Reizdarm - Martin Storr - E-Book

Reizdarm E-Book

Martin Storr

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Beschreibung

Bauchschmerzen, Veränderungen des Stuhls und Blähungen: das Reizdarmsyndrom geht mit vielen Symptomen einher. Diese schränken den Alltag erheblich ein. Ein gemeinsames Abendessen mit Freunden, Camping oder an den Badesee – an schlechten Tagen undenkbar. Die Diagnose Reizdarm wird oft nach einem langen Leidensweg gestellt und wirft viele Fragen auf. Was ist ein Reizdarmsyndrom? Und wie geht es nach der Diagnose weiter? Welche Behandlung hilft mir? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Die Schulmedizin kennt die genauen Ursachen der Erkrankung nicht und die Behandlung verläuft von Fall zu Fall unterschiedlich. Aber immer kommt es beim Reizdarmsyndrom auf die Eigeninitiative an. Dabei hilft der Autor dieses Buches, Prof. Dr. med. Martin Storr, als Facharzt mit langjähriger Erfahrung: Es geht darum, die eigenen Beschwerden richtig einordnen zu können und sich entsprechend zu verhalten. Das bedeutet, sich über seine Krankheit zu informieren, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Reaktionen im Körper zu verstehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wie man also den Weg zu einem beschwerdefreien Leben beschreiten kann, das zeigt dieser Ratgeber – leicht verständlich, aktuell und umfassend.

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REIZDARM

SYMPTOME VERSTEHEN · THERAPIE ENTWICKELN · BESCHWERDEFREI LEBEN

Prof. Dr. med. Martin Storr

Sich zu informieren ist der erste Schritt zur Beschwerdefreiheit

Der kanadische Arzt William Grant Thompson hat seine Vorträge vor Ärzten und Patienten zum Thema Reizdarmsyndrom gerne mit folgender Aussage eingeleitet: „Außer dem Wetter gibt es kein Thema, über das so uninformiert gesprochen wird, wie über die Darmfunktion.“ Vierzig Jahre später ist diese Bemerkung unverändert richtig.

Wir alle interpretieren und spekulieren über unsere Darmfunktionen, bisweilen amüsieren wir uns auch, wie es uns eben gerade passt und das ist auch gut so. Es gibt nur wenige Gründe, sich intensiver mit unseren Darmfunktionen zu beschäftigen, solange alles gut oder zumindest akzeptabel funktioniert.

Bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom funktioniert es aber nicht mehr so gut. Es rumpelt im Getriebe und die Funktionsstörungen im Darm verursachen Symptome. Angefangen vom gelegentlichen Darmgrummeln bis hin zu Symptomen, die die Lebensqualität beeinträchtigen und sogar die Arbeitsfähigkeit beeinflussen können. In dieser Situation ist fundierte Information wichtig und eine Anleitung durch das Labyrinth der aufkommenden Fragen und der vermeintlichen Antworten dringend nötig. So wie es William Grant Thompson vor 40 Jahren schon angemerkt hat, ist es aber auch heute noch schwierig, sich richtig zu informieren. Die Fülle der erhältlichen Informationen ist enorm.

Worunter leide ich und was ist das Reizdarmsyndrom? Wie soll ich mich in all diesen Informationen zurechtfinden? Welche Information ist für mich die richtige?

Internetforen sind voll von Berichten einzelner Betroffener, die Informationen widergeben, so wie diese es als richtig empfinden. Sind all die furchtbaren Berichte zutreffend? Sind die angebotenen Wundertherapien wirklich so gut? Alle diese Fragen stellen sich, sind aber für den Einzelnen ohne ausreichende Informationen nicht zu beantworten.

Aus diesem Grunde wurde dieser Patientenratgeber zum Reizdarmsyndrom verfasst. Der Ratgeber soll nicht den Arztbesuch oder eine gezielte ärztliche Therapie ersetzen. Im Gegenteil, dieser Ratgeber soll durch zusätzliche Informationen die Fülle der entstehenden Fragen beantworten, damit sich jeder Patient mit einem Reizdarmsyndrom gezielt belesen kann. Dabei orientiert sich dieser Ratgeber an den deutschen und den internationalen Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung des Reizdarmsyndroms. Es werden schulmedizinische und komplementärmedizinische Verfahren diskutiert und deren Einsatz beim Reizdarmsyndrom vorgestellt. Auch der Einfluss der Ernährung beim Reizdarmsyndrom wird detailliert besprochen.

Ein Ratgeber wie dieser lebt übrigens von Anregungen, Kommentaren und Verbesserungsvorschlägen der Leser. Damit Ihre Kommentare auch dort ankommen, wo sie etwas bewegen können, habe ich eine E-Mail-Adresse eingerichtet und freue mich über Ihre Anregungen.

Ich wünsche Ihnen nun viel Freude beim Lesen des Ratgebers und hoffe, Ihre wichtigsten Fragen beantworten zu können.

München im September 2020

Prof. Dr. med. Martin Storr

Kontakt zum Autor: [email protected]

Inhalt

Reizdarmsyndrom… was ist das?

Was ist das Reizdarmsyndrom?

Ist das Reizdarmsyndrom eine Erkrankung?

Wie häufig ist das Reizdarmsyndrom?

Wen betrifft das Reizdarmsyndrom?

Gibt es begleitende Magen-Darm-Erkrankungen?

Gibt es noch andere begleitende Erkrankungen?

Was kann ich machen, wenn mein Kind ein Reizdarmsyndrom hat?

ReizdarmsyndromWie funktioniert unser Darm?

Der Verdauungstrakt

Was passiert in Mund, Rachen und Speiseröhre?

Welche Funktion hat der Magen?

Aus welchen Abschnitten besteht der Darm?

Was sind die Funktionen des Darmes?

Wie ist der Darm aufgebaut?

Was ist die Darmflora?

Welche Funktionen hat die Darmflora?

Wie werden die Darmfunktionen koordiniert?

Was passiert, wenn der Darm nicht funktioniert, wie er sollte?

ReizdarmsyndromSymptome

Was sind funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen?

Was sind die Symptome des Reizdarmsyndroms?

Verstopfung beim Reizdarmsyndrom

Durchfall beim Reizdarmsyndrom

Verstopfung und Durchfall im Wechsel

Bauchschmerzen beim Reizdarmsyndrom

Blähungen/Flatulenz beim Reizdarmsyndrom

Wie oft treten die Symptome auf?

Was ist der Unterschied zwischen dem Reizdarmsyndrom und anderen Erkrankungen, die mit Bauchschmerzen einhergehen?

Was sind die Rom-Kriterien?

Ab wann weist ein Symptom auf eine Krankheit hin?

ReizdarmsyndromWas sind die Ursachen?

Woran kann es liegen, dass es zu einem Reizdarmsyndrom kommt?

Welche Rolle spielt die Motilität?

Was ist die viszerale Hypersensitivität?

Gibt es genetische Ursachen?

Gibt es Umweltfaktoren, die die Erkrankung auslösen oder beeinflussen?

Können Medikamente an der Erkrankung schuld sein?

Kann eine Erkrankung in der Vergangenheit das Reizdarmsyndrom verursachen?

Was ist das postinfektiöse Reizdarmsyndrom?

Was passierte im Mai 2000 in Walkerton?

Was sind Triggerfaktoren?

ReizdarmsyndromPsychiatrische Erkrankungen

Sind psychiatrische Erkrankungen Krankheitsursache oder Krankheitsauslöser?

Können Psychopharmaka die Symptome des Reizdarmsyndroms beeinflussen?

Reizdarmsyndrom… und Zusammenleben

Krankheitsverständnis in der Familie und bei Freunden

Wie verhalte ich mich als Angehöriger richtig?

Wie verhalte ich mich anderen gegenüber?

Schwanken die Symptome im Menstruationszyklus?

Beeinflusst das Reizdarmsyndrom das Sexualleben?

Kann ich mit einem Reizdarmsyndrom schwanger werden?

Reizdarmsyndrom bei Schwangeren

Wirkt sich das Reizdarmsyndrom auf das Kind aus?

Ist das Reizdarmsyndrom vererbbar?

Wie wirkt sich die Schwangerschaft auf mein Reizdarmsyndrom aus?

Kann ich meine Medikamente in der Schwangerschaft weiter einnehmen und was muss ich beachten, wenn ich schwanger werde?

Darf ich stillen?

Wird das Reizdarmsyndrom im höheren Alter anders diagnostiziert und behandelt?

Wird meine Lebenszeit aufgrund der Reizdarmerkrankung reduziert?

Ist das Reizdarmsyndrom eine Behinderung?

ReizdarmsyndromDiagnose

Wie wichtig ist das ärztliche Gespräch?

Was ist die Bristol-Stuhlformenskala?

Wie wird ein Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Müssen Blutuntersuchungen gemacht werden?

Wird auch mein Stuhl untersucht?

Werden weitere Untersuchungen benötigt?

Was ist eine Darmspiegelung?

Kann der Dünndarm auch untersucht werden?

Was kann die Kapsel noch messen?

Brauche ich auch eine Magenspiegelung?

Welche Blutuntersuchungen sind erforderlich?

Sind Urinuntersuchungen erforderlich?

Was ist eine Ultraschalluntersuchung?

Sollten Röntgenuntersuchungen angeordnet werden?

Welche Stuhluntersuchungen können durchgeführt werden?

Was sind Atemtests?

Was ist Helicobacter pylori?

Was ist ein Magenentleerungstest?

Braucht es noch weitere Untersuchungen?

Gibt es Untersuchungen, die nicht durchgeführt werden sollten?

Sollen die Untersuchungen regelmäßig wiederholt werden?

ReizdarmsyndromErkrankungen mit ähnlichen Symptomen

Gibt es Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen?

Was ist eine Zöliakie?

Was ist eine Glutensensitivität?

Was ist eine Laktoseintoleranz?

Was ist eine Fruktoseintoleranz?

Was ist eine Sorbitintoleranz?

Kann ich mehr als eine Nahrungsmittelintoleranz haben?

Was ist eine Lebensmittelallergie?

Was ist eine Gallensäuremalabsorption?

Was ist eine Bauchspeicheldrüsenentzündung?

Was ist eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms?

Was ist eine mikroskopische Kolitis?

Was ist eine Gastroenteritis?

Was sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)?

Was ist eine chronische Diarrhö?

Was ist eine chronische Obstipation?

Was ist eine Entleerungsstörung?

Was ist eine Beckenboden-Dysfunktion?

Was ist eine Divertikulose?

Was ist eine Divertikulitis?

ReizdarmsyndromBehandlung

Therapie des Reizdarmsyndroms

Wie wird das Reizdarmsyndrom behandelt?

Was versteht man unter Basistherapie?

„Bei mir wirken keine Medikamente“

Was kann die Therapie erreichen?

Welche Behandlungen sind zugelassen?

Was sind die symptomabhängigen Therapien?

Welche Präparate soll ich nehmen?

Wer sollte behandelt werden?

Was ist ein Leitsymptom?

Gibt es eine Standardtherapie?

Was sind Ballaststoffe?

Was ist Plantago ovata?

Was sind Probiotika?

Welche Medikamente gibt es?

Welche Wirkstoffe helfen bei Durchfall (Diarrhö)?

Welche Medikamente lösen Bauchkrämpfe und Bauchschmerzen?

Wie werden Spasmolytika eingenommen?

Wie helfen Antidepressiva?

Helfen bei Bauchschmerzen auch Standard-Schmerzmittel?

Welche Medikamente helfen bei Verstopfung?

Was ist ein Guanylatzyklase-C-Aktivator?

Welche Medikamente helfen bei Blähungen?

Können Antibiotika helfen?

Haben die Medikamente Nebenwirkungen?

Welche Arzneimittel sind wofür geeignet?

Soll ich mehrere Medikamente gleichzeitig nehmen?

Wie lange soll ich die Medikamente nehmen?

„Hilfe, meine Medikamente helfen nicht!“

Wieso hilft Pfefferminzöl?

Was ist mit Aloe vera und anderen pflanzlichen Präparaten?

Welche Medikamente werden bei Kindern empfohlen?

Gibt es noch andere Medikamente?

ReizdarmsyndromKomplementäre und alternative Therapien

Braucht es immer Medikamente?

Was sind komplementäre und alternative Behandlungsformen?

Was ist Traditionelle Chinesische Medizin?

Wie hilft Akupunktur bei Reizdarmsyndrom?

Was ist eine Kolon-Hydrotherapie?

Was sind Bewegungstherapien?

Psychiatrische, psychologische und psychosomatische Behandlung

Welche Behandlungsformen gibt es?

Wann ist eine Psychotherapie erforderlich?

Wann ist eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich?

Was ist eine Darmhypnose?

Welche Rolle spielt Stress?

Einfache Maßnahmen zur Stress- und Angstbewältigung

Wie hilft schlafen meinen Symptomen?

Was ist autogenes Training?

Was ist achtsamkeitsbasierte Stressreduktion?

Gibt es noch andere Entspannungstechniken?

Ist ein Darmfloratransfer hilfreich?

ReizdarmsyndromErnährung

Kann meine Ernährung das Reizdarmsyndrom auslösen?

Was ist der gastrokolische Reflex?

Ich bin mir sicher, dass bei mir die Ernährung Symptome auslöst …

Wie führe ich ein Tagebuch, das weiterhilft?

Gibt es eine spezielle Reizdarmdiät?

Wie soll ich mich ernähren?

Welche Diäten gibt es?

Was ist eine Nahrungsmittelunverträglichkeit?

Was versteht man unter einer FODMAP-Diät?

Welche Nahrungsmittel enthalten FODMAPs?

Kann mir eine FODMAP-Diät helfen?

Soll ich viel trinken?

Welche Nahrungsmittel sind empfehlenswert?

Soll ich Kaffee, Alkohol und Zigaretten vermeiden?

Welche Nahrungsergänzungen sind sinnvoll, soll ich Vitamine oder Spurenelemente einnehmen?

ReizdarmsyndromDies und Das

Darf ich Sport treiben?

Functional Food: Was sind Probiotika, Präbiotika und Synbiotika?

Soll ich Rat suchen?

Soll ich spezielle Kleidung tragen?

Wie soll ich mich im Urlaub verhalten?

Was versteht man unter Stuhlhygiene?

Habe ich ein erhöhtes Darmkrebsrisiko?

ReizdarmsyndromWeitere Hilfen

Was sind Selbsthilfegruppen?

Was sind Foren und Blogs?

Können Hausmittel helfen?

ReizdarmsyndromAnhang

Die 12 wichtigsten Tipps

Nützliche Adressen für weitergehende Informationen

EURO-WC-Schlüssel

Stichwortverzeichnis

Wichtige Fachausdrücke für Patienten erklärt

Reizdarmsyndrom

… was ist das?

Was ist das Reizdarmsyndrom?

Der Begriff Reizdarmsyndrom bezeichnet im weitesten Sinne das Zusammentreffen einer Vielzahl von unterschiedlichen Symptomen, die bei den Betroffenen auftreten. Ihr Arzt fasst diese Symptome zusammen und kann das Reizdarmsyndrom diagnostizieren, sofern nicht andere Erkrankungen die Ursache der Symptome sind.

Beim Reizdarmsyndrom treten verschiedenste sogenannte Hauptsymptome auf, besser auch Leitsymptome genannt. Dies können sowohl einzelne Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen sein als auch eine Kombination dieser Symptome. Bei manchen Betroffenen treten auch kurzfristig oder langfristig wechselnde Symptome auf, zum Beispiel jahrelang Bauchschmerzen und Durchfall, die sich im Laufe der Zeit zu Bauchschmerzen und Verstopfung verändern.

Typische Symptome, die bei einem Reizdarmsyndrom auftreten, sind

Bauchschmerzen und Magenschmerzen, oft auch im Zusammenhang mit dem Essen,

Veränderungen des Stuhlgangs,

Blähungen und

ein vermehrter Abgang von Winden.

Gelegentlich treten beim Reizdarmsyndrom auch Völlegefühl und Übelkeit auf, dies sind aber keine typischen Symptome.

Um die korrekte Diagnose eines Reizdarmsyndroms stellen zu können, werden die Symptome nach ihrer zeitlichen Dauer und ihrer Schwere beurteilt und zusammen mit den Untersuchungsergebnissen der diagnostischen Maßnahmen bewertet. Dabei verlässt sich Ihr Arzt nicht auf sein persönliches Bauchgefühl, sondern es gibt ganz klare Kriterien, nach denen das Reizdarmsyndrom diagnostiziert wird. Vereinfacht gesagt: Wenn Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen regelmäßig in belastendem Ausmaß auftreten und die von Ihrem Arzt durchgeführten Untersuchungen keine anderen Erkrankungen nachweisen und keine zusätzlichen alarmierenden Symptome vorliegen, dann kann ein Reizdarmsyndrom diagnostiziert werden.

Das Reizdarmsyndrom ist keine Diagnose moderner Gesellschaften. Symptome, die zu einem Reizdarmsyndrom passen, so wie wir es definieren, wurden auch schon in Berichten weit in der Vergangenheit beschrieben. Lediglich der Begriff Reizdarmsyndrom ist erst in den letzten 30 Jahren entstanden, ebenso der Versuch, die begleitenden Symptome bestmöglich zusammenzufassen. Früher gebräuchliche Begriffe aus dem deutschsprachigen Raum wie „Reizkolon“, „irritables Kolon“ oder „irritables Darmsyndrom“ sind nicht mehr gebräuchlich. Der umgangssprachliche Begriff „nervöser Darm“ wird insbesondere im Volksmund und in der Laienpresse häufig verwendet, ist medizinisch gesehen aber nicht ganz korrekt. Der englische Begriff „irritable bowel syndrome (IBS)“ wird auch im deutschen Sprachraum verwendet – gerade auch von Ärzten – und entspricht dem deutschen Begriff Reizdarmsyndrom. Die deutsche Abkürzung RDS ist zwar etabliert, wird aber nur selten verwendet.

Das Reizdarmsyndrom umfasst eine Gruppe von Symptomen, deren Ursprung im Darm vermutet wird.

Ist das Reizdarmsyndrom eine Erkrankung?

Das Reizdarmsyndrom ist eine Erkrankung und kann durch Ärzte diagnostiziert werden. Es gibt eine klare Definition und klare Leitlinien, die im Rahmen der Erstdiagnose Empfehlungen zu diagnostischen Maßnahmen und Empfehlungen zur Therapie geben.

In der Vergangenheit wurde das Reizdarmsyndrom häufig als Befindlichkeitsstörung angesehen. Diese Sichtweise findet sich noch in älterer Fachliteratur und auch bei einigen älteren Ärzten und Apothekern. Diese Einschätzung hat sich heute grundlegend geändert, seit bekannt ist, dass das Reizdarmsyndrom mit, zumindest wissenschaftlich, nachweisbaren Veränderungen einhergeht. Ebenso veraltet ist die Ansicht, dass das Reizdarmsyndrom eine psychische Störung oder eine psychosomatische Erkrankung ist. Es gibt hier sicherlich einige Überlappungen, aber das Reizdarmsyndrom lässt sich sehr klar als eigenständige Erkrankung erkennen und behandeln.

Wie häufig ist das Reizdarmsyndrom?

Das Reizdarmsyndrom kann als Volkskrankheit bezeichnet werden. In Ländern mit westlich geprägtem Lebensstil, wie zum Beispiel Ländern in Europa und in den USA, beschreiben Querschnittsstudien, dass bis zu 20 % der Bevölkerung an einem Reizdarmsyndrom leiden. Diese Zahl bedeutet, dass in etwa jeder Fünfte von einem Reizdarmsyndrom betroffen ist. Solche Querschnittsstudien sind aber mit Vorsicht zu genießen. Sie erfassen zwar sehr gut, wie viele Personen in einer Bevölkerung Symptome aufweisen, die zu einem Reizdarmsyndrom passen. Die Erfassung von Personen, die aufgrund dieser Symptome aber tatsächlich medizinische Hilfe aufsuchen, gelingt in solchen Studien nicht so gut. Demnach überschätzen Querschnittsstudien die Anzahl der Betroffenen.

Wenn man der Frage, wie häufig das Reizdarmsyndrom ist, genauer nachgeht, findet man heraus, dass vermutlich 5–10 % der Bevölkerung aktuell Symptome haben, die zu einem Reizdarmsyndrom passen und die aufgrund ihrer Symptome einen Arzt aufsuchen oder anderweitig medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Die hier diskutierten Zahlen zur Häufigkeit erfassen noch nicht, dass viele Patienten im Laufe ihres Lebens vorübergehend Symptome eines Reizdarmsyndroms entwickeln können, nicht aber ihr ganzes Leben daran leiden. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Laufe des Lebens von einem Reizdarmsyndrom betroffen zu sein, möglicherweise sogar höher als 20 % ist.

Um die Bedeutung des Reizdarmsyndroms abschätzen zu können, ist es hilfreich zu wissen, dass Schätzungen davon ausgehen, dass jeder 20. Arztbesuch beim Hausarzt und jeder vierte Arztbesuch bei einem Gastroenterologen durch Symptome eines Reizdarmsyndroms verursacht werden. Die meisten Patienten mit einem Reizdarmsyndrom suchen aber gar keinen Arzt auf, sondern suchen sich Hilfe an anderer Stelle – beim Apotheker, bei Freunden und Bekannten, in Selbsthilfegruppen, im Internet oder in Ratgeberbüchern.

In Ländern mit westlich geprägtem Lebensstil ist das Reizdarmsyndrom häufiger als in Entwicklungsländern oder in Schwellenländern. Gerade der rasche Anstieg der Häufigkeit der Diagnose Reizdarmsyndrom in Entwicklungs- und Schwellenländern lehrt uns aber, dass Lebensstil und Umweltfaktoren möglicherweise eine bedeutende Rolle in der Entstehung des Reizdarmsyndroms spielen.

Wen betrifft das Reizdarmsyndrom?

Das Reizdarmsyndrom kann in jedem Alter auftreten – vom Kleinkind über den Jugendlichen und Erwachsenen bis ins hohe Alter. Die Anzahl der Betroffenen ist bei den 20- bis 40-Jährigen zwar am höchsten, unterscheidet sich in den verschiedenen Altersstufen aber kaum. Betroffen vom Reizdarmsyndrom sind sowohl Männer als auch Frauen, Frauen sind jedoch in etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer, unabhängig davon wie alt sie sind.

Etwas anders sieht es aus, wenn man untersucht, wie häufig wegen der Symptome ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird. Dies scheint bei Frauen etwas häufiger zu sein, insbesondere in der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen. Die Gründe dafür sind unbekannt. Interessanterweise sind die Symptome der einzelnen Patienten, die von einem Reizdarm betroffen sind, über viele Jahre gleich. Bei Patienten, deren Hauptsymptom Durchfall ist, wird es bei diesem Hauptsymptom bleiben, und bei Patienten, deren Hauptsymptom Obstipation ist, wird es meist bei diesem Symptom bleiben.

Gibt es begleitende Magen-Darm-Erkrankungen?

Das Reizdarmsyndrom ist eine eigenständige Erkrankung. Dennoch tritt es gehäuft zusammen mit anderen Erkrankungen auf. Ob es sich hier um ähnliche Auslöser für die Erkrankungen oder um rein zufällige Häufungen handelt, ist nicht klar. Aus dem Bereich der Magen-Darm-Erkrankungen ist bekannt, dass das Reizdarmsyndrom gehäuft bei Patienten mit einer Dyspepsie, also einem Reizmagen, oder einer Refluxerkrankung, also Sodbrennen, auftritt.

Unklar ist auch, ob das Reizdarmsyndrom zusammen mit anderen Darmerkrankungen auftreten kann, wie zum Beispiel den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass nach dem Abklingen der Entzündung im Darm zumindest reizdarmähnliche Symptome verbleiben.

Wechselnde und überlappende Symptome.

Gibt es noch andere begleitende Erkrankungen?

Das Reizdarmsyndrom tritt auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, die nicht den Magen und den Darm betreffen. Häufig finden sich folgende Erkrankungen begleitend: Fibromyalgie, chronisches Erschöpfungssyndrom, Depressionen oder Kopfschmerzen. Bei Patienten mit einem chronischen Erschöpfungssyndrom finden sich zum Beispiel bei fast 50 % gleichzeitig Symptome eines Reizdarmsyndroms.

Auch nach Operationen im Bauchbereich, wie zum Beispiel einer Gallenblasenentfernung, können Reizdarmsymptome auftreten. Da sich auch bei chronischen Blasenentzündungen und bei Endometriose gehäuft Reizdarmsyndrome zeigen, empfiehlt es sich, im Rahmen der Diagnostik eines Reizdarmsyndroms auch einen Urologen und einen Frauenarzt zu Rate zu ziehen.

Was kann ich machen, wenn mein Kind ein Reizdarmsyndrom hat?

Das Reizdarmsyndrom betrifft Patienten in jedem Alter, also auch Kinder. Die Grundzüge der Erkrankung, der Diagnostik und der Behandlung unterscheiden sich bei Kindern und Erwachsenen prinzipiell nicht. Dennoch ist man bei Kindern, gerade was die Diagnostik und die Therapie betrifft, etwas zurückhaltender.

Sofern Ihr Kind auf die Basistherapie und einfache Maßnahmen nicht ausreichend anspricht oder Zweifel an der Diagnose bestehen, sollte rechtzeitig ein Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen bei Kindern aufgesucht werden. Dies ermöglicht zum Beispiel, seltene Erkrankungen bei Kindern gezielt und rechtzeitig zu erkennen. Bei Kindern kommt es, im Vergleich zu Erwachsenen, zu anderen psychosozialen Belastungen durch das Reizdarmsyndrom, auf die ein Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen bei Kindern besser eingehen kann.

Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen gibt es auch in der medikamentösen Therapie: Nicht alle Medikamente sind bei Kindern zugelassen und bei den Dosierungen ist auf die Empfehlungen für Kinder zu achten.

Reizdarmsyndrom

Wie funktioniert unser Darm?

Der Verdauungstrakt

Der menschliche Verdauungstrakt beginnt am Mund und endet am After. Die Gesamtlänge liegt bei 6 bis 8 Metern, 15 bis 20 Zentimeter davon entfallen auf Mund und Rachen, weitere 20 bis 25 Zentimeter auf die Speiseröhre, den Ösophagus. Daran anschließend passieren die aufgenommenen Speisen und Getränke ca. 30 Zentimeter Magen. Nun folgt mit 4 bis 6 Metern der längste Abschnitt des Verdauungstrakts, der Dünndarm, gefolgt von etwa einem Meter Dickdarm, der am After endet.

Der Verdauungstrakt im Überblick.

Die Länge der einzelnen Abschnitte hat aber nichts mit der Zeit zu tun, die der Speisebrei dort verweilt. Die Nahrung wird zunächst im Mund zerkleinert, dieser Kauvorgang ist zeitlich sehr variabel. Der Schluckakt in Mund und Rachen benötigt dann ein bis zwei Sekunden, die Passage durch die Speiseröhre weitere zwei bis fünf Sekunden. Im Magen liegt die Speise je nach Zusammensetzung und Konsistenz 30 Minuten bis zu vier Stunden. Die anschließende Dünndarmpassage ist vergleichsweise schnell und benötigt zwischen 30 und 90 Minuten. Im Dickdarm geht es dann langsamer voran, die Passage dauert zwischen einem und vier Tagen. Diese unterschiedlichen Passagezeiten haben mit den unterschiedlichen Funktionen der Abschnitte unseres Verdauungstrakts zu tun.

Was passiert in Mund, Rachen und Speiseröhre?

Die unterschiedlichen Funktionen und die Verweildauer des Speisebreis sind ideal aufeinander abgestimmt. Während der Mund im Wesentlichen dafür da ist, den Speisebrei zu zerkleinern, wird am Zungengrund ein schluckbarer Speiseklumpen geformt, der dann durch Schlucken über den Rachen in die Speiseröhre transportiert wird. Der Schleim, der hauptsächlich in der Ohrspeicheldrüse gebildet wird und in den Mund und den Rachen gelangt, ist vor allem dazu da, den Speiseklumpen gleitfähig zu machen, damit er besser geschluckt werden kann. In geringen Mengen enthält dieser Schleim auch schon Verdauungsenzyme zur Verdauung von Kohlenhydraten. Die Speiseröhre dient nur dem Transport des Speisebreis vom Rachen in den Magen. Dabei wird der Speisebrei zum Teil passiv durch die Schwerkraft und zum Teil aktiv mithilfe von Muskeln in der Speiseröhrenwand in den Magen transportiert.

Welche Funktion hat der Magen?

Der Magen hat mehrere Funktionen. Er nimmt zunächst den Speisebrei einer Mahlzeit auf und kann sich dabei so stark ausdehnen, dass er bis zu 2,5 Liter Volumen aufnehmen kann. Im Magen beginnt die Verdauung erst so richtig. Die Verdauung geschieht zum einen durch die Magensäure und zum andern durch verschiedene Enzyme. Enzyme sind vom Körper gebildete Proteine, die insbesondere Nahrungseiweiße spalten können und diese Eiweiße damit in eine verwertbare Form umwandeln. Im Magen wird der Speisebrei durch Muskelkräfte weiter zerkleinert, sodass der Speisebrei am Magenausgang fast ganz flüssig ist und in kleinen Portionen durch den Magenpförtner in den Dünndarm abgegeben wird.

Aus welchen Abschnitten besteht der Darm?

Direkt vom Magen wird der Speisebrei in den Dünndarm und von dort in den Dickdarm transportiert. Der Dünndarm wird in drei Regionen unterteilt. Direkt nach dem Magen schließt sich der Zwölffingerdarm (Duodenum) an, der ca. 20 bis 30 Zentimeter lang ist. Danach folgt der Leerdarm (Jejunum) mit 1,5 bis 2,5 Metern Länge und das Ende des Dünndarms bildet der Krummdarm (Ileum) mit 2 bis 3 Metern Länge.

Der Darm im Detail.

Am Übergang vom Dünndarm in den Dickdarm befindet sich eine Klappe, die sogenannte Ileozökalklappe. Diese Klappe verhindert, dass Inhalt vom Dickdarm in den Dünndarm zurückfließen kann.

Der Dickdarm ist in etwa einen Meter lang und besteht aus drei Abschnitten, dem aufsteigenden Abschnitt, dem querlaufenden Abschnitt und dem absteigenden Abschnitt. Am Anfang des aufsteigenden Abschnitts geht als kleiner Wurmfortsatz der Blinddarm (Appendix) hervor, der zwischen einem und zehn Zentimeter lang sein kann. An den Dickdarm schließt sich der kurze Mastdarm (Rektum) an, der am After endet.

Was sind die Funktionen des Darmes?

Der Darm weist – verteilt über seine gesamte Länge – unterschiedlichste Funktionen auf. Je nach Funktion ist die Darmwand unterschiedlich aufgebaut. Vereinfacht gesehen sind die bedeutendsten Funktionen des Darmes die Verdauung der aufgenommenen Speisen und die Regulation des Wasserhaushaltes.

Weniger bekannt ist, dass der Darm auch wichtige Funktionen im Bereich der Abwehr von Krankheitserregern übernimmt und auf seiner gesamten Länge Botenstoffe und Hormone bildet. Diese Botenstoffe regulieren zum Beispiel die im Gehirn entstehenden Hunger- oder Sättigungsgefühle und auch die Koordination der Verdauung entlang des gesamten Verdauungstrakts.

Wie ist der Darm aufgebaut?

Im Prinzip ist der Darm in allen Regionen sehr gleichförmig aufgebaut. Man kann sich den Darm wie einen langen Schlauch vorstellen. Nach innen gerichtet ist eine Schleimhaut, die zum einen eine Schutzschicht darstellt und zum anderen den Transport von Nährstoffen und Flüssigkeit aus dem Darminneren (Darmlumen) in die Blutbahn reguliert.

Um die Schleimhaut herum finden sich zwei Muskelschichten, die sowohl für den Transport als auch für die Durchmischung des Speisebreis zuständig sind: eine innere Muskelschicht, die ringförmig angeordnet ist, und eine äußere Muskelschicht, die in Längsrichtung entlang des Darms verläuft. Zwischen den beiden Muskelschichten und zwischen den Muskelschichten und der Schleimhaut befinden sich jeweils Geflechte aus Nervenzellen. Die darin liegenden Nervenzellen koordinieren die verschiedenen Funktionen des Darmes. So werden von den Nervenzellen Informationen über den Darminhalt aufgenommen und nach der Verarbeitung der Wahrnehmungen regulierende Informationen sowohl an andere Darmregionen als auch an unser Gehirn und das Rückenmark weitergeleitet.

Nach außen wird der Darm durch eine Bindegewebsschicht und eine Schleimhautschicht abgegrenzt. In diesen äußeren Schichten verlaufen Gefäße und Nerven, die zur Versorgung des Darmes notwendig sind.

Aufbau der Darmwand.

In jeder Darmregion variiert der Aufbau des Darmes in gewissen Grenzen, je nachdem welche Funktion gerade vorrangig ist, der Aufbau unterscheidet sich in den verschiedenen Regionen aber nicht wesentlich.