Rheinlands schönste Sagen - Heinrich Pröhle - E-Book

Rheinlands schönste Sagen E-Book

Heinrich Pröhle

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Liebfrauenmilch. Die Nibelungen. Die Juden in Worms. Die Gründung von Mainz. Der Eichelstein. Kloster Altmünster zu Mainz. Eginhard und Emma. Doktor Faust (Kreuznach). Der Eber von der Ebernburg bei Kreuznach. Adalbert der Landmann. Hans Brömser von Rüdesheim. Das Sankt Rochusfest. Der Mäuseturm. Ritter Gilgen von Lorch. Sagen und Geschichten von Bacharach. Burg Gutenfels bei Kaub. Die Lorelei. Die feindlichen Brüder (Sternberg und Liebenstein). Der Königsstuhl bei Rhense. Die Tempelherren auf der Burg Lahneck. Der Scharfrichter auf der Coblenzer Straße. Die Räuber in der Klause des Eremiten. Sagen von Andernach und der Umgegend. Die Rauschemühle und Kloster Laach. Genovefa (Trier und Laach). Die Hoacht. Die Überfahrt nach Remagen. Apollinaris. Roland. Rolandseck. Der Drachenfels und die Einführung des Christentums. Siegfried auf dem Drachenfelsen. Die heilige Ursula und die elftausend Jungfrauen. Der heilige Reinold in Köln. Bischof Hildebold von Köln. Albertus Magnus. Meister Gerhard von Rile, des Kölner Domes Baumeister. Der gute Gerhard von Köln. Lohengrin. Der Schwanenritter.

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Rheinlands schönste Sagen und Geschichten

Heinrich Pröhle

Inhalt:

Heinrich Pröhle – Biografie und Bibliografie

Bibliographie der Sage

Vorwort.

Liebfrauenmilch.

Die Nibelungen.

Die Juden in Worms.

Die Gründung von Mainz.

Der Eichelstein.

Kloster Altmünster zu Mainz.

Eginhard und Emma.

Doktor Faust (Kreuznach).

Der Eber von der Ebernburg bei Kreuznach.

Adalbert der Landmann.

Hans Brömser von Rüdesheim.

Das Sankt Rochusfest.

Der Mäuseturm.

Ritter Gilgen von Lorch.

Sagen und Geschichten von Bacharach.

Burg Gutenfels bei Kaub.

Die Lorelei.

Die feindlichen Brüder (Sternberg und Liebenstein).

Der Königsstuhl bei Rhense.

Die Tempelherren auf der Burg Lahneck.

Der Scharfrichter auf der Coblenzer Straße.

Die Räuber in der Klause des Eremiten.

Sagen von Andernach und der Umgegend.

Die Rauschemühle und Kloster Laach.

Genovefa (Trier und Laach).

Die Hoacht.

Die Überfahrt nach Remagen.

Apollinaris.

Roland.

Rolandseck.

Der Drachenfels und die Einführung des Christentums.

Siegfried auf dem Drachenfelsen.

Die heilige Ursula und die elftausend Jungfrauen.

Der heilige Reinold in Köln.

Bischof Hildebold von Köln.

Albertus Magnus.

Meister Gerhard von Rile, des Kölner Domes Baumeister.

Der gute Gerhard von Köln.

Lohengrin.

Der Schwanenritter.

Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, H. Pröhle

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603151

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Heinrich Pröhle – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 4 Juni 1822 in Satuelle bei Neuhaldensleben, gest. 28. Mai 1895 in Steglitz bei Berlin, Sohn des durch die Schrift »Kirchliche Sitten« (Berl. 1858) bekannten Pfarrers Heinrich Andreas P. (gest. 1875 in Hornhausen bei Oschersleben), studierte in Halle und Berlin Geschichte und Philologie, beschäftigte sich hierauf einige Zeit journalistisch und wirkte seit 1859 als Lehrer an der Louisenstädtischen Realschule in Berlin. Er hat sich besonders durch seine Schriften zur Volkskunde des Harzes bekannt gemacht: »Aus dem Harz« (Leipz. 1851, 2. Aufl. 1857), »Harzsagen« (das. 1853–56, 2 Bde.; 2. Aufl. in 1 Bd., 1886), »Unterharzische Sagen« (Aschersl. 1856), »Erzählungen aus dem Harzgebirge« (Berl. 1862) u. a. Ferner veröffentlichte er: »Kinder- und Volksmärchen« (Leipz. 1853), »Deutsche Sagen« (Berl. 1863, 2. Aufl. 1879), »Die Reformationssagen« (das. 1867); die Biographien von Friedr. Ludw. Jahn (das. 1855; neu bearbeitet von Euler, Stuttg. 1878–80), Bürger (Leipz. 1856); »Der Pfarrer von Grünrode«, ein Lebensbild (das. 1852); »Gedichte« (das. 1859); »Feldgarben«, Beiträge zur Kirchen-, Literatur- und Kulturgeschichte (das. 1859); »Patriotische Erinnerungen« (Berl. 1874); »Neue Lieder aus Wittenberg gegen Rom« (Wittenb. 1875); »Friedrich d. Gr. und die deutsche Literatur« (2. Ausg., Berl. 1878); »Lessing, Wieland, Heinse, nach den handschriftlichen Quellen in Gleims Nachlaß« (das. 1877); »Heinrich Heine und der Harz« (Harzb. 1888); »Die Lehninische Weissagung« (Berl. 1888); »Abhandlungen über Goethe, Schiller, Bürger und einige ihrer Freunde« (Potsd. 1889). Auch gab er »Volkslieder und Volksschauspiele« (Aschersl. 1855) und Wielands Werke in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur« heraus.

Bibliographie der Sage

Eine Sage istim allgemeinen alles, was gesagt und von Mund zu Mund weiter erzählt wird, also soviel wie Gerücht; im engeren Sinn eine im Volke mündlich fortgepflanzte Erzählung von irgendeiner Begebenheit. Knüpft sich die S. an geschichtliche Personen und Handlungen, indem sie die im Volke fortlebenden Erinnerungen an geschichtliche Zustände, Persönlichkeiten, dunkel gewordene Taten zu vollständigen Erzählungen ausbildet, so entsteht die geschichtliche S. und, sofern sie sich auf die alten Helden des Volkes erstreckt, die Heldensage; sind aber die Götter mit ihren Zuständen, Handlungen und Erlebnissen Gegenstand der S., so entsteht die Göttersage oder der Mythus (s. Mythologie) und auf dem Gebiet monotheistischer dogmatischer Religion die Legende (s. d.). Hastet die Erzählung an bestimmten Örtlichkeiten, so spricht man von örtlichen Sagen. Noch eine Sagengattung bildet endlich die Tiersage, die von dem Leben und Treiben der Tiere, und zwar fast ausschließlich der ungezähmten, berichtet, die man sich mit Sprache und Denkkraft ausgerüstet vorstellt. Ost hat sich um eine besonders bevorzugte Persönlichkeit, wie z. B. König Artus, Dietrich von Bern, Attila, Karl d. Gr. etc., und deren Umgebung eine ganze Menge von Sagen gelagert, die nach Ursprung und Inhalt sehr verschieden sein können, aber doch unter sich in Zusammenhang stehen, und es bilden sich dadurch Sagenkreise, wie deren im Mittelalter in germanischen wie romanischen Ländern mehrere bestanden und zahlreiche Epen hervorgerufen haben (vgl. Heldensage). Die echte S. erscheint somit als aus dem Drang des dichterischen Volksgeistes entsprungen. Wie alle Volkspoesie blüht sie am prächtigsten in der älteren Zeit, aber auch bei höherer Kultur verstummt sie nicht ganz; vielmehr ist der Volksgeist noch heute tätig, bedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten mit dem Schmuck der S. zu umkleiden. Die Anknüpfung an ein gewisses Wirkliches ist hauptsächlich das Merkmal, das die S. vom Märchen (s. d.) unterscheidet. Wie das Märchen, liebt sie das Wunderbare und Übernatürliche, obwohl es ihr nicht unentbehrlich ist. Am häufigsten heftet sie sich an Burg- und Klosterruinen, an Quellen, Seen, an Klüfte, an Kreuzwege etc., und zwar findet sich ein und dieselbe S. nicht selten an mehreren Orten wieder. Um die Erhaltung der deutschen S. haben sich zuerst die Brüder Grimm verdient gemacht durch ihre reiche Sammlung: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816–18, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891). Nächst diesen sind die Sammlungen von A. Kuhn und Schwartz (»Norddeutsche Sagen«, Leipz. 1848), J. W. Wolf (»Deutsche Märchen und Sagen«, das. 1845), Panzer (»Bayrische Sagen«, Münch. 1848, 2 Bde.), Grässe (»Sagenbuch des preußischen Staats«, Glogau 1871) und Klee (Gütersloh 1885) als besonders reichhaltige Quellen zu nennen. Als Sammler von Sagen einzelner Länder, Gegenden und Örtlichkeiten waren außerdem zahlreiche Forscher tätig, so für Mecklenburg: Studemund (1851), Niederhöffer (1857) und Bartsch (1879); für Pommern und Rügen: U. Jahn (2. Aufl. 1890), Haas (Rügen 1899, Usedom u. Wollin 1903); für Schleswig-Holst ein: Müllenhoff (1845); für Niedersachsen: Harrys (1840), Schambach und Müller (1855); für Hamburg: Beneke (1854); für Lübeck: Deecke (1852); für Oldenburg: Strackerjan (1868); für den Harz: Pröhle (2. Aufl. 1886); für Mansfeld: Giebel hausen (1850); für Westfalen: Kuhn (1859) und Krüger (1845), Weddigen und Hartmann (1884); für die Altmark: Temme (1839); für Brandenburg: Kuhn (1843) und W. Schwartz (4. Aufl. 1903); für Sachsen: Grässe (1874) und A. Meiche (1903); für das Vogtland: Köhler (1867) und Eifel (1871); für das Erzgebirge: J. A. Köhler (1886); für die Lausitz: Haupt (1862) und Gander (1894); für Thüringen: Bechstein (1835, 1898), Börner (Orlagau, 1838), Sommer (1846), Wucke (Werragegend, 1864), Witzschel (1866), Richter (1877); für Schlesien. Kern (1867), Philo vom Walde (1333); für Ostpreußen etc.: Tettau (183f) und Reusch (Samland, 1863); für Posen: Knoop (1894); für den Rhein: Simrock (9. Aufl. 1883), Geib (3. Aufl. 1858), Kiefer (4. Aufl. 1876), Kurs (1881), Schell (Bergische S., 1897), Hessel (1904); für Luxemburg: Steffen (1853) und Warker (1894); für die Eifel: P. Stolz (1888); für Franken etc.: Bechstein (1842), Janssen (1852), Heerlein (Spessart, 2. Aufl. 1885), Enslin (Frankfurt 1856), Kaufmann (Mainz 1853); für Hessen: Kant (1846), Wolf (1853), Lynker (1854), Bindewald (1873), Hessler (1889); für Bayern: Maßmann (1831), Schöppner (1851–1853), v. Leoprechting (Lechrain, 1855), Schönwerth (Oberpfalz, 1858), Sepp (1876), Haushofer (1890); für Schwaben: Meier (1852) und Birlinger (1861–1862), Reiser (Algäu, 1895); für Baden: Baader (1851), Schönhut (1861–65), Waibel und Flamm (1899); für das Elsaß: August St ob er (1852, 1895), Lawert (1861), Hertz (1872); für die Niederlande: Wolf (1843), Welters (1875–76); für Rumänien: Schuller (1857); für die Schweiz: Rochholz (1856), Lütolf (1862), Herzog (1871, 1882); für Tirol. Meyer (2. Aufl. 1884), Zingerle (1859), Schneller (1867), Gleirscher (1878), Heyl (1897); für Vorarlberg: Vonbun (1847 u. 1890); für Österreich: Bechstein (1846), Gebhart (1862), Dreisauff (1879), Leed (Niederösterreich, 1892); für Mähren: Schüller (1888); für Kärnten: Rappold (1887); für Steiermark: Krainz (1880), Schlossar (1881); für Böhmen: Grohmann (1863), Gradl (Egerland, 1893); für die Alpen: Vernaleken (1858), Alpenburg (1861) und Zillner (Untersberg, 1861); für Siebenbürgen: Müller (2. Aufl. 1885), Haltrich (1885). Die Sagen Islands sammelten Maurer (1860) und Poestion (1884), der Norweger: Asbjörnson (deutsch 1881), der Südslawen: Krauß (1884), der Litauer: Langkusch (1879) und Veckenstedt (1883), der Esten: Jannsen (1888), der Lappländer: Poestion (1885), der Russen: Goldschmidt (1882), der Armenier: Chalatianz (1887), die der Indianer Amerikas: Amara George (1856), Knortz (1871), Boas (1895); indische Sagen Beyer (1871), japanische Brauns (1884), altfranzösische A. v. Keller (2. Aufl. 1876); deutsche Pflanzensagen Perger (1864), die deutschen Kaisersagen Falkenstein (1847), Nebelsagen Laistner (1879) etc. Die Sagen bilden mit den im Volk umlaufenden Märchen, Legenden, Sprichwörtern etc. den Inhalt der Volkskunde (s. d.), die seit neuerer Zeit Gegenstand reger wissenschaftlicher Forschung ist. Vgl. L. Bechstein, Mythe, S., Märe und Fabel im Leben und Bewußtsein des deutschen Volkes (Leipz. 1854, 3 Tle.); J. Braun, Die Naturgeschichte der S. (Münch. 1864–65, 2 Bde.); Uhland, Schriften zur Geschichte und S., Bd. 1 u. 7 (Stuttg. 1865–68); Henne am Rhyn, Die deutsche Volkssage im Verhältnis zu den Mythen aller Völker (2. Aufl., Wien 1879); v. Bayder, Die deutsche Philologie im Grundriß (Paderb. 1883); Paul, Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 2, 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901) und die Bibliographie in der »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde«; Grünbaum, Gesammelte Aufsätze zur Sprach- und Sagenkunde (Berl. 1901).

Vorwort.

Dieses Buch kann als Begleiter auf der Rheinreise von Mainz bis Köln (Worms bis Cleve), soll aber besonders als Jugendschrift dienen.

»Rheinlands schönste Sagen und Geschichten«, so lautet sein Titel. Die Geschichte ist ausgeschlossen, nicht so die »Geschichten.« Dazu gehört die alte, tiefernste aber wenig bekannte Geschichte von Adalbert dem Landmann nach dem rheinischen Antiquarius. Sie klingt an alte Sagen an, welche Dante, dem Dichter der Hölle, bekannt gewesen sein müssen. Auch die Schwänke in Hebels Manier können zu den »schönsten Geschichten« wenigstens wegen ihrer in diesem Buche unerläßlichen sittlichen Reinheit gerechnet werden. An dem einzigen ausführlich erzählten Gebrauche, dem Rochusfeste, wird sich nicht bloß der Goethefreund, sondern auch schon die reifere Jugend erfreuen, während die Kinder für sie mehr passende Sagen und Legenden genug in diesem Buche finden werden. Denn die eigentlichen Sagen sind und bleiben die Hauptsache in demselben.

Daß mein Name im Verlaufe von dreißig Jahren auf dem Gebiete der Märchen- und Sagenlitteratur nicht ganz unbekannt geblieben ist, glaube ich besonders meinen »Harzsagen« zu verdanken. Sie sind in erster Linie eine wissenschaftliche Arbeit, deren neueste Auflage der nach dem Tode Jakob Grimm's von Wilhelm Scherer geltend gemachten Auffassung, der deutschen Mythologie gerecht zu werden, und Mannhardt's Bestreben, die Konzentration der Sagenforschung auf die Wald- und Korndämonen durch eine Hinweisung auf die Walpurgisnacht zu erweitern, daher der Brockensage, eine neue Seite abzugewinnen sucht. Indem ich nun aber die Sagen auf eine eigentümliche Weise zu erzählen mich bemühte, wurde ich auch als Volks- und Jugendschriftsteller betrachtet. Lag mir doch als Schulmann das Gebiet der Jugendschrift nicht fern. So gab ich denn auch den »Märchenstrauß« heraus, der aus der Kinderstube meines Hauses hervorging. Zu ihm steuerte einige gut geschriebene und in der Ausführung auf feiner Beobachtung beruhende Märchen meine Frau bei, die für das vorliegende Buch die Geschichte des guten Gerhards von Köln nach Simrocks 1847 bei Brönner in Frankfurt a.M. erschienener Dichtung in Prosa aufgezeichnet hat. Auch die Sage von dem Dombaumeister Gerhard von Rile ist von ihr, meist nach Weyden, bearbeitet.

Die Sage des Harzes, welcher später als die Rheinlande, wenn auch nicht so spät als das Vaterland der Edden, zum Christentum bekehrt wurde, und dessen Städte nur klein sind, trägt einen bäurischen Charakter. Daß ich ihr denselben zu erhalten suche, rechne ich mir zum Verdienste an. Einige »mündliche« Rheinsagen habe ich während meines einjährigen Aufenthaltes in der Rheinprovinz gesammelt: sie stehen in meinen »Deutschen Sagen« und sind im vorliegenden Buche nicht wiederholt, wohl aber in Trog, »Rheinlands Wunderhorn«, aus welchem ich andere Stücke als Material meinen Bearbeitungen zu Grunde zu legen nicht umhin konnte. Die Ufer des Rheines sind reich an alten und großen Städten: der Charakter der Rheinsage bildet einen Gegensatz zu dem der Harzsage. Ich will nicht mit einer wohlfeilen Redensart sagen: die Rheinsage ist international; aber obgleich ich sie nur bis Worms aufwärts vorführe, so sieht man doch aus diesem Buche, welches großartige Völkerleben in ihr erscheint. Die Geschichte und das Christentum überwiegen, Heldengedicht und Volksbuch suchten sie bereits zu gestalten, und die neueren Dichter schlossen sich unmittelbar an. Die »Rheinsagen« unseres unvergeßlichen Karl Simrock, von denen 1883 bei Julius Flittner in Bonn die neunte Auflage erschien, sind Gedichte Verschiedener, von denen außer Hermann Grieben vielleicht keiner mehr am Leben ist. In einer Jugendschrift ängstlicher zu Werke gehen, als diese Dichter, die als Hauptvertreter der Rheinsage dastehen, war nicht möglich. Wie ich Eginhard und Emma als »Novelle« bezeichnete, so habe ich auch in Genovefa erst die Verbindung zwischen Trier und der Umgegend des Laacher Sees hergestellt.

Unter den neueren Quellen in Prosa, die ich benutzte, fand ich außer bei Goethe (Rochusfest) die vollendetste Darstellung vor in dem Prachtwerke »Der Rhein. Von W.O. von Horn. Dritte Auflage. Wiesbaden, Niedner. 1881.« Andere Schriften, welche ich benutzte, waren Otto Lehmann's Rheinsagen, Hülle's Drachenfels und seine nächsten Umgebungen, dann »Der Drachenfels« (Bonn 1852), Schneegans' Beschreibung Kreuznach's und besonders der rheinische Antiquarius, sowie das sinnige Buch: Kölns Vorzeit von Weyden (1826). Die Legende von der heiligen Ursula erzählte ich nach Schade's Schrift, zu der ich selbst einst einen hier nicht wiederholten Beitrag gegeben hatte.

Alles in dieser Sammlung ist in verschiedener Weise, je nachdem die Quellen sind, aus Büchern bearbeitet. Die wissenschaftliche Sagenkunde dabei bereichert zu haben, behaupte ich nicht. Doch sind meines Wissens die Rheinsagen, die ich aus dem rheinischen Antiquarius unter den Überschriften »Die Hoacht« und »Die Überfahrt nach Remagen« mitteile, in der Sagenlitteratur als neu zu betrachten, ebenso vielleicht die aus den Schriften von Wegeler (1854) und Steinbach (1879 oder 1880) gezogenen Sagen der Gegend von Laach, wenn man dabei von Genovefa und von Schlegels Gedichte absieht. Nach Steinbach's beachtenswerter Bemerkung finden sich dort noch ungedruckte Sagen.

Die einzige im grunde sehr umfassende Sammlung von Rheinsagen, die ganz in Jakob Grimms Geiste veranstaltet ist, findet sich zusammenhangslos in J.W. Wolfs niederländischen, deutschen und hessischen Sagen, wo sie noch dazu jedesmal nicht topographisch, sondern nach mythologischen Gesichtspunkten geordnet und daher fast ganz übersehen sind. Ich schöpfte aus Wolfs niederländischen Sagen die beiden letzten meiner Sammlung, in denen Cleve genannt wird.

Wenn in obiger Aufführung der Quellen ein Schriftstellername übergangen ist, so bitte ich um Entschuldigung: es ist absichtslos geschehen. Ich habe den Umstand nicht unbenutzt gelassen, daß mir in Berlin sehr zahlreiche Druckschriften als Quellen für diese Arbeit zugänglich waren, da einerseits die königliche Bibliothek einen umfassenden Katalog über alle ihre Schriften aus der Rheinprovinz besitzt, andererseits die Universitätsbibliothek die Büchersammlung von Jakob und Wilhelm Grimm erworben hat. Manche Bücher, die auf meinem Arbeitstische lagen, enthielten handschriftliche Bemerkungen meines teuren Lehrers Jakob Grimm. Die Zeit, um diese Schätze für den mir von der Verlagsbuchhandlung gewordenen Auftrag auszubeuten, war allerdings etwas kurz; dafür trat ich aber auch nicht als Neuling an die Sache heran und war seit einem Menschenalter mit der Sagenlitteratur, seit meinem Aufenthalte in der Rheinprovinz mit der Rheinsage wohl bekannt.

Auf den hohen wissenschaftlichen Wert der in Berlin von mir benutzten Bücherquellen wird bei dieser Jugendschrift kein großes Gewicht gelegt werden können, eher aber darauf, daß ich die rheinischen Heldengedichte und Volksbücher ungefähr in der Weise meiner verstorbenen Freunde Ferdinand Bäßler und Karl Barthel bearbeitet und den Inhalt derselben am Rheine sehr zugänglich gemacht habe. Übrigens halte ich die Rheinsage, wie ich sie hier charakterisiert habe, für vorzugsweise geeignet, der deutschen Volkssage und der ganzen volkstümlichen Litteratur mehr und mehr Boden bei der Erziehung und dem Unterrichte der Jugend zu gewinnen und so manches Fremde wieder daraus zu verdrängen. Die Gedanken unserer Mädchen und Knaben bewegen sich gerade jetzt seit der Herstellung des deutschen Reiches weit mehr in dem Ideenkreise Schneewittchens und der Zwerge in den vaterländischen Gebirgen als in dem der Rothäute. Wie die Alten sungen, die bei Richard Wagners Opern dicht gedrängt vor der Bühne sitzen, so zwitschern auch die Jungen – und sie haben in diesem Falle vielleicht noch mehr recht als die Alten. Möge denn für Jung und Alt dies Buch mit den Rittergeschichten und mit den Legenden »Der Drachenfels und die Einführung des Christentums«, so wie mit den Kölnischen Legenden vom Bischof Hildebold und anderen eine willkommene Gabe sein!

Berlin, den 2. Oktober 1886.

Heinrich Pröhle.

Liebfrauenmilch.

Saßen All' auf dem Verdecke,

Fuhren stolz hinab den Rhein!

So singt ein neuerer deutscher Dichter. Bei seinen Worten sehen wir den Vater Rhein seine ganze Herrlichkeit vor uns entfalten. Die schöne Wasserstraße wird bei Worms zum Tummelplatze der größten Helden, von welchen das deutsche Lied singt. In dieser Gegend, wo das Rheingold uns im Strahl der Mittagsonne so schön entgegenblinkt, ist der Nibelungenschatz, der Nibelungenhort, in den Rhein versenkt worden. Wie uns die Reben anlachen von den Ufern des Rheins!

Es ist daher wohl zu glauben, daß hier zu Worms am Rheine einst Kaiser Max fröhlich in der Schar der Fürsten unter Trompetenklange sich am Weine gelabt, und daß dabei der Kurfürst von der Pfalz zu den anderen Fürsten gesprochen habe:

Ihr Herr'n, wer rühmt ein Erbe sein

Gleich mir? von meinen Höh'n ergießt

Aus vollem Borne sich der Wein,

Der Allen heut zur Labe fließt.

Wie herrlich ist's, von diesen Höh'n

Hinunter nach dem alten Rhein

Auf's fruchtgeschwellte Land zu sehn

Bei einem solchen Glase Wein!

Zu diesen Rebengeländen, die sich bei Worms dem Auge des Reisenden darbieten, gehört auch die Stelle, wo die Liebfrauenmilch wächst. Ueber den Namen dieses Weines erzählt die Sage Folgendes:

Ein Ritter lebte zu Worms in Saus und Braus. Er war zuletzt verarmt. In dem alten mittelalterlichen Gebäude, welches er von seinen Vorfahren ererbt hatte, saß er halb trunken und leerte die letzte Kanne Weins aus dem väterlichen Weinkeller. Da erschien gleichfalls in ritterlicher Kleidung ein geheimnisvoller Gast. Der Ritter von Worms bot ihm zu trinken an. Zugleich rühmte er den alten, schon von seinen Vorfahren aufgesparten Wein. Der Fremdling kostete, sagte aber, das sei noch nichts. Fern im Süden habe er weit von Worms einen Wein gefunden, der wie Feuer durch die Adern der Menschen rolle und mit dem sich der Wein in dieser Kanne noch immer nicht vergleichen könne. Da wurde der Ritter von Worms unruhig, denn er liebte den Wein gar sehr.

Als der Fremdling das bemerkte, sagte er, es könne wohl Rat werden, daß der Ritter auch von dem feurigen Weine kosten dürfe. Ja, er wolle ihm bei der Liebfrauenkirche einen ganzen Weinberg mit solchen Wunderreben hinzaubern, wenn er ihm seine Seele dafür verschreiben wolle. Dabei ließ er den Ritter seinen Pferdefuß sehen, denn der unheimliche Gast war in der That kein Anderer als der leibhaftige Teufel.

Mit Entzücken sah dann der verarmte Ritter auch schon die grünen Rebengelände an einem Berge unweit der Liebfrauenkirche, der bis dahin wüst gelegen hatte. Er war in diesem Augenblicke seiner selbst nicht mächtig und verschrieb ohne Zögern dem Teufel seine Seele.

Kaum war der Satan verschwunden, so eilte der Mann auf seinen Weinberg. Schon standen die Reben in der schönsten Blüte. Der Sommer aber wurde immer goldiger und heißer. Unter fröhlicher Musik konnte der Ritter im Herbst darauf schon die schönsten Trauben keltern. Als er den ersten Becher auf seinem Weinberge leerte, tönte ernst und feierlich das Geläut der Liebfrauenkirche zu ihm herüber. Da beschloß er, den köstlichen Wein, welchen er geerntet hatte, Liebfrauenmilch zu nennen, zu Ehren der Mutter Gottes, an deren Bilde er als Winzer täglich vorüber gegangen war.

Nach einem Jahre erschien der Teufel wieder bei dem Ritter, um seine Seele nun in Empfang zu nehmen. »Folge mir«, sagte er zu ihm, »denn Du hast nun einen schönen Jahrgang von dem Blute der Reben genossen, die ich Dir schenkte. Deine Freunde und Verwandten werden ihn nach Deinem Tode ungestört trinken; über sie habe ich keine Macht mehr, doch soll mir Deine Seele nicht entgehen. Wie nanntest Du den köstlichen Trank, den Du ihnen hinterlässest?« »Liebfrauenmilch«, antwortete der Ritter. Da verschwand der Teufel, denn die Nennung des Namens der heiligen Jungfrau hatte ihm die Macht über des Ritters Seele genommen. Er war gerettet und kelterte und trank bis an sein Ende mit seinen Freunden den lieblichen Wein Liebfrauenmilch.

Woher der Teufel diese Rebe genommen hat, erwähnt die Sage nicht. Nach anderen Geschichten und Sagen aber hat Worms schon in alter Zeit mit mehreren Weinländern, namentlich mit Italien und Palästina, in lebhafter Verbindung gestanden.

Die Nibelungen.

B Siegfried und Kriemhilde

Bei der Sage von den Nibelungen müssen wir längere Zeit verweilen. Man versteht unter den Nibelungen immer diejenigen, welche sich im Besitze des Nibelungenschatzes befinden. Nachdem ihn Siegfried dem Drachen und dem Zwerge Nibelung abgewonnen hat, ist dieser der eigentliche Nibelungenheld. Der höchste Glanz der Schönheit, der Jugend und der Kraft ist ihm eigen und geht sogar dauernd auf seine schon vorher hochgefeierte Gemahlin Kriemhilde über. Brunhilde dagegen hat bis zu ihrer Besiegung durch Siegfried selbst einen geheimnisvollen Anteil an dem Zauber der Nibelungen. Dieser Zauber weicht aber mehr und mehr von ihr, nachdem sie Gunther übergeben ist. Nach Siegfrieds Ermordung verschwindet Brunhilde mehr aus dem Heldengedicht der Nibelungen. Aber auch Kriemhild's Charakter verdunkelt sich allmählig nach Siegfried's Tode. Dagegen heben sich mehr und mehr die Burgunden und besonders Hagen zu großartigen und selbst etwas edleren Gestalten, nachdem sie durch Siegfried's Tod in den Besitz des Schatzes der Nibelungen gekommen sind. Nach Siegfried's Tode heißen sie daher eben so gut die Nibelungen, als Siegfried selbst.

Trotz aller Hoheit, allen Edelmutes und aller Liebenswürdigkeit wird Siegfried wegen eines nur geringen Vergehens, des gegen Brunhilde ausgeübten Betruges, von einem unerbittlichen Geschicke ereilt. Aber wie sehr wir auch Hagen's verruchte Handlung verabscheuen, so müssen wir doch von Anfang an gestehen, daß derselben kein Eigennutz, sondern nur die Königstreue des mittelalterlichen Vasallen zu Grunde liegt, aus welcher auch die erhabensten Handlungen in der Geschichte seiner Zeit hervorgehen. Besonders als er bereits den Tod aller Burgunden und auch seinen eigenen voraus weiß, zwingt er uns im Kampfe mit Kriemhilde und den Hunnen immer lebhaftere Bewunderung ab. Unvergleichlich sind daher die Worte, die er zu Kriemhild spricht:

»Du hast es nach Deinem Willen zu einem Ende gebracht

Und ist auch recht so ergangen als ich mir hatte gedacht.

Nun ist von Burgonden der edle König tot,

Giselher, der junge, und auch Gernot.

Den Schatz weiß nun Niemand außer Gott und ich.

Der sei, Du Teufelinne, allzeit verhohlen für Dich.«

Welch einen Abstand bildet diese Schilderung der Kriemhild am Hofe des Hunnenkönigs Etzel oder Attila mit der Schilderung der lieblichen Jungfrau Kriemhild am Königshofe der Burgonden zu Worms! Da wuchs sie heran als ein holdseliges, schüchternes Mägdelein. In allen Landen war nichts Schöneres als sie. Ohne Maßen herrlich war ihr edler Leib. Drei Könige, edel und reich, pflegten ihrer: Günther, Gernot und Giselher, der junge, denn die Jungfrau war ihre Schwester. Ihnen diente eine stolze Ritterschaft. Eine reiche Königin, Frau Ute, war ihre Mutter.

In ihrer stillen Abgeschiedenheit träumte Kriemhilden einst, sie habe einen wilden Falken gezogen manchen Tag, da wären zwei Adler gekommen und hätten ihn mit ihren Krallen zerdrückt. Sie erzählte den Traum ihrer Mutter Ute. Diese antwortete:

»Der Falke, den Du ziehest, das ist ein edler Mann,

Ihn wolle Gott behüten, daß er nicht mag verloren gah'n.«

Kriemhilde antwortete:

»Was sagt Ihr mir von Manne, vielliebe Mutter mein?

Ohne Recken-Minne will ich immer sein.

So schön will ich bleiben bis an meinen Tod,

Daß ich soll von Manne nimmer gewinnen keine Not.«

»Nun verrede es nicht zu sehre,« sprach ihre Mutter da.

»Sollst auf der Welt Du werden von Herzen fröhlich, ja,

Das geschieht von Mannes Minne. Du wirst ein schönes Weib,

Ob Dir Gott noch gesellet eines guten Ritters Leib.«

»Die Rede lasset bleiben,« sprach sie, »Fraue mein.

Es ward an manchen Weibern klar wie der Sonne Schein,

Wie Liebe mit Leide zuletzt noch lohnen kann.

So ich sie meide beide, nicht übel wird mir's ergah'n.«

Trotz dieser klugen Rede behielt jener Traum doch seine tiefe Bedeutung für Kriemhilden's ganzes Leben, denn schon war in den Niederlanden zu Santen eines reichen König's Sohn erwachsen, der ihr im Traume als Falke vor Augen stand. Sein Vater hieß Sigemund und seine Mutter Siglinde. Er war schon zum Helden heran gewachsen. Viele Länder hatte er bereits durchzogen. Seine riesenhafte Stärke und selbst seine Unverwundbarkeit war schon erprobt. Zu ihm an den Niederrhein war das Gerücht von Kriemhilden's Schönheit gedrungen. Siegfried wußte auch bereits, daß sie alle Freier abweise. Darum warnte ihn sein Vater Sigemund auch vor dem Gedanken, die stolze Königstochter von Burgund zu erwerben. Die Mutter Sigelinde weinte, als Siegfried sich dennoch zu dem kühnen Brautzuge von Santen nach Worms entschloß.

So zog er denn von dannen, herrlich ausgerüstet mit einem stattlichen Gefolge. Vor der Abreise gab ihm Sigemund ein siebentägiges Fest. Am siebenten Morgen nach dem Aufbruche von Santen ritten sie zu Worms ein. Alle ihre Gewande waren von rotem Golde, ihre Schilde neu, hell und breit. Die hochherzigen Ritter und Knechte an König Gunthers Hofe gingen zu den Herren aus Niederland, empfingen die Gäste und wollten deren Rosse in die Ställe ziehen. Siegfried, der Vielkühne, sprach: »Laßt mir und meinen Mannen die Rosse stehen, aber saget mir, wo ich den König finde, Gunther, den Vielreichen von Burgondenland.« Da sagte ihm Einer: »Suchet Ihr den König, den möget Ihr wohl finden. In jenem weiten Saale sah ich ihn bei seinen Helden stehn. Gehet nur hin, da werdet Ihr noch manchen herrlichen Mann kennen lernen.«

Aber auch dem Könige war es schon angesagt, daß die fremden Ritter gekommen waren, welche Niemand kannte in der Burgonden Land. Den König nahm es Wunder, von wannen die herrlichen Recken gekommen waren in so schöner Kleidung und mit so guten neuen und breiten Schilden. Es war Herr Ortwein von Metz, welcher dem Könige antwortete: »Da wir sie nicht kennen, so sollt Ihr meinen Oheim Hagen herbeirufen lassen. Dem sind kund die Reiche und alle die fremden Lande. Wenn er die Fremdlinge siehet, so wird er uns vielleicht auch über sie Auskunft geben können.«

Hagen war bald zur Stelle und blickte durch ein Fenster auf die fremden Gäste. Er erstaunte über ihre edle Haltung, mußte aber gestehen, daß er sie nicht kenne. Jedoch fügte er hinzu, daß er Siegfried nie gesehen habe und glauben müsse, dieser sei es mit seinem Gefolge. Nun stimmte er Siegfrieds Loblied an und erzählte seine Geschichte. Dem finsteren Geschlechte der Könige Nibelung und Schildung habe dieser den Nibelungenhort und das Schwert Balmung, dem Zwerge Alberich aber dabei die unsichtbar machende Tarn- oder Nebelkappe abgewonnen. Den Drachen oder Lindwurm, welcher mit dem Zwerge Nibelung den Schatz bewachte, habe er getötet. In dem Blute des Drachen habe er sich gebadet und dadurch eine Hornhaut erhalten, welche seinen Körper unverwundbar mache. Diesen jungen Recken müsse man auf's beste empfangen, um nicht seinen Zorn zu reizen und seinen Haß auf sich zu laden.

So geht denn König Gunther dem Siegfried, welcher sich aufgemacht hatte, ihn zu suchen, gar freundlich entgegen. Auf dem Königshofe werden ritterliche Spiele veranstaltet, bei welchen die hohe Siegfriedsgestalt allgemein bewundert wird. Auch Kriemhilde sieht dabei heimlich von ihrem Gemache aus auf ihn herab. Sie vergißt die kindlichen Gespielinnen ihrer Jugend und denkt nur noch an ihn. Aber die ernste Sitte der Zeit verbietet es ihr sogar, sich am Fenster nur zu zeigen. So vergeht ein Jahr, ohne daß Siegfried die Kriemhild erblickt hat.

Aber da kam eine neue Kunde aus der Fremde in Gunthers Land. Es erschienen Boten von Recken in der Ferne, die den König von Burgund haßten. Es war Liudger von Sachsen und auch König Liudgast von Dänemark. Die Boten sprachen zu Gunther:

»Liudgast und Liudger wollen Euch heimsuchen in Eurem Lande, Ihr habet ihren Zorn gereizet. Ihr sollet gewarnet sein. Viele der Degen werden ihnen helfen auf der Heerfahrt nach Worms am Rhein. Innerhalb zwölf Wochen wird die Reise geschehen. Nun könnet Ihr zeigen, ob Ihr Freunde habet, welche Euer Land und die Burgen zu sichern im Stande sind.«

Wie feind man den Boten auch war, so mußte ihrer doch zu Worms auf das Beste gepflegt werden. Zu König Gunther kamen die Edelsten von denen, so man zu Worms fand. Aber selbst Hagen von Tronje war solchem Uebermute gegenüber verlegen. Nicht so Siegfried, der edle Gast am Hofe, der zuletzt ins Vertrauen gezogen wurde. Die Boten Liudger's begaben sich endlich wieder zu Gunther. Da bot ihnen reiche Gabe der gute König und sicheres Geleit. Er ließ den Sachsen und den Dänen raten, zu Hause zu bleiben. Wenn sie aber auszögen, so sollten sie Arbeit finden. Diese wurde jedoch später von Siegfried fast allein gethan. Er zog mit den Burgonden den Feinden entgegen und nahm Liudgast, den König der Dänen, gefangen. Auch unterwarf er den König von Sachsen und der Krieg war zu Ende.

Es wurden Boten gesandt vom Heere an den Rhein nach Worms. Kriemhilde wollte dieselben ausforschen über die Tapferkeit ihrer Brüder. Als diese Boten aber von selbst besonders Siegfried's Heldenthaten zu erzählen anfingen, wurde ihr Antlitz rosenrot vor Freude und sie schenkte den Boten zehn Mark Goldes, sowie reiche Kleider. Von der Zinne der Burg zu Worms aus sah sie die Heimkehr des siegreichen Heeres. Es wurden aber für Siegfried von den Burgonden zu Pfingsten reiche Festlichkeiten veranstaltet.

Da hieß der reiche König Gunther hundert seiner Mannen mit seiner Schwester gehen, auf daß sie ihr dienen sollten. Von einer Kemenate, d.h. aus einem Gemach oder einer Kammer, sah man sie hervorgehen. Viele Helden drängten sich danach, die edle Magd Kriemhilde fröhlich einherschreiten zu sehen. Minniglich aber trat sie daher wie die Morgenröte aus trüben Wolken. Mancher, der sie so herrlich schreiten sah, vergaß der Not und der Trauer, die er lange im Herzen getragen hatte. Von ihrer Kleidung leuchtete manch edler Stein. Von ihren Wangen glänzte die rosenrote Farbe gar minniglich. Selbst der, dem jeder Wunsch gelungen wäre, hätte nicht sagen können, daß er auf dieser Welt schon etwas Schöneres gesehen habe. Wie der lichte Mond den Sternen voransteht, so stand sie den anderen Frauen voran.

Siegfried war bei ihrem Anblicke im Herzen bald fröhlich und bald traurig. Er hielt es für einen blöden Wahn, daß Kriemhilde jemals die Seine werden könne. Sie aber grüßte ihn, als sie ihn vor sich stehen sah. Da entzündete sich die Farbe seines Gesichtes. Mit sehnsuchtsvollen Blicken sahen sie einander an. Nicht größere Freude hätte er in jenen Maientagen gewinnen können, als da sie ihm an der Hand ging, die er als seine Traute begehrte. Niemals diente ein Recke besser um eine Königstochter. Mannig Weib folgete ihr, da sie zu dem Münster ging, und sie schien manchem Recken zur Augenweide geboren zu sein. Aber kaum vermochte Siegfried so lange zu warten, bis man die Messe sang. Als sie nach der Messe aus dem Münster kam, sah man den kühnen Degen wieder zu der Jungfrau gehen. Ihr Herz war voll Dankes für die Treue, die Siegfried ihren Brüdern bewiesen hatte. War doch der Königssohn aus den Niederlanden wie ein Lehnsmann König Gunthers gegen dessen Feinde ausgezogen.

Endlich beurlaubten sich die meisten Gäste bei Frau Ute und Kriemhilde. Die Herbergen wurden leer und die Ritter zogen von dannen. Auch Siegfried wollte aufbrechen. Aber Giselher, der junge, sprach: »Ich bitte Euch, bleibet bei den Recken, bei König Gunther und seinen Mannen. Hier zu Worms sind viel schöne Frauen, die man Euch sehen lassen soll.« Da sprach der starke Siegfried: »So lasset die Rosse stahn.« Seit dieser Zeit ist es geschehen, daß er täglich die schöne Kriemhilde sah. Aber noch war seine Liebe aussichtslos, denn die Macht König Gunthers war zu groß und Worms stand durch seine höfischen Sitten allen andern Höfen in der Christenheit weit voran. Da kam eine neue Märe auf am Rheine, welche Siegfrieds Lage zu Worms auf's neue veränderte.

Es war eine Königin gesessen über der See, in Island. Keine mehr glich ihr. Sie war über die Maßen schön, und gewaltig war ihre Kraft. Keinem Manne wollte sie ihre Hand als Gattin reichen, der ihr nicht im Speerwerfen, im Steinschleudern und im Springen den Sieg abgewonnen hätte. Wer sie aber zu diesen Wettspielen aufforderte, und sie nicht überwand, dem kostete es das Leben. So war es schon Vielen ergangen. Da sprach Gunther, der Vogt vom Rhein: »Ich will über die See, hin zu Brunhilden.« Siegfried wiederriet das. Seine Heimat lag ja dem Königsitze der Brunhilde etwas näher, als Gunthers Hauptstadt Worms. So war Siegfried über Brunhilde schon mehr unterrichtet, als die Burgonden. Auch kannte er die Wege auf dem Rheine hinab ganz genau, denn dahin lagen die Niederlande, wo sein Vater König war. Selbst der Ocean nordöstlich von den Niederlanden schien ihm nicht unbekannt zu sein. Als daher König Gunther von seinem Plane, die stolze Brunhild als Gemahlin nach Worms heimzuführen, nicht abzubringen war, begleitete ihn Siegfried. Dabei mußte er vor Brunhilde als Lehnsmann König Gunthers gelten. Nur dadurch konnte in Brunhilden's Herzen der Gedanke unterdrückt werden, mit Siegfried zu kämpfen und, nachdem sie sich ihm im Kampfe ergeben haben würde, ihm ihr Reich mit ihrer Hand zu übergeben. Ihr Land aber mag man sich als ein verzaubertes Königreich denken, von welchem freilich später, nachdem der Zauber gleichsam durch ihre Besiegung gelöst ist, fast garnicht mehr gesprochen wird. Damit nun aber von der Erwerbung der Brunhilde für Siegfried unter allen Umständen nicht die Rede sein darf, so verspricht der mächtige König der Burgonden Siglinden's Sohne die Hand seiner Schwester Kriemhilde für den Fall, daß Gunther durch Siegfried die Brunhilde gewinnt. Die Liebe zu Siegfried kann in Brunhilden's Busen nicht erwachen nach dem Geiste jener altertümlichen Zeiten, sobald Siegfried nicht selbst schon durch seine Geburt Ansprüche auf ein königliches Erbe erheben kann. Um so vornehmer erscheint Siegfried in seiner nur scheinbar angenommenen Knechtschaft.

Bei seiner und ihres Bruders Abreise ist Kriemhilde in Thränen ausgebrochen. König Gunther greift selbst zur Ruderstange, weil Siegfried stromabwärts als Wegweiser dienen kann und dadurch, daß er wohl steuert, aber nicht rudert, geehrt werden soll. Nach zwölftägiger Fahrt kamen sie an dem Hoflager der Brunhilde zu Isenstein an. Da ragten am Meeresstrande sechsundachtzig Türme empor in umheimlicher Pracht. Drei Paläste und einen Herrensaal, die alle von grünem Marmor erbaut waren, schlossen sie ein. Weder das Land noch seine stolze Beherrscherin ist Siegfried unbekannt. Aber er selbst stellt sich ihr jetzt als König Gunthers Dienstmann vor. Die Bewerbung desselben wird ihr angekündigt. Als Hagen, der sich gleichfalls in Gunthers Gefolge befindet, die Waffen sieht, deren sich Brunhilde im Wettkampf mit dem Freier bedienen will, ruft er aus, Brunhilde müsse des Teufels Braut sein.

Aber auch hier schafft Siegfried Rat. Schon in Worms hat er Alles wohl überlegt. Er führte die Tarnkappe mit sich, welche er einst dem Zwerge Alberich abgenommen hatte. Sobald er sie aufsetzte, war er nicht allein unsichtbar, sondern hatte auch für sich allein die Stärke von zwölf Männern. Brunhilde, welche die übernatürlichen Kräfte einer Walküre oder Schwanenjungfrau besaß, schleuderte zuerst gegen Gunthers Schild den Spieß, den kaum drei ihrer Mannen hatten herbei tragen können. Gunther zagte. Aber Siegfried stand ihm in der Tarnkappe unsichtbar zur Seite. So nahm Siglindens Sohn den Speer und warf ihn zurück gegen Brunhildens Schild, daß diese von der Erschütterung niederfiel. Da griff sie zu dem Stein, den kaum zwölf der kühnen Helden tragen konnten. Den warf sie jedesmal im Streite mit den Freiern, nachdem sie den Spieß verschossen hatte. Wiederum würde Gunther unterlegen sein, wäre ihm Siegfried nicht unsichtbar zur Hülfe gekommen. Weit schleuderte Brunhilde den Stein hinweg und sprang ihm nach, daß laut ihr Eisengewand ertönte. Allein sowie der Stein niederfiel, ergriff ihn Siegfried und warf ihn über Brunhilde hinweg. Den König Gunther trug er unter den Armen. Mit ihm aber sprang er noch weiter als die streitende Jungfrau gesprungen war. Siegfrieds Anwesenheit war unbemerkt geblieben. König Gunther hatte gesiegt, Brunhilde wurde sein Weib und übergab ihm ihr ganzes Reich.

Siegfried zieht nun nach Worms voraus und verkündigt dort die Verlobung Gunthers und Brunhildens. Auf dieser Reise besucht er auch das Land der Nibelungen wieder. Als Gunther und Brunhilde in Worms ankommen, erinnert Siegfried den König Gunther an das Versprechen, ihm Kriemhilde zu vermählen, welches er ihm vor der Reise nach Island gegeben hat. Gunther redet nun mit Kriemhilde und trotz aller Schamhaftigkeit bekennt sie ihm ihre Liebe zu Siegfried. Beide werden nun gleichfalls miteinander verlobt. Vor all den Helden umarmt und küßt er sie und eine doppelte Hochzeit wird gefeiert.

Aber schon beim Hochzeitsmahle sitzt Brunhilde finster da, und ihre großen Thränen fallen in den vor ihr stehenden Pokal mit dem edlen Saft der burgundischen Rebe. Gunther muß sie ausforschen über ihren Kummer. Da giebt sie vor, daß sie über Kriemhilde weine, weil diese einem eigenen Manne, einem Vasallen Gunthers, vermählt werde. In Wahrheit aber weinte das wilde Weib, weil sie Kriemhilde um Siegfried beneidete. Gunther mußte sie beruhigen, indem er ihr von dem Ansehen und von den Reichtümern Siegfrieds erzählte, der über ein fernes Land gesetzt werde, wenn er allerdings auch nur sein Vasall sei. Das Letztere mußte er der Wahrheit entgegen wiederholen. Die böse Frau hätte ja sonst darüber nachsinnen müssen, weshalb Siegfried vor ihr in ihrem Königreiche erschienen sei, ohne selbst um sie zu werben. Ja, sie wäre noch entschlossen gewesen, sich mit Siegfried zu verbinden, wenn sie seine Abkunft aus königlichem Geblüte erfahren hätte.

Mit solchen bösen Gedanken in Brunhildens Herzen hing es sogar zusammen, daß sie Gunther noch immer nicht als ihren Ehemann anerkannte. In der Nacht nach der Hochzeit band sie ihrem Gatten mit ihrem Gürtel Hände und Füße zusammen und hängte ihn so zum Gespött an einem Nagel in der Kammer auf. Erst auf vieles Bitten wurde er noch während der Nacht aus seiner schlimmen Lage wieder befreit. Da mußte Gunther andern Tages wieder seine Zuflucht zu Siegfrieds bewährter Hülfe nehmen. Derselbe ging in der folgenden Nacht in der Tarnkappe zu ihr. In Gunthers Namen überwand er sie zum zweiten Male und vollständiger als das erste Mal. Ohne daß sie es bemerkte, zog er ihr dabei einen Ring ab und nahm ihr den kostbaren Gürtel. Damit entfernte sich Siegfried in der Tarnkappe. Von dieser Zeit an ergab sich Brunhilde auch dem Gunther und ihre fast noch heidnische Wildheit verlor sich mehr und mehr.

Als alle Hochzeitsgäste den burgondischen Königssohn verlassen hatten, zog auch Siegfried heim mit Kriemhilde in das Nibelungenland.

Ein Sohn, den Kriemhilde bekam, wurde Gunther genannt. Gunthers Sohn von Brunhilde aber hieß Siegfried. Brunhilde aber dachte: »Wie träget doch meine Schwägerin Kriemhilde so hoch ihr Haupt! Siegfried, ihr Gemahl, ist doch unser Lehnsmann, aber er hat uns seither wenig Dienste gethan. Woher mag es kommen, daß er sich um unsern Hof garnicht zu kümmern braucht?« Nun heuchelte sie gegen den König eine Sehnsucht, ihre Schwägerin zu sehen. Anfangs sagte Gunther: »Wie sollten wir sie herbringen in dieses Land? Ich darf ihnen nicht gebieten zu kommen, sie sitzen uns zu fern.« Da antwortete Brunhilde: »Wie vornehm und reich auch der einem Könige eigene Mann wäre, so sollte er doch das nicht unterlassen zu thun, was ihm sein Herr geböte. Darum, mein Gemahl, hilf mir, daß Siegfried und die Schwester Dein hierher zu Lande kommen. Es könnte mir wahrlich nichts Lieberes geschehen.« Da sandte Gunther Recken nach Nibelungenland, sie sollten bitten, daß die Beiden nach Worms an den Rhein kämen.

Nach drei Wochen zogen sie in das Land ein. Sie fanden Siegfried, den edlen Degen, zu Norwegen in seiner Mark. Als Kriemhilde hörte, es seien Ritter kommen, sie trügen solche Kleider, wie man sie im Lande der Burgonden von Alters her zu tragen pflegte, da sprang sie von einem Ruhebette empor, auf welchem sie lag. Da bat sie eine Magd zu einem Fenster zu gehen. Diese erblickte den kühnen Gero, der mit seinen Gesellen auf dem Hofe stand. Im Herzeleid ihres Heimwehs war Kriemhilde darüber hoch erfreut. Sie sprach zu dem Könige Siegfried: »Sehet Ihr die mit dem starken Gero auf dem Hofe schreiten, die uns mein Bruder Gunther den Rhein hinabgesandt hat?« Da sprach Siegfried: »Die sollen uns willkommen sein.« Das Gesinde lief zusammen, wo man sie sah. Gero und seine Mannen wurden geherberget. Sie gingen dahin, wo Siegfried bei Kriemhilde saß. Sie wurden sogleich zum Sitzen genötigt, aber Gero sprach: »Lasset uns wegemüde Gäste so lange stehen, bis wir die Botschaft angebracht haben. Gunther und Brunhilde, Frau Ute und Herr Gernot und Giselher der junge sind in allen Tugenden so recht hochgemut und laden Euch zu einem Feste an den Rhein. Wenn der Winter ein Ende genommen haben wird, so wollen sie Euch vor der Sonnenwende sehen.« Anfänglich machte Siegfried Einwendungen. Aber der Markgraf Gero war ein Verwandter Kriemhildens und sagte, er müsse täglich die Mutter Ute klagen hören, daß ihre Tochter Kriemhilde ihr so ferne sei. Die Reise ward beschlossen. Siegfrieds Hofleute rieten ihm, mit tausend Recken zu reiten am Rheine hinauf zu Burgund. Sein Herr Vater begleitete ihn.

Als die Nachricht nach Worms gelangte, daß die Nibelungen kommen würden, waren die Mannen der drei Könige Gunther, Gernot und Giselher von früh bis spät beschäftigt. Mancher begann sogleich zu reiten, Truchsessen und Schenken richteten die Bänke her, wobei ihnen auch Ortwin von Metz half. Rumold, der Küchenmeister, tummelte da seine Untergebenen. Da fand man manchen Kessel, Hafen und auch Pfannen. So sorgte man, daß es bei Ankunft der erwarteten Gäste an Speise nicht fehlte. Als diese dann kamen, wurden sie von den Posaunen gar kräftig begrüßt. Der Schall der Trommeln und Flöten war so groß, daß das weite Worms davon laut ertönte. Ueberall ritten die hochgemuten Helden zu Rosse. Da erhub sich in dem Lande das hohe Ritterspiel von manchem guten Recken. Die herrlichen Frauen saßen in den Fensternischen und blickten zur Kurzweil auf die Kampfspiele der kühnen Mannen. Da hörten sie alle die Messe, bei welcher der Gesang in jenen Zeiten des Ueberganges vom Heidentume zum Christentume noch etwas wirr ertönte. Denn es liefen bei solchen Gelegenheiten auch wohl die Heiden mit in die Messe, und, wie es im Nibelungenliede heißt: »Christen und Heiden sangen nicht in eins.«

Vor einer Vesper wurde auch ein Ritterspiel gehalten. Da saßen die beiden Königinnen zusammen. Da sprach die schöne Kriemhild: »Fürwahr, ich habe einen Mann, dem alle diese Reiche unterthan sein sollten.« Da entgegnete Frau Brunhilde: »Wie könnte das wohl geschehen? Freilich, wenn Niemand lebte als Ihr Beide! Aber so lange Gunther lebt, kann es doch nicht sein.« Hierauf begann aber Kriemhilde: »Siehst Du, wie er dasteht, und wie er so herrlich vor den Recken herschreitet! Soll mir davon nicht mein Herz fröhlich werden?« »Nun,« warf Brunhilde dagegen ein, »wie stattlich auch Dein Mann sein mag, so sollst Du doch Gunther, dem edlen Bruder Dein, den Rang über ihn und alle Könige zugestehen.« Kriemhilde antwortete: »Mein Mann ist Gunthers Genosse und ihm ebenbürtig.« »Als Gunther meine Minne gewann,« entgegnete Brunhild hierauf, »hat Siegfried bekannt, daß er nur dessen Vasall wäre.« »O«, rief Kriemhilde, »das wäre schlimm für mich, wie würden wohl meine edlen Brüder jemals einem Lehnsmanne mich als Ehefrau übergeben haben? Ich muß Dich freundlich bitten, Brunhilde, daß Du solche Rede unterwegs lässest.« »Ich mag aber auf unsere Lehnsleute nicht verzichten,« schrie Brunhilde. »Siegfrieds Dienste wirst Du doch entbehren müssen,« sprach Kriemhilde. »Mich nimmt es nur Wunder, wenn wir Beide Deine eigenen Leute sind, daß Du so lange keinen Zins von uns bekommen hast. Darum sollst Du noch heute erkennen, daß ich edelfrei bin. Noch heute sollst Du schauen, wie Deine Vasallin zu Hofe gehet mit den Helden in Burgondenland. Höher will ich gelten, als jede andere Königstochter, die hier die Krone trug.« »Willst Du nicht eigen sein,« sprach Frau Brunhilde, »so mußt Du Dich scheiden mit Deinen Frauen von meinem Ingesinde, wenn wir zum Münster schreiten.« »Das soll gewiß geschehen,« sprach Kriemhilde. Zu ihren Jungfrauen sprach sie dann: »So Ihr ein reiches Kleid besitzet, so leget es nun an. Sie soll zurücknehmen, was sie mir heute vorgeworfen hat.« So ging des edlen Siegfrieds Weib mit ihren Frauen dahin. Aber auch die schöne Brunhilde war wohl gezieret. Sie kam mit dreiundvierzig Frauen, welche sie von Island mit an den Rhein gebracht hatte. Die trugen Zeuge von lichtem Scheine aus Arabia.

So kamen die schönen Frauen jede mit ihrem Zuge vor dem Münster an, wo die Männer ihrer freudig harrten. Die Leute nahm es Wunder, daß man sie so geschieden sah. Aber schon hieß Brunhilde die Kriemhilde still stahn, weil niemals eigene Leute vor Königes Weibe hergehen dürften. Da hielt die schöne Kriemhilde zornig der Schwägerin vor, daß sie zweimal von Siegfried überwunden sei. »Wohin waren Deine Sinne gekommen?« sprach sie, »es war ein arger Betrug.« »Wahrlich,« sagte da Brunhilde, »darüber will ich mit Gunther sprechen.« »Sieh«, rief Kriemhilde, »Dein Uebermut hat Dich betrogen. Aber Du hast es zu arg gemacht, da Du in mir nur Deine Vasallin sahst. Zu getreuer Freundschaft mit Dir bin ich nun nicht mehr bereit.«

Da weinte Brunhilde. Kriemhilde aber wartete nicht länger und ging vor des Königes Weibe mit ihrem Ingesinde in das Münster. Es dauerte Brunhilde zu lange, wie man dort Gott dienete und sang. Bevor der Gottesdienst zu Ende war, stellte sie sich mit ihren Frauen vor dem Dome auf, um noch mehr zu erfahren, dessen sich Siegfried unvorsichtigerweise gegen Kriemhild gerühmt hatte. Als Brunhilde aber sie deswegen beim Heraustreten aus dem Münster befragen wollte, sagte diese, sie möge sie nur lieber gehen lassen. Sie zeigte ihr jedoch einen goldenen Ring, welchen Siegfried Brunhilden, als er sie überwand, abgezogen hatte. Er hatte ihn getreulich der Gattin gebracht. Brunhilde rief, der Ring sei ihr geraubt worden. Aber Kriemhilde erbot sich auch mit dem Gürtel, den sie trug, die Wahrheit dessen, was sie gesagt hatte, zu beweisen. Denn auch der Gürtel aus Seide von Ninive, mit welchem Brunhilde einst König Gunther gebunden hatte, war ihr von Siegfried im Ringen abgenommen worden. Brunhilde rief nun nach dem Könige und verklagte seine Schwester bei ihm. Als derselbe mit Siegfried nachher über den Vorfall verhandelte, sagte dieser sehr weise: »Man soll die Frauen so ziehen, daß sie üppige Sprüche unterwegs lassen. Verbiete es Deiner Frau, der meinigen will ich ebenso thun. Wahrlich, ich schäme mich solch redseligen Uebermutes.«