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Eine Piratenkatze wünscht sich nichts sehnlicher als ein liebevolles Zuhause. Ein kleiner Käfer versucht verzweifelt aus einer Regentonne zu entkommen. Einer jungen Maus wird ein Ausflug fast zum Verhängnis und eine kleine Taube ist auf Hilfe angewiesen. Diese und viele andere, tierische Abenteuer erwarten euch in diesem Buch. Neunzehn spannende, amüsante und berührende Geschichten erzählen von der Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Ab 6 Jahren
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2020
Elisa DanielsDie Piratenkatze
Marina C. HerrmannMikky und Bella
Nadine BuchAus heiterem Himmel
Barbara BellmannMolly
Gabriele DrechslerMoony, der kleine Träumer
Marianne ThieleStreik auf dem Bauernhof
Susanne NollDie kleine Taube Cinderella
Sabine ReyherEddy, der Papagei
Gabriele DatenetAusgesetzt
Franziska BauerSpazza
Patricia BeckerGoldie
Kristina PlenterDer Abschiedsschmerz
Jesscia PietschmannDas Glück kommt auf 4 Beinen
Katja WelckerFrühstück mit Flecki
Anke ElsnerDas neue Familienmitglied
Susi MenzelHansi, das Meerschweinchen
Ariane RückerOttilies Wunderland
Dörte SchmidtFrido
Caroline JansenMein Ronny
Als Bonny hört, wie sich die Türe öffnet und Kindergetrampel ertönt, dreht sie sich genervt zwei Mal im Kreis und lässt sich dann wieder auf ihr Schlafkissen plumpsen, wobei sie demonstrativ ihren Katzenhintern in Richtung der Menschen streckt, die den Raum betreten. Sie will nicht wieder nett zu Leuten sein müssen, die sich am Ende doch für eine andere Katze entscheiden.
Bonny ist inzwischen seit zwei Jahren im Tierheim. Sie kam als kleines Kätzchen hierher, zusammen mit ihren drei älteren Brüdern. Eine alte Frau hatte sie in einem Pappkarton am Straßenrand gefunden. Bonnys Augen waren damals verklebt und sie bekam kaum Luft, ihren Brüdern ging es nicht viel besser.
»Katzenschnupfen«, stellte die Tierärztin fest und die kleinen Katzenkinder mussten eine ganze Weile in Käfigen bei der Ärztin bleiben. Bonny kann sich heute nicht mehr so genau an diese Zeit erinnern, aber sie weiß noch, dass sie dort oft schreckliche Angst hatte, ganz besonders das eine Mal, als sie für eine Weile von ihren Brüdern getrennt wurde. Als das Katzenmädchen dann wieder zu ihren Geschwistern in den Käfig durfte, nahmen ihre Brüder sie ganz genau unter die Lupe und beschnupperten sie. Bonny wusste nicht genau, was an ihr anders war als zuvor, aber irgendetwas hatte sich verändert.
Es dauerte eine Weile, doch dann wurden die vier endlich gesund und durften ihren Käfig bei der Tierärztin verlassen. Von dort kamen sie direkt ins Tierheim von Judith, die sich zusammen mit ihrem Team liebevoll um die kleinen Kätzchen kümmerte und mit ihnen spielte. Die kleinen Fellnasen hatten eine tolle Zeit, bis eines Tages eine junge Frau und ein Mann auftauchten, die ihren Bruder Felix mitnahmen. Die restlichen drei Geschwister verstanden die Welt nicht mehr, hörten aber, wie Judith Felix »Alles Gute im neuen Zuhause« wünschte.
Ein neues Zuhause, dahin war Felix also gekommen. Bonny vermisste Felix sehr, er war von allen vieren der Aufgeweckteste gewesen und konnte am besten Kissen mit seinen scharfen Krallen so aufkratzen, dass die Federn nur so durch die Luft stoben. Das kleine Katzenmädchen war traurig. Nach und nach gewöhnte es sich aber daran, dass Felix nicht mehr da war, und bekam sogar neue Spielgefährten, die ins Tierheim einzogen.
Ein paar Wochen später, Bonny spielte gerade mit ihrer Freundin Shelly, einer Schildkröte, die aber auch im Katzenhaus wohnte, bemerkte sie, wie ein Mann und ein Kind am anderen Ende des Raumes sich mit ihren Brüdern Sammy und Cujo beschäftigten. Sie achtete nicht besonders darauf, es kamen öfter Leute, spielten ein bisschen mit den Bewohnern des Tierheims, streichelten sie eine Weile und gingen dann wieder. Doch dieses Mal kam es anders: Als Bonny vom Spielen müde war, wollte sie zu ihren Brüdern gehen, um ein wenig mit ihnen zu kuscheln. Doch Sammy und Cujo waren nicht mehr da. Bonny fand sie auch nicht auf dem Katzenklo oder hinter der großen Couch, hinter der sie sich öfter versteckten, um ihre Schwester zu ärgern – sie blieben wie vom Erdboden verschluckt. Bonny sah sich noch einmal verwirrt im ganzen Katzenhaus um, doch dann wurde ihr klar, dass wohl auch Sammy und Cujo in ein neues Zuhause gebracht worden waren. Bonny zog sich zurück, sie fühlte sich elend. Von ihrer Familie blieb sie als Einzige im Tierheim zurück. Ihre Freundin Pfötchen bemerkte, dass mit Bonny etwas nicht stimmte. Die Angorakatze ging zu ihr und stupste sie mit dem Näschen an, doch Bonny reagierte nicht darauf. Sie rollte sich zusammen wie ein verängstigter Igel und wollte nur noch schlafen. Zwar vermisste Bonny ihre Brüder sehr, doch nach und nach erholte sie sich, täglich wurde sie etwas fröhlicher und fasste endlich einen Entschluss: Wenn ihre Geschwister bereits im neuen Zuhause waren, dann musste sie doch nur auch dort hin. Vielleicht würden sie sich dort alle wiedertreffen. Das war es! Bonny musste in das neue Zuhause. Von diesem Tag an sprang sie allen Menschen, die Judith durch das Katzenhaus führte, entgegen, schnurrte, spielte, rieb ihr zartes Köpfchen liebevoll an den Beinen der Menschen. Viele streichelten sie.
Manche sagten: »Oh, sieh dir mal die arme Katze an!«
Einige spielten kurz mit Bonny. Doch niemand wollte sie mitnehmen. Immer fiel die Wahl auf eine andere Katze. Zu Beginn ließ Bonny sich nicht entmutigen, sie wollte sich beim nächsten Mal einfach noch ein bisschen mehr anstrengen, noch lauter schnurren, noch mehr den Menschen schmeicheln. Doch es nutzte alles nichts, niemand brachte Bonny in das neue Zuhause.
Mit der Zeit wurde Bonny immer missmutiger. Sie gab sich kaum noch Mühe, den Menschen, die hereinkamen, zu gefallen. Sie begrüßte die Leute kurz, ging dann aber wieder zu ihrem Schlafkissen, legte sich hin und beobachtete aus der Ferne, wie andere Katzen und Kater ausgewählt und mitgenommen wurden. Bonny verzagte immer mehr. Sie verstand nicht, warum niemand sie mitnehmen wollte, sie war doch schon so lange hier. Fast niemand musste so lange auf das neue Zuhause warten wie sie.
Nur der dicke, alte Murphy und die fiese Aphrodite waren noch länger im Tierheim als Bonny. Und das war kein Wunder, denn Murphy pupste ständig und Aphrodite fauchte alle an und kratzte jeden, der ihr zu nahe kam, egal ob Mensch oder Katze.
So gab Bonny den Wunsch, mitgenommen zu werden, schließlich auf. Wenn man davon absah, dass sie ihre Brüder gerne wiedergesehen hätte und andere Freunde, die bereits aus dem Tierheim ausgezogen waren, ging es ihr ja eigentlich ganz gut. Sie hatte immer ein warmes Plätzchen zum Schlafen und genug zu fressen. Judith und die anderen Pfleger kümmerten sich sehr gut um die Fellnasen und kuschelten regelmäßig mit ihnen. Und wenn es Bonny danach war, ein bisschen spazieren zu gehen, stieg sie einfach durch die Katzenklappe im Fenster und nahm die Katzenleiter, über die man in den großen Hof des Tierheims gelangte. Dort konnte sie dann die Schweine und Esel besuchen, die auf den Koppeln und in den Ställen lebten, oder auch die Hunde ärgern. Kurz: Wenn sie Aphrodite aus dem Weg ging, hatte Bonny eigentlich ein ganz schönes Leben im Tierheim. Von ihrem Platz aus hört Bonny, dass sich die Menschen mit Judith jetzt auf die große Couch gesetzt haben und sich unterhalten.
»Du bist ja eine hübsche Piratin«, sagt Judith.
»Nicht hübsch, furchterregend«, korrigiert die Stimme eines Mädchens. Sie hört sich dabei aber eher eingeschüchtert als furchterregend an.
Lena sitzt am vordersten Rand des Sofas. Für ihre neun Jahre ist sie recht klein, mit den Zehenspitzen kann sie kaum den Boden berühren. Sie hat eine weite Hose an, die ihr um die Beine flattert, fast als wäre sie ein Rock. Um ihren Kopf hat sie ein rotes Tuch gebunden und über dem rechten Auge trägt sie eine verwegen aussehende schwarze Augenklappe. Verlegen spielt sie am Griff ihres Säbels.
»Entschuldige«, sagt Judith und lacht, »das meinte ich natürlich – eine sehr furchterregende Piratin.«
Das kleine Mädchen blickt auf und in Judiths Gesicht. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen.
»Also, Lena«, beginnt Judith, »ich werde dir und deiner Mama jetzt ein paar unserer Katzen vorstellen. Es kann sein, dass sie ein bisschen nervös sind, deswegen möchte ich euch bitten, keine hektischen Bewegungen zu machen und deinen Säbel stecken zu lassen, damit sich niemand verletzt.«
Lena nickt. Erwartungsvoll schaut sie sich im Zimmer um. Sie kann es kaum erwarten, all die Katzen zu streicheln. Und eine davon darf sie heute sogar mit nach Hause nehmen.
Judith erhebt sich und nimmt liebevoll eine kleine braun-schwarz gestreifte Katze auf den Arm. Sie redet ihr gut zu und setzt sie dann zwischen Lena und deren Mutter auf das Sofa.
»Das ist unsere kleine Gerda«, erklärt Judith, »sie ist sehr verschmust und erst ein Jahr alt. Sie spielt noch sehr gerne.«
Lena strahlt und Gerda beginnt sofort, ihr kleines Köpfchen an der Seite des Mädchens zu reiben.
»Sie mag dich«, freut sich Lenas Mutter. »Das ist Liebe auf den ersten Blick.«
Vorsichtig legt Lena ihre Hand auf Gerdas Kopf und beginnt, sie zu kraulen. Die Katze fängt laut zu schnurren an und lässt sich an Lenas Seite fallen, um weiter gestreichelt zu werden. Das Mädchen lacht entzückt auf.
Bonny blickt genervt von ihrem Schlafkissen auf und dreht sich ein wenig, sodass sie sieht, was da auf dem Sofa vor sich geht. Immer dieser Zirkus! Sie kann bei diesem Lärm nicht schlafen. Böse starrt sie in Richtung der Krachmacher, in der Hoffnung, sie dadurch zum Schweigen zu bringen.
In dem Moment schweift Lenas Blick durch den Raum und bleibt an Bonnys Gesicht hängen. Augenblicklich erstarrt sie.
»Die möchte ich«, sagt sie mit entschlossener Stimme.
Lenas Mutter folgt dem Blick ihrer Tochter. »Aber Schatz, die kleine Gerda hier …«, dann verstummt auch sie. Ein verstehendes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. »Dürfen wir uns die schwarze Katze auf dem Kissen ansehen?«, fragt sie.
»Ja, gerne«, sagt Judith. »Sie ist etwas zurückgezogen.
Ich glaube, die Zeit hier im Heim macht ihr ein bisschen zu schaffen. Sie war am Anfang sehr fröhlich und verschmust, aber je länger sie hier lebt, desto mehr zieht sie sich zurück. Sie heißt Bonny.«
»Bonny«, haucht Lena andächtig, »das ist ein Zeichen.«
Judith schaut irritiert Lenas Mutter an. Was ist so besonders an dem Namen Bonny?
»Anne Bonny«, erklärt Lenas Mutter, »war eine Piratin, die im 18. Jahrhundert lebte.«
Lenas Blick ist weiterhin auf Bonny gerichtet. »Nicht nur irgendeine Piratin«, protestiert sie, »Anne Bonny ist meine Lieblingspiratin.« Dann geht das Mädchen auf ihre Knie und rutscht so Stück für Stück auf die schwarze Katze, die noch immer auf dem Kissen liegt, zu.
Bonny ist verwundert. Sie hebt erstaunt ihren Kopf, als sie sieht, dass das Mädchen tatsächlich von sich aus auf sie zukommt. Bedeutet das …? Bonny erhebt sich, streckt sich und reckt ihren langen, kohlschwarzen Schwanz in die Höhe. Ein fragendes Gurren kommt aus ihrem Hals. Sie zögert einen Moment und schreitet dann mit Schritten, so elegant wie nur eine Katze sie machen kann, auf das kleine Mädchen zu. Als die Nasenspitzen der beiden sich schon fast berühren, streckt Lena ihr Händchen aus und streichelt der schwarzen, einäugigen Bonny liebevoll über den Kopf und die Katze schmiegt sich zärtlich an das Mädchen.
»Bonny«, wiederholt Lena und schaut hoffnungsvoll hinauf zu ihrer Mama, welche nur stumm mit kleinen Tränen in den Augenwinkeln nickt.
Judith schaut verständnislos zwischen Lena und ihrer Mutter hin und her, sie kann dem, was hier vor sich geht, nicht folgen.
Während Lena auf dem Boden kniend weiterhin ihre neue Freundin Bonny liebkost, räuspert sich ihre Mutter.
»Lena ist auf einem Auge fast blind«, erklärt sie Judith leise. »Sie hat darauf nur noch 15 Prozent Sehkraft und die Ärzte fürchten, dass auch dieser Rest bald nicht mehr sein wird. Deswegen ist sie auch von allem fasziniert, was mit Piraten zu tun hat«, schmunzelt sie. »Sie hat deshalb wohl auch sofort eine Verbindung zu Bonny gespürt.«
Nun versteht auch Judith. »Da haben sich ja zwei gefunden«, freut sie sich. »Bonny hat es schwer, ein Zuhause zu finden. Sie und ihre Brüder waren als kleine Babys ausgesetzt worden. Die armen hatten alle Katzenschnupfen, aber Bonny hatte es am schlimmsten erwischt. Leider war dadurch eines ihrer Augen nicht mehr zu retten.« Traurig schüttelt Judith den Kopf. »Viele Leute wollen keine Katze mit Behinderung. Aber für Bonny ist es gar keine Behinderung, sie kennt es ja nicht anders.«
Lenas Mutter nickt verständnisvoll. »Ein kleiner Makel ist kein Grund, sie weniger lieb zu haben«, stimmt sie zu und lächelt. »Im Gegenteil.«
»Meine Bonny«, flüstert Lena und kuschelt sich an die schnurrende Katze. »Meine kleine Piratenkatze.«
»Bitte, Papa«, bettelte Mia mit großen Augen.
»Nur noch eine Geschichte, dann schlafen wir auch viel besser«, fügte Kai hinzu.
»In Ordnung.« Der Vater setzte sich auf die Bettkante und seufzte ergeben. »Welche möchtet ihr denn hören?«
»MIKKY UND BELLA!«, jauchzten die Kinder lauthals, als wären sie noch gar nicht müde.
»Na gut.« Ihr Vater räusperte sich. »Es war vor ungefähr dreißig Jahren auf einem alten Bauernhof. Da gab es Kühe und Schafe, Hühner und Enten und natürlich auch einen Hofkater. Sein Name war Mikky und er war schon etwas älter. Sein rotes Fell strahlte wie die Sonne und er liebte es, im Mittelpunkt zu stehen und mit seinem besten Freund Karsten zu spielen. Karsten war der Sohn des Bauern und hatte außer den Tieren keine Freunde. Der Kater und der Junge waren zusammen aufgewachsen und gingen durch dick und dünn. Doch eines Tages, es war ein Sonntag, kam alles anders. Mikky lag in der Küche auf der Fensterbank und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, als er dieses Geräusch hörte und wusste, dass sich alles ändern würde …«
»Nanu?«, wunderte sich der rote Kater und gähnte. »Bekommen wir heute etwa Besuch oder warum höre ich dieses schreckliche Geräusch? Dieses Gehechel und Geschnupper.«
Es musste Besuch sein, denn auf dem Bauernhof gab es keinen Hund. Das war bestimmt Karstens Tante mit ihrem Pudel, nichts Schlimmes. Gelangweilt schloss Mikky wieder die Augen.
Die Tür öffnete sich und Karsten trat ein: »Und das hier ist die Küche, schön, oder? Und das da ist Mikky.«
Jetzt war der Kater doch neugierig und öffnete ein Auge. Vor ihm sah er eine riesige schwarze Nase, die beim Schnüffeln zuckte, umgeben von weißem und grauem Fell, das seidig weich fiel und weiter oben ein braunes und ein blaues Auge, die weit aufgerissen waren und ihn anstarrten.
»HALLO!«, bellte der Hund ihn laut an und der Kater sprang erschrocken von seinem Platz auf und rüber auf den Tisch. Sein Rücken krümmte sich und er fauchte: »Wer bist du und was willst du hier?«
»Nein, Mikky, ganz ruhig.« Karsten nahm den Kater vom Tisch in seine Arme und strich ihm behutsam über den Rücken. »Sie tut dir doch nichts. Bella wohnt ab jetzt hier.«
Das konnte, nein, das durfte nicht wahr sein! Hier konnte doch kein Hund wohnen. Karsten gehörte nur ihm allein, sie brauchten keine weiteren Freunde, erst recht keine hechelnde, schnüffelnde, bellende Nervensäge.
Der Hund kam näher, stellte sich auf die Hinterbeine und schnupperte wieder an dem Kater: »Ist das toll hier. Ich wette, wir werden bestimmt die allerbesten Freunde.«
»Das glaube ich nicht.« Mikky holte aus und schlug nach dem bellenden Biest, traf jedoch nicht.
Karsten drehte den Kater weg: »Nicht schlagen. Ihr müsst euch vertragen.« Er trug den Kater zur Tür. »Wenn du dich nicht benehmen kannst, musst du draußen warten, damit ich Bella in Ruhe alles zeigen kann.«
Und nur wenige Sekunden später saß der rote Kater allein auf dem Hof, während sein Karsten mit dieser Bella durch das Haus zog. Das wollte Mikky nicht einfach akzeptieren! Er rannte um das Haus, kletterte an der großen Eiche hoch und balancierte zum Ende des dicksten Astes. Von hier aus konnte er direkt in das Kinderzimmer sehen.
»… und das hier ist meine Ritterburg, hier habe ich die Rüstungen, kleine Pferde und sogar einen Drachen. Aber du darfst nicht damit spielen, sonst machst du alles mit deinen Zähnen kaputt.« Der blonde Junge zeigte dem Hund jeden Winkel seines Zimmers. Mikky knurrte leise für sich und schlenderte in den Stall.
»Na, was guckst du denn …«, begann Gabi.
»… so traurig?«, beendete Trudi die Frage und sah von ihren Körnern auf.
Mikky setzte sich den Hühnern gegenüber, schlang den Schwanz um seine Pfoten und ließ den Kopf hängen: »Karsten hat jetzt einen Hund.«
»Was? Einen Hund?«, gackerten beide aufgeregt. »Aber den brauchen wir doch nicht. Den braucht er doch nicht, er hat dich!«
»Anscheinend braucht er mich nicht so sehr, wie ich immer dachte«, jammerte der Kater. Sonst war er so stark, aber jetzt fühlte er nur einen stechenden Schmerz in seiner kleinen Brust. So traurig war er noch nie zuvor gewesen.
»Wir helfen dir …«, gackerte Trudi.
»… mit deinem Problem«, nickte Gabi und pickte einige Körner auf.
»Ich bin natürlich auch dabei«, pflichtete Anton bei und einige Halme Stroh wirbelten bei der kräftigen Stimme des Stieres auf. »Ein Hund braucht so viel Aufmerksamkeit. Der bringt hier nur alles durcheinander.«
»Genau!«, fiepten Fritzi, Pauli und Melli, die drei kleinen Stallmäusekinder, die von einem Holzbalken aus alles mitgehört hatten. »Der soll dahin gehen, wo er hergekommen ist.«
Mikky fühlte sich bei diesen Worten schon viel besser, auf seine Freunde konnte er immer zählen. Den ganzen Tag über tüftelten sie an einem Plan. Es konnte gar nichts mehr schief gehen und dann waren sie Bella endlich wieder los und hatten Karsten für sich.
Mikky lag bereits auf dem Bett, als Karsten in sein Zimmer kam: »Hier bist du ja. Ich habe dich schon überall gesucht.«
Er streichelte dem Kater über den Kopf, kraulte ihm die Ohren und schlüpfte unter die Decke. »Ich wollte nicht gemein zu dir sein, aber du warst böse zu Bella und das darf ich nicht erlauben, verstehst du?«
Mikky schnurrte nur vor sich hin. Er wollte den Hund nicht, also durfte er auch gemein sein, so einfach war das für ihn. Dann hörte er Bella in das Zimmer tapsen. Sie wedelte aufgeregt mit dem Schwanz, als sie sich mit den Vorderbeinen auf das Bett stellte.
»Hey, dich habe ich ja den ganzen Tag nicht mehr gesehen.«
Mikky zuckte mit dem Schwanz und brummte: »Ja, und das ist auch gut so.«
»Nein, Bella. Das da ist dein Bett, geh!«, befahl Karsten und zeigte auf ein Körbchen direkt neben seinem Bett. Bella legte sich ohne Widerworte hinein. Mikky konnte nur den Kopf schütteln. Typisch Hund, die kann sich nicht einmal durchsetzen und machen, was sie will. Aber das war ihm gerade auch egal, denn er durfte im Bett schlafen. Er streckte sich genüsslich.
Karsten konnte nun beide Tiere gleichzeitig streicheln und flüsterte: »Ihr müsst nett zueinander sein und euch vertragen. Ihr seid meine Freunde und Freunde halten immer zusammen. Außer euch habe ich doch niemanden.«
Für einen kurzen Moment zweifelte Mikky an seinem Plan und an sich selbst. Wenn Karsten wirklich keine menschlichen Freunde hatte, dann sollte er ihm nicht auch noch die tierischen vergraulen, oder? Obwohl, wenn er es sich recht überlegte, waren hier doch genug Tiere, genug Freunde. Bella würde niemand vermissen.
Am nächsten Morgen verhielt sich Mikky ganz normal und freundlich. Er fraß sein Futter und schlabberte seine Milch, während Bella die ganze Zeit schwanzwedelnd neben ihm stand und beim Fressen nicht aufhörte zu reden: »Heute wird ein toller Tag, das spüre ich schon. Wir könnten mit meinem Ball spielen. Karsten hat mir einen Ball gekauft, hast du den gesehen? Der ist blau. Und wir können fangen spielen. Hast du das schon mal gemacht? Oder einfach nur schlafen? Aber nein, ich bin zu aufgeregt dafür. Was für ein toller Tag, oder?«