Remember Last Christmas - Emma Goldman - E-Book
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Remember Last Christmas E-Book

Emma Goldman

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Beschreibung

Gefühlschaos zur Weihnachtszeit! Ein humorvoller Liebesroman für alle Leser:innen von Nikola Hotel und Stella Tack »Maron lächelt mich durch den Rauschebart flüchtig an und obwohl sein Gesicht halb verdeckt ist, habe ich es ganz vor Augen. Das hat man davon, wenn man einen Kerl jahrelang heimlich anschmachtet. Ich hoffe, der Bart ist genauso kratzig, wie er aussieht. Dann wird es wenigstens nicht nur für mich eine lange Woche.« Für Alexis ist es schlimm genug, dass sie vor Weihnachten in einem lächerlichen Elfenkostüm in der Mall arbeiten muss. Zu allem Überfluss stellt sie auch noch fest, dass ihr Santa niemand geringeres als Maron Fletcher ist, ihr langjähriger Highschool-Crush. Dieser ist über das unverhoffte Wiedersehen weitaus erfreuter als Alexis, denn an den betrunkenen One-Night-Stand, den sie ein Jahr zuvor hatten, kann er sich scheinbar nicht mehr erinnern. Ein Grund mehr für Alexis, ihn auf Abstand zu halten. Doch das ist schwieriger, als erwartet ... »Ganz großer Weihnachtsbuchtipp von mir!« ((Leserstimme auf Netgalley))»Eine ganz süße Geschichte mit ganz viel Weihnachtsflair.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Die weihnachtliche und zuckerstangensüße Lovestory ist sehr unterhaltsam, witzig und auch gefühlvoll erzählt. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und bin schon jetzt in Adventsstimmung.« ((Leserstimme auf Netgalley))  »Das Buch lässt mich mit einem Lächeln zurück.« ((Leserstimme auf Netgalley))  

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Fam Schaper

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: BokehStore/Shutterstock; rawpixel.com, g.roman/Freepik

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Für Chris

Mit diesem Buch hat es angefangen. Aber davor begann es gemeinsam mit dir. Danke, dass du immer an mich geglaubt hast.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Chaotic Christmas Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Chaotic Christmas Playlist

Mariah Carey – All I Want for Christmas Is You

Paramore – Still into You

Carly Simon – You’re so Vain

Night Inn – Take a Hint

Gwen Stefani, Blake Shelton – You Make It Feel Like Christmas

Ginuwine – Pony (Single Version)

Frank Sinatra – Santa Claus Is Coming To Town

Ariana Grande, Justin Bieber – Stuck with U

G-Eazy, blackbear – Hate The Way

Conan Gray – Maniac

kenzie, Ant Saunders – Cozy With Me

Frank Sinatra – An Old Fashioned Christmas

Sabrina Carpenter – Skin

Sia – Santa’s Coming for Us

Frank Sinatra, Ken Lane Singers – Jingle Bells

Frank Sinatra, Ken Lane Singers – It Came Upon the Midnight Clear

The Hives, Cyndi Lauper – A Christmas Duel

Birdy – Have Yourself A Merry Little Christmas

Ariana Grande – Santa Tell Me

FaWiJo, José Feliciano – So This Is Christmas

Coldplay – Christmas Lights

Camila Cabello – This Love

Ally Brooke – Baby I’m Coming Home

Paul McCartney – Wonderful Christmastime

Kapitel 1

»Elfe?«

Der Mann im Nadelstreifenanzug sieht mich erwartungsvoll an, sein Gesichtsausdruck irgendwo zwischen abwertend und genervt. Sein Hemd spannt am Bauch, er hat die Haare nach hinten gegelt und auf seiner Krawatte prangt ein Fleck, der aussieht wie rosa Zuckerguss.

Ich bemühe mich aufrecht zu stehen und nicht allzu jämmerlich nach Luft zu japsen. Gerade merke ich wieder, wie unsportlich ich bin, und die zwei Blocks, die ich eben herrennen musste, weil ich in die falsche U-Bahn gestiegen bin, waren definitiv zu viel. Ausgerechnet heute musste das passieren. Dabei habe ich mich so bemüht, pünktlich zu kommen. Ich bin extra früher los, verdammt noch mal.

»Ja«, stoße ich aus. »Sind Sie … Mr. Wrightley?«

»Du bist zu spät.«

Das werte ich als ein Ja. Ich nicke beschämt und streiche mir eine gelockte Strähne hinters Ohr, die sich aus meinem Zopf gelöst hat. »Es tut mir leid, ich …«

»Dein Kostüm.« Er drückt mir ein grün-rotes Klamottenbündel in die Arme, das dabei verdächtig klingelt, und schaut auf seine Uhr. Was er auf dem vergoldeten Ziffernblatt sieht, scheint ihm nicht zu gefallen.

Mit Mühe beruhige ich meine Atmung. Es reicht, dass ich wahrscheinlich aussehe wie eine Tomate. Ich muss nicht auch noch rumhecheln, als wäre ich einen Marathon gelaufen.

»Zieh dich um«, verlangt Mr. Wrightley. »Fünf Minuten, dann will ich dich neben Santa sitzen sehen. Die Zeit läuft, Mädchen.«

Ich verziehe bei der Anrede das Gesicht, was er zum Glück nicht sieht, da er bereits versucht, seinen Bierbauch durch die Menschenmenge im Einkaufszentrum zu manövrieren. Wenigstens bin ich nicht gefeuert, trotz dieses glorreichen ersten Eindrucks.

Ich werfe nur einen flüchtigen Blick auf den Weihnachtsstand, an dem ich längst sitzen sollte, bevor ich mich auf die Suche nach den Mitarbeitertoiletten mache, die mir bei meinem Vorstellungsgespräch vor ein paar Wochen gezeigt wurden.

Damals war die Mall nicht halb so voll. Jetzt muss ich mich regelrecht zwischen den Leuten hindurchkämpfen. Alle sind schwer mit Weihnachtseinkäufen beladen, immer wieder laufen mir schreiende Kinder vor die Füße und aus den Boxen dröhnt Last Christmas.

Ich hoffe, das ist nicht der einzige Weihnachtssong, der hier läuft. Wenn ich das Lied in Dauerschleife hören muss, schreie ich. Es ist schon schlimm genug, dass ich jetzt eine Woche lang den demütigsten und gleichzeitig schlechtbezahltesten Job der Welt machen muss.

Fünf Tage in diesem lächerlichen Kostüm in meinen Armen, das bei jedem meiner Schritte klimpert. Fünf Tage voller Kindergeschrei, stumpf rumsitzen und lächeln, während einem der penetrante Geruch des Asia Imbiss nebenan um die Nase weht. Und fünf Tage »ordentlich schminken«, wie Mr. Wrightley am Telefon betont hat. Was auch immer das bedeuten soll.

Mein zweites großes Talent neben dem Zuspätkommen ist es wohl, sexistische Arschlöcher magisch anzuziehen. Wenigstens fühle ich mich mit dem dunkelroten Lidschatten inklusive goldenem Glitzer, den Sunny mir hierfür geschenkt hat, selbstbewusst genug, um gleich in diesen Elfenalbtraum zu schlüpfen.

Ich finde die Mitarbeitertoiletten, haste in eine der Kabinen und ziehe mich um. Noch nie war ich so froh, ein neues Outfit nicht im Spiegel betrachten zu können. Die grün-rot gestreifte Strumpfhose und das enge Kleid mit dem gezackten Rock lassen mich gut genug erahnen, wie lächerlich ich aussehe. Von den spitzen Schuhen mit den Glöckchen vorne dran will ich gar nicht erst anfangen. Und dieser Hut …

Nein. Ich muss wirklich nicht wissen, wie dieses Desaster in Kombination wirkt.

Ich versuche nicht zu viel darüber nachzudenken, und beeile mich mit dem Umziehen. Die fünf Minuten, von denen Mr. Wrightley geredet hat, sind längst vorbei. Als ich erneut verspätet beim Stand ankomme, schlitternd und stolpernd, weil diese furchtbaren Elfenpantoffeln zum Rennen ungeeignet sind, hat sich hinter dem roten Absperrband bereits eine lange Schlange von Familien gebildet.

Ich eile an den Menschen vorbei, ignoriere die begeisterten Rufe der Kinder, die mit ihren Patschehänden nach mir greifen, und lasse mich völlig erschöpft auf den Stuhl neben Santa sinken. Im Gegensatz zu mir war er rechtzeitig da und sitzt auf einem protzigen goldenen Thron mit Polsterung. Mr. Wrightleys dicker Hintern versperrt mir die Sicht auf den Mann. Soeben beugt er sich zu Santa herunter und gibt ihm in ernstem Tonfall eine Einweisung. Als wäre nicht ohnehin alles, was er da erzählt, völlig selbstverständlich.

»Immer schön lächeln«, höre ich. »Freundlich sein. Und mach den Kindern bloß keine Versprechungen, sondern sag irgendwas Vages, von wegen, ich schaue mal, was sich machen lässt. Und nimm auf gar keinen Fall den Bart ab, klar?«

»Glasklar«, erwidert Santa. Seine tiefe Stimme lässt mich irritiert blinzeln. Sie klingt jünger, als ich erwartet hatte. Da sitzt definitiv kein schrumpeliger Greis, sondern eher jemand in meinem Alter. Doch viel mehr bringt mich die Tatsache aus dem Konzept, dass sie mir bekannt vorkommt.

Ein unangenehmes Kribbeln breitet sich in meinem Nacken aus. Kenne ich den Kerl etwa? Das hat mir gerade noch gefehlt. Als wäre die Situation nicht schon peinlich genug.

»Gut«, sagt Mr. Wrightley, weiterhin an Santa gewandt. »Es sind zweimal drei Stunden Schicht und dazwischen eine halbe Stunde Pause. Bereit?«

»Jau. Kann losgehen.«

Woher kenne ich diese verdammte Stimme …? Ich versuche einen Blick an Mr. Wrightleys Hintern vorbei zu erhaschen, aber in dem Moment dreht er sich zu mir um und mustert mich prüfend. Sein Gesichtsausdruck verfinstert sich. Wow, ich bin noch nicht mal fünfzehn Minuten hier und bekomme schon den Todesblick ab.

»Und du?«, kläfft er. »Bereit?«

Eilig nicke ich. Sein Blick huscht über meinen Körper, wahrscheinlich auf der Suche nach irgendeinem Makel an meinem Kostüm oder einer Locke, die sich in die falsche Richtung zwirbelt. Dann entdeckt er die Handtasche zu meinen Füßen. Mr. Wrightley presst die Lippen zusammen und schiebt sie mit der Schuhspitze unter meinen Stuhl, als wäre sie giftig.

»Die gehört in Zukunft in den Spind. Immer schön den Anschein wahren. Ich begrüße die Leute.« Mit diesen Worten dreht er sich um und marschiert auf die Absperrung zu, hinter der schon alle die Köpfe nach uns recken.

»Hi.« Wieder die Stimme des Mystery-Weihnachtsmanns. Ich löse meinen Blick von Mr. Wrightleys wackelndem Hintern, drehe mich um und schaue in ein Paar tiefbraune Augen. Die Begrüßung bleibt mir im Hals stecken. Schlimmer noch. Das ist ziemlich sicher ein Herzinfarkt. Ruft den Krankenwagen. Ich schnappe nach Luft, und so etwas wie ein Quieken entweicht mir.

Santa runzelt die von seiner Weihnachtsmütze halb verdeckte Stirn und sein weißer Rauschebart rutscht ein Stück runter. Schnell schiebt er ihn wieder hoch. »Alexis?«

Fuck.

Fuck, fuck, fuck.

Natürlich kenne ich diese Stimme. Die dunklen Augen, die breiten Schultern, die schwarzen Locken, die jetzt unter der Mütze versteckt sind. Ich kenne sie viel zu gut.

»Hi, Maron«, ringe ich mir ab und wende mich schnell wieder den Besuchern zu. Kann ich mich doch feuern lassen? Meine Wangen brennen vor Scham. Offenbar verabschiedet sich das alte Jahr mit einem explosionsartigen Shitshow-Feuerwerk.

Ausgerechnet er. Von den Millionen Menschen in dieser Stadt!

Mr. Wrightley verkündet den Kunden überschwänglich, wie sehr er sich doch freut, heute den Weihnachtsmann hier begrüßen zu dürfen. Da ich jetzt weiß, wer in dem Kostüm steckt, kann ich seine Freude leider nicht teilen. Maron fucking Fletcher.

»Wow, so sieht man sich wieder, was?«, meint dieser lachend.

Ja. Großartig. Ich hätte darauf verzichten können. Und was zieht er hier eigentlich für eine entspannte Nummer ab? Wird er jetzt so tun, als wäre das damals nicht passiert? Ich habe wochenlang darauf gewartet, dass er sich meldet!

»Mann, das letzte Mal ist ewig her, nicht?«, fährt er unbekümmert fort. Entweder merkt er nicht, dass ich gerade innerlich sterbe, oder er ignoriert es. »Wann war das noch mal? Letztes Jahr im Sommer bei dieser Gartenparty von Jeremy Fisher, oder?«

Ich werfe ihm einen irritierten Blick zu. »Dezember«, korrigiere ich, ohne groß darüber nachzudenken. Toll, Alexis. Warum sprichst du es jetzt auch noch an? Ihr hättet es beide einfach ignorieren können!

Doch Maron runzelt wieder die Stirn. »Dezember?«, wiederholt er verwirrt. Ob das echt ist oder gespielt, kann ich nicht sagen. Aber so oder so – will er mich eigentlich verarschen?

»Im Irish Pub?«, spezifiziere ich jetzt leicht schnippisch. Und danach in seinem verfluchten Bett.

Er zieht die Brauen zusammen. »Wirklich? Daran erinnere ich mich gar nicht.«

Mir entweicht ein ungläubiges Schnauben, und ich starre Maron an. Ist das sein verdammter Ernst? Mir fällt keine Erwiderung ein. Was soll ich denn auf diesen Quatsch antworten?

Mein entgeisterter Gesichtsausdruck scheint Maron nervös zu machen, denn er reibt sich mit der Hand über den Nacken. Schön zu wissen, dass er diesen Tick immer noch hat. »Tut mir leid«, sagt er lächelnd. »Manchmal bin ich echt vergesslich. Na ja, ist jedenfalls cool, dich mal wieder zu sehen.«

Ich erwidere nichts und starre ihn nur an.

Träume ich? Wurde ich auf dem Weg hierher vielleicht von einem Bus angefahren und liege jetzt im Albtraum-Koma? Das mit Maron letztes Jahr ist definitiv passiert. Da bin ich mir sicher, auch wenn ich einiges getrunken hatte. Doch er hat es wohl völlig übertrieben, wenn er eine ganze Nacht aus seinem Gedächtnis streichen konnte. Oder vielleicht war ich nur nicht erinnerungswürdig genug für den großartigen Maron Fletcher. Wieder entweicht mir ein gereiztes Schnauben. Hat er sich deshalb nie gemeldet? Weil er sich gar nicht erinnert? Macht es das jetzt besser oder schlimmer?

»Ähm … Alexis?«

Mir wird bewusst, dass ich Maron immer noch anstarre. Hoffentlich mit einem Todesblick, denn in meinem Inneren brodelt es. »Ja«, sage ich tonlos. »Superschön.«

Er runzelt die Stirn, doch in diesem Moment erreicht uns die erste Familie und erlöst mich vorläufig aus dieser Hölle. Ich setze ein falsches Lächeln auf und Maron begrüßt die Eltern und ihren Sohn mit einem überschwänglichen Ho ho ho.

Ohne Hemmungen klettert der kleine Junge auf seinen Schoß und plappert munter drauflos, was er denn alles zu Weihnachten möchte. Lego. Ein Fahrrad. Einen Transformer. Maron nickt und brummt verstehend. Er wirkt zugewandt, aber der Kleine kann froh sein, dass Maron nicht der echte Weihnachtsmann ist, denn seine Geschenkwünsche würde er sicherlich genauso schnell wieder vergessen wie unsere Nacht zusammen.

»Mhm. Aha. Mal sehen«, höre ich in Dauerschleife. Seine Stimme macht mich kirre. Ich lasse den Blick über die Menge schweifen und bemühe mich, ruhig zu atmen. Dann sitze ich eben eine Woche lang neben Maron, seine tiefe Stimme im Ohr, sein gottverdammtes Grinsen im Augenwinkel, Erinnerungen an früher im Hinterkopf. Kein Problem. Ich bin über ihn hinweg.

Ich sage mir den Satz innerlich immer wieder vor. Vielleicht wird er ja wahr, wenn ich das oft genug tue.

Ich bin über ihn hinweg.

Ich bin über ihn hinweg.

Ich bin verdammt noch mal über ihn hinweg.

Oh Gott. Was für eine Katastrophe.

Ein finsterer Blick aus blauen Augen reißt mich aus meinen Gedanken. Mr. Wrightley steht in einigen Metern Entfernung hinter der Absperrung und starrt mich an. Kaum dass er meine Aufmerksamkeit hat, schiebt er sich mit beiden Zeigefingern die Mundwinkel hoch und grinst übertrieben. Er sieht damit aus wie ein Serienmörder, aber mir ist klar, was es bedeuten soll. Den Anschein wahren, bla bla bla. Diese Aufgabe wurde durch Marons Anwesenheit leider signifikant schwieriger.

Ich ringe mir dennoch ein Lächeln ab und wende mich wieder der Familie zu. Maron trällert seine Standardfloskeln, die Eltern lachen unbehelligt, und der Junge zerrt an dem falschen Bart herum und versucht ihn Maron abzureißen. Dieser hält mit einer Hand seinen kleinen Arm fest und verhindert mit der anderen, dass das Kind vor unseren Füßen auf dem Rücken landet.

Mit beneidenswerter Geduld wehrt er den Fragenschwall des Jungen ab und bugsiert ihn wieder von seinem Schoß. Er schiebt ihn in meine Richtung. Ich reiche ihm eine Zuckerstange, erinnere ihn daran, immer schön brav zu sein, was er ohnehin nicht befolgen wird, und wünsche frohe Weihnachten.

Maron lächelt mich flüchtig an und obwohl sein Gesicht vom Bart halb verdeckt ist, habe ich es ganz vor Augen. Inklusive markantem Kinn und allem. Das hat man davon, wenn man einen Kerl jahrelang heimlich anstarrt und anschmachtet. Man wird von seinem Anblick verfolgt, selbst wenn man eigentlich davon verschont sein könnte.

Ich hoffe, der Bart ist genauso kratzig, wie er aussieht. Dann wird es wenigstens nicht nur für mich eine lange Woche.

Kapitel 2

»Ich wusste nicht, dass das so anstrengend wird!«, stöhnt Maron, der hinter mir den muffigen kleinen Pausenraum betritt. Das Zimmer hat nicht mal ein Fenster und wird nur von einer nackten Leuchtstoffröhre an der Decke erhellt.

Maron reißt sich den Bart aus dem Gesicht und lässt sich auf einen der abgewetzten Polsterstühle fallen, der unter seinem Gewicht bedenklich knarzt.

»Hm«, mache ich nur und wende mich der Kaffeemaschine in der Ecke zu. Sie sieht uralt und wenig vielversprechend aus, aber der Kaffee in der Kanne ist noch warm. Ich nehme eine Tasse aus dem Regal daneben, inspiziere sie auf Sauberkeit und schenke mir etwas ein.

»Erinnerst du dich an diesen riesigen Jungen, der darauf bestanden hat, dass du ihm drei Zuckerstangen gibst?«, faselt Maron weiter. »Der war doch mindestens zwölf! Ich glaub, der hat mir fast die Hüfte ausgekugelt, als er auf meinen Schoß gesprungen ist. Ich dachte schon, das war’s mit der Sportlerkarriere.«

»Die Hüfte ausgekugelt?«, wiederhole ich teilnahmslos, nehme einen Schluck von dem Kaffee und spucke ihn beinahe zurück in die Tasse, so widerlich schmeckt er. Igitt. Widerwillig würge ich ihn runter.

»Na ja, oder was auch immer man sich da für Verletzungen holen kann. Ich hatte jedenfalls Angst um meine Knochen.«

»Ach so.« Ich werfe Maron einen flüchtigen Blick zu, bevor ich mich ihm gegenübersetze und mein Handy aus der Tasche hole. Das Symbol oben in der Ecke sagt mir, dass ich auch hier keinen Empfang habe, genauso wie im Rest der Mall. Trotzdem starre ich auf das leere Display, einfach um ihn nicht ansehen zu müssen. Der Anblick seines vollständigen Gesichts ist schlimmer, als ich dachte.

Ja, ich hatte es noch ganz vor Augen. Aber eine weniger lebensnahe Version davon. Und ich hatte wohl verdrängt, wie gut er wirklich aussieht. Nicht nur sein Gesicht. Alles.

Wenn Marons Statur sich unter dem Kostüm nicht verändert hat, muss er sich definitiv keine Sorgen um Verletzungen durch einen Zwölfjährigen machen. So, wie das klingt, spielt er immer noch Football. In der Highschool war er der Star-Quarterback, gefühlt fast genauso breit wie groß. Ich bezweifle, dass ein Kind ihm irgendwas auskugeln, geschweige denn brechen könnte. Da bräuchte es schon einen Kleintransporter.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Maron sich immer wieder über seine glattrasierten Wangen fährt. Die Geste macht mich irre. Was ist so heiß daran, wenn Männer sich mit der Hand übers Kinn fahren? Gar nichts, Alexis. Gar nichts.

»Kratzt dein Kostüm eigentlich auch so?«, will Maron missmutig wissen.

Ich verkneife mir ein gehässiges Schmunzeln und sehe zu ihm auf. Wieder erschlägt mich sein Anblick fast. »Nö.« Ohne nachzudenken, nehme ich noch einen Schluck Kaffee und verziehe das Gesicht. Scheiße. Der schmeckt echt abartig.

»Nicht gut?«

»Kommt drauf an, was es sein soll«, würge ich hervor. »Für Motoröl wäre der Geschmack ganz akzeptabel.«

Maron lacht, beugt sich vor und streckt mir seine Hand entgegen. »Lass mich mal probieren.«

Bereitwillig reiche ich ihm die Tasse. Maron trinkt einen Schluck und sofort entfährt ihm ein angewidertes Grunzen. »Selbst für Motoröl ist das abartig«, hustet er und hält mir das Getränk wieder entgegen. Ich hebe abwehrend die Hände. Als ob ich das Zeug zurücknehme.

Maron schnaubt belustigt, steht auf und stellt die Tasse zu einigen anderen schmutzigen auf ein Tablett. Dann setzt er sich wieder, streckt seine Beine aus, schlägt die Knöchel übereinander und lässt seinen Blick durchs Zimmer wandern.

Froh darüber, dass er endlich mal die Klappe hält, tue ich es ihm nach, aber viel zu sehen gibt es hier nicht.

An der Wand hängt ein Poster eines Pollock-Gemäldes. In der Ecke hinter den Stühlen steht eine halb verdorrte Zimmerpflanze. Ihr Zustand wundert mich nicht. Sie kriegt kein Tageslicht und wird wahrscheinlich regelmäßig mit ungenießbarem Horrorkaffee gegossen.

Wieder schaue ich auf mein Handy. Uns bleiben sechzehn lange Minuten Vorhöllen-Pause.

»Also«, fängt Maron erneut an. Er hat scheinbar immer noch nicht gemerkt, dass ich nicht mit ihm reden will. »Was machst du jetzt so? Studierst du?«

Aha. Das hat er also auch vergessen. Aber klar, wenn er sich schon an meine nackten Brüste nicht erinnert, warum dann an meinen Studiengang? »Ja«, sage ich frostig. »Literatur.«

»Echt? Du und Literatur?«

Was soll das denn heißen? Er kennt mich ja nicht mal richtig. Wir haben eine Handvoll Gespräche geführt, über Jahre verteilt. Und die geschätzt drei Sachen, die Maron sich dabei gemerkt hat, sind alles, was er über mich weiß. Ich wünschte, andersrum wäre es genauso. Ich wünschte, ich hätte ihn genauso vergessen können wie er mich.

»Bist du hier an der Uni?«, hakt er nach, als ich nicht antworte, und ich nicke. »Krass, dass wir uns da noch nie gesehen haben. Ich studiere Sport.«

Was auch sonst, Maron? Ich verkneife mir ein Augenrollen. »Ist eben eine große Uni.«

Er mustert mich interessiert, und obwohl ich sauer, enttäuscht und frustriert bin, sind seine braunen Augen genauso einnehmend wie immer. Ich hasse es. Ihn. Alles an dieser Situation.

»Das stimmt«, erwidert er. »Aber ist schon schade. Wohnst du noch daheim?«

»Nein. Und du?«

Wieso frage ich überhaupt nach? Ich will mich nicht mit ihm unterhalten, und ich kenne die Antwort. Letztes Jahr hat Maron in einer kleinen heruntergekommenen WG in der Nähe des Campus gewohnt. Genau das erzählt er mir jetzt noch mal. Er scheint sich wirklich nicht daran zu erinnern, dass ich schon mal dort war, und erneut flammt Wut in mir auf. Wie kann man so etwas vergessen! Ich würde Maron am liebsten am Kragen packen und schütteln. Was ein lächerlicher Gedanke ist, weil ich ihn mit seinem Gewicht wahrscheinlich keinen Millimeter bewegen könnte.

Ganz ruhig, Alexis. Gewalt ist keine Lösung.

Ich atme tief durch und kratze den letzten Rest meiner Höflichkeit zusammen. Maron macht munter weiter Small Talk und ich beschränke mich auf einsilbige Antworten, Nicken und gelegentliche Mhs und Ahs.

Nach einer Weile holt er sein Handy aus der Tasche seines Mantels – etwas, das mir in dem enganliegenden, hochgradig sexistischen Elfenkostüm nicht vergönnt ist – und schaut darauf.

»Wir sollten wohl wieder rüber«, stellt er fest. »Gleich geht’s weiter. Aber wie wär’s, wenn wir nach der Schicht noch einen Kaffee zusammen trinken? Also einen Richtigen, meine ich.« Er wirft einen vielsagenden Blick auf die Maschine in der Ecke. »Ich geb aus. Du könntest mir erzählen, wie du dazu gekommen bist, Literatur zu studieren.« Maron lächelt und mir bleibt das Herz stehen. Wie bitte? Er … was?

Ich springe förmlich von meinem Stuhl auf, erpicht darauf, so schnell wie möglich diesen Raum zu verlassen. »Sorry, aber heute ist eher schlecht«, behaupte ich mit dem Rücken zu ihm und ziehe die Tür auf. »Ich muss noch … was für die Uni machen und so.«

»So kurz vor Weihnachten?« Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er sich den Bart wieder ins Gesicht hängt. »Sag bloß, du bist zur Streberin geworden, Miller.«

Ich höre das Grinsen aus seiner Stimme heraus, aber beim Klang meines Nachnamens verkrampft sich alles in mir. Vielleicht bin das nur ich, aber Leute, mit denen man Sex hatte, sollte man nicht mit dem Nachnamen ansprechen, oder? Das ist so unglaublich unpersönlich und … respektlos. Aber ich fürchte, Maron und ich haben ganz andere Probleme, wenn dieses Arschloch sich nicht mal an den Sex erinnert.

Ich weiß nicht, was ich auf seinen Streberkommentar erwidern soll, also ignoriere ich ihn und trete hinaus in die Mall.

Nur noch viereinhalb Tage, dann bin ich Maron Fletcher wieder los. Hoffentlich endgültig. Dann kann ich wieder alles daran setzen, ihn für immer zu vergessen, und alles wird gut. Irgendwie werde ich diese Woche mit ihm schon überleben, ohne ihn umzubringen. Irgendwie.

»Mann, dein Kostüm ist echt knapp, was?«, bemerkt Maron hinter mir. Ich stocke und drehe mich in Zeitlupe zu ihm um. Sein Blick klebt noch kurz an dem Elfenkleidchen, bevor er entschuldigend meinen trifft. »Sorry, das ist mir jetzt so rausgerutscht.«

Schon wieder kann ich meinen Todesblick nicht zurückhalten. Mein Puls rast dank einer seltsamen Mischung aus Wut und Scham.

Ich habe mich getäuscht. Diese Woche könnte doch tödlich enden. Wie war das mit dem Kleintransporter? Ich muss mir nur vorher überlegen, wo ich seine verdammte Riesenleiche verstecke, damit sie niemals jemand findet.

Kapitel 3

Drei Tage in diesem Job und ich bin kurz davor zu kündigen. Würde ich das Geld nicht so dringend brauchen, hätte ich das auch sicher längst getan.

Gestern hat Mom mich auf der Arbeit besucht, mein Kostüm gesehen und fast geweint. Nachvollziehbar. Ich möchte auch jedes Mal weinen, wenn ich es anziehe. Aber warum musste sie unbedingt vorbeikommen?

Ich habe ihr tausendmal gesagt, dass sie das auf gar keinen Fall tun soll. Doch wie so oft hat sie meine Bitte ignoriert. Jetzt werde ich mir die nächsten Wochen, Monate oder vielleicht sogar Jahre anhören dürfen, warum ich denn nicht wieder zuhause einziehe, wenn ich solche Geldprobleme habe. Wie schön das doch wäre. Wie sehr wir alle davon profitieren würden. Und mit »wir alle« meint sie sich selbst, denn ich will nie wieder bei ihr wohnen.

Ich liebe meine Mutter. Wirklich. Aber will hin und wieder zu Besuch kommen und dann die Zeit mit ihr genießen können, anstatt mich täglich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten mit ihr zu streiten. Weihnachten ist das einzige Fest, an dem ich noch dort übernachte. Und ich genieße die paar Tage, in denen wir heile Welt spielen und alles wie früher ist, nur ohne das Drama.

Maron hört unterdessen nicht auf, mich in jeder freien Minute vollzuquatschen. Entweder bemerkt er meine Abweisung wirklich nicht oder er ignoriert sie. Täglich lädt er mich auf einen Kaffee ein, wofür ich jedes Mal dieselbe lahme Ausrede benutze. Wahrscheinlich sollte ich ganz klar Nein sagen, damit er endlich aufgibt, aber das könnte Fragen aufwerfen, die ich nicht beantworten will. Bisher scheint er in meine Ablehnung nicht allzu viel hineinzuinterpretieren.

Wenn man es rational betrachtet, ist es gut, dass Maron sich nicht an den One-Night-Stand erinnert. Es bringt mich nämlich dazu, ihn zu hassen, statt ihm nachzutrauern, und das ist definitiv die beste Therapie für sinnlosen Liebeskummer. Wenn er nur aufhören würde, so freundlich zu sein. Und so verdammt zugewandt! Früher hat es ihn doch auch nicht interessiert, was ich mache.

In meiner Verzweiflung habe ich gestern Abend Sunny um Hilfe gebeten, und der Rat meines besten Freundes war, ich zitiere: »Fuck it out.«

Danke für nichts.

Ich werde Maron Fletcher nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen, so viel ist sicher. Und was für Sunny eine Bewältigungsstrategie sein mag, klingt für mich nach der naivsten Idee des Jahrhunderts. Klar ist Maron heiß. Aber genau deswegen muss ich mich ja von ihm fernhalten! Und nicht wiederholen, was letztes Jahr passiert ist.

Eben genannter wird gerade mit schmelzendem Schokoeis vollgetropft, was er aber geschickt ignoriert. Das etwa fünfjährige Mädchen auf seinem Schoß grabbelt mit braunbeschmierten Klebefingern an seiner Hand herum, während die Mutter auf ihrem Smartphone herumtippt und aussieht, als hätte sie vergessen, dass sie überhaupt eine Tochter hat.

»Was wünschst du dir zu Weihnachten, Liebes?«, fragt Maron zum wiederholten Mal in seiner besten Weihnachtsmann-Imitation. Wie so oft jagt mir der Klang seiner tiefen Stimme einen Schauer über den Rücken. Wenn das nur endlich aufhören würde.

Ich wünsche mir, Maron Fletcher nie wieder zu begegnen. Bitte. Danke. Amen, oder was auch immer.

Die Kleine reagiert nicht und Maron wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu. Ich zucke nur gelangweilt mit den Schultern.

»Eine Barbie vielleicht?«, schlägt er vor.

Ich verdrehe die Augen. »Gehts noch sexistischer?«, murmle ich kaum hörbar. Maron hebt eine Braue. Er hört wohl nicht so schlecht, wie ich gehofft hatte.

»Eine Star-Wars-Actionfigur? Ein Fahrrad? Mehr Eis? Hallo?«

Das Mädchen reagiert nicht auf seine Fragen. Es isst auch sein Eis nicht mehr, welches jetzt ungehindert an seiner Hand hinab auf Marons Hose tropft. Maron sieht hinüber zur Mutter, die weiterhin nichts mitbekommt, dann setzt er die Kleine kurzerhand auf den Boden. »Okay. Frohe Weihnachten. Hol dir noch deine Zuckerstange.« Er schiebt sie in meine Richtung. »Die Nächsten!«

Das Kind bleibt desorientiert vor mir stehen, der Mund mit Schokolade verklebt, die kleinen braunen Augen glasig. Ich halte ihr erwartungsvoll die Zuckerstange entgegen. »Hier, nimm.«

Sie öffnet den Mund und schließt ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Es erinnert ein bisschen an einen Fisch auf dem Trockenen.

Na toll. Ich bin nicht gut mit Kindern. Das war eine meiner größten Sorgen, als ich diesen Job angenommen habe, aber Mr. Wrightley hat mir versichert, dass hier sowieso die Eltern die Aufsicht haben und ich gar nichts machen muss. Die Mutter starrt jedoch derart hypnotisiert auf ihr Handy, dass ich Angst habe, sie könnte gleich mit der Nase gegen das Display stoßen und schwarzes-Loch-mäßig reingesaugt werden.

Ihre Tochter steht weiterhin schweigend vor mir und sieht aus, als hätte sie einen Schlaganfall. Ist so was bei Kindern üblich? Hoffentlich nicht. Ich kann keine erste Hilfe.

Ich drücke ihr die Zuckerstange in die klebrige Hand. »Hier, geh zu deiner Mama.«

Ihre kleinen Finger schließen sich um meine. Sie blickt mich weiter stumpf an. Sollte sich ihre Haut so heiß anfühlen? Wahrscheinlich nicht. Wieder schaue ich zur Mutter auf. »Entschuldigen Sie?«

Das Kind vor mir macht ein würgendes Geräusch. Ich senke gerade noch rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie sich ein Schwall aus grünlich-braunem Erbrochenen über unsere Hände und mein Kleid ergießt.

Ich starre das Mädchen an.

Sie hickst.

Stille. Nur noch die Weihnachtsmusik im Hintergrund ist zu hören, so als hätte das ganze Einkaufszentrum soeben den Atem angehalten.

Dann beginnt sie, sirenenartig zu schreien.

Maron und die neue Familie, die bei ihm steht, drehen verwirrt die Köpfe. Die Mutter der Kleinen eilt herbei und zieht das Mädchen von mir weg. Es lässt das Eis fallen, direkt auf meinen von der Kotze verschonten linken Fuß, nimmt aber die ruinierte Zuckerstange mit.

Wie angewurzelt sitze ich auf meinem Stuhl und kann mich nicht rühren. Die warme Flüssigkeit sickert durch meine Klamotten, der säuerliche Gestank hängt mir in der Nase und ich muss meinen eigenen Brechreiz unterdrücken.

»Fuck«, höre ich Marons Stimme. Die Eltern neben ihm halten ihrem Sohn entsetzt die Ohren zu, doch er scheint es gar nicht zu bemerken. Er erhebt sich von seinem goldenen Thron und kommt auf mich zu. »Alles gut?«

Ich bekomme nur ein Wimmern zustande.

»Mama!«, jammert der Junge, der sich als nächstes auf Marons Schoß setzen sollte. »Ich will jetzt zu Santa!«