen er zurechtzurücken,
baut über Chaosschlünde Winzigbrücken.
Herr Acrep haßt nicht einen guten Tropfen
und liebt ein gutes Buch. Denn Malz und Hopfen
bei ihm sind nicht verloren. Für die Ohren
hat er Anachronismen sich erkoren.
Er hofft, wie mancher, etwas Glück zu kapern.
Nur mit den Nerven will es manchmal hapern:
Er braust leicht auf und ist dann schwer zu dämpfen;
meist müht er sich, auch mit sich selbst zu kämpfen.
Herr Acrep also ist ein Durchschnittsbürger,
langsam, genau, wenn er was tut, ein Würger;
als Pünktchenmann, erfüllt von Idealen,
will die er, musenhold, in Muße malen.
Sein Wunsch: im Schatten, leis gewürdigt, stehen,
sich in geschmackvollen Pappbändchen sehen,
ergänzt von gleichgestimmtem Illustrator.
(Wer hat für das, was der und er wie sah, Ohr?)
Wir preisen ihn am Rande und nicht lauthals;
er wäre nämlich sicher nicht erbaut, falls
Schlaglicht ihn träfe. Preisen ihn – die Schemen
zergehen, Unheil schaffen die Extremen.
So. Wir gedachten eines Mannes namens
Hans Acrep, Muster ausdrucksvollen Kramens.
Ist das, was über seinem Häuschen loht
am Waldrand, Morgen- oder Abendrot?
58. DER VULKAN OGO
Otoki. Dienstes Tag, 9. Kornmonat.
Vorgestern, in der Nacht zum Sonn-Tag,
war Ogo wieder einmal böse
(auf Dokahoki, Meerland;
siebenhundertfünfundzwanzig Meter
beträgt des Zwergleins ganze Größe).
Ein Passagierflugzeug, das von
Posapro kam, war in Gefahr:
Es fand sich im zwölftausend Meter
hohen Rauchpilz; Steinbrocken flogen
durch Cockpitfenster um ein Haar.
Touristen (zwanzigtausend), die am
Vulkanfuß Feuerwerk sehn wollten,
und fünftausend Bewohnern der
Umgebung boten Schutz öffentliche
Gebäude (die drob grollten).
Geröllhagel und Ascheregen
verursachten im Umkreis von
fast vierzig Kilometern sehr
erheblichen Schaden (Ogo war
jetzt dreißig Jahre in Räson).
Laut meteorologischer
Station gingen dem
Ogoausbruch ungefähr in sechsunddreißig
Stunden um tausend kleinere
(Ankündigungs-)Beben voraus.
Unter Mitarbeit von Frau Statistik
bot Gazettnotiz Charakteristik
dessen, was im Bauch von manchen Globen
für ein liebes Vielheits-Völkchen oben
noch parat. (Was es denn sei?
Sühnebad? Ein Hexenbrei!)
Wenn man durch die Altstadt von Algier geht, dann gibt es jede Menge zu beobachten und zu bestaunen. Die engen Gassen, die verschiedenen Düfte der unzähligen Gewürze, die die Händler in großen Säcken am Straßenrand anbieten. Diese Säcke sind so groß wie in Europa die Kartoffelsäcke. Das Bild hat eine einzigartige, farbenprächtige Vielfalt und ist in sämtlichen braunen, orangen und gelben Tönen schattiert, dass man es nicht besser malen könnte.
Der Duft vermischt sich mit Verschiedenem. Dort schnuppert meine Nase etwas Süßliches, möglicherweise Tabak, und kurze Zeit später bekommt meine Nase eine Brise Pfefferminze zu spüren, wohl von einem Tee. Am anderen Straßenrand fällt mir ein kleiner Junge auf, der mit einer großen Kanne kleine Teegläser füllt und den Leuten anbietet. Es ist so heiß, es flimmert förmlich, sodass ich mir auch einen Tee einfüllen lasse. Hier ist es Tradition, heißen Tee zu trinken, denn der ist das Beste gegen die Hitze und den Durst.
Die Leute sprechen, lachen, unterhalten sich fröhlich miteinander. Mitunter gibt es heftige Diskussionen, zwischendurch ein Kind, das weint, schreit, und spielende Kinder, die lachen, vor sich hin singend. Die Stadt lebt! Keiner würde dem anderen sagen, er solle leiser sprechen, im Gegenteil: Jeder unterhält sich lebhaft.
In dem ganzen Tumult läuft eine Katze vorbei mit einem Stück Fleisch im Maul, das sie auf dem Boden gefunden hat. Sie verschwindet in der Menge und verzehrt es sichtlich genüsslich. Die Tauben picken ungestört die Brotkrümel auf, welche die Leute fallen gelassen haben. Hie und da sieht man einen Eselskarren, mit Wassermelonen bis an den Rand beladen, das Nationalobst Algeriens.
Dann kommt ein Auto, kunstvoll verziert mit weißen und roten Bändern, ein Brautauto, die Braut ist in der Nationaltracht der Sahara gekleidet. Diese Tracht ist sehr aufwendig in purpurrot und mit Goldfäden bestickt, die Braut ist geschmückt mit einer kunstvollen Krone auf dem Kopfe, welche Pfauen und verschiedene Symbole zieren. Das Gesicht kann man nicht sehen, es ist verhüllt von einem märchenhaften Seidenschal. Man kann nur erahnen, welche Schönheit sich dahinter verbirgt. Ein kleiner Lastwagen ist mit vielen Menschen beladen, die singend und trommelnd durch die Stadt zu einer Hochzeit unterwegs sind.
An manchen Straßenecken oder vor manchen Geschäften sitzen Menschen, die wohl sonst nichts besitzen als sich selbst und daher um Almosen betteln. Manchmal gehen Menschen vorüber und legen etwas in die Hand der Bettler, die mit ihren Kindern am Straßenrand auf dem Boden sitzen.
Auf dem Basar werden Waren aller Art in bunten Farben angeboten: Seidentücher, Stoffe, Porzellan, Duftwasser – das Rosenwasser. Und schaut man ab und zu bewusst, sieht man wunderschöne Gebäude türkischer und französischer Art. Die alten Bauten der Araber mit ihren Mosaiken verzaubern mich und ziehen mich in den Bann dieses Landes. An manchen Häusern ist neben dem Eingang die Geschichte des Landes auf Kacheln gemalt und zu einem Mosaik zusammengestellt.
Es ist überwältigend, dieses Tor, aus Holz geschnitzt. Ich gehe hindurch, es ist wohl nach originaler Maghreb-Art gebaut und eines der ältesten Stadttore Algeriens, wenn nicht das älteste überhaupt. Langsam fängt es an zu dämmern und die Öllampen werden entzündet. Ich begebe mich nach Hause. So Allah will, wird morgen auch ein Tag sein und ich werde den Abend und die Nacht erforschen.
Nun ist es endlich vorbei. Das Jahr 2020. Schon Anfang des Jahres erreichten uns die ersten Meldungen über ein Virus und seine Ausbreitung. Auf den Bildern, die uns über die Presse oder das Fernsehen erreichten, sah es gar nicht so gefährlich aus. Eine hübsche kleine Kugel mit unzähligen Saugnäpfen, auch farbig ansprechend und eher beruhigend, aber es sollte es in sich haben, wie wir schon bald bemerkten. Millionen erkrankten, Tausende starben, wurden wegen nicht vorhandener Kapazitäten zur Beisetzung auf Lastkraftwagen transportiert oder in Massengräbern beerdigt. Angst machte sich breit, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern übergreifend auf der ganzen Welt. Menschen beklagten ihre Angehörigen, verloren ihre Arbeit, bangten um ihre Existenz. Geschäfte wurden geschlossen, Homeoffice war für viele Menschen angesagt, für die Schüler hieß es, zu Hause zu lernen. Feiern, Sportveranstaltungen, Kulturveranstaltungen waren nicht mehr erlaubt. Neue Worte machten die Runde: Mund-und-Nasenmaske, AHA-Pflicht zur Einhaltung der Hygienevorschriften, Lockdown, Shutdown, um nur einige zu nennen, bewegten uns.
Am ärgsten war wohl die Tourismusbranche betroffen. Flugzeuge standen in Reihen ungenutzt auf dem Abstellgleis, Kreuzfahrtschiffe lagen auf Reede, Busunternehmen klagten über Ausfälle ebenso wie die Deutsche Bahn. Reiselustige waren eifrig dabei, gebuchte Reisen zu stornieren, eingezahlte Gelder von den Unternehmen zurückzufordern, Reiserücktrittsversicherungen in Anspruch zu nehmen.
Seine Frau und er hatten im Jahr zuvor eine größere Reise unternommen – sie hatten sich einen langgehegten Wunsch,